Anrechnungsfreiheit von Kapitalvermögen

Gericht

OVG Münster


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 04. 1996


Aktenzeichen

16 A 4614/95


Leitsatz des Gerichts

Zur Anrechnungsfreiheit gem. § 26 II 2 Nr. 2 BAföG von Kapitalvermögen eines zur Vermögensteuer veranlagten Elternteils unter dem Gesichtspunkt, daß dieses Vermögen der Alterssicherung dient, und zur Ermittlung der Höhe dieses Betrages.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Im Rahmen der Antragstellung auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für das Studium ihres Sohnes im Wintersemester 1991/92 verneinte die Kl. eine Verpflichtung zur Entrichtung von Vermögensteuer für das Jahr 1989, obwohl sie - mit Wirkung auch für ihre beiden volljährigen Kinder - zum 1.1.1989 zur Vermögensteuer veranlagt worden war. Der Bekl. bewilligte für die Zeit von Oktober 1991 bis September 1992 monatliche Ausbildungsförderung in Höhe von 774 DM. Nachdem er im Oktober 1992 von der Vermögensteuerveranlagung erfahren hatte, teilte er der Kl. mit, er werde die gezahlte Ausbildungsförderung gem. § 47a BAföG zurückfordern, da der Bedarf des Auszubildenden gem. § 26 II BAföG als gedeckt gelte.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der vom Bekl. geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 47a BAföG besteht nicht, da dem Sohn der Kl. die Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 9288 DM für die Zeit von Oktober 1991 bis September 1992 zu Recht geleistet worden ist. Zwar hatte die Kl. für das gem. § 26 II 1 BAföG maßgebliche Kalenderjahr 1989 Vermögensteuer nach dem Vermögensteuergesetz der Bundesrepublik Deutschland (VStG) zu entrichten. Der Bedarf des Sohnes gilt im Bewilligungszeitraum aber dennoch nicht als gedeckt, weil ein Teil ihres Vermögens aufgrund der Härteregelung des § 26 II 2 Nr. 2 BAföG nicht eingesetzt werden muß mit der Folge, daß bei Nichtberücksichtigung dieses Betrages keine Vermögensteuerpflicht für 1989 bestanden hätte.

Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 3. 10. 1988 (NVwZ-RR 1989, 309 = FamRZ 1989, 683) unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien dargelegt hat, ist ein typischer Anwendungsfall der Härtevorschrift des § 26 II 2 Nr. 2 BAföG der, daß die Eltern des Auszubildenden ihr Vermögen oder einen Teil davon für ihre Altersversorgung benötigen und deshalb als Kapitalvermögen angelegt haben, so daß zur Vermeidung einer unbilligen Härte dieses Vermögen nicht zur Finanzierung der Ausbildung ihres Kindes eingesetzt werden muß. Die Höhe des nicht einzusetzenden und damit bei der Berechnung der fiktiven Vermögensteuer nicht zu berücksichtigenden Vermögens bemißt sich nicht nach dem Betrag, der dem Auszubildenden zur Verfügung zu stellen ist, sondern nach der Höhe des zum Zwecke der Alterssicherung anrechnungsfrei zu bleibenden Betrages (Senat, NVwZ-RR 1989, 309; vgl. auch Blanke, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 1992, § 26 Rdnr. 15.1, sowie Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 3. Aufl., § 26 Rdnr. 17).

Als gem. § 26 II 2 Nr. 2 BAföG unter dem Gesichtspunkt der Alterssicherung nicht einzusetzenden Teil des Vermögens der Kl. wertet der Senat zumindest einen Betrag in Höhe eines kapitalisierten monatlichen Einkommens, das gem. § 25 I BAföG keine Anrechnung auf den Bedarf des Auszubildenden findet. Wie die Kl. überzeugend dargelegt hat, ist ihr Lebensunterhalt nicht allein durch die beiden ihr ausgezahlten Renten sichergestellt, sondern sie bedarf mangels anderweitiger ausreichender Einkünfte auch unter Berücksichtigung des mietfreien Wohnens in ihrer Eigentumswohnung einer „Aufstockung“ ihrer Rente durch Zinseinkünfte aus der ihr nach dem Tode ihres Ehemannes ausbezahlten Lebensversicherung von 250000 DM. Den zur Sicherstellung des Lebensunterhalts und damit zur Alterssicherung erforderlichen Aufstockungsbetrag sieht der Senat in der Differenz der ausgezahlten Renten zu dem Betrag, der der Kl. als Freibetrag von ihrem Einkommen gem. § 25 I 1 Nr. 2 BAföG zugestanden hat. Da nämlich das Bundesausbildungsförderungsgesetz im Wege der Pauschalierung und Typisierung diesen Betrag für den Elternteil, der Einkommen bezieht, im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 11 II BAföG als anrechnungsfrei behandelt, sieht es der Senat als gerechtfertigt an, jedenfalls einen solchen Betrag bei der Entscheidung nach § 26 II 2 Nr. 2 BAföG zugrunde zulegen, welcher als Teil des Vermögens benötigt wird, um den Lebensunterhalt und damit die Altersversorgung sicherzustellen. Dabei ist im Hinblick darauf, daß gem. § 26 II 1 BAföG für die Vermögensteuerpflicht auf die Verhältnisse im vorletzten Jahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes abzustellen ist, maßgeblich das Jahr 1989. Danach ergibt sich auf der Grundlage einer lebenslangen Nutzung des Vermögens folgende Berechnung.

Entgegen der Ansicht des Bekl. sind die Freibeträge für die beiden Kinder gem. § 6 II VStG auch im Rahmen der Anwendung der Härtevorschrift des § 26 II 2 Nr. 2 BAföG zu berücksichtigen. Denn in dem gem. § 26 II 1 BAföG für die Vermögensteuerpflichtigkeit und damit auch bei der Anwendung der Härtevorschrift maßgeblichen Kalenderjahr 1989 lagen die vom Finanzamt offensichtlich angenommenen materiellen Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung der Kl. mit ihren beiden Kindern gem. § 14 II Nr. 2 VStG, die Voraussetzung für die Einräumung der Freibeträge nach § 6 II VStG waren, auch tatsächlich vor. Beide Kinder waren zwischen 18 und 27 Jahre alt, und die Tochter befand sich noch in der Ausbildung, während der Sohn den Zivildienst ableistete, was gem. § 14 II Nr. 1 S. 2 VStG die Zusammenveranlagung nicht hinderte. Der Freibetrag für ein zusammenveranlagtes Kind wird unabhängig davon gewährt, ob die Eltern ihm unterhaltspflichtig sind und tatsächlich Unterhalt leisten oder das Kind ein ausreichendes Einkommen erzielt oder etwa Ausbildungsförderung in Höhe des vollen Bedarfssatzes bezieht. Zudem wird dieser Betrag auch einem Elternteil eingeräumt, der für die Ausbildung eines Kindes einsetzbares Vermögen im Sinne des Vermögensteuergesetzes besitzt, jedoch nur in einer solchen Höhe, daß gerade wegen der Freibetragsregelung nach § 6 II VStG keine Vermögensteuerpflicht entsteht.

Somit ist ein Wegfall der Vermögensteuerpflicht i.S. des § 26 II 2 Nr. 2 BAföG auch dann anzunehmen, wenn dieser wie hier darauf beruht, daß das im Wege des Vorliegens einer Härte reduzierte Vermögen deshalb nicht zu einer Vermögensteuerpflicht führt, weil für den Auszubildenden selbst der volle Freibetrag nach § 6 II VStG gewährt wird.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht