Unzulässige AGB-Klauseln, Sportstudio, Vorfälligstellung der Vergütung, Verzugszinsen
Gericht
LG Stuttgart
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
23. 04. 2002
Aktenzeichen
20 O 578101
Der Formularvertrag eines Sportstudios ist rechtswidrig, soweit er von den Kunden verlangt, dass diese bei Verzug der Beitragszahlung und ergebnisloser Mahnung das gesamte Nutzungsentgelt für die vereinbarte Laufzeit sofort zu zahlen haben. Verletzt ist § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der dem früheren § 9 AGBG entspricht.
Ist die Beitragszahlung eines Sportstudios als Gesamtbetrag vorab fällig, wird dagegen nicht gegen § 307 BGB verstossen, wenn den Kunden gestattet wird, den Gesamtbetrag in monatlichen Raten zu zahlen. Ein Verstoss gegen das Zinseszinsverbot ist auch dann unter Zugrundelegung der so genannten "kundenfeindlichsten Auslegung" nicht gegeben.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung zweier von ihm beanstandeter Klauseln in deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verzugsfall des Kunden in Anspruch.
Die Beklagte betreibt ein Sportstudio und verwendet in diesem Zusammenhang bei Abschluss von Verträgen mit Nutzern desselben die streitgegenständlichen Klauseln. [("Kommt der Benutzer mit einem Betrag von mindestens zwei Monatsgehältern länger als 14 Tage in Verzug, so kann ihm das Trainingscenter durch eingeschriebenen Brief eine weitere Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen setzen)]. a) Nach deren ergebnislosem Ablauf kann das Trainingscenter das gesamte Nutzungsentgelt für die jeweilige vertragliche Mindestlaufzeit zur sofortigen Zahlung fällig stellen ... b) Dieser Betrag wird mit Rechnungstellung fällig und ist bei Verzug nach schriftlicher Mahnung mit 12% Jahreszinsen zu verzinsen."
Nach Vortrag und Vertragsformular werden Verträge mit einer Mindestlaufzeit von zumindest einem Jahr und unter der Vereinbarung monatlicher Zahlungsweise und eines bestimmten Monatsbeitrags, zu zahlen monatlich im Voraus bis zum ersten Werktag des jeweiligen Monats, geschlossen.
Der Kläger ist der Auffassung, die beanstandeten Klauseln benachteiligen den Verbraucher unangemessen, da sie zu einer, den gesetzlichen Grundgedanken im Miet- und Dienstvertragsrecht widersprechenden Vorleistungspflicht des Verbrauchers führten, hiermit die Beklagte auch ihr Insolvenzrisiko auf den Verbraucher überwälze und gegen den Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" verstoße. Zusätzlich sei aufgrund der Klausel Ziffer 1b der Anfall von Zinseszinsen und damit ein Verstoß gegen § 289 BGB anzunehmen.
Der Kläger beantragt, der Beklagten zu untersagen, die beanstandeten oder inhaltsgleiche (...) Klauseln im Zusammenhang mit Verträgen über das Training in einem Sportstudio mit Verbrauchern zu verwenden oder sich auf diese Klauseln gegenüber Verbrauchern zu berufen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verteidigt ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Fall der Nichtzahlung des vom Verbraucher geschuldeten monatlichen Entgelts mit den Argumenten, -dass auch das gesetzliche Miet- und Dienstvertragsrecht Vorauszahlungen zulässt, ebenso Gesamtzahlungsvereinbarungen mit Ratengewährung, sie ihren Kunden insoweit ein Wahlrecht einräumt und für diese im Übrigen klar ersichtlich sei, dass sie im Verzugsfall für die Restlaufzeit praktisch in die alternative Stellung eines Vorauszahlers eintreten. Im Übrigen würden nur für bereits rückständige Zeiträume Monatsentgelte voll verlangt, im Übrigen günstigere Monatstarife für Vorauszahler gemäß Preisliste zugrunde gelegt.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die beanstandeten Klauseln sind gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB n.F. unwirksam. Es handelt sich um vorformulierte Vertragsbedingungen der Beklagten.
1. Die Klausel, dass unter qualifizierten Voraussetzungen des Verzugs das gesamte Nutzungsentgelt für die jeweilige vertragliche Mindestlaufzeit zur sofortigen Zahlung fällig gestellt werden kann, benachteiligt den Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Verträge der Beklagten mit ihren Kunden über die Nutzung des Sportstudios weisen Elemente des Mietvertrags und des Dienstvertrags auf. Die Beklagte vereinbart (...) mit dem Verbraucher ausdrücklich nur eine monatliche Gebühr für die Mindestlaufzeit, zahlbar monatlich im Voraus bis zum ersten Werktag des jeweiligen Monats. Ebenso ist in den gesetzlichen Bestimmungen des Mietrechts (§ 556 b BGB n.F.) vorgesehen, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag des einzelnen Zeitabschnitts zu entrichten ist, nach denen sie bemessen ist. In den Vorschriften über den Dienstvertrag ist in § 614 Satz 2 BGB bestimmt, dass die Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist, wenn sie nach Zeitabschnitten bemessen ist. Durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird für den Verzugsfall unter bestimmten Bedingungen eine Vorleistungspflicht, bei Jahresvertrag für bis zu neun Monate begründet, bei weitergehend vereinbarter Mindestdauer für entsprechend längere Zeiträume.
Die mit den Kunden des Sportstudios vereinbarte Dauer des Vertrages ist nicht die vereinbarte Leistungseinheit. Sie bestimmt sich ausweislich III des Vertrages nur durch die Bestimmung, zu welchem Zeitpunkt erstmals - ordentlich gekündigt werden kann. Die Benutzung und das hierfür zu entrichtende Entgelt sind gemäß IV des Vertrages nach monatlichen Einheiten bestimmt. Die durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten begründete Vorleistungspflicht verstößt gegen die Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen im Mietvertragsrecht und Dienstvertragsrecht. Sie bürdet dem Verbraucher auch das Insolvenzrisiko der Beklagten auf, indem sie die Gesamtbeiträge vor Leistungserbringung fällig stellt, ohne dass im Gegenzug Ansprüche eingeräumt würden. Des Weiteren ist eine Nichtvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung auch insoweit anzunehmen, als die Rechte der Verbrauchers, sich aus dem Vertrag legal zu lösen, infolge Vorfälligkeit einer Vielzahl von Monatsbeiträgen verschlechtert werden und auch die gesetzlichen Bestimmungen für den Verzugsfall keine Vorfälligkeit, sondern vielmehr Möglichkeiten des Sicherheitsverlangens oder der Loslösung von dem Vertrag, sei es durch Rücktritt, sei es durch Kündigung, vorsehen (vgl. §§ 321, 543, 626 BGB).
Der der Entscheidung des Oberlandesgericht Gelle (NJR-RR 1995, 370 ff.) zugrundeliegende Sachverhalt weicht von vorliegender Vertragsgestaltung durch die Beklagte entscheidungserheblich ab. Die Beklagte vereinbart ausweislich des vorgelegten Vertragsformulars mit den Kunden des Sportstudios nicht einen Gesamtbetrag für eine vereinbarte Vertragslaufzeit, der mit Vertragsabschluss fällig ist und gemäß den Vereinbarungen dann ratenmäßig beglichen werden kann.
2. Die in Ziffer 1b aufgeführte und beanstandete Klausel verstößt aus den bereits zu der Klausel Ziffer 1 a ausgeführten Gründen gleichfalls gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1, Abs. 1 BGB n.F. Unter Zugrundelegung der in vorliegendem Verbandsverfahren maßgeblichen sogenannten kundenfeindlichsten Auslegung (BGH NJW 1994, 318) unabhängig von der Handhabung der Klausel im Einzelfall (BGH NJW 1997, 193 (195)) ist des Weiteren ein Verstoß gegen das Zinseszinsverbot anzunehmen. Aus der Regelung folgt nicht, wie die Vergütung gestaffelt ist. Ein bestimmter Tarif oder eine bestimmte Preisliste ist weder Gegenstand des Vertrages noch vereinbart. Sie lässt sich diesem auch im Übrigen nicht entnehmen und könnte jederzeit von der Beklagten einseitig geändert werden. Hiernach bleibt die Berechnungsweise von "Vorauszahlertarifen" nicht nur unklar und nicht überprüfbar sondern auch abänderbar.
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