Anspruch auf Einsicht in Krankenunterlagen

Gericht

BGH


Datum

23. 11. 1982


Aktenzeichen

VI ZR 222/79


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Patient hat gegenüber Arzt und Krankenhaus grundsätzlich auch außerhalb eines Rechtsstreits Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen, soweit sie Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen (Medikation, Operation etc.) betreffen.

  2. Art und Grenzen einer solchen Einsichtsgewährung.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der im Jahre 1911 geborene Kl., welcher sich wegen einer Nervenerkrankung mit Lähmungserscheinungen in stationärer Behandlung befand, wurde am 18. 5. 1976 in die Neurochirurgische Klinik eines Krankenhauses überwiesen, dessen Träger die bekl. Stadtgemeinde ist. Dort wurde er am 25. 5. 1976 im Bereich der Halswirbelsäule operiert. Die Operation sollte das durch Einengung des Halswirbelkanals beeinträchtigte Cervicalmark entlasten und so einen fortschreitenden Lähmungsprozeß anhalten. In der postoperativen Phase traten beim Kl. schwere Komplikationen auf, vor allem eine Verstärkung der Lähmungserscheinungen. Der vorher noch gehfähig gewesene Kl. mußte weiterhin stationär behandelt werden und ist seitdem pflegebedürftig. Der Kl. möchte die Frage eines Behandlungsfehlers prüfen. Er hat deshalb von der Bekl. Auskunft über Operationsverlauf und Behandlungsmaßnahmen verlangt, ferner Gewährung der Einsicht in die Behandlungsunterlagen durch seinen nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten, hilfsweise durch einen vom Kl. zu benennenden Arzt. Das Auskunftsverlangen haben die Parteien nach einem Schreiben der Bekl. vom 17. 1. 1979 für erledigt erklärt. Den Hilfsantrag (Einsicht durch einen Arzt) erkennt die Bekl. an, mit der Einschränkung freilich, daß dieser nicht seinerseits dem klägerischen Anwalt Einsicht gewähren dürfe.

Das LG hat die Bekl. verurteilt, dem Kl. Einsicht durch seinen Prozeßbevollmächtigten in seine vollständige Krankenakte über die Behandlung in der Neurochirurgischen Klinik zu gewähren. Die Berufung der Bekl. ist ohne Erfolg geblieben. Auf die - zugelassene - Revision wurde die Bekl. verurteilt, dem Kl. Einsicht in seine Krankenakten zu gewähren, jedoch nur nach näherer Maßgabe der nachfolgenden Entscheidungsgründe.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

A. Das BerGer. hält die Bekl. für zur Gewährung der Einsichtnahme in die Krankenakte des Kl. durch seinen Prozeßbevollmächtigten verpflichtet.

Es meint, für den Arzt bestehe, jedenfalls soweit der Patient daran ein berechtigtes Interesse hat, eine aus seiner Dokumentationspflicht folgende vertragliche Nebenpflicht, dem Patienten selbst, aber auch seinen Prozeßbevollmächtigten Einsicht in die vom Arzt angelegten, bei ihm oder beim behandelnden Krankenhaus geführten Krankenunterlagen zu gewähren, wobei sich die inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs aus der entsprechenden Anwendung des § 259 BGB ableiten lasse. Es könne daher dahinstehen, ob als weitere Anspruchsgrundlagen § 810 BGB, die entsprechende Anwendung des Auftragsrechts oder Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes in Betracht kämen.

B. I.1. Der Entscheidung des BerGer. ist - allerdings nur mit gewissen Einschränkungen - zuzustimmen. Dieses ist der Auffassung, daß einem Patienten, der ein berechtigtes Interesse daran hat, grundsätzlich volle Einsicht in die Krankenunterlagen zu gewähren sei. Der erkennende Senat hat einen solchen Grundsatz bisher nicht aufgestellt, vielmehr nur ausgesprochen, daß eine ordnungsmäßige Dokumentation über die Behandlung des Patienten nicht, wie früher noch von der Rechtsprechung angenommen wurde, allein eine im Belieben des Arztes stehende Gedächtnisstütze darstellt, sondern dem Patienten als Bestandteil einer sorgfältigen Behandlung vom Arzt geschuldet wird (grundlegend BGHZ 72, 132 (137) = NJW 1978, 2337). Ein Recht des Patienten auf Einsicht in diese im wesentlichen in seinem Interesse gefertigten Unterlagen ergibt sich hieraus nicht unmittelbar. Es läßt sich aus jenen Grundsätzen nur ableiten, daß die gefertigten Unterlagen für die weitere Behandlung des Patienten, gegebenenfalls auch durch einen anderen Arzt, dem sich anzuvertrauen dem Patienten freistehen muß, verfügbar sein sollen. Damit ist die Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen an einen nachbehandelnden Arzt keinesfalls zulässig (anders noch OLG Celle, NJW 1978, 1200); es geht dabei auch nicht nur um einen Akt der „Standescourtoisie“ (so aber Lenkaitis, Krankenunterlagen aus juristischer, insbesondere zivilrechtlicher Sicht, 1979, S. 173). Daß der Arzt überdies die vertragliche Pflicht hat, den Patienten, der das wünscht, in einem Arztgespräch in angemessener Form über Befunde und Prognose zu unterrichten, sei zur Vermeidung von Mißverständnissen erwähnt, hat aber mit einem Recht auf Einsicht in Unterlagen nicht unmittelbar etwas zu tun.

2. Indessen ist in Weiterbildung der Grundsätze des Senatsurteils BGHZ 72, 132 = NJW 1978, 2337, die im Berufungsurteil vertretene Meinung, daß auch dem Patienten selbst ein Einsichtsrecht zustehe, nicht nur vom BerGer. auch anderweit (NJW 1980, 644, rechtskr.), sondern mehr oder weniger uneingeschränkt auch von anderen Instanzgerichten geteilt worden (LG Limburg, NJW 1979, 607; LG Göttingen, NJW 1979, 601 m. zust. Anm. Ahrens; LG Köln, VersR 1981, 1086; ein die letztere Entscheidung bestätigendes Urteil des OLG Köln liegt dem Senat zur Revision vor; Gegenstand eines gleichzeitig verkündeten Senatsurteils VI ZR 177/81 NJW 1983, 330 (in diesem Heft) ist das Urteil des KG vom 1. 6. 1981, NJW 1981, 2521).

3. Im ärztlich orientierten Schrifttum wird, wiewohl die Tendenz zu weitergehender Einschaltung des Patienten in das Behandlungsgeschehen unverkennbar ist, dessen grundsätzlicher Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen wohl immer noch ziemlich einheitlich abgelehnt (zuletzt etwa U. Baur u. a., Arzt und Krankenhaus 1982, 180 ff.; Hollmann, DtMedWochenschr 1981, 343). In der juristischen Literatur zeigt die Diskussion, die nicht vollständig referiert werden soll, vermehrt Stimmen für einen mehr oder weniger uneingeschränkten Einsichtsanspruch. Diese Auffassung vertritt besonders nachdrücklich Husmann (in: Die juristische Problematik in der Medizin II, 1971, S. 183 ff.); auch etwa Narr (Ärztliches BerufsR, 2. Aufl. (1977), Rdnrn. 935 ff.), ferner Daniels (NJW 1976, 348 f.) neigten schon vor dem Grundsatzurteil BGHZ 72, 132 = NJW 1978, 2337, das diese Frage allerdings ausdrücklich offenließ, einem weitgehenden Einsichtsrecht zu. Für die spätere Zeit seien in Auswahl erwähnt: Lenkaitis, S. 176 ff.; Lilie, Ärztliche Dokumentation und Informationsrechte des Patienten, 1979; Stürner, NJW 1979, 1230; Wasserburg, NJW 1980, 620; nur mit erheblichen Einschränkungen Deutsch, NJW 1980, 1308. Entschieden bejahend, indessen ohne nähere Begründung, Palandt-Thomas, BGB, 40. Aufl., § 810 Anm. 3; Keller, in: MünchKomm, § 260 Rdnr. 15. Auch auf dem 52. Deutschen Juristentag erhoben sich gewichtige Stimmen zugunsten eines grundsätzlichen Einsichtsrechts. Bedenken gegen ein allgemeines Einsichtsrecht bestehen allerdings auch auf juristischer Seite fort (vgl. etwa Laufs, NJW 1979, 1232; ders., ArztR, 2. Aufl., Rdnr. 148 m. Nachw.; vgl. auch Giesen, JZ 1982, 548 - „nicht durchweg unbedenklich“).

II. Der erkennende Senat vermag sich der neueren Tendenz in Rechtsprechung und Schrifttum nicht grundsätzlich zu verschließen, hält allerdings Einschränkungen für erforderlich.

1. a) Aus dem unmittelbaren Konsens des Arztvertrages, aus dem der Einsichtsanspruch gemeinhin abgeleitet wird, kann sich dieser deshalb nicht ergeben, weil auch nach heute noch ganz herrschender ärztlicher Meinung eine solche Einsicht jedenfalls nicht im Belieben des Patienten stehen soll, - eine Einstellung, für die sich nicht nur ethisch abzulehnende, sondern auch durchaus achtbare Beweggründe anführen lassen. Es kann also mangels besonderer Vereinbarung ein entsprechender Vertragswille des Arztes (bzw. Krankenhausträgers) nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden. Eine besondere Vereinbarung ist im vorliegenden Falle nicht behauptet.

b) Das würde freilich schon nicht ausschließen, daß den Arzt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine ungeschriebene vertragliche Nebenpflicht treffen kann, dem Patienten Einsicht in Behandlungsunterlagen insoweit zu gewähren, als dieser daran ein ersichtliches Interesse hat und billigenswerte Gründe für die Verweigerung nicht vorliegen. Vieles spricht dafür, daß im vorliegenden Falle dem Kl. schon unter diesem Gesichtspunkt Einsicht in diejenigen Aufzeichnungen zu gewähren ist, die es ihm bzw. einem ihn beratenden Fachkundigen ermöglichen, die Ursachen des unglücklichen Operationsverlaufs zu prüfen. Ersichtlich geht es nur noch darum, während nach Abschluß der Behandlung in der neurochirurgischen Klinik insbesondere therapeutische Gegengründe kaum denkbar sind und auch von der Bekl. nicht geltend gemacht werden.

2. Der Senat ist aber darüber hinaus der Auffassung, daß sich der Arzt dem ernstlichen Verlangen des Patienten nicht widersetzen darf, in die objektiven Feststellungen über seine körperliche Befindlichkeit und die Aufzeichnungen über die Umstände und den Verlauf der ihm zuteil gewordenen Behandlung Einsicht zu erlangen. Im letzteren Punkt kommen vor allem etwa die Medikation sowie der Verlauf und das Ergebnis von Operationen in Frage. Dieser zusätzliche Vertragsanspruch ergibt sich schon aus dem durch grundrechtliche Wertung geprägten Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Patienten, die es verbieten, ihm im Rahmen der Behandlung die Rolle eines bloßen Objekts zuzuweisen (vgl. dazu BVerfG, NJW 1979, 1925 (1929), und das Sondervotum daselbst S. 1930 f.). Aus dieser Sicht erscheint es im Regelfall nicht tragbar, daß dem Patienten gegen seinen ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch persönliche Fakten vorenthalten werden, die in seinem Auftrag (das gilt im Ergebnis nicht weniger für sogenannte Kassenpatienten) und in seinem Interesse vom Arzt nur im Rahmen des zwischen Arzt und Patient notwendigen besonderen Vertrauensverhältnisses erhoben worden sind und erhoben werden konnten.

a) Dem läßt sich nicht, wie dies häufig geschieht, entgegenhalten, daß der Patient gar nicht in der Lage sei, solche Aufzeichnungen medizinischer und technischer Art zu verstehen. Abgesehen davon, daß dies nicht auf alle Patienten zutrifft, ist es dann gegebenenfalls Sache des Patienten, sich sachkundig von einer Person seines Vertrauens beraten zu lassen, und keine Rechtfertigung für die Verweigerung der Einsicht durch den Arzt. Auch die von ärztlicher Seite oft geltend gemachten Urheber- und Eigentumsrechte an solchen Aufzeichnungen müssen nach der Sachlage hinter dem Persönlichkeitsrecht des betroffenen Patienten zurücktreten, soweit von ihnen bei den hier allein in Frage stehenden sachlichen Befunden und Berichten überhaupt die Rede sein kann.

b) Der Senat verkennt allerdings nicht, daß bereits die Einsicht in objektive Befunde dem Patienten mittelbar eine ungünstige Prognose erschließen kann, deren Kenntnis sein Befinden verschlechtern und ihn für die verbleibende Lebenszeit resignieren lassen, ja u. U. die Gefahr eines körperlichen und seelischen Zusammenbruchs heraufbeschwören könnte. Das muß aber nach Auffassung des Senats im Interesse des Selbstbestimmungsrechts in Kauf genommen werden, zumal es dem Patienten freigestanden hätte, eine volle Offenlegung der Befunde von vornherein zum Inhalt des Behandlungsvertrags zu machen.

c) Es ist nicht zu verkennen, daß es besondere Situationen geben kann, in denen der Arzt dem Patienten aus therapeutischen Gründen gewisse Erkenntnisse vorenthalten darf und muß, was in nicht ganz glücklicher Weise als therapeutisches „Privileg“ bezeichnet worden ist (Deutsch, NJW 1980, 1308; Lilie, S. 171 f.). Das ist in der Rechtsprechung selbst hinsichtlich der rechtfertigenden Aufklärung über die Risiken eines Eingriffs anerkannt (BGHZ 29, 46 (57) = NJW 1959, 811, und ständig). Ebenso wie dort sind die Grenzen für solche Ausnahmefälle aber auch hinsichtlich der Offenlegung von Befunden sehr eng zu ziehen, da die Gefahr einer mitunter gutgemeinten ärztlichen Zurückhaltung sonst den grundsätzlichen Anspruch des Patienten untergraben kann. Zu näheren Ausführungen darüber, wie gegebenenfalls diese Grenzen zu ziehen sind, gibt indessen der zur Entscheidung stehende Fall aus den schon erwähnten Gründen keinen Anlaß.

3. Die Information des Patienten über die Behandlungsunterlagen, um die es insoweit geht (es handelt sich um die naturwissenschaftlich konkretisierbaren Befunde und die Aufzeichnungen über Behandlungsmaßnahmen - insbesondere Angaben über Medikation und Operationsberichte), wird ihm auf Wunsch auch in der Form von eigener Einsicht zu gewähren sein. Diese wird im Regelfall im Rahmen eines Arztgesprächs stattfinden, doch sollten dem Patienten auf ausdrückliches Verlangen solche Aufzeichnungen auch zum selbständigen Studium überlassen werden, wobei an die Stelle der Originale, gegen deren Überlassung mitunter Bedenken bestehen können, auch auf Kosten des Patienten zu fertigende Ablichtungen treten mögen. Gegengründe gerade gegen dieses Verfahren sind im Streitfall nicht ersichtlich. Bei alledem ist allerdings selbstverständlich, daß der Patient sein Einsichtsrecht nicht mißbräuchlich oder zur Unzeit ausüben darf und dabei insbesondere auf den geordneten Ablauf des Praxis- bzw. Krankenhausbetriebes Rücksicht nehmen muß.

III. Das bisher Ausgeführte bezieht sich indessen nur auf die Aufzeichnungen über naturwissenschaftlich objektivierbare Befunde und auf Behandlungsfakten, die die Person des Patienten betreffen. Nur insoweit läßt sich sein Informations- und Einsichtsrecht, auch wenn es der Arzt nicht ausdrücklich eingeräumt hat, aus dem vorrangigen Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts rechtfertigen. Bezüglich weiterer Inhalte der Krankenakte gilt es auch abgesehen von den später noch zu erörternden Besonderheiten der Arzt/Patienten-Beziehung festzuhalten, daß die Verpflichtung eines Vertragspartners, dem anderen seine gesamten im Zuge der Abwicklung des Vertragsverhältnisses gemachten Aufzeichnungen jederzeit offenzulegen, auch sonst dem Rechtsverkehr eher fremd ist (vgl. jetzt auch Holoch, NJW 1982, 2584).

1. Einschränkungen ergeben sich nicht nur daraus, daß solche Aufzeichnungen nicht selten auch Aufschluß über Dinge geben, an deren Kenntnis der andere kein berechtigtes Interesse hat (Geschäftsgeheimnisse etc). Viel wichtiger ist in dem hier gegebenen Zusammenhang, daß viele Vertragsbeziehungen auch eine persönliche Komponente haben, die in den den Vertrag betreffenden Aufzeichnungen ihren Niederschlag finden. Auch solche Aufzeichnungen, etwa über persönliche Eindrücke bei Gesprächen mit dem Vertragspartner oder über die Motive für einen im Rahmen der Vertragsabwicklung getroffenen Entschluß, mögen teilweise zu einer ordnungsmäßigen Vertragserfüllung gegenüber dem Partner gehören. Sie werden aber nicht etwa mit dem Ziel gefertigt, sie gegebenenfalls dem Vertragspartner auch unmittelbar zur Kenntnis zu bringen, sondern sind in ihrer Fassung vielmehr oft von dem Bewußtsein geprägt, daß dieser zu ihnen keinen Zugang haben werde. Diese Aufzeichnungen können eben wegen dieser Erwartung oft einerseits zwangloser und andererseits deutlicher abgefaßt werden, was dem Interesse auch des Vertragspartners im Regelfall nicht entgegensteht, sondern förderlich ist.

2. So ist selbst derjenige, der in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zur Rechenschaft verpflichtet ist, in der Regel nicht gehalten, auch weitere Unterlagen preiszugeben, die nicht nur über das Tun im Rahmen der Vertragserfüllung, sondern über dessen sachliche oder gar persönliche Motivation Aufschluß geben können. Eine besondere Bedeutung können solche zusätzlichen Aufzeichnungen etwa im Rahmen eines Anwaltsvertrages gewinnen, insbesondere wo es sich nicht um rein vermögensrechtliche Belange des Mandanten handelt. Aufzeichnungen des Anwalts über bei einem persönlichen Gespräch mit dem Mandanten gewonnene Eindrücke sind hier oft nützlich, aber sie sind im Zweifel nicht für die Einsicht durch den Mandanten bestimmt, und eine solche wäre dem Anwalt auch nicht zumutbar. Es ist deshalb, soweit ersichtlich, einem Anwalt, der nach der Rechtslage zur Herausgabe seiner Handakten verpflichtet war, noch nie zugemutet worden, auch derartige Aufzeichnungen offenzulegen. Beispiele aus anderen, insbesondere freiberuflichen Bereichen aufzuzeigen liegt nahe, erscheint aber in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

3. Gerade bei der ärztlichen Tätigkeit ist das persönliche Engagement, das auch zu einem Niederschlag personaler Komponenten in den die Behandlung betreffenden Aufzeichnungen führen kann und in aller Regel führt, kaum weg zu denken. Sieht man von Sonderfällen ab, dann erschöpft sich die ärztliche Tätigkeit nicht im technisch-somatischen Bereich und darf das auch nicht, da sie sonst ihren wesentlichen Charakter verlöre. Ihr ist vielmehr eher regelmäßig die gegenseitige Zuwendung zwischen Arzt und Patient wesenseigen, und es gehört zur Berufspflicht des Arztes, diesen Kontakt, der auch seine eigene Person mit einbezieht, herbeizuführen und zu vertiefen. Das gilt nicht nur, soweit - wie im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie - die Einflußnahme auf die geistig-seelische Struktur des Patienten den Schwerpunkt der ärztlichen Aufgabe bildet (vgl. dazu Senat, NJW 1983, 330 (in diesem Heft); ausführlich dazu Lilie, S. 177 ff.), sondern ist im Regelfall jeder ärztlichen Tätigkeit mehr oder weniger wesenseigen.

a) Daß dieser Umstand zu Eintragungen in den Krankenunterlagen führen kann, die einerseits sachgemäß, aber andererseits für die Kenntnisse durch den Patienten weder geeignet noch bestimmt sind, ohne daß man deshalb von unsachlicher Abqualifizierung des Patienten oder unnötiger Ehrverletzung sprechen könnte, ist dem Senat aus langjähriger Erfahrung bekannt. Das führt dazu, daß die Krankenunterlagen derzeit vielfach der Sache nach legitime Bekundungen enthalten, die - nicht nur wegen ihrer zwangsläufig emotionellen Färbung und in ihnen enthaltener subjektiver Wertungen, sondern etwa auch wegen des Hinweises auf später aufgegebene Verdachtsdiagnosen, den indessen zu tilgen ärztlich verfehlt wäre - der Einsicht des Patienten entzogen werden müssen und dürfen.

b) Daraus ergeben sich bei einer Einsicht des Patienten in die Krankenunterlagen unverkennbare Schwierigkeiten (Holoch, NJW 1982, 2581). Ob sich ihnen durch eine „duale“ Gestaltung der Unterlagen (Trennung der offenbarungspflichtigen und der nicht zu offenbarenden Aufzeichnungen) begegnen läßt (entsprechend dem Vorschlag von Lilie, S. 189; die dagegen geäußerten Bedenken sind teils sachlicher und teils praktischer Art), kann derzeit offenbleiben, denn bislang ist eine solche getrennte Anlage der Krankenunterlagen jedenfalls hierzulande nicht üblich, und es ist auch nicht behauptet, daß sie im Streitfall stattgefunden habe.

IV.1. Aus diesen Gründen kann es nicht dabei bleiben, daß das angefochtene Urteil dem Klagebegehren uneingeschränkt stattgibt. Dieses Begehren geht auf volle Einsicht der Krankenunterlagen durch den Kl. selbst bzw. seinen Anwalt, hilfsweise durch einen Arzt seines Vertrauens. Auch dieses Hilfsbegehren ist im Gegensatz zu dem Auskunftsanspruch nicht erledigt, weil die Bekl. insoweit die vom Kl. nicht akzeptierte Bedingung stellt, daß dieser Arzt nicht seinerseits dem Kl. Einsicht gewähren dürfe.

Nach dem (oben zu III) Gesagten gilt es zu gewährleisten, daß der Kl. in diejenigen Teile der ihn betreffenden ärztlichen Aufzeichnungen keine Einsicht erhält, die über naturwissenschaftliche Befunde und Behandlungsverlauf hinausgehen und auf die sich das Einsichtsrecht des Kl. und die außerprozessuale Offenbarungspflicht der Bekl. nicht erstrecken. Davon, daß die Krankenunterlagen, wie häufig, auch im Streitfalle solche Aufzeichnungen enthalten, muß, da Feststellungen dazu nicht vorliegen, ausgegangen werden, auch wenn gerade hier wenig konkreter Anhalt in dieser Hinsicht bestehen mag.

a) Dieser Einschränkung stehen auch nicht die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes entgegen, schon abgesehen davon, daß dieses dem von den Daten Betroffenen kein Einsichts-, sondern nur ein Auskunftsrecht gewährt. Wollte man auch die nach obigen Ausführungen zurückzuhaltenden Teile der Aufzeichnungen als „Daten“ betrachten - was fraglich ist -, dann müßten sie unter die Vorschrift des § 26 IV Nr. 3 BDSG fallen. Auch aus § 810 BGB kann sich ein weiteres Einsichtsrecht nicht ergeben. Das ergibt sich aus der Zielsetzung des Behandlungsvertrags und auch aus dem mangelnden Urkundscharakter der betreffenden Aufzeichnungen (vgl. dazu schon RGZ 152, 213 (214)).

b) Es läßt sich auch nicht einwenden, daß der Patient oft die Möglichkeit hat, über eine vorgeschaltete Strafanzeige und die Beiziehung der Ermittlungsakten im nachfolgenden Zivilprozeß doch Einsicht in die vollen Krankenunterlagen zu erhalten. Ob dieses Ereignis immer hingenommen werden muß, auch wo es etwa unerwünschte therapeutische Folgen haben kann oder berechtigte Persönlichkeitsbelange von Ärzten und dritten Personen berührt, mag dahinstehen (vgl. etwa die allerdings das Einverständnis der Parteien voraussetzenden Vorschläge von Franzki-Franzki, NJW 1975, 2227; ferner jetzt die Verfahrensvorschrift SGB X, § 25 II - BGBl 1980 I, 1469, 1475). Jedenfalls besteht kein Grund, diese Folge schon bei einem außerprozessualen Einsichtsanspruch vorwegzunehmen, zumal dieser keineswegs immer den Verdacht eines strafbaren Arztfehlers voraussetzt.

2. Eine praktikable Abwicklung ist nach Auffassung des Senats nur in der Weise möglich, daß die Zurückhaltung von Aufzeichungen auf die sich der Einsichtsanspruch des Patienten nicht erstreckt und an deren Ausschluß von der Einsichtnahme ein begründetes Interesse besteht, im wesentlichen dem Arzt bzw. Krankenhaus anvertraut wird. Eine gewisse Mißbrauchsgefahr muß dabei zunächst in Kauf genommen werden, soweit sie nicht durch von pflichtwidrigem Vorgehen drohende Schadensersatzpflichten sowie die Gefahr von Beweisnachteilen in einem nachfolgenden Prozeß ausgeglichen wird.

a) Demnach wird der Arzt zunächst zu prüfen haben, ob überhaupt ein Anlaß besteht, dem Patienten nicht - gegebenenfalls in vollständiger Ablichtung der Unterlagen - Einsicht zu gewähren. Das wird bei vielen Fällen somatischer Behandlung nicht der Fall sein. So wird z. B. selten ein Grund bestehen, dem Patienten die Anamnese, auf die sich nach Obigem sein außerprozessuales Einsichtsrecht regelmäßig nicht erstreckt, vorzuenthalten.

b) Andernfalls mag zunächst die gütliche Einigung auf einen neutralen Arzt empfehlenswert sein, der aber die hier vom Kl. abgelehnte Befugnis haben sollte, die Einsicht des Patienten nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschränken.

c) Gelingt dies wie im Streitfall nicht, dann muß dem Arzt (Krankenhausträger) gestattet sein, auf den Ablichtungen der Befunde und Behandlungsberichte, auf die sich das Einsichtsrecht des Patienten erstreckt, weitere, nicht hierunter fallende Vermerke abzudecken, was zweckmäßigerweise so zu geschehen hat, daß die Abdeckung als solche erkennbar bleibt. Nur durch eine solche Handhabung sieht der Senat die allseitigen Belange in bestmöglicher Weise gewahrt. Reicht sie nicht aus, ein Mißtrauen des Patienten zu zerstreuen, dann muß er eben doch auf die Einschaltung einer neutralen ärztlichen Vertrauensperson verwiesen werden, wozu die Bekl. hier ohnehin bereit ist. Kr.

Rechtsgebiete

Arzt-, Patienten- und Medizinrecht

Normen

BGB §§ 242, 611, 810; BDSG § 26; GG Art. 1, 2