Freiheit des Versicherers von der Leistung wegen grober Fahrlässigkeit bei Zimmerbrand

Gericht

AG Eisenhüttenstadt


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 06. 2002


Aktenzeichen

6 C 566/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Grob fahrlässig handelt in der Regel, wer in einer Wohnung Kerzen in unmittelbarer Nähe zu leicht brennbaren Materialien wie Holz unbeaufsichtigt brennen lässt.

  2. Dass ein sechsjähriges Kind im Raum anwesend ist, entlastet nicht, sondern begründet eher zusätzlich noch die grobe Fahrlässigkeit.

  3. Genausowenig entlastet, dass in den Vorjahren nichts in Brand geraten ist.

  4. Der Versicherer ist deshalb von der Leistung nach § 61 des Versicherungsvertragsgesetzes frei.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Im Ergebnis der Beweisaufnahme erwies sich die Klage als unbegründet, weswegen sie der Abweisung bedurfte.

Grundsätzlich ist die Entstehung eines Brandes grob fahrlässig verursacht, wenn innerhalb von geschlossenen Wohnräumen Kerzen in unmittelbarer Nähe zu leicht brennbaren Materialien wie Holz unbeaufsichtigt brennengelassen werden. Entgegen der Auffassung des Bekl ist eine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung des hier streitgegenständlichen Schadensfalles nicht veranlasst. Zunächst einmal hat der Bekl das Wohnzimmer verlassen, ohne für die Beaufsichtigung der brennenden Kerzen durch eine dafür geeignete Person Sorge zu tragen. Soweit die damals sechsjährige Tochter der Lebensgefährtin des KI im Raum anwesend war, handele es sich hierbei um keine solche geeignete Person. Auf Grund ihres Alters war sie objektiv nicht in der Lage, die vom offenen Feuer ausgehenden Risiken in ihrer vollen Entfaltungsmöglichkeit und auch Tragweite zu erfassen. Zudem muss die objektive Möglichkeit Berücksichtigung finden, dass bei einem sechsjährigen Kind ein ausgeprägter Spieltrieb und Entdeckungsdrang besteht, der zum einen auf die Weihnachtspyramide selbst als auch die brennenden Kerzen gerichtet sein kann. Die Anwesenheit eines sechsjährigen Kindes im Raum allein mit den brennenden Kerzen stellt daher keinen Rechtfertigungsgrund dar, sondern begründet eher schon einen weiteren Grund, die Kerzen vor dem Verlassen des Raumes zu löschen. Weiterhin kann der Bekl sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er damit rechnen konnte, dass seine Lebensgefährtin die Wohnung und damit auch das Wohnzimmer betreten würde: Denn sein entsprechender Vortrag hierüber blieb auch in der mündlichen Verhandlung insoweit unklar, ob die Lebensgefährtin ausdrücklich gesagt hatte, sogleich die Wohnung zu betreten. Hierin war der Vortrag des KI schwankend, was unter Beachtung der Erfüllung der Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO so zu verstehen ist, dass der KI in seinen Erinnerungen hierüber unsicher ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der KI in der Annahme war, seine Lebensgefährtin werde herauf kommen, ohne dass tatsächlich von dieser ausdrücklich gesagt worden ware. Ohnehin hätte der KI die Lebensgefährtin darauf hinweisen müssen, dass er mit den brennenden Kerzen eine besondere Gefahrenquelle geschaffen hat, damit diese ihre Kontrolle auch hierüber wahrnehmen könnte.

Weiterhin schafft es für den Bekl keine Entlastung, dass die Pyramide in vier Jahren zuvor stets beanstandungsfrei in Betrieb gewesen wäre. Denn jede Gefährdungssituation hat sich nicht sogleich in einer realen Schädigung zu realisieren. Zudem unterliegen auch die Umstände im Detail Variierungen. So ist u. a. denkbar, dass mit zunehmendem Alter die Reibung im Lager des drehbaren Teils der Pyramide zunimmt, diese langsamer oder gar nicht mehr dreht und dadurch die von den Kerzen erzeugte Wärme nicht nach oben abgeleitet wird, sondern sich an den Flügeln der Pyramide staut. Außerdem ist denkbar, dass die verwendeten Kerzen sich in ihren Parametern, nämlich der Tropffähigkeit, ihrer Höhe sowie der Höhe der von ihr erzeugten Flamme und dadurch der ausgehenden Wärmeentwicklung unterscheiden.

Aus dem Umstand, dass in dem Bereich, wo die Pyramide gestanden hat, der Brandherd gebildet wurde, liegt die Vermutung nahe, dass der Brand durch den Betrieb der Pyramide mit brennenden Kerzen verursacht worden war. Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Brand dadurch ausbrach, dass Wachs von den Kerzen herunter tropft und hierüber die Flamme übergriff, ob auf Grund unzureichender der Drehung der beweglichen Teile der Pyramide sich Wärme im besonderen Maße an den Flügeln staute und diese entzündete oder ob gar durch menschliche Einwirkung, nämlich bewusste oder unbewusste Tätigkeiten der noch im Raum anwesenden sechsjährigen Tochter der Lebensgefährtin des KI die Entzündung der Pyramide und dadurch der angrenzenden Gegenstände verursacht worden ist. Somit ergibt sich, dass auf Grund grob fahrlässiger Verursachung des Brandes der KI bereits dem Grunde nach keinen Ersatz der ihm entstandenen Schäden von der Bekl fordern kann ...

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 61