Nachehelicher Unterhalt-Ausschluss aufgrund neuer Lebensgemeinschaft
Gericht
OLG Schleswig
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
02. 05. 2002
Aktenzeichen
12 UF 82/01
Der Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt ist gemäß § 1579 Nr. 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches als grob unbillig verwirkt, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem Dritten in einer festen, eheähnlichen Beziehung lebt. Die Fortdauer der Unterhaltsbelastung wird für den Unterhaltsverpflichteten dann unzumutbar.
Voraussetzung dafür ist, daß die neue Beziehung nach ihrem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist. Eine solche Verfestigung ist kaum vor einer Mindestdauer unter zwei bis drei Jahren anzunehmen.
Der Bewertung des nichtehelichen Zusammenlebens als ehegleiche Beziehung steht nicht entgegen, daß der Dritte (noch) eine eigene Wohnung hat. Ebenso ist unerheblich, ob zwischen den neuen Partnern eine geschlechtliche Beziehung besteht.
Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt seit 23.1.2001.
Nachdem die Parteien sich am 26.12.1997 getrennt hatten, ist deren 1991 geschlossene Ehe durch Urteil des AG – FamG – Lübeck vom 23.1.2001 rechtsräftig geschieden worden. ...
Nach der Trennung wandte sich die Klägerin dem Zeugen St., einem früheren gemeinsamen Freund der Parteien, zu. Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. ab wann der Zeuge St. und die Klägerin in einer Weise zusammenleben, dass es sich um eine verfestigte eheähnliche Beziehung handelt.
...
Die Klägerin hat gegen den Beklagten grundsätzlich einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt gem. § 1570 BGB. ...
Diese Unterhaltsansprüche sind jedoch verwirkt gem. § 1579 Nr. 7 BGB, weil die Klägerin mit dem Zeugen St. in einer festen, eheähnlichen Beziehung lebt.
Das Zusammenleben des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner und das Erscheinungsbild dieser Verbindung in der Öffentlichkeit können dazu führen, dass die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in seine Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar wird (vgl. BGH v. 26.1.1983 – IVb ZR 344/81, FamRZ 1983, 569 [572]) und einen Härtegrund i.S.v. § 1579 Nr. 7 BGB – darstellt, wenn sich diese Beziehung in einem solchen Maße verfestigt, dass damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist. Nach welchem Zeitablauf – und unter welchen weiteren Umständen – dies angenommen werden kann, lässt sich nicht allgemeinverbindlich festlegen. Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen dürfte, wird sich i.d.R. nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur „probeweise” zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft leben und nach dem Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit diese Lebensform bewusst auch für ihre weitere Zukunft gewählt haben (vgl. BGH v. 11.7.1984 – IV b ZR 22/83, FamRZ 1984, 986 [987]; v. 21.12.1988 – IVb ZR 18/88, FamRZ 1989, 487 [490 f.]; v. 12.3.1997 – XII ZR 153/95, FamRZ 1997, 671 [672]). Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann kann von dem Zeitpunkt an, in dem sich das nichteheliche Zusammenleben der neuen Partner als solchermaßen verfestigte Verbindung darstellt, die Bedeutung der geschiedenen Ehe als Grund für eine fortdauernde unterhaltsrechtliche Verantwortung des Verpflichteten gegenüber seinem geschiedenen Ehegatten zurücktreten, und es kann für den Verpflichteten objektiv unzumutbar werden, den früheren Ehegatten unter derartig veränderten Lebensumständen gleichwohl weiterhin (uneingeschränkt) unterhalten zu müssen (BGH v. 21.12.1988 – IVb ZR 18/88, FamRZ 1989, 487 [490 f.]; v. 12.3.1997 – XII ZR 153/95, FamRZ 1997, 671 [672]).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass vorliegend der Härtegrund eines auf Dauer angelegten Verhältnisses der Klägerin zu dem Zeugen St. besteht. Die Klägerin und der Zeuge St. leben seit Anfang 1998, und nicht nur vorübergehend einige Monate im Jahre 1999, in einer verfestigten, eheähnlichen Beziehung miteinander. Diese Beziehung, welche sich auszeichnet durch ständige gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Alltag, verbunden mit gemeinsamem Wohnen, gemeinsamer Freizeitgestaltung, gemeinsamem Betreuen von M. sowie familiären Kontakten zu den Angehörigen des Zeugen St. und welche getragen ist von einem vertrauensvollen, freundschaftlichen Verhältnis und vor dem Hintergrund einer langfristigen gemeinsamen Zukunftsplanung, geht über eine bloße Freundschaft weit hinaus. So spricht M. von dem Zeugen St. als „Papa” und von dessen Eltern als „Oma” und „Opa”. Seit dieser Zeit wird die Freizeit miteinander verbracht, der Zeuge St. arbeitet am Haus und im Garten der Klägerin und bringt M. häufig zur Schule. Seine Wäsche wird – auch – im Haus der Klägerin gewaschen.
Dass der Zeuge St. daneben noch eine eigene Wohnung in einem Anbau an sein Elternhaus hat, steht der Bewertung ihres nichtehelichen Zusammenlebens als eine ehegleiche Beziehung nicht entgegen (vgl. BGH v. 11.7.1984 – IVb ZR 22/83, FamRZ 1984, 986 [987]; v. 12.3.1997 – XII ZR 153/95, FamRZ 1997, 671 [672]). Auch ist unerheblich, ob zwischen der Klägerin und dem Zeugen St. eine geschlechtliche Beziehung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 159/00).
Der Senat folgt zunächst der überzeugenden Beweiswürdigung des FamG, welches von einer verfestigten eheähnlichen Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen St. auf Grund von deren gemeinsamer Lebensplanung überzeugt war. Denn M. bezeichnet den Zeugen St. als Papa, die Klägerin erklärte gegenüber der Sachverständigen F., sie und der Zeuge St. wollten eine Familie gründen und wünschten sich ein Geschwisterchen für M., und sie sähen sich viele freie Häuser an. Noch im Mai 2000 äußerte die Klägerin gegenüber der Sachverständigen den Wunsch nach einem zweiten Kind von dem Zeugen St., und in der mündlichen Verhandlung vor dem FamG wurde die Rolle M. nach einem zu erwartenden 2. Kind erörtert, ohne dass die Klägerin dort ein gemeinsames Leben mit dem Zeugen St. für die Vergangenheit und Zukunft in Frage gestellt hätte.
Darüber hinaus lässt auch die Beweisaufnahme vor dem Senat keinen Zweifel daran, dass der Zeuge St. mit der Klägerin und M. seit Anfang 1998 unter einem Dach wie eine Familie zusammenlebt.
Ist nach alledem davon auszugehen, dass jedenfalls seit Anfang des Jahres 1998 eine verfestigte Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen St. begonnen hat, so ist nach einem Fortdauern der verfestigten Beziehung über drei Jahre bei den gegebenen Umständen unter Berücksichtigung der bereits Jahre vorher bestehenden Freundschaft nunmehr jedenfalls am 23.1.2001 ein Zeitpunkt erreicht, ab welchem die Bedeutung der geschiedenen Ehe der Klägerin als Grund für eine fortdauernde unterhaltsrechtliche Verantwortung des Beklagten, ihres früheren Ehemannes, zurücktritt und ab welchem es für diesen unzumutbar geworden ist, die Klägerin als seine frühere Ehefrau unter derartig veränderten Lebensumständen gleichwohl weiterhin (uneingeschränkt) unterhalten zu müssen.
Der notwendige Bedarf der Klägerin ist unter Berücksichtung ihrer eigenen Einkünfte, des Gehalts des Zeugen St. und des Kindergeldes gesichert.
Der Zeuge St. hat einschließlich des 13. Monatsgehalts ein monatliches Nettogehalt von rund 3.060 DM, entsprechend 1.568 Euro und damit ein Einkommen in der Größenordnung, wie es der Beklagte während der Ehe hatte. Das Gesamteinkommen der sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft F.-St. setzt sich zusammen aus dem Einkommen des Zeugen St. i.H.v. rund 1.568 Euro, den Einkünften der Klägerin von rund 486 Euro und dem Kindergeld i.H.v. derzeit 154 Euro, insgesamt 2.208 Euro, und ist für zwei Erwachsene allemal auskömmlich, ohne dass die Kindesbelange gefährdet wären.
Angesichts dieser gesunden finanziellen Situation der neuen Lebensgemeinschaft hält es der Senat für unzumutbar und unbillig, wenn der Beklagte noch zu Zahlungen von Ehegattenunterhalt herangezogen würde.
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