Gerichtliches Klavierspielverbot an Sonn- und Feiertagen
Gericht
BayObLG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
12. 10. 1995
Aktenzeichen
2Z BR 55/95
Musizieren auf drei Stunden täglich zu beschränken stellt einen rechtlich vertretbaren Interessenausgleich zwischen den beteiligten Wohnungseigentümern dar. Ein gänzliches Musizierverbot an Sonn- und Feiertagen hingegen ist rechtlich bedenklich.
Die Ast. und die Ag. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus zwei aneinander gebauten Häusern (Doppelhaushälften) in einer ländlichen Gegend besteht. Der inzwischen volljährige Sohn der Ag. spielt regelmäßig und lange auf dem Klavier; er beabsichtigt, das Klavierspiel auf der Musikhochschule zu studieren. Die Ast. fühlt sich durch das Klavierspiel in ihrer Ruhe gestört. Sie hat vor dem AG zuletzt beantragt, den Ag. unter Androhung eines angemessenen Ordnungsgelds zu untersagen, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen überhaupt und an den übrigen Tagen der Woche länger als eine Stunde Klavier zu spielen oder das Klavierspiel ihres Sohnes zu dulden und dadurch die Ast. in der Nutzung ihrer Wohnung zu stören. Die Ag. sind dem Antrag entgegengetreten; sie verweisen auf umfangreiche schalldämmende Maßnahmen in ihrer Wohnung, die eine Ruhestörung der Ast. ausschlössen.
Das AG hat, nach Einholung eines schalltechnischen Gutachtens, den Ag. bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 1000 DM, ersatzweise von Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, an Sonn- und Feiertagen überhaupt und an Werktagen zwischen 22 Uhr und 7 Uhr sowie zwischen 12.30 Uhr und 15 Uhr Klavier zu spielen oder das Klavierspiel ihres Sohnes zu dulden; innerhalb der erlaubten Zeiten hat es das Klavierspiel auf drei Stunden täglich beschränkt. Den weitergehenden Antrag hat das AG abgewiesen. Nach Fristversäumung zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat das LG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde der Ag. verworfen. Die sofortige weitere Beschwerde hatte hinsichtlich der Wiedereinsetzung Erfolg und führte zu Hinweisen des Senats für das weitere Verfahren.
3. Der Senat weist aber für das weitere Verfahren darauf hin, daß die zeitliche Beschränkung des Musizierens auf drei Stunden täglich außerhalb der allgemeinen Ruhezeiten grundsätzlich einen rechtlich vertretbaren Interessenausgleich zwischen den Rechten und Pflichten der Bet., wie sie in den §§ 13 I , 14 Nr. 1 WEG geregelt sind, darstellt (vgl. BayObLGZ 1985, 104 = NJW 1985, 2138 L; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 500 = OLGZ 1986, 167; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1988, 61; OLG Zweibrücken, WE 1990, 213). Der Anspruch richtet sich, auch soweit es um das Klavierspiel des inzwischen volljährigen Sohnes geht, gegen die Ag., da sie als Wohnungseigentümer und Zustandsstörer in der Lage sind, ein gegen die Einschränkungen verstoßendes Klavierspiel zu unterbinden. Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings das vollständige Verbot des Klavierspiels an Sonn- und Feiertagen (vgl. OLG Hamm, NJW 1981, 465). Es ist nicht Voraussetzung für die Untersagung, daß das Klavierspiel in der Wohnung der Ast. deutlich zu hören ist, es muß aber doch einwandfrei wahrnehmbar sein, denn eine ganz unerhebliche Beeinträchtigung bleibt im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG (vgl. auch § 906 I 1 BGB) außer Betracht (Bärman/Pick, WEG, 6. Aufl., § 14 Rdnr. 35 m.w. Nachw.).
Ein Musizieren, das außerhalb der Wohnung überhaupt nicht zu hören ist, kann ohnehin nicht untersagt werden.
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