Beschränkung des Musizierens „auf Zimmerlautstärke“ durch Hausordnung

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

23. 08. 2001


Aktenzeichen

2 Z BR 96/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine auf Grund Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung vom Verwalter aufgestellte Hausordnung steht unter dem Vorbehalt einer Änderung durch die Wohnungseigentümer oder das Wohnungseigentumsgericht. Bis zu einer Änderung ist sie für alle Wohnungseigentümer verbindlich.

  2. Die Beschränkung des Musizierens in der Hausordnung auf Zimmerlautstärke, also so, dass das Musizieren in anderen Wohnungen nicht zu hören ist, kann dem völligen Ausschluss eines Musizierens gleichkommen. Ein solcher Ausschluss ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn er nicht in einer Vereinbarung enthalten ist; nichtig ist er aber nicht. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer kann das Musizieren über Zimmerlautstärke in der Hausordnung nur in engen zeitlichen Grenzen zugelassen werden.

  3. Einem auf die Hausordnung gestützten Antrag auf Unterlassung des Musizierens über Zimmerlautstärke kann nicht der Anspruch auf Änderung der Hausordnung dahin entgegengehalten werden, dass Musizieren in bestimmten zeitlichen Grenzen zulässig ist.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast., die Ag. und die weiteren Bet. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Ag. und ihrem Ehemann gehört die über der Wohnung der Ast. liegende Wohnung. Die Ag. spielt gelegentlich in ihrer Wohnung Klavier. Das Klavierspiel ist in der Wohnung der Ast. deutlich zu hören. In der Gemeinschaftsordnung (GO) heißt es:

§ 5a.Die Benutzung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums kann durch eine vom Verwalter aufgestellte Hausordnung geregelt werden. Änderungen der Hausordnung werden vom Verwalter vorgenommen. Die Bestimmungen der Hausordnung können durch die Versammlung der Wohnungseigentümer mit einfacher Stimmenmehrheit geändert werden.

In der vom Verwalter aufgestellten Hausordnung heißt es:

10.Jeder ruhestörende Lärm ist zu unterlassen. Die Mittagsruhe von 12 Uhr bis 15 Uhr muss gewahrt bleiben. Besondere Rücksicht ist beim Musizieren und beim Betrieb von Plattenspielern, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Elektrogeräten (Staubsauger) zu üben. Zimmerlautstärke darf auf keinen Fall überschritten werden. Insbesondere ist darauf in der Zeit von 12 Uhr bis 15 Uhr zu achten, ebenso von 22 Uhr bis 7 Uhr. Die Benutzung von Lautsprechern und Musikinstrumenten auf den Balkonen oder an offenen Fenstern ist untersagt.

Die Ast. hat beantragt, die Ag. zur Unterlassung des Klavierspiels über Zimmerlautstärke in ihrer Wohnung zu verpflichten und ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsmittel anzudrohen.

Das AG hat den Antrag abgewiesen. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Das weitere Rechtsmittel hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

II. 2. a) Zu einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung, die jeder Wohnungseigentümer verlangen kann (§ 21 IV WEG), gehört auch die Aufstellung einer Hausordnung (§ 21 V Nr. 1 WEG). Die Gemeinschaftsordnung kann vorsehen, dass die Hausordnung vom Verwalter aufgestellt wird. In diesem Fall ist die vom Verwalter aufgestellte Hausordnung für alle Wohnungseigentümer in gleicher Weise verbindlich wie eine von den Wohnungseigentümern durch Mehrheitsbeschluss getroffene Regelung. Wie eine solche steht auch die vom Verwalter aufgestellte Hausordnung unter dem Vorbehalt einer Änderung durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer oder gerichtliche Entscheidung (BayObLGZ 1991, 421 [422f.] = NJW-RR 1992, 343 m.w. Nachw.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8.Aufl., §321 Rdnr. 94).

b) Die nach diesen Grundsätzen in zulässiger Weise vom Verwalter aufgestellte Hausordnung bestimmt, dass beim Musizieren Zimmerlautstärke auf keinen Fall überschritten werden darf, und zwar auch nicht außerhalb der in der Hausordnung festgelegten allgemeinen Ruhezeiten. Unter Musizieren über Zimmerlautstärke ist ein Musizieren zu verstehen, das in anderen Wohnungen zu hören ist, also zu einer Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer führen kann. In welchem Umfang Beeinträchtigungen hinzunehmen sind, bestimmt § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Räumen nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. In diesem Rahmen hat sich grundsätzlich auch eine Gebrauchsregelung in der Hausordnung zu halten (BayObLGZ 1985, 104 [108] = NJW 1985, 2138 L); im Übrigen muss sie unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Sondereigentums den Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen (vgl. § 15 II, III WEG).

Musizieren, das außerhalb der eigenen Wohnung nicht zu hören ist, kann grundsätzlich nicht durch Gebrauchsregelungen beschränkt werden, weil durch ein solches Musizieren kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird (BGHZ 139, 288 [294] = NJW 1985, 2138 L). Jeder Wohnungseigentümer kann nämlich sein Sondereigentum nach Belieben nutzen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 13 I WEG). Klavierspielen ist aber in aller Regel nicht möglich, ohne dass dies in anderen Wohnungen gehört wird.

c) Nach allgemeiner Meinung kann durch eine Hausordnung, jedenfalls dann, wenn diese nicht in einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gem. § 15 I WEG enthalten ist, Musizieren in der eigenen Wohnung nicht völlig untersagt werden. Die dadurch für andere Wohnungseigentümer gegebene Beeinträchtigung ist grundsätzlich als i.S. des § 14 Nr. 1 WEG bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich anzusehen (BGHZ 139, 288 [293] = NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955; OLG Hamm, NJW 1981, 465; Bärmann/Pick/Merle, § 21 Rdnr. 106; Weitnauer/Lücke, WEG, 8.Aufl., § 15 Rdnrn. 17f.; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 21 WEG Rdnr. 130). Das Verbot, über Zimmerlautstärke zu musizieren, ist danach, weil es im Ergebnis ein Musizieren völlig ausschließt, nicht als zulässig anzusehen (a.M. Bärmann/Pick/Merle, § 15 Rdnr. 9). Andererseits sind die vom Musizieren ausgehenden Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG nur dann als unvermeidlich hinzunehmen, wenn sie sich in engen zeitlichen Grenzen halten. Denn die Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer durch das Musizieren schränkt diese in dem Gebrauch ihres Sondereigentums ein (BayObLGZ 1985, 104 [108] = NJW 1985, 2138 L).

d) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die in der Hausordnung aufgestellte Beschränkung des Musizierens auf Zimmerlautstärke im Ergebnis einem Verbot des Klavierspiels gleichkommt. Gleichwohl ist die Hausordnung verbindlich, weil die Regelung jedenfalls nicht nichtig ist (Bärmann/Pick/Merle, § 21 Rdnr. 106; Weitnauer/Hauger, § 15 Rdnr. 17). Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des OLG Hamm vom 10. 11. 1980 (NJW 1981, 461), weil die Ag. ihr Wohnungseigentum erst erworben hat, als die Hausordnung bereits aufgestellt war. Die Ast. kann damit, gestützt auf die Hausordnung, von der Ast. verlangen, dass diese Klavierspielen über Zimmerlautstärke unterlässt. Eine andere Frage ist, ob die Ag. im Hinblick auf ihren Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 IV WEG) eine Änderung der Hausordnung dahin verlangen kann, dass das Klavierspiel jedenfalls in dem von ihr gepflogenen Umfang erlaubt ist. Diese Frage ist zu bejahen.

Die Ast. hat vorgetragen, die Ag. spiele öfter in ihrer Wohnung Klavier; zum Beispiel habe sie am 23. und 24. 11. 2000 von 17.15 Uhr bis 18 Uhr und am 3. 12. 2000 von 11.30 Uhr bis 12 Uhr gespielt. Die Ag. ist dem Sachvortrag der Ag., sie spiele höchstens jeweils eine Stunde an einigen Tagen in der Woche außerhalb der üblichen Ruhezeiten Klavier, nicht entgegengetreten. In dem damit abgesteckten Rahmen kann das mit einer Beeinträchtigung der Ast. verbundene Musizieren der Ag. in der Hausordnung nicht untersagt werden. Hinzu kommt, dass die Ag. wiederholt angeboten hat, sich mit der Ast. auf bestimmte Zeiten zu verständigen, in denen sie spielt. Die Ast. hat in der mündlichen Verhandlung beim AG jedoch jede irgendwie geartete Einigung ausgeschlossen.

Der damit gegebene Anspruch der Ag. auf Änderung der Hausordnung kann dem Unterlassungsanspruch der Ast. allerdings nicht entgegengehalten werden (BayObLG, WuM 1996, 297; NZM 1998, 813). Solange die Hausordnung nicht geändert wurde, ist sie verbindlich und muss von der Ag. eingehalten werden. Ohne Bedeutung ist im Übrigen, dass die Hausordnung bereits bestand, als die Ag. ihre Wohnung erwarb (vgl. OLG Hamm, NJW 1981, 465). Jedenfalls dann, wenn die uneingeschränkte Untersagung des Musizierens oder eine unangemessene Einschränkung in der Hausordnung nicht auf einer Vereinbarung beruht, ist es einem in die Eigentümergemeinschaft eintretenden Wohnungseigentümer nicht untersagt, eine Änderung der Hausordnung zu verlangen und seinen Anspruch auf ein Musizieren in angemessenem Umfang geltend zu machen.

Der Anspruch auf eine Änderung der Hausordnung ist zunächst gegen den Verwalter gerichtet, der nach der Gemeinschaftsordnung zur Abänderung befugt ist, im Übrigen richtet er sich gegen die Wohnungseigentümer; schließlich kann auch das Gericht angerufen werden, wenn Verwalter und Wohnungseigentümer sich weigern sollten, eine Änderung vorzunehmen.

Rechtsgebiete

Mietrecht