Keine allzu strengen Anforderungen an Substantiierung im Arztprozess

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

02. 12. 1980


Aktenzeichen

VI ZR 175/78


Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. erhebt gegen die bekl. Stadtgemeinde Schadensersatzansprüche, weil eine Sterilisation seiner früheren Ehefrau, von der er inzwischen geschieden wurde, in der Frauenklinik der Bekl. mißlungen ist, so daß es zur Geburt eines weiteren Kindes kam. Als der Kl. seine Ehefrau, Frau D, im Februar 1973 heiratete, hatte diese aus ihrer ersten Ehe zwei Kinder, außerdem im Jahre 1967 eine Fehlgeburt durchgemacht. Am 23. 7. 1973 gebar sie dem Kl. ein weiteres Kind. Im Oktober 1974 kam es wieder zu einer Fehlgeburt im zweiten Monat. Aus diesem Anlaß schlugen die Ärzte der Frauenklinik der bekl. Stadt Frau D eine Sterilisation vor. Sie rieten in erster Linie zur vaginalen Exstirpation der Gebärmutter. Frau D entschloß sich jedoch zur Tubensterilisation, die Professor Dr. W am 23. 10. 1974 im Wege der laparoskopischen Eileiterkoagulation durchführte. Im Juli 1975 stellte der Frau D behandelnde niedergelassene Gynäkologe bei ihr wiederum eine Schwangerschaft fest, die am 27. 12. 1975 zur Geburt der Tochter S führte. Schon im Mai 1975 hatte Frau D mit der Angabe, der letzte eheliche Verkehr habe im Dezember 1974 stattgefunden, gegen den Kl. des jetzigen Rechtsstreits Scheidungsklage erhoben. Die Ehe wurde durch alsbald rechtskräftiges Urteil vom 23. 9. 1975 (nach altem Recht) aus Alleinschuld des Kl., der der Klage nicht entgegengetreten war, geschieden. Der Kl. behauptet: Die Sterilisation seiner früheren Ehefrau sei fehlerhaft ausgeführt worden, wie die nach kurzer Zeit erfolgte Rekanalisation eines Eileiters zeige. Auch sei seine Frau über die Versagerquote des von ihr gewählten Verfahrens unzulänglich aufgeklärt worden; sie würde sich sonst für ein sichereres Verfahren entschieden haben. Im Frühjahr 1975 seien er und seine Frau übereingekommen, sich scheiden zu lassen; dabei habe diese auf einen Unterhaltsanspruch gegen ihn verzichtet. Nach Entdeckung der neuerlichen Schwangerschaft habe sie diesen Verzicht nicht aufrecht erhalten, weil sie jetzt nicht mehr in der Lage gewesen sei, wie zunächst beabsichtigt, ihre frühere Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Er müsse nunmehr angesichts seiner Einkommensverhältnisse monatlich 150 DM Unterhalt für die Tochter S und monatlich 750 DM für den Unterhalt seiner geschiedenen Frau bezahlen. Der Kl. begehrt Ersatz des Schadens, den er in diesen Unterhaltsbelastungen erblickt.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. meint:

Durch die Aufnahme der früheren Ehefrau des Kl. als „Kassenpatientin“ in die Klinik der bekl. Stadt sei ein Behandlungsvertrag nicht nur mit der Ehefrau, sondern gem. § 1357 BGB auch mit dem Kl. als deren Ehemann zustandegekommen. Indessen bedürfe es nicht der Entscheidung der Frage, ob die von diesem geltend gemachten Unterhaltsbelastungen als „Vermögensschaden i. S. des § 249 BGB“ anzusehen seien. Auch könne offen bleiben, ob der Kl. nicht gegebenenfalls gehalten wäre, statt Zahlung Feststellung zu verlangen. Denn Frau D sei über die Erfolgsaussicht des Sterilisationseingriffs genügend aufgeklärt worden; überdies vermöge sich das BerGer. nicht davon zu überzeugen, daß sie bei noch eingehenderer Aufklärung eine andere Entscheidung getroffen haben würde. Schließlich sei eine fehlerhafte Durchführung des Sterilisationseingriffs nicht erwiesen, da der Kl. seinen diesbezüglichen Vorwurf nicht hinreichend substantiiert habe.

II. Die vom BerGer. offengelassene Frage, ob der Aufwand für ein gesundes eheliches Kind als Schaden gegenüber demjenigen geltend gemacht werden kann, der für eine fehlgeschlagene Sterilisation der Mutter verantwortlich ist, hat der erkennende Senat inzwischen in zwei Grundsatzurteilen vom 18. 3. 1980 (BGHZ 76, 249 = NJW 1980, 1450; BGHZ 76, 259 = NJW 1980, 1452) an sich bejaht. Damit erscheint die Klage insoweit schlüssig, als der Kl. Ersatz für seine Unterhaltsbelastung durch das Kind begehrt; des näheren wird darauf indessen noch unten einzugehen sein. Der Senat hat dort (BGHZ 76, 249 (256) = NJW 1980, 1450; BGHZ 76, 259 (262) = NJW 1980, 1452) auch bejaht, daß in diesen besonderen Fällen (Sterilisation der Ehefrau im Rahmen der Familienplanung) dem Ehemann ebenfalls vertragliche Ersatzansprüche aus einem Fehlschlag der ärztlichen Maßnahme erwachsen können. Damit braucht nicht entschieden zu werden, ob dem BerGer. gefolgt werden könnte, soweit es aus § 1357 BGB - einer Vorschrift, die übrigens bei Einschaltung eines Sozialversicherungsträgers bei der ärztlichen Behandlung nicht unmittelbar eingreift (vgl. BGHZ 1, 383 (385, 386) = NJW 1951, 798 L) - offenbar entnehmen will, daß der andere Ehegatte allgemein vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem Fehlschlag bei der Behandlung seines Partners herleiten könne; dies müßte zu einer bedenklichen Ausweitung des ärztlichen Haftungsrisikos führen - dies gar anhand einer Vorschrift, die in erster Linie die Vertragspartner der Eheleute und nicht diese schützen soll. Indessen kann die angefochtene Entscheidung mit der derzeitigen Begründung weder Bestand haben, soweit sie einen Behandlungsfehler verneint, noch, soweit sie die festgestellte Belehrung der Ehefrau für ausreichend erachtet. Überdies unterliegt auch die Begründung dafür, wie das BerGer. zu der Überzeugung gelangt ist, daß etwaige Mängel der Belehrung der Frau D für ihren Entschluß zur Sterilisation durch laparoskopische Tubenkoagulation nicht ursächlich geworden seien, Bedenken.

1. Der Vorwurf des Behandlungsfehlers.

I. Nach der Behauptung des Kl. beruht die unerwünschte Schwangerschaft darauf, daß die Tubenkoagulation fehlerhaft durchgeführt worden ist. Für diese Behauptung ist der Kl. - wovon das BerGer. zutreffend ausgeht - beweispflichtig. Indessen geht es nicht an, dem Kl. im Arztfehlerprozeß den Nachweis eines schadensursächlichen schuldhaften Arztfehlers, für den die Bekl. haften müßte (§§ 611, 276, 278 BGB), schon deshalb abzuschneiden, weil der eingetretene Zwischenfall mit einer gewissen statistischen Häufigkeit zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang gilt es vorweg zu beachten, daß die der medizinischen Literatur zu entnehmenden Berichte über Zwischenfallshäufigkeiten so gut wie nie zwischen unvermeidbaren Zwischenfällen, die in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang außer Betracht bleiben müssen, und solchen unterscheiden, die bei gehöriger Sorgfalt vermieden werden können - ein Umstand, der dem Richter häufig nicht bewußt ist. So mag es durchaus Eingriffe geben, bei denen das Mißlingen ganz überwiegend auf Arztverschulden und nur ausnahmsweise auf unbeherrschbaren Gegebenheiten beruht, ein Verhältnis, das dann beweismäßig nicht unbeachtet bleiben könnte. Dafür, daß letzteres bei dem hier zu beurteilenden Eingriff zutrifft, spricht allerdings nichts, und auch der Kl. hat derlei nicht behauptet. Gleichwohl ist es mit der Grenze der Anforderungen, die an die Parteien gerade im Arztfehlerprozeß verständigerweise gestellt werden können (vgl. Senat. VersR 1979, 939), nicht vereinbar, an die Substantiierung des Vortrags, für den ein Kl. Sachverständigenbeweis antritt, allzu strenge Anforderungen zu stellen. Auch darf aus der notwendig nur allgemeinen und technisch unpräzisen Einlassung eines medizinisch nicht gebildeten Kl., mag er auch von einem Rechtsanwalt unterstützt werden, nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß ein bestimmter medizinischer Sachverhalt „unstreitig“ sei. Wenn also im Streitfall der von der Bekl. vorgelegte Operationsbericht einen Eingriff lege artis ausweist, dann darf nicht leichthin mangels gegenteiliger Einlassung des Kl. ein kunstgerechtes Vorgehen, das er gerade bestreitet, für zugestanden erachtet werden; denn ein medizinischer Laie wird von sich aus gar nicht im Stande sein zu beurteilen, in welchem Punkte dem Arzt ein schadensursächlicher Fehler unterlaufen sein könnte. Deshalb darf der Tatrichter an die Substantiierung einer Fehlerbehauptung durch den Kl. keine allzugroßen Anforderungen stellen, ohne diesen in seiner an sich schon schwachen Beweissituation vollends rechtlos zu machen.

II. Im vorliegenden Fall hatte der Kl. immerhin die Behauptung aufgestellt, der auffallend kurze Zwischenraum zwischen Koagulation und Rekanalisierung erlaube den Schluß auf ein unrichtiges Vorgehen der Ärzte, und hatte sich dafür auf Sachverständigenbeweis berufen. Dieser Beweisantrag mußte, wenn er auch notgedrungen auf Vermutungen gestützt sein mag, berücksichtigt werden, solange nicht festgestellt war, daß die Vermutung des Kl. nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft haltlos ist. Nun mag zwar dafür, daß dem so ist, manches sprechen; denn der Vorgang der Verschmorung, bei dem sich dem Operateur das Lumen des Eileiters nicht darstellt, macht es vorstellbar, daß ausnahmsweise die Durchgängigkeit des Eileiters trotz regelrechten Eingriffs schon zunächst nicht oder nicht vollständig aufgehoben wird, ohne daß der Operateur das zu erkennen vermag, was eine trotzdem eintretende Empfängnis auch schon nach kurzer Zeit erklären könnte. Indessen verfügt das RevGer. nicht über hinreichende Sachkunde, dies abschließend zu beurteilen, und auch das BerGer., das sich auf allgemeine prozessuale Grundsätze stützt, weist eine solche Sachkunde nicht aus. Daher darf dem Kl. der angetretene Sachverständigenbeweis nicht abgeschnitten werden, solange seine Untauglichkeit nicht feststeht.

2. Der Vorwurf unzulänglicher „Aufklärung“.

I. Das BerGer. stellt unter Würdigung der Zeugenaussagen fest, der Arzt, der die entscheidenden Gespräche mit Frau D geführt hatte, habe diese zwar nicht ausdrücklich auf eine Versagerquote bei der zur Anwendung gekommenen Sterilisationsmethode hingewiesen, erst recht nicht den statistischen Wert dieser Versagerquote (Größenordnung nach Literaturberichten zwischen 2 % und 2 Promille) angegeben. Er habe ihr aber, nachdem sie die Entfernung der Gebärmutter abgelehnt hatte, erklärt, daß sie sich damit „nicht für die sicherste, sondern für die zweitbeste Methode entschieden“ habe. Daß der Begriff der Sicherheit insoweit auf die Empfängnisverhütung zu beziehen war und nicht auf den Nebenerfolg einer besseren Krebsvorbeugung, hinsichtlich der mit Frau D über den konkreten Anlaß gar nicht gesprochen worden war, zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

II. Diese Ausführungen des angefochtenen Urteils halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Der Senat vermag schon der Meinung des BerGer., daß der Arzt damit der von der Bekl. vertraglich geschuldeten Beratungspflicht voll gerecht geworden sei, nicht zu folgen.

a) Diese besondere Beratungspflicht kann weithin nicht dem gleichgestellt werden, was typischerweise unter der „Aufklärungspflicht des Arztes“ verstanden wird, nämlich einer Information über die Bedeutung eines Eingriffs, der erst dadurch gerechtfertigt wird, weil die Rechtsprechung die Einwilligung eines nicht hinreichend informierten Patienten als nicht wirksam erachtet (BGHZ 29, 46 (49) = NJW 1959, 811). Das dürfte dem BerGer., das im wesentlichen auch bei mißlungener Sterilisation die die allgemeine ärztliche Aufklärungspflicht betreffenden Grundsätze anwenden will, nicht durchweg klar geworden sein. Ansprüche aus echten Risiken, nämlich schädlichen Folgen des Eingriffs werden hier nicht geltend gemacht. Auch Ansprüche daraus, daß sich der Eingriff als nutzlos erwiesen und deshalb die Belastung durch einen zweiten Eingriff nötig gemacht hat, sind nicht im Streit; solche könnten übrigens allenfalls Frau D zustehen. Indessen galt es hier, die nicht sachkundige Frau D deshalb eingehend über die Erfolgssicherheit der geplanten Sterilisationsmethode aufzuklären, weil sie nur dadurch in die Lage versetzt wurde zu beurteilen, ob sie diese Methode anderen vorziehen wollte, die vielleicht belastender, dafür aber erfolgssicherer waren; auch war eine solche Information unterläßlich für ihre und des Kl. Entscheidung darüber, ob sie sich gegebenenfalls mit der immerhin hohen Sicherheitsquote begnügen oder aus besonderer Vorsicht noch zusätzliche Verhütungsmaßnahmen anwenden wollten.

b) Dieser vertraglich geschuldeten Beratungspflicht ist der für die Bekl. tätige Arzt nach Auffassung des Senats nur dann gerecht geworden, wenn er nach den Umständen sicher sein durfte, daß sich Frau D jener konkreten, wenn auch geringen Mißerfolgsquote bewußt geworden war. Deren statistische Häufigkeit, die nach den damals vorliegenden Publikationen ohnehin schwer zu konkretisieren war, hätte sie dann allerdings bei entsprechendem Wunsch erfragen mögen. Daß an diese Beratung keine geringen Anforderungen gestellt werden dürfen, ergibt sich vor allem daraus, daß gerade hier, anders als bei der Aufklärung über die Risiken eines Eingriffs, irgendwelche therapeutischen Rücksichten, die dort zwar nur ausnahmsweise die Aufklärungspflicht einschränken, wohl aber Art und Weise der Aufklärung modifizieren können, im Regelfall gar nicht denkbar sind. Es ist daher in einer Lage, wie sie hier gegeben war, kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, der betroffenen Frau eine Information vorzuenthalten, die einerseits sowohl für ihren Entschluß wie für ihr ferneres Verhalten sehr bedeutsam war, andererseits keinen nennenswerten Zeitaufwand verursacht haben würde. Das BerGer. wird unter diesen Gesichtspunkten erneut zu prüfen haben, ob die Frau D zuteil gewordene Beratung der Vertragspflicht der Bekl. entsprach.

2. Sollte sich das BerGer. von einer zureichenden Belehrung der Frau D nicht zu überzeugen vermögen, dann wird es allerdings des weiteren festzustellen haben, ob eine zureichende Belehrung diese und den Kl. zu einem Verhalten veranlaßt hätte, welches die später eingetretene ungewollte Empfängnis mit hinreichender Sicherheit ausschloß.

a) Beweispflichtig ist insoweit der Kl. Hier greifen die besonderen Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Falle der Aufklärung des Patienten über die Risiken eines Eingriffs deshalb gelten, weil die Entscheidungsfreiheit des jeweiligen Patienten keinesfalls überspielt werden darf (vgl. etwa Senat, NJW 1980, 1333 = VersR 1980, 428; NJW 1980, 2751 = VersR 1980, 940 (942); jeweils m. Nachw.), nicht ein. Die Beweislast kann insoweit auch nicht nach den in einer Entscheidung des VII. Senats des BGH (BGHZ 61, 118 = NJW 1973, 1688) ausgesprochenen Grundsätzen der Bekl. auferlegt werden (s. dazu auch Hofmann, NJW 1974, 1642 f.); denn in dem jetzt zur Entscheidung stehenden Fall schuldete die Bekl. nicht etwa den auf eine bestimmte Verhaltensweise des Adressaten ausgerichteten Rat, über den sich dieser nur unvernünftigerweise hinweg setzen konnte.

b) Gleichwohl genügt derzeit die Begründung nicht, mit der das BerGer. die Feststellung ablehnt, eine ordnungsgemäße Beratung würde am Entschluß der Frau D nichts geändert haben. Das gilt schon hinsichtlich der Wahl der Sterilisationsmethode, denn auch insoweit hätten außer der von Frau D abgelehnten Entfernung der Gebärmutter noch andere, bisher nicht erörterte Verfahren zur Verfügung gestanden. Indessen wird das BerGer. insoweit bei der erneuten Prüfung auch in Betracht ziehen müssen, daß der Kl. selbst vorgetragen hatte, man würde sonst eben wieder die „Pille“ (Ovulationshemmer) benutzt haben, eine Verhütungsmethode aber, die bei Frau D auch früher mehrfach versagt zu haben scheint. Sodann wird zu prüfen sein, ob die Eheleute in Kenntnis einer gewissen Versagerquote nicht etwa trotz Tubenkoagulation noch zusätzliche Verhütungsmaßnahmen getroffen haben würden (Kondome, vaginale Kontraceptiva, Intrauterinpessare etc.), was gegebenenfalls den Sicherheitsgrad potenzieren konnte. In diesem Zusammenhang mag es einerseits eine Rolle spielen, inwieweit Eheleute in dieser Lage sich allgemein auf die immerhin weitgehende Sicherheit der Tubenkoagulation zu verlassen pflegen bzw. pflegten. Andererseits könnte es aber auch von Bedeutung sein, wenn der Kl. und seine frühere Frau, die im Scheidungsrechtsstreit hinsichtlich des letzten ehelichen Verkehrs offensichtlich unzutreffende Angaben gemacht haben, im Zeitpunkt der Zeugung des zweiten, unerwünschten Kindes etwa schon zur Trennung entschlossen waren, was durchaus einen Anlaß zu doppelter Vorsicht hätte bilden können.

III. Auf das Vorstehende käme es nicht an, wenn sich der Klageanspruch auch für den Fall eines schuldhaften Beratungs- bzw. Behandlungsfehlers als in vollem Umfange unbegründet erweisen würde, weil dem Kl. ein der Bekl. zurechenbarer Schaden nicht entstanden ist. Auch das kann aber jedenfalls derzeit nicht festgestellt werden.

1. Wie eingangs bemerkt, wird in der neuesten Rechtsprechung des BGH ein Schadensersatzanspruch wegen des durch ein trotz Sterilisation empfangenes Kind verursachten Unterhaltsaufwandes grundsätzlich für möglich gehalten. Voraussetzung des Anspruchs ist es aber, daß durch den Fehler des Arztes tatsächlich eine Familienplanung gestört worden ist (BGHZ 76, 249 (256) = NJW 1980, 1450). Das ist im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb nicht selbstverständlich, weil hier die Sterilisation offenbar nicht primär von Frau D gewünscht, sondern ihr in ihrem Gesundheitsinteresse von den Ärzten angeraten worden war. Ein Gesundheitsrisiko hat sich indessen im Zuge der auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter ausgetragenen Schwangerschaft nicht verwirklicht, ist jedenfalls nicht Grundlage des Klageanspruchs. Das schließt aber nicht aus, daß die Ehegatten die vermeintlich erfolgreiche Sterilisation in der Form in ihre Familienplanung eingebaut hatten, daß sie um ihretwillen auf eine andere Methode der Empfängnisverhütung verzichteten, die sie sonst angewandt haben würden. Aber auch dafür ist der Kl. beweispflichtig, wobei der Tatrichter indessen nicht kleinlich verfahren soll (BGHZ 76, 249 (256) = NJW 1980, 1450). Im vorliegenden Falle werden, wenn die weiteren tatsächlichen Aufklärungen zugunsten des Kl. ausfallen sollte, diesbezügliche Feststellungen nachzuholen sein.

2. Der Kl. begehrt mit seinem Zahlungsanspruch nur zum kleineren Teil den ihm unmittelbar zur Last fallenden Unterhaltsaufwand für das unerwünschte Kind. Im übrigen stützt sich sein Anspruch auf die Behauptung, daß er wegen der unerwarteten Geburt dieses zweiten Kindes seiner früheren Ehefrau Unterhalt bezahlen müsse, während sie ursprünglich bereit gewesen sei, wieder arbeiten zu gehen und deshalb auf seine Unterhaltsleistungen zu verzichten.

a) Insoweit ist nun allerdings schon in tatsächlicher Hinsicht streitig, ob der Kl. diese Unterhaltslast nicht vermeiden konnte. Doch kommt es darauf nicht an. Der Senat hat in seinen oben erwähnten Grundsatzurteilen vom 18. 3. 1980 (insb. BGHZ 76, 259 (265 ff.) = NJW 1980, 1452) bereits ausgeführt, daß die Verantwortlichkeit des Arztes für eine der Familienplanung widersprechende Geburt keine unbegrenzte Haftung für alle dadurch ausgelösten familienrechtlichen Verpflichtungen herbeiführen kann, es vielmehr einer Abgrenzung gegenüber dem Bereich bedarf, in dem das Familienrecht als eigenständiger Rechtsgrund für Unterhaltspflichten in den Vordergrund tritt. Demnach, wie in jenen Urteilen näher ausgeführt, kann schon der dem planwidrig geborenen Kind geschuldete Unterhalt nicht immer in vollem Umfang als Schaden demjenigen überbürdet werden, der durch eine Vertragsverletzung die Familienplanung gestört hat. Das muß erst recht gelten für Unterhaltspflichten, die - wie hier diejenige des Kl. für seine geschiedene Ehefrau - nur mittelbar durch die ungewollte Geburt eines Kindes ausgelöst sein sollen, weil es dadurch, wie der Kl. behauptet, bei seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht aus §§ 58 ff. EheG mangels Verzicht seiner Frau geblieben ist. Hier ist nach den seinerzeit vom Senat aufgestellten Grundsätzen ersichtlich die Grenze überschritten, jenseits derer die eigenständige familienrechtliche Ordnung überwiegt und die Überbürdung der durch sie begründeten Pflichten auf schadensersatzpflichtige Dritte ausschließt.

b) Indessen sieht sich der Senat derzeit nicht in der Lage, die Klage wenigstens insoweit schon abzuweisen, als der Kl. sie auf seine Belastung durch Unterhaltszahlungen seiner früheren Ehefrau gegenüber gestützt hat. Wie der Senat in den oben genannten Urteilen ausgesprochen hat, steht ein Ersatzanspruch wegen der Unterhaltsbelastung durch ein ungewolltes Kind im Zweifel beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zu, wobei der vom Kl. wegen seiner Zahlungen für das Kind geforderte Betrag dann, falls der Anspruch überhaupt gerechtfertigt wäre, jedenfalls nicht mehr als die Hälfte des beiden (früheren) Ehegatten zusammen Zustehenden ausmachen dürfte. Da nun die Mutter des Kindes eigene Ansprüche gegen die Bekl. nicht erhoben hat, andererseits den Anspruch des Kl. für berechtigt zu halten scheint, liegt es nicht ganz fern, daß sie ihren eigenen Anspruch mit Rücksicht auf den ihr gewährten Unterhalt dem Kl. abgetreten hat, jedenfalls aber mit seiner Geltendmachung durch ihn einverstanden ist. Da diese Deutungsmöglichkeiten des Klagbegehrens erst durch die in den erwähnten Senatsurteilen vom 18. 3. 1980 entwickelten Grundsätze hervorgetreten sind, muß dem BerGer. Gelegenheit gegeben werden, insoweit im Rahmen der anderweiten Verhandlung klärende Fragen (§ 139 ZPO) zu stellen.

Rechtsgebiete

Arzt-, Patienten- und Medizinrecht

Normen

BGB §§ 249, 611