Dachterrasse auf Grenzgarage

Gericht

VGH Mannheim


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

16. 07. 1998


Aktenzeichen

8 S 1306/98


Leitsatz des Gerichts

Eine Dachterrasse auf einer Grenzgarage verletzt unabhängig von ihrer Breite und Tiefe dann keine Rechte des Angrenzers, wenn sie den in § 5 VI BadWürttBauO genannten Mindestabstand von 2 m zur Grundstücksgrenze einhält (Änderung der Rechtsprechung des VGH).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. wandten sich gegen eine den Beigel. erteilte Baugenehmigung für eine „Dachterrasse„ auf einer genehmigten Grenzgarage. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die angefochtene Änderungs- und Ergänzungsbaugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 113 I 1 VwGO). Insbesondere verstößt die streitige „Dachterrasse„ nicht zu Lasten der Kl. gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften der §§ 5f. BadWürttBauO.

Die Terrasse kann schon deshalb keine Rechte der Kl. als Nachbarn verletzen, weil sie zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von mehr als 2 m einhält. Das ergibt sich aus folgendem: Die Freifläche nutzt die genehmigte Grenzgarage nur als „Träger„, sie hat zu ihr nur einen statisch-konstruktiven und keinen funktionalen Bezug. Sie dient vielmehr der Wohnqualität des Hauptgebäudes, dessen Nutzfläche sie nach außen erweitert. Welchen Grenzabstand solche Wohnaußenflächen einhalten müssen, kann sich deshalb nur nach den Vorschriften des § 5 VI BadWürttBauO bestimmen, die sich mit Vorsprüngen und Vorbauten vor den Hauptgebäuden befassen. Denn es kann - wie das VG zu Recht hervorhebt - im Hinblick auf die für das erforderliche Abstandsmaß von Gebäuden untereinander und zu Grundstücksgrenzen maßgeblichen Belange der Belüftung und Belichtung des Zwischenraums, das Brandschutzes und möglicherweise (mit Blick auf Grundstücksgrenzen) des nachbarlichen Wohnfriedens keinen Unterschied machen, ob eine solche Wohnfläche im Freien auf einer vom Wohngebäude selbst auskragenden Platte oder auf dem Dach eines angebauten Nebengebäudes angelegt wird. Auf derartige Außenflächen finden deshalb die Bestimmungen des § 5VI BadWürttBauO, deren Aufzählung nur beispielhaft und nicht abschließend ist, entsprechende Anwendung. Danach bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen u.a. Balkone außer Betracht, wenn sie nicht breiter als 5 m sind und nicht mehr als 1,5 m vortreten und den Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Die in dieser Vorschrift genannten Breiten- und „Vorsprungsmaße„ überschreitet die „Dachterrasse„ der Beigel. zwar, den festgesetzten Mindestabstand zur Grenze hält sie dagegen bei weitem ein. Die Kl. können als Nachbarn aber nur dieses Abstandsmaß von 2 m einfordern. Denn die Frage, ob die Tiefe von 1,5 m, um die solche Vorbauten vor eine Gebäudeaußenwand vortreten dürfen, überschritten ist, kann für den Nachbarn keine Rolle spielen, wenn nur das Gebäude selbst weit genug von der Grenze wegbleibt. Bei einem anderen Verständnis hätte er selbst dann das Recht, ein zu weites Auskragen zu beanstanden, wenn die äußerste Kante des Balkons oder der balkonähnlichen Freifläche von der gemeinsamen Grundstücksgrenze weit entfernt bliebe, während er sich umgekehrt gegen einen die 2-m-Linie einhaltenden Vorbau vor einer grenznäheren Außenwand nicht mit Erfolg zur Wehr setzen könnte. In gleicher Weise kann der in § 5 VI Nr. 2 BadWürttBauO genannten maximalen Balkonbreite keine nachbarschützende Wirkung zukommen.

Abgesehen davon ist die „Dachterrasse„ aber auch objektiv rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 6 IV S. 1 Nr. 2 BadWürttBauO erfüllt sind und die Beigel. deshalb einen Anspruch auf ihre Genehmigung haben (VGH Mannheim, Urt. v. 25. 1. 1996 - 5 S 2766/95; Sauter, BadWürttBauO, 3. Aufl., Stand: Dez. 1996, § 6 Rdnr. 36; LT-Dr 11/5337, S. 84). Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistete bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 VII 3 BadWürttBauO unterschreitet, nachbarliche Belange nichterheblich beeinträchtigt sind. Das ist hier der Fall. Die Anlegung der Nutzfläche auf dem Garagendach einschließlich der 0,95 m hohen „Absturzsicherung„ kann . . . keinesfalls die Belichtung und Belüftung des Raumes beiderseits der gemeinsamen Grundstücksgrenze beeinträchtigen. Entgegenstehende Gründe des Brandschutzes sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sonstige nachbarliche Belange - etwa der nachbarliche Wohnfrieden (vgl.: VGH Mannheim, Beschl. v. 16. 1. 1992 - 3 S 2376/91; VGH Mannheim, VBlBW 1997, 266) - können schon deshalb nicht entgegenstehen, weil die allein nachbarschützenden Abstandsmaße des § 5 VII BadWürttBauO (hier: 2,5 m) nicht unterschritten werden.

Der Senat setzt sich mit der im Vorangegangenen dargelegten Rechtsmeinung nicht in Widerspruch zu den von den Kl. angeführten Entscheidungen des 3. Senats des erkennenden Gerichtshofs (VGH Mannheim, VBlBW 1995, 321 = BauR 1996, 90; VGH Mannheim, Urt. v. 26. 9. 1991 - 3 S 1413/91). Denn sie sind zu § 7 I 1 Nr. 1 BadWürttBauO in der bis zum 31. 12. 1995 geltenden Fassung ergangen. Darauf hat der Senat bereits im Zulassungsbeschluss v. 18. 5. 1998 (8 S 1039/98) hingewiesen. Im übrigen hat der 3. Senat auf entsprechende Anfrage unter dem 8. 7. 1998 mitgeteilt, dass er unter Berücksichtigung der Neufassung der Landesbauordnung in § 6 I und 4 Nr. 2 BadWürttBauO an seiner Rechtsprechung im Urteil v. 1. 3. 1995 nicht mehr festhalte.

Rechtsgebiete

Baurecht; Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht