Nichtigkeit einer Ehegattenbürgschaft und gleichartiger Mithaftungen: Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 04. 2002


Aktenzeichen

23 U 4461/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Nach ständiger Rechtsprechung gelten die Grundsätze zur Nichtigkeit einer Ehegattenbürgschaft für jede Art der Mithaftung. Danach ist die Übernahme einer Mithaftung sittenwidrig und damit unwirksam, wenn diese zu einer krassen finanziellen Überforderung des Ehegatten führt. Eine solche liegt vor, wie die Gerichte regelmäßig entscheiden, wenn der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens zu tragen.

  2. Eine solche krasse finanzielle Überforderung bedeutet nach ständiger Rechtsprechung jedoch lediglich eine widerlegliche Vermutung dahingehend, dass die Bürgschaft oder eine andere Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen wurde und die Bank dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Diese Vermutung bezüglich eines Verstoßes gegen die guten Sitten kann daher entkräftet werden, falls der Mithaftende ein eigenes Interesse an der Kreditvergabe hat. Wie bereits mehrfach entschieden, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaft und anderer Mithaftung finanziell überforderter Ehepartner nicht, wenn dieser Mitgesellschafter oder Geschäftsführer einer GmbH ist, für die der Kredit aufgenommen wird. In diesen Fällen wird davon ausgegangen, dass der Ehepartner dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt.

  3. Eine Ausnahme hiervon gilt wiederum dann, wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, dass derjenige, der das Haftungsrisiko übernimmt, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH beherrschenden Person übernommen hat.

  4. Das Verbraucherkreditgesetz findet auch auf die Übernahme der Mithaftung durch einen Verbraucher Anwendung. Es schadet nicht, dass der Kreditnehmer das Darlehen zu gewerblichen Zwecken einsetzt. Entscheidend ist vielmehr, ob in der Person des Mitverpflichteten die Voraussetzungen des Verbraucherkreditgesetzes erfüllt sind. Verbrauchereigenschaft ist auch dann gegeben, wenn lediglich Gesellschaftsanteile gehalten werden, da dies keine gewerbliche Tätigkeit, sondern reine Vermögensverwaltung darstellt.

  5. Das Schriftformerfordernis des Verbraucherkreditgesetzes verlangt, dass demjenigen, der einer Schuld beitritt, bei Abgabe der Mithaftungserklärung sämtliche Kreditkonditionen klar und deutlich vor Augen geführt werden, damit er erkennen kann, worauf er sich einlässt.

  6. Deswegen ist anzugeben nicht nur der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Jahreszins, sondern auch der effektive Jahreszins mit Angabe des Zinssatzes. Nur so kann nach ständiger Rechtsprechung die Informations- und Warnfunktion gegenüber einem einer Schuld Beitretenden erfüllt werden.

  7. Ferner setzt das Schriftformerfordernis nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Gesamtbetrag aller vom Verbraucher, hier Mithaftenden, zu entrichtenden Teilzahlungen einschließlich Zinsen und sonstiger Kosten angegeben wird. Nur so kann dem Verbraucher offengelegt werden, welche Zahlungen während der gesamten Laufzeit auf ihn zukommen.

  8. Bei Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des Verbraucherkreditgesetzes ist die Übernahme der Mithaftung nichtig. Eine Heilung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Kreditmittel an den Beitretenden ausgezahlt werden. Es genügt nicht, dass der Kreditnehmer das Darlehen erhalten hat.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

... b) Auf einen Mithaftenden kommen grundsätzlich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Nichtigkeit der Ehegattenbürgschaft nach § 138 Abs. 1 BGB zur Anwendung (BGH v. 14.11.2000 - XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 f.). Voraussetzung für eine Sittenwidrigkeit der Übernahme einer Mithaftung ist danach das Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Ehegatten, der die Haftung für den Ehepartner oder eine von diesem geführte Gesellschaft übemimmt. Eine krasse finanzielle Überforderung liegt vor, wenn der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens zu tragen (BGH WM 2002, 125 [126]). Die Beklagte hatte im Jahr 1991 ein Nettoeinkommen von lediglich 18.600 DM, von dem u.a. noch die Unterhaltspflicht für ihre beiden minderjährigen Kinder abzuziehen ist. Die M. GmbH, an der die Beklagte mit 25 % beteiligt war, hat weder 1990 noch 1991 Gewinne erzielt. Demgegenüber lag die jährliche Zinsbelastung hinsichtlich der beiden Darlehen bei 5.125 DM und 22.175 DM. Die Zinsbelastung lag daher deutlich über dem pfändbaren Teil des Einkommens der Beklagten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte über entsprechende Vermögenswerte verfügte, die ihr eine Rückzahlung der Kredite ermöglicht hätten.

Letztlich kann allerdings offen bleiben, ob von einer krassen finanziellen Überforderung auszugehen ist, da auch eine solche lediglich zu der widerleglichen Vermutung führt, dass die Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen wurde und die Bank dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH v. 26.4.2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330 [1331] m.w.N.).

Die Vermutung bezüglich eines Verstoßes gegen die guten Sitten kann daher entkräftet werden, falls der Mithaftende ein eigenes Interesse an der Kreditvergabe hat. Als Kreditnehmerin ist, wie bereits ausgeführt, die M. GmbH anzusehen. An dieser war die Beklagte zum Zeitpunkt der Übernahme ihrer Mithaftung mit 25 % des Stammkapitals beteiligt. Ferner war sie als Angestellte dieser Gesellschaft tätig. Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung maßgeblich beteiligter Gesellschafter sowie der Geschäftsführer für Geschäftskredite zu verlangen. Dabei kann der Kreditgeber im Allgemeinen auch davon ausgehen, dass der derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Für den Kreditgeber besteht daher grundsätzlich keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übemommen wird (BGH v. 18.9.2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156 [2157]).

Die in der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Ehepartner entwickelten Grundsätze gelten daher grundsätzlich für die Übernahme einer Bürgschaft oder Mithaftung durch einen Mitgesellschafter nicht (BGH WM 2002, 436). Eine Ausnahme hiervon gilt wiederum dann, wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, dass derjenige, der das Haftungsrisiko übernimmt, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH beherrschenden Person übemommen hat (BGH WM 2002, 436 [437]).

Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor, es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte Gesellschafterin der GmbH geworden ist, um daran mitzuwirken, den Familienunterhalt sicherzustellen. Dies zeigt sich auch darin, dass sie als Angestellte der GmbH für diese wichtige Funktionen wahrgenommen hat. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Beklagten lag daher vor.

Andere der Klägerin zurechenbare Umstände, die die Beeinträchtigung der Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung, die Schaffung einer seelischen Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks, die auch zu einer Sittenwidrigkeit können (BGH WM 2002,436 [437] m.w.N.), liegen ebenfalls nicht vor. Das Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, ihr Ehemann habe in der Weise auf sie Druck ausgeübt, dass er die Übernahme der Mithaftung mit der weiteren Gewährung von Unterhalt verknüpft habe, wurde in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten. Im Übrigen wäre dieses Verhalten der Klägerin auch nicht zurechenbar. Eine Sittenwidrigkeit der beiden Darlehensverträge gem. § 138 BGB liegt somit nicht vor.

c) Der Klägerin stehen aus den Darlehensverträgen allerdings trotzdem keine Ansprüche gegen die Beklagte zu, da die beiden Verträge formunwirksam sind.

aa) Auf die Beklagte sind die Vorschriften des VerbrKrG i.d.F. vom 17.12.1990 anwendbar.

§ 1 Abs. 1 a.F. VerbrKrG setzt einen Kreditvertrag zwischen einem Kreditgeber und einer natürlichen Person voraus, es sei denn, dass der Kredit nach dem Inhalt des Vertrages für eine bereits ausgeübte, gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt ist. Das VerbrKrG findet hierbei auch auf die Übernahme der Mithaftung durch einen Verbraucher Anwendung (BGH v. 12.11.1996 - XI ZR 202/95, BGHZ 134, 94 [97]). Abzustellen ist in diesem Fall auf das Verhältnis des Kreditgebers zu dem jeweiligen Mitverpflichteten. Die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes ist daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kreditnehmer, dem die Kreditmittel zur Verfügung gestellt werden, diese zu gewerblichen Zwecken einsetzt.

Entscheidend ist vielmehr, ob in der Person des Mitverpflichteten die Voraussetzungen des Verbraucherkreditgesetzes erfüllt sind (BGH v. 25.2.1997 - XI ZR 49/96, GmbHR 1997, 444 = NJW 1997, 1443 [1444]).

Die Beklagte war zum Zeitpunkt der Übernahme der Mithaftung Verbraucherin. Sie war zwar an der M. GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Das bloße Halten eines GmbH-Anteils stellt allerdings keine gewerbliche Tätigkeit, sondern reine Vermögensverwaltung dar (BGH v. 27.6.2000 - XI ZR 322/98, ZIP 2000, 1523 [1524]).

bb) An die Formwirksamkeit des Schuldbeitritts sind grundsätzlich dieselben strengen Anforderungen zu stellen wie an den Kreditvertrag selbst. Dies gilt insb. für das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 1 VerbrKrG, das Informations- und Warnfunktion für den Verbraucher hat und ihm die Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts erleichtern will. Dem wird die Vereinbarung eines Schuldbeitritts nur dann gerecht, wenn dem Beitretenden bei Abgabe der Mithaftungserklärung sämtliche Kreditkonditionen i.S.v. § 4 Abs. 1 VerbrKrG klar und deutlich vor Augen geführt werden, damit er erkennen kann, worauf er sich einlässt (BGH v. 27.6.2000 - XI ZR 322/98, ZIP 2000, 1523 [1525]). Diesen Anforderungen genügen die beiden Kreditverträge vom 24.5.1991 über 50.000 DM und 250.000 DM nicht.

Der Darlehensvertrag über 50.000 DM enthält entgegen § 3 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 e a.F. VerbrKrG nur eine Angabe über den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Jahreszins von 10,25 %, nicht jedoch über den anfänglichen effektiven Jahreszins. Die Angabe des effektiven Jahreszinses soll den Verbraucher insb. in Gestalt eines einzigen, nach festen Regeln zu ermittelnden Prozentsatzes des Nettokreditbetrages über die mit dem Darlehen einhergehende jährliche Gesamtbelastung und damit über den Preis "unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Kosten informieren".

Darüber hinaus soll die Angabe des effektiven Jahreszinses gemeinsam mit der Angabe des Zinssatzes nach § 4 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 d VerbrKrG den Verbraucher vor dem Irrtum bewahren, es handele sich bei dem Nominalzins um die effektive Zinsbelastung. Diese Informations- und Warnfunktion gilt auch ggü. dem einer Schuld Beitretenden (BGH v. 27.6.2000 - XI ZR 322/98, ZIP 2000, 1523 [1525]).

Der Darlehensvertrag über 250.000 DM enthält zwar eine Angabe des effektiven Jahreszinses, es fehlt jedoch die in § 4 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 b a.F. VerbrKrG vorgesehene Angabe des Gesamtbetrags aller vom Verbraucher zu entrichtenden Teilzahlungen einschl. Zinsen und sonstiger Kosten.

Durch diese Angabe soll dem Kreditnehmer offen gelegt werden, welche Zahlungen während der gesamten Laufzeit auf ihn zukommen (Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, 2. Aufl., § 4 VerbrKrG Rz. 57). Zwar sieht die Vorschrift eine Einschränkung dahingehend vor, dass diese Angabe nur zu erfolgen hat "wenn möglich". Es ist nicht erkennbar, weshalb diese Angabe nicht möglich gewesen wäre.

Hierfür ist seitens der Klagepartei trotz entsprechenden Hinweises des Senats auf diese Vorschrift auch nichts vorgetragen worden.

Es waren feststehende Konditionen für die gesamte Laufzeit des Kredits vereinbart. Insbesondere standen Laufzeit, Höhe des auszuzahlenden Betrages und Zinssatz fest.

Das Darlehensformular enthält zwar in Ziff. 8 eine Eintragungsmöglichkeit für den Gesamtbetrag aller Darlehensleistungen. Die Klägerin hat jedoch weder den Gesamtbetrag eingetragen noch die ebenfalls vorgesehene Eintragung "Angabe nicht möglich" vorgenommen. In dem Darlehensformular ist zwar unter Ziff. 8 vermerkt, dass eine entsprechende Angabe nur bei Existenzgründern mit einem Nettokreditbetrag bis zu 100.000 DM erforderlich ist. Ein solcher Fall, der den Kreditvertrag gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 2 a.F. VerbrKrG aus dem Anwendungsbereich des VerbrKrG herausgenommen hätte, lag allerdings nicht vor.

Zwar betrug der Darlehensbetrag 250.000 DM. Voraussetzung für eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Ziff. 2 a.F. VerbrKrG ist aber, dass der Kredit nicht für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt ist, sondern für die Aufnahme dieser Tätigkeit (Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, 2. Aufl., § 3 VerbrKrG Rz. 17). Offen bleiben kann, ob diesbezüglich ausschließlich auf die Beklagte als bloß Mithaftende abzustellen ist.

Weder die M. GmbH noch die Beklagte oder ihr Ehemann waren zum Zeitpunkt der Darlehensvereinbarung als Existenzgründer anzusehen. Die M. GmbH war vielmehr bereits 1990 von der Beklagten und ihrem Ehemann gegründet worden und seither wirtschaftlich tätig. Das Darlehen diente der Ausweitung des Geschäftsbetriebs der M. GmbH durch Übernahme der M.M. Feinkost GmbH. Dies war der Klägerin auch bekannt.

Nicht angegeben ist ferner entgegen § 4 Abs. 1 Ziff. 1 a a.F. VerbrKrG der Nettokreditbetrag. Dass dieser nicht mit der vereinbarten Darlehenssumme identisch ist, ergibt sich bereits aus Ziff. 2 des Darlehensvertrags, worin die Auszahlung mit 97 % festgelegt wird.

Beide Darlehensverträge sind daher nach § 6 Abs. 1 a.F. VerbrKrG nichtig. Eine Heilung gem. § 6 Abs. 2 S. 1 a.F. VerbrKrG ist nicht eingetreten. Zwar hat die M. GmbH als Kreditnehmerin das Darlehen erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG auf Fälle der Mithaftung aber voraus, dass die Kreditmittel an den Beitretenden ausgezahlt werden (BGH v. 27.6.2000 - XI ZR 322/98, BGHZ 134, 94 [98 f.]). ...

Vorinstanzen

LG München II, 11 O 4594/00

Rechtsgebiete

Bürgschafts- und Darlehensrecht