Eheähnliche Gemeinschaft i.S. des § 122 S. 1 BSHG, II
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
17. 05. 1995
Aktenzeichen
5 C 16/93
Eine eheähnliche Gemeinschaft i.S. des § 122 S. 1 BSHG liegt nur dann vor, wenn sie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich - im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (im Anschluß an BVerfGE 87, 234 (264f.) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72 - Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
Der Kl. begehrt vom bekl. Landkreis Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 17. 8. 1989 bis zum 5. 4. 1990 in gesetzlicher Höhe. Der geschiedene und alleinerziehende Kl. war mit seiner damals acht Jahre alten Tochter im Sommer 1989 in den Zuständigkeitsbereich des Bekl. gezogen, nachdem er an seinem alten Wohnort zum 30. 6. 1989 die von ihm betriebene Gastwirtschaft hatte aufgeben müssen. Da er kein Arbeitslosengeld erhielt, beantragte er am 17. 8. 1989 beim Bekl. für sich und seine Tochter laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Hierbei gab er an, bei Frau M in F. für 300 DM in möblierter Untermiete zu wohnen; mit der Mietzahlung sei er seit Antragsmonat im Rückstand. Mit Bescheid vom 27. 10. 1989 gewährte der Bekl. der Tochter des Kl., nicht aber dem Kl. selbst laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, da dieser mit Frau M i.S. des § 122 BSHG in Haushaltsgemeinschaft zusammenwohne. Dem widersprach der Kl. und legte für die Monate August, September und Oktober 1989 Gehaltsabrechnungen von Frau M über 1080,12 DM netto im Monat vor. Dem Widerspruchsschreiben war eine Erklärung von Frau M vom 26. 11. 1989 beigefügt, in welcher sie darlegte, daß sie aufgrund der Höhe ihres Einkommens und wegen der Nichtüberschaubarkeit der Dauer ihrer Beziehung zum Kl. von Anfang an auf einer getrennten Haushaltsführung bestanden und den Kl. mit Mietzahlungen belastet habe. In ihrer neuen Ganztagsbeschäftigung werde sie vollverpflegt; deshalb und wegen ihrer häufigen beruflichen Abwesenheit werde bei ihr und dem Kl. auch nicht aus „einem Topf gewirtschaftet“. Mit Bescheid vom 5. 4. 1990 wies der Bekl. den Widerspruch zurück.
Die daraufhin erhobene Klage auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 17. 8. 1989 bis zum 5. 4. 1990 hat das VG abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der VGH nach Anhörung des Kl. und Vernehmung von Frau M als Zeugin als unbegründet zurückgewiesen (ESVGH 43, 214 = DÖV 1993, 776 = NJW 1993, 2886 = VBlBW 1993, 437 = ZfSH/SGB 1993, 639). Die Revision des Kl. hatte Erfolg.
II. Die das Berufungsurteil tragenden rechtlichen Erwägungen sind mit Bundesrecht nicht vereinbar (§ 137 I Nr. 1 VwGO). Die auf der Grundlage der noch darzustellenden rechtlichen Beurteilungskriterien zu treffende abschließende Entscheidung erfordert aber noch tatsächliche Feststellungen, die zu treffen dem RevGer. verwehrt ist (§ 137 II VwGO), so daß die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß (§ 144 III 1 Nr. 2 VwGO).
Das BerGer. ist - in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG - von Maßstäben ausgegangen, die dem Rechtsgehalt des § 122 BSHG nicht gerecht werden. Nach § 122 S. 1 BSHG dürfen Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten. Hiernach sind entsprechend der nach § 11 I 2 BSHG für nicht getrennt lebende Ehegatten getroffenen Regelung auch in einer eheähnlichen Gemeinschaft Einkommen und Vermögen des Partners des Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Hilfe zum Lebensunterhalt ist demnach dann zu versagen, wenn das Einkommen des einen Partners der eheähnlichen Gemeinschaft geeignet ist, die Hilfebedürftigkeit des anderen zu beseitigen (vgl. BVerwGE 39, 261 (267)). Grund für die in § 11 I 2 BSHG getroffene Regelung ist, was das Verhältnis des Hilfesuchenden zu seinem Ehegatten angeht, das Vorhandensein einer ihre Beziehung prägenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft; insoweit gilt grundsätzlich nichts anderes als das, was der Senat jüngst zu § 28 BSHG ausgeführt hat (vgl. Urt. v. 26. 1. 1995 - BG 5 C 8/93, für den Abdruck in der Entscheidungssammlung bestimmt). Daran ist auch die Auslegung des Begriffs der eheähnlichen Gemeinschaft auszurichten.
Eine „eheähnliche Gemeinschaft" war allerdings nach der bisherigen, an die Entscheidung des BVerfG zu § 149 V BVerfG(vgl.BVerfGE 9, 29 (32ff.) = NJW 1959, 283) angelehnten Rechtsprechung des BVerwG bereits dann anzunehmen, wenn zwischen einem Mann und einer Frau eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht, wenn wie in einer echten Ehe „aus einem Topf gewirtschaftet wird“. Darauf, ob innere Bindungen oder Verpflichtungen zur Unterhaltsgewährung oder zur gemeinsamen Lebensführung bestehen, kam es nach dieser Rechtsprechung ebensowenig an wie darauf, ob die Partner durch geschlechtliche Beziehungen miteinander verbunden sind (vgl. BVerwGE 15, 306 (312f.); 52, 11 (12) = NJW 1978, 388; BVerwGE 70, 278 (280) = NJW 1985, 2284): Maßgebend für die Beurteilung dessen, ob die Leistung von Sozialhilfe notwendig sei, seien die tatsächliche Lage und im Rahmen dessen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Personen, die sich zu der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammengetan hätten (BVerwGE 70, 278 (280f.) = NJW 1985, 2284). Gerade weil es für die Gewährung von Sozialhilfe nur auf die Frage ankomme, ob die für die Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendigen Mittel vorhanden seien, reiche es aus, daß eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe (vgl.BVerwGE 52, 11 (15) = NJW 1978, 388). Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung eingeräumt, das sei ein „Weniger“ gegenüber immerhin denkbaren Anforderungen an eine „eheähnliche Gemeinschaft".
Das BVerfG hat sich dagegen in seiner jüngsten Entscheidung zum Begriff der „eheähnlichen Gemeinschaft" in § 137 IIa AFG für verschärfte Anforderungen an das Vorliegen einer derartigen Lebensgemeinschaft ausgesprochen: „Mit dem Begriff 'eheähnlich' hat der Gesetzgeber ersichtlich an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 10, 59 (66) = NJW 1959, 1483; BVerfGE 53, 224 (245) = NJW 1990, 689; BVerfGE 62, 323 (330) = NJW 1983, 511). Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen" (BVerfGE 87, 234 (264) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72).
Der Senat schließt sich dieser Auslegung für die hier entscheidungserhebliche, der Bestimmung des § 137 IIa AFG rechtsähnliche Vorschrift des § 122 S. 1 BSHG an. Rechtlich nicht geregelte Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau hinsichtlich der Bemessung der Regelsatzhilfe und der Anrechenbarkeit von Einkommen und Vermögen den für nicht getrennt lebende Ehegatten geltenden Vorschriften zu unterwerfen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, daß von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann, zwischen ihnen also eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht (vgl. BVerfGE 87, 234 (264, 265) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72). Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, daß sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen vergleichbar (vgl.BVerfGE 87, 234 (265) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72).
Legt man diese neuen Maßstäbe zugrunde, ergibt sich: Bundesrecht verletzt das Berufungsurteil insoweit, als es eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen dem Kl. und Frau M angenommen hat, ohne in tatsächlicher Hinsicht eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen den beiden Partnern festgestellt zu haben.
Das BerGer. hat - von seinem, an der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG ausgerichteten Rechtsstandpunkt, auf das Bestehen innerer Bindungen zwischen den Partnern komme es nicht an, aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die zwischen dem Kl. und seiner Partnerin bestehenden Bindungen in der streitgegenständlichen Zeit bereits so eng waren, daß von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden konnte, ihr Zusammenleben sich also bereits zu einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft verdichtet hatte. Auch hat die Vorinstanz ausdrücklich offengelassen, ob und welche Bedeutung dem Merkmal der Dauer als Kriterium für eine eheähnliche Gemeinschaft zukommt, weil sich die Beziehung des Kl. zu Frau M als dauerhaft erwiesen habe; denn inzwischen seien beide Partner nach K. übergesiedelt, wo sie zwar, wie zuletzt auch in F., keine Wohngemeinschaft mehr unterhielten, ihre persönliche Beziehung aber offenkundig fortgesetzt hätten.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Ob eine Lebensgemeinschaft auf der Grundlage entsprechender innerer Bindungen „auf Dauer angelegt" ist, muß vom Tatrichter für den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum festgestellt werden. Er hat dabei alle bis zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung feststellbaren Hinweistatsachen daraufhin in den Blick zu nehmen, ob sie den Schluß rechtfertigen, die Gemeinschaft werde von den Partnern mit dem Willen gelebt, nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer füreinander einzustehen. Das sicher gewichtigste Indiz stellt dabei - beispielhaft - eine lange Dauer des Zusammenlebens bei Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums dar (vgl. BVerfGE 87, 234 (265) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72). Weitaus größere Schwierigkeiten bereitet jedoch der tatrichterliche Nachweis dieses Begriffsmerkmals der eheähnlichen Gemeinschaft, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Beginn des Zusammenlebens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Leistungszeitraums zusammenfällt. Als Hinweistatsachen kommen hier etwa in Betracht Dauer und Intensität der Bekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begründung ihrer Wohngemeinschaft, der Anlaß für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können durch Ereignisse nach Ergehen der Widerspruchsentscheidung bestätigt werden (vgl. auch BVerwGE 52, 11 (15) = NJW 1978, 388). Hierbei kann gegebenenfalls auch ein langes Fortdauern der Gemeinschaft über den streitgegenständlichen Zeitraum hinaus Berücksichtigung finden.
Aus dem bloßen Fortdauern „persönlicher Beziehungen" kann dagegen nicht - im Sinne einer Hinweistatsache - geschlossen werden, eine einmal vorhanden gewesene Lebensgemeinschaft sei auf Dauer angelegt gewesen. Denn gerade die für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft bestimmende Form des Zusammenlebens hat sich in diesem Fall nicht als dauerhaft erwiesen. § 122 S. 1 BSHG verlangt nämlich nicht lediglich dauerhafte persönliche Beziehungen, sondern eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft. Zu ihr gehört, von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 1154 (1155)) abgesehen, grundsätzlich auch die Wohngemeinschaft. Fehlt sie - und davon ist das BerGer. für den Zeitraum seit Juli 1990 ausgegangen -, kann, wenn nicht aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls gleichwohl eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft anzunehmen ist, nicht von einer eheähnlichen Gemeinschaft gesprochen werden. Dies hat auch der Bekl. dadurch anerkannt, daß er von der Auflösung der Wohngemeinschaft an ab 11. 7. 1990 Hilfe zum Lebensunterhalt an den Kl. gezahlt hat (Bescheid v. 2. 8. 1990).
Um die Nachholung der unterbliebenen tatsächlichen Feststellungen zu ermöglichen, ist die Sache an die Berufungsinstanz zurückzuverweisen. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird der VGH zu beachten haben, daß die vom BVerfG benannten Hinweistatsachen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft (lange Dauer des Zusammenlebens, Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie die Befugnis, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen - BVerfGE 87, 234 (265) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72) weder abschließend sind noch kumulativ vorliegen müssen, um die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu rechtfertigen. Entscheidend ist stets das Gesamtbild der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien. Stellen die Partner einer Gemeinschaft zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher, bevor sie ihr persönliches Einkommen für die Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, kann im Regelfall auf das Vorliegen auch der inneren Bindungen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (vgl. BVerfGE 87, 234 (264) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72 sowie BVerfG(1. Kammer des Ersten Senats), NVwZ 1995, 370), geschlossen werden. Ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen des personalen Elements der eheähnlichen Gemeinschaft kann weiter das Bestehen geschlechtlicher Beziehungen sein (vgl.BVerwGE 52, 11 (15) = NJW 1978, 388). Zwar setzt die Annahme, es liege eine eheähnliche Gemeinschaft vor, die Feststellung von Intimbeziehungen nicht voraus, so daß behördliche Nachforschungen in der Intimsphäre der Partner unzulässig sind (vgl.BVerfGE 9, 20 (32f.) = NJW 1959, 283; BVerfGE 87, 234 (268f.) = NJW 1993, 643 = NZS 1993, 72). Sind aber intime Beziehungen, wie im vorliegenden Fall, bekannt, können sie auch als Hinweistatsache gewürdigt werden.
In Anbetracht der Rechtsprechung einiger Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Lüneburg, FEVS 34, 464 (466); VGH Mannheim, VBlBW 1986, 384 (385f.); VGH München, FEVS 39, 98 (101f.) = ZfSH/SGB 1990, 28), dem Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft sei der Einwand abgeschnitten, er unterstütze den bedürftigen Partner nur vorschußweise anstelle des nicht oder nicht rechtzeitig leistungsbereiten Sozialhilfeträgers (zur grundsätzlichen Beachtlichkeit dieses Einwands im Sozialhilferecht vgl.BVerwGE 90, 154 (156) = NVwZ 1993, 369; BVerwGE 96, 18 (19f.) = NJW 1994, 2842 = NVwZ 1994, 1213 L), sieht sich der Senat schließlich zu folgendem Hinweis veranlaßt: Die Intention, bedarfsdeckende Leistungen für den Lebensunterhalt eines anderen nur vorschußweise im Wege der „Nothilfe“ anstelle des Sozialhilfeträgers zu erbringen, ist unvereinbar mit der Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft. Denn diese ist geprägt durch das Sich-füreinander-verantwortlich-Fühlen, durch innere Bindungen von einer Intensität, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner auch für den Lebensunterhalt des anderen als selbstverständlich erscheinen lassen. Ist der vermögende Partner hierzu nicht bereit, sondern allenfalls zu einer darlehensweisen Überbrückungshilfe, so besteht - wie im Falle der Verwendung des Einkommens ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen (BVerfGE 87, 234 (265) = NZS 1993, 72) - eine eheähnliche Gemeinschaft noch nicht oder nicht mehr.
Sollte der VGH im fortzusetzenden Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, der Kl. und Frau M hätten im streitgegenständlichen Zeitraum in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt, wäre bei der Bedürftigkeitsprüfung und der Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten des Kl. folgendes zu beachten: Zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 I Nr. 1 SGB I können zwar auch Auskünfte über Einkommen und Vermögen eines Dritten gehören, wenn und soweit sie für die begehrte Sozialleistung erheblich sind. So hat das BSG etwa den Empfänger von Arbeitslosenhilfe für verpflichtet gehalten, über die Einkommensverhältnisse seines nichtehelichen Lebenspartners Auskunft zu erteilen (SozR 1200§ 66 SGB I Nr. 13 = MDR 1989, 291 (292)). Hieraus erwächst jedoch keine Ermittlungspflicht des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers. Die Auskunftspflicht erstreckt sich vielmehr nur auf Tatsachen, die ihm selbst bekannt sind. Die Behörde kann von ihm dagegen nicht verlangen, Beweismittel wie Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dritten oder einen von diesem geschlossenen Mietvertrag vorzulegen (vgl. BSGE72, 118 (120) = NZS 1994, 43). Bleibt infolgedessen und nach Ausschöpfung aller anderen der Behörde zur Verfügung stehenden Sachaufklärungsmöglichkeiten die tatsächliche Hilfebedürftigkeit eines in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Hilfesuchenden unaufgeklärt, so ist die Hilfe abzulehnen (vgl. BVerwGE 21, 208 (213)).
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