Kein Anspruch auf Rauchen am Arbeitsplatz (Flugbegleiter) - Betriebliche Übung
Gericht
LAG Hessen
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
11. 08. 2000
Aktenzeichen
2 Sa 1000/99
Es besteht kein Anspruch von Flugbegleitern/innen auf Gestattung des Rauchens während der Flugdienstzeiten nach Einführung von ausschließlich Nichtraucherflügen und eines damit verbundenen Rauchverbots für das Kabinenpersonal.
Die Kl. begehrt auch zweitinstanzlich die Verurteilung der Bekl. zur Gestattung des Rauchens während des Flugdienstes. Die Bekl. betreibt ein international tätiges Luftverkehrsunternehmen. Die Kl. ist seit Februar 1987 für die Bekl. als Flugbegleiterin bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von etwa 4900 DM tätig. Flugbegleiter leisten etwa 70 bis 85 Stunden reine Flugzeit im Monat. Hinzu kommen Abfertigungs- und Wartungszeiten am Boden, die sich auf etwa 2 Stunden pro Flug belaufen. Die Flugdienstzeiten dauern in der Regel 10 bis 15 Stunden am Stück. Bei der Einstellung der Kl. war das Rauchen an Bord der Passagiermaschinen insoweit möglich, als im vorderen Teil des Flugzeuges ausschließlich Nichtraucherplätze angeboten wurden, während im hinteren Teil je nach Bedarf Raucherplätze eingerichtet wurden. Absolute Rauchverbote wurden nur nach den einschlägigen Sicherheitsvorschriften erteilt und waren regelmäßig nur kurzfristig. Die Flugbegleiter durften außerhalb der Servicezeiten oder während der Wache jederzeit Zigaretten in der Nähe der Raucherplätze rauchen, solange keine kurzzeitigen Rauchverbote bestanden. Unter dem 18. 1. 1995 trafen die zuständige Personalverwaltung und die Geschäftsleitung eine Vereinbarung, nach der auf bestimmten Flugnummern in der Zeit vom 1. 2. 1995 bis zum 31. 3. 1995 ein Rauchverbot herrschte. Am 20. 3. 1996 erging ein Spruch der Einigungsstelle zu dem Thema Einführung eines Rauchverbots auf Nichtraucherflügen. Bis März 1998 waren 70% aller von der Bekl. angebotenen Flüge Nichtraucherflüge. Zu Beginn des Jahres 1998 kündigte die Bekl. auf Grund eines Vorstandsbeschlusses in der Presse an, dass sie für den Sommerflugplan weltweit nur noch Flüge mit Nichtraucherplätzen für Passagiere anbieten werde. Mit Schreiben vom 19. 1. 1998 unterrichtete die Bekl. die Personalvertretung von der Ausweitung des Rauchverbots. Mit Mitteilung vom 11. 2. 1998 teilte die Bekl. dem fliegenden Personal mit, ein Rauchverbot für Passagiere sei nur dann überzeugend, wenn auch die Crews nicht rauchten. Mit Schreiben vom 20. 3. 1998 wandten sich Kolleginnen und Kollegen der Kl. an die Bekl. und forderten sie auf, bis zum 25. 3. 1998 verbindlich zu erklären, sie werde die Betroffenen auch künftig für Flüge einteilen, bei denen Rauchmöglichkeiten bestünden. Am 23. 3. 1998 erging ein Spruch der Einigungsstelle, der unter anderem lautet: „Auf allen Flügen der Lufthansa mit einem Rauchverbot gilt ein Rauchverbot auch für die Besatzungsmitglieder.“ Mit Mitteilung vom 24. 3. 1998 teilte die Bekl. den Mitarbeitern mit, ab dem 29. 3. 1998 gelte mit der Einführung der weltweiten Nichtraucherflüge das Rauchverbot auch für die Crews an Bord. Den Piloten ist das Rauchen im Cockpit erlaubt. Mit Schreiben vom 25. 3. 1998 lehnte die Bekl. eine Erklärung wie im Schreiben vom 20. 3. 1998 gefordert ab. Die Passagierflugzeuge verfügen über getrennte Entlüftungssysteme für Toiletten und Galleys. Die Galleys sind durch Vorhänge von der übrigen Kabine abgetrennt und nicht einsehbar.
Das ArbG hat die Klage auf Gestattung des Rauchens abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, § 8 II ArbGG, § 511 ZPO, und begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstands keinen Bedenken, § 64 II ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, § 66 I ArbGG, §§ 516, 518, 519 ZPO, und damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist - wie das ArbG zutreffend erkannt hat - nicht begründet. Auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe, die das BerGer. sich zu eigen macht, kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der Antrag ist beim Wort genommen schon deshalb unbegründet, weil die Bekl. nicht in der Lage ist, den geltend gemachten Anspruch zu erfüllen. Es ist ihr unmöglich, die Kl. für Flüge einzuteilen, bei denen diese außerhalb der Servicezeiten oder während der Wache jederzeit Zigaretten rauchen darf, solange aus Flugsicherheitsgründen keine kurzzeitigen Rauchverbote gelten, weil es solche Flüge bei der Bekl. nicht mehr gibt. Die Kl. hat jedoch auch dann keinen Anspruch, wenn der Antrag entsprechend dem eigentlichen Begehren der Kl. dahingehend ausgelegt wird, dass ihr gestattet wird, auf den eingeteilten Flügen außerhalb der Servicezeiten oder während der Wache jederzeit Zigaretten rauchen zu dürfen, solange aus Flugsicherheitsgründen keine kurzzeitigen Rauchverbote gelten. Eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung wurde im Hinblick auf das Rauchen während der Flugdienstzeiten nicht getroffen. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung, unterstellt, ein derartiger Anspruch auf Rauchen am Arbeitsplatz kann durch betriebliche Übung überhaupt entstehen. Ein Vertrauenstatbestand dahingehend, die Kl. dürfe im begehrten Umfang während der Arbeitszeit rauchen, besteht nicht. Der Nichtraucherschutz ist im Unternehmen der Bekl. seit Jahren ausgeweitet, die Gestattung des Rauchens gegenüber der Belegschaft immer mehr zurückgedrängt worden. Bereits die Vereinbarung vom 18. 1. 1995 zwischen der Gesamtvertretung des Fliegenden Personals und der Bekl. sah während eines Probelaufs für bestimmte Flüge ein absolutes Rauchverbot vor. Die hieraus gewonnenen Erfahrungen sollten Grundlage für eine generelle Regelung sein. Das Flugpersonal konnte einen so genannten Request abgeben oder musste ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegen. Der Text der gemeinsamen Veröffentlichung von Unternehmen und Gesamtvertretung des Fliegenden Personals vom 18. 1. 1995 lautet am Ende: „Es ist zu erwarten, dass Nichtraucherflüge auf Dauer eingeführt und auch ausgedehnt werden. Deshalb empfehlen wir, wegen möglicher zukünftiger Auswirkungen eingeschränkter Einsatzfähigkeit auf Art und Weise bzw. Bestand des Arbeitsverhältnisses von der Vorlage eines solchen Attestes nur im Notfall Gebrauch zu machen.“
Auf das DV FLU/Handbuch 1 allgemein vom 1. 12. 1993, Kap. 1, S. 2, Nr. 1.2.4 lässt sich ebenfalls keine betriebliche Übung stützen. Es ließ das Rauchen in den Galleys außerhalb des Nichtraucherbereichs und außerhalb der Sichtweite der Passagiere zu, sofern das Wohlbefinden der Passagiere und anderer Besatzungsmitglieder dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die Möglichkeit des Rauchens war damit auf Zonen außerhalb des Nichtraucherbereichs beschränkt und verbot das Rauchen auch in den Galleys im Nichtraucherbereich. Mit Ausdehnung des Nichtraucherbereichs auf den gesamten Kabinenbereich gibt es keine Raucherzonen mehr, in denen das Rauchen erlaubt wäre. Die Anweisung des Flughandbuchs, die einen Raucherbereich voraussetzt, verliert damit ihre Grundlage. Ein Anspruch auf Rauchen während des Flugdienstes, wenn es
keinen Raucherbereich mehr gibt, lässt sich daraus nicht herleiten. Aus diesem Grund ist auch eine entsprechende Konkretisierung der Arbeitspflicht nicht eingetreten. Eine derartige Konkretisierung der Arbeitspflicht hin zu einem einseitig nicht veränderbaren Vertragsinhalt kann im Hinblick auf einen tatsächlichen Zustand hier: die Möglichkeit zu rauchen - nicht allein durch den konkreten Zeitablauf eintreten (ebenso BAG in st. Rspr., etwa NZA 1998, 647). Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer berechtigt sein soll, seine Arbeit nur noch auf Raucherflügen zu leisten. Davon kann angesichts des dargelegten Ablaufs jedoch nicht ausgegangen werden.
Die Bekl. hat ihr Weisungsrecht auch nicht entgegen § 315 III ZPO billigem Ermessen zuwider ausgeübt. Billiges Ermessen bedeutet, dass der Arbeitgeber bei seiner Weisung die wesentlichen Umstände des Falles abwägt und auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt (Bader, KSchG, § 1 Rdnr. 176 m.w. Nachw.). Abzuwägen ist die durch Art. 2, 12 und 14 GG geschützte unternehmerische Gestaltungsfreiheit mit dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 2 I GG, das Arbeitgeber und Personalvertretung auch nach § 68 II TV Personalvertretung zu berücksichtigen haben. Werden Dritte - Mitarbeiter oder Kunden - durch das Rauchen nicht gefährdet oder belästigt, kann das absolute Rauchverbot gegen § 315 III BGB verstoßen (ebenso etwa Künzl, in: Kasseler Hdb., Kap. 2.1., Rdnr. 740; Blomeyer, in: Münchener Hdb. z. ArbeitsR, § 51 Rdnr. 14). Die Bekl. hätte keine Legitimation, ein Rauchverbot für das Bordpersonal einzuführen, damit sich alle Arbeitnehmer das Rauchen abgewöhnen und um sie zu einer gesünderen Lebensführung anzuhalten. Der Arbeitgeber hätte kein Recht, zur Erreichung dieses Ziels in die private Lebensführung des Arbeitnehmers einzugreifen (vgl. BAGE 90, 216 = NZA 1999, 546 = EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 24). Auch wenn das Rauchen - wie den Hinweisen auf jeder Zigarettenpackung entnommen werden kann - gesundheitsschädlich ist, ist der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag nicht berechtigt, ein generelles Rauchverbot durchzusetzen, wenn dies nicht durch die Verrichtung der Arbeitsleistung geboten ist. Anders als etwa Alkohol (vgl. dazu Bader, KSchG § 1 Rdnr. 205) beeinträchtigt Nikotin die Arbeitsleistung nicht aktuell und mag diese im Einzelfall durch eine Steigerung der Konzentrationsfähigkeit sogar fördern. Allerdings wird die Konzentration schon bei kurzen Rauchpausen durch innere Unruhe und Nervosität erschwert (vgl. Broschüre Nicotell Service, Anlage K 15b). Derartige Ziele verfolgte die Bekl. jedoch mit dem Rauchverbot nicht. Im Vordergrund steht die unternehmerische Konzeption des ausschließlichen Angebots von Nichtraucherflügen für alle Passagiere. Das Rauchverbot für die Besatzungsmitglieder ist notwendige Folge dieser unternehmerischen Zielsetzung, wobei die unternehmerische Entscheidung der Einführung von Nichtraucherflügen nur eingeschränkter arbeitsgerichtlicher Überprüfung unterliegt. Das Nichtraucherkonzept für Passagiere betrifft das Produkt der Bekl., mit dem diese auf den Markt geht. Hierüber kann der Unternehmer in den Grenzen der Gesetze und (Arbeits)Verträge im Grundsatz frei entscheiden. Die Durchführung des Nichtraucherkonzepts ist vom ArbG nicht auf Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob es offenbar unsachlich oder willkürlich ist (vgl. BAGE 83, 95 = NZA 1996, 927). Ob die zur Auslegung des § 1 II KSchG ergangenen Urteile des BAG vom 17. 6. 1999 (NZA 1999, 1095 und NZA 1999, 1157) im Rahmen des § 315 III BGB zu berücksichtigen sind, kann dahinstehen, weil die Darlegung der Bekl. den in diesen Urteilen aufgestellten Anforderungen gerecht wird. Sie hat ihr unternehmerisches Konzept und die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Kl. substanziiert vorgetragen.
Von Willkür oder einer offenbar unsachlichen Unternehmerentscheidung kann bei der Entscheidung der Bekl., weltweit nur noch, Nichtraucherflüge anzubieten, insbesondere auch angesichts eines Gutachtens vom März 1996 nicht ausgegangen werden. Flüge mit Rauchmöglichkeit werden überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestellt. Die Bekl. sah sich unstreitig aus Wettbewerbsgründen zu dieser Maßnahme veranlasst und hat die Maßnahme auch seit etwa zweieinhalb Jahren tatsächlich umgesetzt. Die Annahme, ein Unternehmen würde eine für zahlreiche Passagiere und Mitarbeiter mit erheblichen Einschränkungen verbundene Maßnahme aus marktfremden Motiven einführen und aufrechterhalten, ist fernliegend. Dies würde seine Überlebensfähigkeit am Markt berühren. Mittlerweile ist überdies anerkannt, dass andere Arbeitnehmer nach § 618 I BGB einen Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz geltend machen können, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen geboten ist (BAGE 88, 63 = NZA 1998, 1231).
Auch die Berücksichtigung des Umstands, dass die Kl. suchtkrank ist, führt zu keinem anderen Abwägungsergebnis. Ein Arbeitgeber hat zwar sein Direktionsrecht nach §§ 315, 242 BGB i.V. mit Art. 2 I GG unter Berücksichtigung des Rechts des Arbeitnehmers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auszuüben. Er ist jedoch arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, seine unternehmerischen Konzepte an der Suchtmittelabhängigkeit des Arbeitnehmers auszurichten. Nach ihrem eigenen Vorbringen ist die Kl. nikotinsüchtig und kann ihre Arbeit ohne Nikotinzufuhr nur unter Auftreten der geschilderten Symptome verrichten. Danach besteht bei ihr - wie sie selbst eingehend darlegt - eine Suchtmittelabhängigkeit, die nach den von ihm zitierten Literaturstellen (Pschyrembel, Stichwort: Abhängigkeit) der Abhängigkeitsgruppe Alkohol/Barbiturate/Tranquillizer zuzuordnen ist. Bei akutem Entzug können psychopathologische und vegetative Symptome wie Blutdruckabfall, Schweißausbruch, Hitzegefühl, Tremor usw. auftreten. Die Konzentration wird schon bei kurzen Rauchpausen durch innere Unruhe und Nervosität erschwert (vgl. Broschüre Nicotell Service, Anlage K 15b). Angesichts derartiger Symptome ist die Kl. behandlungs- und therapiebedürftig. Der Einigungsstellenanspruch vom 23. 3. 1998 sieht eine Verpflichtung der Bekl. vor, die Raucherentwöhnung zu fördern und Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen. Die Kl. behauptet nicht, dass sie versucht habe, diese in Anspruch zu nehmen und keine Hilfe erfahren zu haben. Das Rauchverbot verstößt auch nicht deshalb gegen § 315 III BGB, weil die Interessen der Arbeitnehmer auf anderem Wege, der der Durchsetzung des unternehmerischen Konzepts der Bekl. nicht entgegenstünde, gewahrt werden könnten. Andere Maßnahmen, die mit für die Bekl. zumutbarem Aufwand zu realisieren wären, sind nicht ersichtlich. Der Bekl. kann insbesondere nicht angesonnen werden, mit erheblichem wirtschaftlichem Aufwand - sie behauptet von mindestens 300000 DM pro Maschine - ihre Flugzeuge mit Raucherkabinen zu versehen. Entscheidend steht dem entgegen, dass dies das unternehmerische Konzept der Durchsetzung des Nichtraucherschutzes wieder teilweise aufhöbe und die Anzahl der Sitzplätze reduzierte. Die Bekl. wird ihren rauchenden Passagieren nicht verständlich machen können, weshalb für das Kabinenpersonal Raucherkabinen eingerichtet werden, sie sich jedoch des Rauchens zu enthalten haben.
Auch die weiteren diskutierten Rauchmöglichkeiten scheitern in ihrer Durchsetzung daran, dass sie den Passagieren nicht verborgen bleiben und die Durchsetzung des unternehmerischen Konzepts in Frage stellten und gefährden. Tabakrauchfreiheit ist derzeit durch die technische Verbesserung von Lüftungs- und Klimaanlagen mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht zu erreichen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorhandenen Anlagen nicht dem Stand der Technik entsprächen und ein Abzug des Zigarettenrauchs in der Kabine überhaupt möglich ist, ohne die Passagiere einer Belästigung oder gar Gesundheitsgefährdung durch den dadurch bedingten Luftstrom auszusetzen. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die Gesundheitsgefährdung oder Belästigung der nichtrauchenden Passagiere und die Animation der Raucher unter den Passagieren zum Zigarettenrauchen während des Fluges durch so genannte Sky-Smoker verhindert werden kann, abgesehen davon, dass diese Geräte zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung offensichtlich immer noch nicht praxistauglich angeboten werden. Sollte es technische Möglichkeiten zum Rauchen an Bord geben, die für Passagiere eingeführt werden, sieht der Einigungsstellenspruch vom 23. 3. 1998 vor, dass die Nutzung dieser Möglichkeiten auch Besatzungsmitgliedern zusteht.
Als taugliche Möglichkeit kommt es schließlich nicht in Betracht, dass das Kabinenpersonal in den Galleys raucht. Es kann unterstellt werden, dass die Mitarbeiter den Blicken der Passagiere durch Vorhänge entzogen sind und den Zigarettenrauch in Abzugshauben oder besondere Entlüftungsöffnungen blasen. Eine den Flugbegleitern zuerkannte Gestattung zum Rauchen in den Galleys würde durch Presseveröffentlichungen oder Verlautbarungen der Bekl. selbst rasch bekannt. Die Raucher unter den Passagieren würden wissen, dass dort geraucht wird und, wenn sie annähernd so suchtabhängig wie die Kl. sind, versuchen, dort ebenfalls zu rauchen. Die Kl. nimmt zwar an, es sei den Passagieren verständlich zu machen, dass sie rauchen dürfe, die Passagiere dagegen nicht. Es ist jedoch offensichtlich, dass das Kabinenpersonal dann ständig in Diskussionen mit den Passagieren verwickelt sein wird, warum die Mitarbeiter, nicht aber die Passagiere rauchen dürfen, was die Abwicklung des Flugbetriebs stört. Angesichts der in der Berufungsverhandlung angesprochenen, in Einzelfällen massiven Akzeptanzprobleme hinsichtlich des Rauchverbots ist davon auszugehen, dass sich nicht alle Passagiere dem nur für sie bestehenden Rauchverbot beugen und versuchen werden, ihren Rauchwünschen Nachdruck zu verleihen, was wiederum den nichtrauchenden Passagieren nicht verborgen bleiben wird. Das verleiht den Interessen der Bekl. an einer uneingeschränkten und störungsfreien Durchführung ihres unternehmerischen Konzepts den Vorrang.
Schließlich kann auch dahinstehen, ob die Kl. - wie es § 71 II des Tarifvertrags Personalvertretung Bordpersonal vom 15. 11. 1972 i.d.F. vom 29. 10. 1980 vorschreibt - rechtzeitig über die Einführung des Rauchverbotes unterrichtet worden ist. Der Antrag der Kl. ist zukunftsbezogen, denn die Gestattung des Rauchens wird für noch durchzuführende Flugdienste begehrt. Inzwischen sind seit Einführung des Rauchverbots über 2 ½ Jahre vergangen. Für die Kl. bestand hinreichend Zeit, sich auf die Veränderung der Arbeitsbedingungen einzustellen.
Es kann auch nicht - wie das ArbG ebenfalls zutreffend erkannt hat - angenommen werden, die Bekl. habe das Mitbestimmungsrecht nach § 77 I Nr. 1 des Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal i.d.F. vom 29. 10. 1980 verletzt, so dass die Weisung der Verfügungsbekl. auch nicht nach der so genannten Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 87 Rdnr. 568) gegenüber dem Verfügungskl. unwirksam ist. Danach ist eine individualrechtliche Maßnahme dem Arbeitnehmer gegenüber nicht wirksam, wenn sie zwingende Mitbestimmungsrechte missachtet. Die Bekl. hat die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung gewahrt. Der Einigungsstellenspruch vom 23. 3. 1998 ersetzt die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung. Die Formerfordernisse des § 97 III 3 TV Personalvertretung sind eingehalten. Der Spruch liegt jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung schriftlich abgefasst vor. Eine Frist schreibt der Tarifvertrag hierfür nicht vor. Da die vorgeschriebene Schriftform nach § 125 S. 1 BGB Wirksamkeitsvoraussetzung für den Spruch ist (vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, 6. Aufl., § 76 Rdnr. 88), durfte dieser bis zur Erfüllung der Formerfordernisse zwar individualrechtlich nicht umgesetzt werden. Ab diesem Zeitpunkt war die Weisungslage jedoch rechtmäßig und nur hierauf kommt es angesichts des zukunftsbezogenen Klageantrags an.
Es kann auch dahinstehen, ob die Mitbestimmung tatsächlich in Form einer „Regelungsabsprache“ ausgeübt werden sollte oder es sich dabei im Spruch der Einigungsstelle vom 23. 3. 1998 um eine redaktionelle Fehlbezeichnung handelte. Das Mitbestimmungsrecht kann auch durch eine Regelungsabrede ausgeübt werden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 87 Rdnr. 550). Maßgeblich ist nach § 77 I 2 TV Personalvertretung nur, dass ein Spruch zu Stande kommt, der die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung ersetzt. Der Arbeitgeber hat den Spruch nach § 69 I TV Personalvertretung durchzuführen. Eine Betriebsvereinbarung ist nicht vorgeschrieben. Einer Regelungsabrede fehlt nur die unmittelbare und zwingende Wirkung des § 69 IV TV Personalvertretung. Sie gilt nur zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung. Ob ein Verstoß gegen § 94 TV Personalvertretung anzunehmen ist, weil das Rauchverbot für die Bordbesatzung wesentliche Nachteile zur Folge hat, kann dahinstehen, weil Verstöße gegen diese Vorschrift in § 96 TV Personalvertretung individualrechtlich dahingehend geregelt sind, dass bei Entlassungen oder wirtschaftlichen Nachteilen ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist. Weitere individualrechtliche Sanktionen sind nicht vorgesehen (vgl. Fabricius, in: GK-BetrVG, 6. Aufl., § 113 Rdnrn. 1, 3; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 111 Rdnr. 111).
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