Unterhaltskürzung bei neuer Partnerschaft ohne Zusammenleben II

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 12. 1992


Aktenzeichen

18 UF 55/92


Leitsatz des Gerichts

Ein seit Jahren bestehendes intimes Verhältnis einer geschiedenen Ehefrau zu einem anderen Manne reicht auch dann, wenn ein solches Verhältnis im Bekanntenkreis des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehemannes bekannt ist, allein noch nicht aus, den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau nach § 1579 Nr. 7 BGB ganz oder teilweise zu kürzen, wenn nicht noch sonstige Umstände hinzutreten, die dazu führen, daß die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in die Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltsschuldner unzumutbar wird.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind seit dem 6. 6. 1989 voneinander rechtskräftig geschieden. Die Kl. nimmt den Bekl. auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch. Der Bekl. hat sich vergleichsweise verpflichtet, der Kl. bis zum Abschluß des hier zu erledigenden Unterhaltsverfahrens monatlich 1.400 DM Unterhalt zu bezahlen.

Die Kl. hat zuletzt im Termin am 29. 11. 1991 beantragt, den Bekl. zu verurteilen, an sie ab 15. 5. 1990 folgende Unterhaltsrente zu zahlen:

a) Elementarunterhalt: 1.530,00 DM.

b) Vorsorgeunterhalt: 430,00 DM.

c) Krankenkassenbeitrag: 146,72 DM.

Das AmtsG - FamG - K. hat unter Abweisung der Klage i. ü. den Bekl. verurteilt, an die Kl. ab 15. 5. 1990 1.000 DM Elementar- und 355 DM Vorsorgeunterhalt zu bezahlen.

Es hat dabei einen rechnerisch ermittelten Gesamtunterhaltsbetrag von 1.940 DM um knapp 1/3 im Hinblick auf eine feste soziale Verbindung der Kl. zum Zeugen S. nach § 1579 Nr. 7 BGB auf insgesamt 1.355 DM gekürzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kl.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1. Die Kl. ist unterhaltsbedürftig.

Nach dem vorliegenden Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes K. v. 5. 6. 1991 ist die Kl. arbeitsunfähig. Sie ist körperlich und seelisch nicht belastbar, und kann auch leichtere körperliche Arbeiten nicht durchführen. Daraus zog der Amtsarzt die Folgerung, daß die Kl. arbeitsunfähig sei. Der Senat hatte keinen Anlaß, das vom Sachverständigen herausgestellte Ergebnis sachlich anzuzweifeln und die Einholung eines Zusatzgutachtens zu beschließen, da dessen Ausführungen einleuchtend sind, und der Bekl. nur mit allgemeinen, unsubstantiierten Einwendungen die sachliche Richtigkeit des Sachverständigenurteils inhaltlich angezweifelt hat.

Aufgrund der Angaben der Kl. in der Berufungsverhandlung ist auch auszuschließen, daß sie, eine gelernte Goldschmiedin, noch hin und wieder durch Schwarzarbeit sich etwas hinzuverdient. Aus den später noch in anderem Zusammenhang darzustellenden Gründen erwachsen der Kl. auch keine geldwerten Vorteile daraus, daß sie mit dem Zeugen S. schon seit einer Reihe von Jahren eng befreundet ist. Zur Abdeckung ihrer Unterhaltsbedürftigkeit ist die Kl. deshalb auf Unterhaltszahlungen von seiten des Bekl. angewiesen, da sie derzeit auch keine nennenswerten Einkünfte mehr aus dem ihr durch den Zugewinnausgleich zugeflossenen Vermögen von 60.000 DM hat, und es ihr auch nicht anzulasten ist, das ihr zugeflossene Vermögen durch ein unterhaltsbezogenes leichtfertiges Verhalten verbraucht zu haben (vgl. dazu im einzelnen OLG Koblenz, FamRZ 1990, 51). Dazu konnte im einzelnen festgestellt werden: ...

4. Entgegen der vom FamG vertretenen Auffassung ist eine Kürzung der Unterhaltsrente der Kl. nach § 1579 Nr. 7 BGB nicht begründet. Nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens muß zwar davon ausgegangen werden, daß die Kl. mit dem Zeugen S. schon seit fünf Jahren eng befreundet ist. Beide führen jedoch getrennte Haushalte, sind in der Freizeit aber oft zusammen.

Häufig besucht der Zeuge die Kl. abends. Man schaut dann gemeinsam fern. Hin und wieder nächtigt der Zeuge auch während der Woche oder übers Wochenende bei der Kl. Sofern der Zeuge dabei von der Kl. bewirtet wird, bestreitet dieses die Kl. aus eigenen Mitteln. Die Kl. erhält auch keinen Zuschuß von seiten des Zeugen, wenn sie diesem hin und wieder mal ein Mittagessen bereitet. In den zurückliegenden Jahren hat die Kl. mit dem Zeugen auch schon mal einen Kurzurlaub in der Form gemacht, daß sie den Zeugen auf einer Geschäftsreise nach Italien begleitet hat, und dieser Aufenthalt einige Tage ausgedehnt wurde. Die dabei anfallenden Kosten wurden entweder von der Kl. oder von dem Zeugen, so wie es sich gerade ergab, getragen.

Soweit der Bekl. noch intensivere Beziehungen der Kl. zum Zeugen S. behauptet hat, konnte der Senat solche Feststellungen nicht treffen. Die nochmalige Einvernahme des Zeugen S. durch den Senat in der Berufungsverhandlung hat die Behauptung des Bekl. nicht bestätigt. Auch die Angaben der Kl. in der Berufungsverhandlung zu ihren Beziehungen zum Zeugen S. rechtfertigen nicht die Feststellung, daß die Kl. und der Zeuge S. trotz ihrer getrennten Haushaltsführung so häufig beisammen gewesen wären, wie dieses beispielsweise der Bekl. für den Zeitraum vom 8. 5. 1992 bis 31. 5. 1992 und vom 2. 6. 1992 bis 9. 6. 1992 behauptet hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat zwar keinen Zweifel daran, daß die Kl. und der Zeuge S. schon seit Jahren intim miteinander befreundet sind, und als Paar auch schon im Bekanntenkreis in einer Weise aufgetreten sind, daß dem Bekl. von seiten seiner Bekannten zugetragen wurde, "seine geschiedene Ehefrau habe mit dem Zeugen S. ein Verhältnis". Die Kl. und der Zeuge haben aber entschieden in Abrede gestellt, daß sie dieses Verhältnis über Jahre nur deshalb nicht durch eine Eheschließung legitimiert hätten, damit die Kl. ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Bekl. nicht verliere. Der Zeuge S. hat auf Vorhalt ausgeführt, daß es wirtschaftliche Gründe seien, die überhaupt bei ihm den Gedanken nicht hätten aufkommen lassen, das Verhältnis zur Kl. könne auch durch eine Ehe legitimiert werden. Da der Zeuge selbst geschieden, seiner geschiedenen Frau und drei Kindern unterhaltspflichtig ist, kann diese Darstellung nicht als reine Schutzbehauptung abgetan werden. Denn Umstände, die es gerechtfertigt hätten, diese Darstellung des Zeugen und die damit übereinstimmende Erklärung der Kl. als reine Zweckbehauptungen abzutun, haben sich für den Senat nicht aufgetan. Aus den gleichen Erwägungen muß deshalb auch davon ausgegangen werden, daß der Kl. aus ihrer intensiven Freundschaft zum Zeugen S. keine wirtschaftlichen Vorteile entstehen, sie also auf einen Teil der Unterhaltsrente des Bekl. deshalb nicht mehr angewiesen wäre, weil der Zeuge S. Kosten, die der Kl. durch ihre Lebensführung entstehen, allein oder überwiegend finanzieren oder mitfinanzieren würde. Allein die Feststellung, daß die Kl. mit dem Zeugen S. nach der Trennung vom Bekl. noch vor der Ehescheidung ein Verhältnis angefangen und bis heute fortgesetzt hat, und dieses Verhältnis auch im Bekanntenkreis offenkundig geworden ist, rechtfertigt es aber nicht, den Unterhaltsanspruch der Kl. ganz oder zumindest teilweise gemäß § 1579 Nr. 7 BGB zu kürzen. Dazu hat der Senat zusätzlich bedacht:

Seit der Entscheidung des BGH i. J. 1983 (BGH, FamRZ 1983, 569) ist zwar anerkannt, daß die Unzumutbarkeit für einen Unterhaltspflichtigen, seiner geschiedenen Ehefrau Unterhalt zahlen zu müssen, auch aus objektiven Gegebenheiten und Entwicklungen der beiderseitigen Lebensverhältnisse folgen kann. Eine solche Beurteilung kommt in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner in einer festen sozialen Verbindung zusammenlebt. Hier kann das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit dazu führen, daß die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in die Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltsschuldner unzumutbar wird (vgl. dazu die Nachweise der Rspr. im einzelnen bei Nehlsen-Stryk, FamRZ 1990, 109 ff.).

Die in der Berufungsverhandlung getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber eine solche Schlußfolgerung nicht. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß das Verhältnis der Kl. zum Zeugen S. im Bekanntenkreis des Bekl. bekannt geworden ist, und damit dem Erfordernis "der Öffentlichkeit" im Sinne der Rspr. einiger OLGe (vgl. dazu OLG Koblenz, FamRZ 1988, 295, und OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1267) Genüge getan wird, ist nicht ersichtlich, weshalb allein aus diesem Grunde es für den Bekl. schon unzumutbar wäre, der Kl. weiterhin zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet zu sein. Denn nachdem die Kl. rechtskräftig vom Bekl. geschieden ist, ist sie diesem nicht mehr zur ehel. Treue verpflichtet. Das schließt zwar nicht aus, daß ein intimes Verhältnis einer geschiedenen Ehefrau zu einem neuen Partner es für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar machen kann, seiner geschiedenen Ehefrau weiterhin Unterhalt zahlen zu müssen, wenn etwa durch ein solches Verhältnis der Lebenskreis des Unterhaltspflichtigen besonders tangiert wird. Dieses wäre der Fall, wenn das Verhältnis der Kl. zum Zeugen S. sich in einem Raum bewegt hätte, in dem auch der Bekl. verkehrt hat und deshalb davon auszugehen wäre, daß der Bekl. durch das Verhältnis der Kl. zum Zeugen S. besonders brüskiert würde (vgl. dazu die Nachweise bei Nehlsen-Stryk, a.a.O.).

Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Denn wenn das Verhalten der Kl. zum Zeugen S. "im Bekanntenkreis des Bekl." offenkundig geworden ist, rechtfertigt dies keineswegs die Feststellung, daß damit die soziale Stellung des Bekl. in einer mittleren Stadt wie K. schon so unmöglich geworden wäre, daß ihm deshalb bei der gebotenen Interessenabwägung die weitere Unterhaltszahlung an die Kl. nicht mehr zugemutet werden könnte.

Abgesehen davon, daß der Bekl. Umstände, die eine solche Beurteilung gerechtfertigt hätten, nicht vorgetragen hat, steht einer solchen Feststellung auch schon die Wertung entgegen, die in der Öffentlichkeit heutzutage einem eheähnlichen Verhältnis allgemein entgegengebracht wird. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Kl. wegen ihres Verhältnisses zum Zeugen S. jegliche Rücksichtnahme auf die Interessen des Bekl. vermissen ließe und ihre Beziehungen zu ihm nur noch unter "rein wirtschaftlichen Aspekten" betrachten würde. Die Kl. kümmert sich nämlich nach wie vor um beide gemeinsamen Kinder. Sie hat mit diesen Kindern Kontakt und hat es nach ihrer Darstellung auch einzurichten gewußt, daß beispielsweise die Tochter K. in der zurückliegenden Zeit ungeachtet der Tatsache, daß sie mit dem Zeugen S. intim befreundet war, noch bei ihr gewohnt hat. Auch darüber hinaus wurde nichts dafür vorgetragen, daß die Kl. durch ihre Lebensführung die Annahme vermissen lassen würde, einmal mit dem Bekl. verheiratet gewesen zu sein.

Es sind deshalb weder Umstände dargetan noch ersichtlich, die unter Berücksichtigung der Grundsätze, wie diese der BGH nochmals eingehend in seiner Entscheidung v. 21. 12. 1988 (FamRZ 1989, 487 = NJW 1989, 1083 ff.) herausgestellt hat, es rechtfertigen würden, den Unterhaltsanspruch der Kl. gegenüber dem Bekl. aus den Gründen des § 1579 Nr. 7 BGB ganz auszuschließen oder zu reduzieren. Denn der Umstand allein, daß die Kl. seit Jahren mit dem Zeugen S. eng befreundet ist und dieses in der Öffentlichkeit bekannt ist, reicht entgegen der Auffassung des Bekl. für die Feststellung nicht aus, daß die Kl. ihren Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise verwirkt hätte.

Die Berufung hatte somit nur einen Teilerfolg.

Die Revision war wegen der Ausführungen zu § 1579 Nr. 7 BGB gemäß §§ 621d I, 546 I ZPO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) zuzulassen.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB § 1579 Nr. 7