Nutzung einer allgemein bekannten Bezeichnung als Name einer Domain (Restaurant "Canal Grande" gegen "canalgrande.de")
Gericht
LG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
12. 06. 2002
Aktenzeichen
2a O 346/01
Wird eine geographische Bezeichnung („canal grande“) als kennzeichnender und nicht beschreibender Bestandteil einer Geschäftsbezeichnung benutzt, wird diese vom Verkehr nicht als geographischer Herkunftshinweis verstanden.
Da an der auf diese Weise verwendeten geographischen Angabe kein allgemeines Freihaltungsbedürfnis besteht, steht dem Inhaber der Geschäftbezeichnung gemäß § 12 BGB ein Namensrecht an dieser Bezeichnung zu.
Benutzt ein Dritter diese Bezeichnung als Internetadresse („canalgrande.de“) zur Präsentation sachbezogener Inhalte, so liegt weder eine „Namensleugnung“ noch eine „Namensanmaßung“ i.S.d § 12 BGB vor, denn in der Nutzung zur bloßen Benennung der geographischen Angabe liegt kein „Bestreiten“ des Namensrechts und werden mit ihr auch sonst keine schutzwürdigen Interessen des Namensträgers verletzt.
Die dadurch eintretende Behinderung des Namensträgers, unter seinem Namen im Internet aufzutreten, ist durch den herrschenden Prioritätsgrundsatz gerechtfertigt.
Da die private Nutzung der geographischen Angabe zur Präsentation sachbezogener Internetinhalte nicht im „geschäftlichen Verkehr“ erfolgt und eine Zuordnungsverwirrung mangels Verwechslungsgefahr nicht vorliegt, ergeben sich hieraus auch keine marken- oder firmenrechtliche Ansprüche aus §§ 14 Abs.5, 15 Abs.4 MarkenG. Es handelt sich vielmehr um eine nach § 23 Abs.1 Nr.2 MarkenG zulässige Nutzung.
Der Kläger betreibt seit dem Jahre 1997 ein italienisches Restaurant, welches unter der Bezeichnung "Zum Bootshaus Canal Grande" im Gewerberegister eingetragen ist. Im Geschäftsverkehr tritt der Kläger mit dem Restaurant jedoch lediglich mit der Kurzbezeichnung "Canal Grande" auf. ...
Der Beklagte ist seit dem 8.2.2000 Inhaber der Domain "canalgrande.de". Nachdem bei Aufruf der Domain zunächst lediglich ein Baustellenschild zu sehen war, hat der Beklagte nach Klageerhebung auf seiner Homepage Bilder von Venedig und dem Canal Grande und den Text "Hallo, ich freue mich, dass es noch mehr Leute gibt, die, wie ich, immer wieder gerne etwas Neues über Venedig erfahren wollen. Leider habe ich nicht die Zeit, mich intensiver um Canal Grande zu kümmern" eingestellt.
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung und Löschung der Domain "canalgrande.de" zu.
I. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 12 BGB. Es liegt weder der Fall der Namensleugnung noch der des unbefugten Gebrauchs des gleichen Namens durch den Beklagten vor.
1. Dem Kläger steht zwar an der von ihm verwendeten Bezeichnung "Canal Grande" ein Namensrecht zu. Dem steht nicht entgegen, dass das Restaurant des Klägers "Zum Bootshaus Canal Grande" heißt und diese geschäftliche Bezeichnung sowohl von den Bestandteilen "Bootshaus" als auch "Canal Grande" geprägt wird, es sich daher bei dem Bestandteil "Canal Grande" entgegen der Ansicht des Klägers nicht um den allein prägenden Teil der geschäftlichen Bezeichnung handelt. Denn unstreitig tritt der Kläger im geschäftlichen Verkehr auch unter der Bezeichnung "Canal Grande" in Alleinstellung auf, so dass diese als besondere Geschäftsbezeichnung schutzfähig ist.
Der Namensbestandteil "Canal Grande" ist auch unterscheidungskräftig. Grundsätzlich fehlt zwar beschreibenden Angaben, Gattungsbezeichnungen oder geographischen Angaben mangelg der Fähigkeit, einen bestimmten Geschäftsbetrieb oder eine bestimmte Person zu individualisieren, die namensmäßige Unterscheidungskraft (Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 15 MarkenG, Rz. 41). Vorliegend handelt es sich bei der Bezeichnung "Canal Grande" um den Namen des bekannten Kanals in Venedig. Ob diese darüber hinaus in der italienischen Sprache allgemein die Bedeutung "großer Kanal" hat, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung v. 17.4.2002 behauptet hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls kommt der Bezeichnung weder in dem einen noch in dem anderen Sinne in Bezug auf den Geschäftsbetrieb des Klägers eine beschreibende Bedeutung zu. Dass die Bezeichnung "Großer Kanal" die vom Kläger in seinem Restaurant angebotenen Waren und Dienstleistungen nicht beschreibt, ist offensichtlich. Die Bezeichnung "Canal Grande" als Name für den Kanal in Venedig kommt aber ebenfalls nicht ernstlich als örtliche Herkunftsangabe auf dem Dienstleistungs- und Produktsektor des Klägers in Betracht. Da es sich nicht um eine bestimmte Region/Landschaft handelt, wird sie vom Verkehr nicht als Angabe über die geographische Herkunft der Waren/Dienstleistungen eines italienischen Restaurants verstanden (vgl. Fezer, a.a.O., § 8 Rz. 218). Ein Freihaltebedürfnis besteht bezogen auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin demnach nicht.
2. Der Beklagte hat mit der Reservierung und Nutzung der Domain "canalgrande.de" jedoch keine Namensleugnung begangen. Eine solche liegt vor, wenn jemand dem Namensträger das Recht zum Gebrauch des Namens bestreitet und damit den Bestand des Namensrechts in Frage stellt. Dies kann grundsätzlich auch durch die Reservierung einer Domain, die den Namen eines anderen enthält, geschehen, sofern der Domaininhaber sich weder auf ein vorrangiges noch gleichrangiges Recht an der Domain berufen kann (vgl. LG Düsseldorf NJW-RR 1999, 623 - NAZAR). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Es bestehen schon gewisse Zweifel daran, ob sich die streitgegenständliche Domain für den Internetbenutzer schon als eine namensmäßige Bezeichnung des Domain-Inhabers darstellt. Zwingend ist dies nicht, insbesondere folgt dies nicht schon allein aus der Funktion eines Domain-Namens. Die Domain wird zwar häufig nach dem Namen bzw. der geschäftlichen Bezeichnung des Inhabers ausgewählt und hat dann auch Namensfunktion. Nicht selten werden aber generische oder sonstige Sachbegriffe als Domain-Namen eingesetzt, die den Unternehmensgegenstand beschreiben oder bei privater Nutzung den Themenbereich der Domain offenbaren sollen. Vorliegend ist es durchaus denkbar, dass der Internetbenutzer die Bezeichnung "Canal Grande" als geographische Angabe und nicht als Hinweis auf eine bestimmte Person versteht. Letztlich kann die Frage, ob der vom Beklagten verwendeten Domain generell Namensfunktion zukommt jedoch dahinstehen, denn der Beklagte nutzt die Bezeichnung "canalgrande.de" jedenfalls berechtigt.
Zwar stehen ihm keine eigenen Namens- oder Kennzeichenrechte an der Bezeichnung zu. Insbesondere ist mangels entsprechender Ausführungen nicht ersichtlich, ob sich der Beklagte auf Werktitelschutz berufen könnte. Eigener Namens- oder Kennzeichenrechte berühmt sich der Beklagte aber auch gar nicht. Insbesondere stellt er das Namensrecht des Klägers nicht in Frage. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei der Bezeichnung "Canal Grande" eben nicht nur um die besondere Geschäftsbezeichnung des Klägers, sondern insbesondere um den allgemein bekannten Namen des Kanals in Venedig bzw. möglicherweise auch um eine allgemeine Bezeichnung für einen großen Kanal. Der Beklagte jedenfalls benutzt sie zur Benennung des Kanals in Venedig. Insoweit hat er vorgetragen, er wolle einen Bericht über den Canal Grande und Venedig unter der Domain ins Internet stellen und hat damit auch angefangen. Soweit der Kläger die Ernstlichkeit dieses Vorhabens anzweifelt, handelt es sich dabei lediglich um eine durch nichts belegte Vermutung. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Beklagte eine Unterlassungserklärung bezogen auf den Geschäftsbetrieb des Klägers und das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Marke abgegeben hat, gerade gegen ein Vorschieben von Gründen zur Rechtfertigung der Domainreservierung. Eine Erstbegehungsgefahr für eine andere Nutzung der Domain ist demnach nicht gegeben.
Die Nutzung der Bezeichnung "Canal Grande" zur Benennung des berühmten Kanals in Venedig stellt aber kein Bestreiten des Namensrechts des Klägers dar. Der Namensschutz des Klägers findet dort seine Schranke, wo ein Freihaltebedürfnis des Verkehrs besteht, Namen von Orten, Flüssen etc. als solche, d.h. als geographische Bezeichnungen nutzen zu können. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 2 MarkenG, der außermarkenrechtliche Ansprüche im Interesse der Allgemeinheit an einer freien Verwendung des Zeichens zu begrenzen vermag (Fezer, a.a.O., § 23 Rz. 5 a.E.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 23 Rz. 6 a.E.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger gehindert ist, unter der von ihm verwendeten Kurzbezeichnung seines Geschäftsbetriebs im Internet aufzutreten. Da sich der Beklagte auf berechtigte Interessen berufen kann und die Domain zuerst reserviert hat, muss der Kläger dies aufgrund des geltenden Prioritätsgrundsatzes hinnehmen.
3. Die Nutzung der Domain "canalgrande.de" durch den Beklagten stellt auch keine Namensanmaßung dar. Eine solche setzt voraus, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen verwendet und dadurch ein schutzwürdiges Interesse des Namensträgers verletzt. Abgesehen davon, dass die Nutzung nach den getroffenen Feststellungen nicht unbefugt erfolgt, fehlt es auch an einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung und damit letztlich auch an einer Interessenverletzung des Klägers. Da der Beklagte die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr nutzt, liegt mangels Branchennähe eine Verwechslungsgefahr nicht vor. Es liegt aber auch keine Zuordnungsverwirrung vor. Dem Internetbenutzer wird bei Aufruf der Domain des Beklagten sofort klar, dass es sich nicht um eine Homepage des Klägers handelt. Da offensichtlich ist, dass der Beklagte die Bezeichnung "Canal Grande" als Name des Kanals in Venedig und damit als geographische Bezeichnung benutzt, kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht der Eindruck entstehen, es bestünden zwischen den Parteien personelle oder organisatorische Verflechtungen.
II. Markenrechtliche Ansprüche aus § 14 Abs. 5 MarkenG oder firmenrechtliche Ansprüche aus § 15 Abs. 4 MarkenG kommen ebenfalls nicht in Betracht.
Solche Ansprüche scheitern bereits daran, dass diese ein Handeln im geschäftlichen Verkehr voraussetzen. Der Beklagte verwendet die Domain jedoch privat. Begleitende geschäftliche Interessen sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Darüber hinaus besteht mangels Ähnlichkeit der unter den Bezeichnungen angebotenen Waren und Dienstleistungen bzw. mangels Branchenähnlichkeit auch keine Verwechslungsgefahr. Schließlich ist die Nutzung der Domain nach den getroffenen Feststellungen auch nach dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zulässig.
III. Wegen der berechtigten Nutzung der Domain des Beklagten ergibt sich ein Unterlassungs- und Löschungsanspruch des Klägers schließlich auch nicht aus §§ 826, 1004 BGB.
...
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen