Arzt darf fehlerhafte Behandlung auch auf Drängen des Patienten nicht durchführen!
Gericht
OLG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
11. 09. 2002
Aktenzeichen
7 U 102/01
Der im Bezirk des Landgerichts Baden-Baden niedergelassene Augenarzt nahm u.a. laserchirurgische Behandlungen von Fehlsichtigkeit vor. Dabei wird die Hornhaut mittels Laser teilweise abgetragen, um den Brechungswinkel zu ändern (sog. photorefraktive Keratektomie). Der für das Arzthaftungsrecht zuständige 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat ihn nun in einem Fall, in dem die Behandlung fehlschlug, zur Zahlung von Schmer-zensgeld in Höhe von rund € 25.000,- und zum Ersatz entgangenen Lohns verurteilt.
Der im Rheinland wohnende, 1973 geborene Kläger war seit seiner Kindheit stark weitsichtig. Das Tragen einer Brille empfand er als störend. Als er 1993 von der damals neuen Methode einer Laserbehandlung hörte, suchte er einen Arzt, der diese bei ihm durchführe. Der beklagte Arzt operierte den Kläger im Oktober 1993 an beiden Augen. Nachdem zunächst ein Erfolg eintrat, verschlechterten sich die Augen bald wieder. Der Beklagte wiederholte deshalb im Februar 1994 die Behandlung an beiden Augen. In der Folge kam es zu Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit des Klägers durch Narbenbildung an der Hornhaut. Der Beklagte operierte den Kläger in den Jahren 1995 bis 1997 noch sechsmal. Inzwischen ist die Sehfähigkeit an beiden Augen durch Veränderungen der Hornhaut stark beeinträchtigt; eine Verbesserung ist auch mit einer Brille nicht zu erzielen. Der Kläger verlangt vom Beklagten Schmerzensgeld und Verdienstausfall. Das Landgericht Baden-Baden hatte den Beklagten verurteilt, weil er den Kläger nicht ausreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt habe. Der 7. Zivilsenat hat die Verurteilung des Beklagten im Ergebnis bestätigt. Es hat jedoch einen Aufklärungsfehler verneint und den Beklagten nach Anhörung eines Sachverständigen wegen grober Behandlungsfehler verurteilt.
Ein Behandlungsfehler sei bereits darin zu sehen, dass der Beklagte den Kläger im Februar 1994 erneut an beiden Augen operierte. Zum damaligen Zeitpunkt sei die photorefraktive Keratektomie noch nicht wissenschaftlich anerkannt gewesen. Deshalb, aber auch wegen der kurzen Zeit seit der ersten Operation (Oktober 1993) sei es unverantwortlich gewesen, die Operation an beiden Augen zugleich zu wiederholen. Grobe Behandlungsfehler sieht der Senat darin, dass der Beklagte den Kläger dann 1996 (links) und 1997 (rechts) zum wiederholten Male laserchirurgisch behandelte, obwohl die vorangegangenen Operationen gezeigt hätten, dass der Kläger zur Narbenbildung an der Hornhaut neige. Es entlaste den Beklagten nicht, dass der Kläger in der Hoffnung auf Besserung auf eine weitere Behandlung gedrängt habe. Eine medizinisch fehlerhafte (kontraindizierte) Behandlung dürfe der Arzt auch auf nachdrücklichen Wunsch des Patienten nicht durchführen. Führe der Arzt die Behandlung gleichwohl durch, könne er sich auch nicht darauf berufen, den Patienten treffe wegen seines Drängens ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden. Dem Kläger stehe daher in vollem Umfang Anspruch auf Schadensersatz und Schmer-zensgeld zu.
Das Urteil ist rechtskräftig.
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