Unwirksame Änderungskündigung bei Verstoß gegen Tarifvertrag

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

10. 02. 1999


Aktenzeichen

2 AZR 422/98


Leitsatz des Gerichts

Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber den Abbau tariflich gesicherter Leistungen (hier: Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf 38,5 Stunden bei einer Lohnerhöhung von 3%) durchzusetzen versucht, ist rechtsunwirksam.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. war seit März 1995 bei der Bekl., die Verkehrstechnik und Leitsysteme herstellt, als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Sein monatlicher Bruttolohn betrug zuletzt 3113 DM. Er ist Mitglied der IG-Metall. Unter dem 21. 6. 1991schlossen die Rechtsvorgängerin der Bekl. und die IG-Metall einen Anerkennungstarifvertrag, wonach im Betrieb der Gemeinsame Manteltarifvertrag der Schmuck- und Metallwarenindustrie imKreis Birkenfeld vom 14. 5. 1990 (MTV) gelten sollte. Nach § 4 MTV beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen ab 1. 10. 1995 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Mit einemweiteren Verhandlungsergebnis vom 5. 6. 1992 zwischen der Rechtsvorgängerin der Bekl. und der IG-Metall wurden die Übernahme der tariflichen Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie der Ausgleich für die vorzunehmende Arbeitszeitverkürzung vereinbart, außerdem wurde das Verhandlungsergebnis der Schmuck-und Metallwarenindustrie vom 11. 3. 1994 durch Vereinbarung vom 16. 6. 1994 übernommen. Mit Schreiben vom 5. 3. 1996 forderte die Bekl. den Kl. auf, sich mit einer Verlängerung seiner Arbeitszeit auf 38,5 Wochenstunden, verbunden mit einer Lohnerhöhung von 3% einverstanden zu erklären. Der Kl. unterschrieb die ihm vorgelegte Änderungsvereinbarung zunächst nicht. MitSchreiben vom 27. 3. 1996 hörte die Bekl. deshalb den im Betrieb bestehenden Betriebsrat zu einer entsprechenden Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses des Kl. an. Nachdem der Betriebsrat unter Hinweis auf den bestehenden Tarifvertrag widersprochenhatte, kündigte die Bekl. durch ein dem inzwischen erkrankten Kl. am 4. 4. 1996 durch Boten überbrachtes Schreiben das Arbeitsverhältnis zum 31. 5. 1996 und bot dem Kl. zugleich ab 1. 6. 1996 den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrags mit einer Wochenarbeitszeitvon 38,5 Stunden, verbunden mit einer Lohnerhöhung von 3% an. Bei Ausspruch der Änderungskündigung war der Bekl. die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Kl. nicht bekannt. Das Änderungskündigungsschreiben hat der Kl. unterschrieben am 12. 6. 1996 in der Personalabteilung des Bekl. abgegeben. Gegen diese Änderungskündigung setzte sich der Kl. mit dem Antrag zur Wehr, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unverändertenBedingungen über den 31. 5. 1996 hinaus fortbesteht.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos. Mit der vom LAG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen Feststellungsantrag weiter. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Kündigung der Bekl. ist nach§ 13 III KSchG i.V. mit § 4 MTV, § 4 TVG, § 134 BGB rechtsunwirksam.

A. Das LAG hat seine gegenteilige Entscheidung - kurz zusammengefaßt - wie folgt begründet: Wenn das Änderungsangebot, das die Bekl. dem Kl. neben der Kündigung unterbreitet habe, gegen die zwingenden Normen des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags verstoße, so führe die Unterbreitung eines derartigen Angebots durch den Arbeitgeber nicht zur Unwirksamkeitoder gar Nichtigkeit der parallel erklärten Kündigung. Dem Kl. wäre, wenn er das Änderungsangebot angenommen hätte, bei bestehender Tarifbindung kein Nachteil entstanden, weil er nach wie vor Anspruch auf die tariflichen Leistungen gehabt hätte. Es stelleauch keine Maßregelung des Kl. dar, wenn die Bekl. nach der Ablehnung des Änderungsangebots durch den Kl. an ihrer in der Änderungskündigung enthaltenen Kündigungsserklärung festhalte.

B. Dem folgt der Senat nicht.

I. Der Antrag des Kl. auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31. 5. 1996 hinaus fortbesteht, ist nach § 256 ZPO zulässig. Der Kl. macht damit den unveränderten Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses wegen Unwirksamkeit der Kündigung nach § 13 III KSchG, § 4 TVG, §§ 612a, 134 BGBgeltend. Seine ursprüngliche Behauptung, er habe das Änderungsangebot der Bekl. zeitnah akzeptiert, hat der Kl. nicht zu beweisen vermocht und hat deshalb im weiteren Prozeßverlauf an diesem Vorbringen nicht mehr festgehalten. Nicht umfaßt wird durch den vom Kl. gestellten Feststellungsantrag die Frage der Wirksamkeit einer weiterenKündigung der Bekl. vom 20. 12. 1996. Diese fristlose Kündigung und damit die Frage, ob durch sie das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, ist Streitgegenstand eines gesonderten arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

II. Die Klage ist mit dem zuletzt allein noch gestellten Feststellungsantrag auch begründet. Die Kündigung derBekl. hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, dieses besteht vielmehr zu unveränderten Bedingungen - vorbehaltlich seiner Beendigung durch die später ausgesprochene fristlose Kündigung - weiter. Die Änderungskündigung der Bekl. ist nach § 13 III KSchG, § 4 TVG, § 134BGB rechtsunwirksam.

1. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten nach § 4 I 1 TVG unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Abweichende Abmachungen sind nach § 4 IIITVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Die zwingende Wirkung des Tarifvertrags schließt dabei nicht nur den in § 4 IV TVG ausdrücklich erwähnten Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte, sondern jegliches Umgehungsgeschäft aus. EineGesetzesumgehung liegt dann vor, wenn der Zweck zwingender Rechtsnormen objektiv dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich verwendet werden (Senat, NZA 1985, 324 = AP Nr. 8 zu § 620 BGB Bedingung; BAGE 10, 65 [70] = NJW 1961, 798 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag [zu C]). Das Umgehungsgeschäft ist unwirksam, ohne daßdie Absicht einer Umgehung der zwingenden Rechtsnorm vorzuliegen braucht (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 204 zur Umgehung tariflicher Kündigungsfristen durch Kettenverträge).

2. Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeberden Abbau tariflich gesicherter Leistungen durchzusetzen versucht, ist danach rechtsunwirksam.

a) Ausdrücklich entschieden ist dies für den Fall, daß der Arbeitgeber mit seiner Änderungskündigung eine Senkungdes Lohns des tarifgebundenen Arbeitnehmers unter den Mindestlohn des entsprechenden Lohntarifvertrags anstrebt (BAGE 38, 106 = NJW 1982, 2839 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG1969; vgl. BAG, AP Nr. 42 zu § 616 BGB). Nach der Rechtsprechung des BAG sind Änderungskündigungen nicht nur dann wegen Verstoßes gegen die zwingende Wirkung eines Tarifvertrags unwirksam, wenn im Zeitpunkt desKündigungszugangs ein tarifliches Kündigungsverbot besteht. Es ist darüber hinaus zu prüfen, ob die kündigende Vertragspartei mit ihrer Kündigung ein rechtlich zulässiges Ziel erstrebt, ob also im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine Änderung des Arbeitsvertrages, wie sie mit derÄnderungskündigung erstrebt wird, tariflich zulässig ist oder gegen tarifliche Inhaltsnormen, zum Beispiel gegen bestehende Mindestlohnvorschriften verstößt (BAGE 38, 106 = NJW 1982, 2839 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG1969; vgl. BAG,AP Nr. 42 zu § 616 BGB; wohl zustimmend, ohne allerdings tarifliche Inhaltsnormen ausdrücklich zu erwähnen; Rost, in: KR, 5. Aufl., § 2 KSchG Rdnr. 179a und Friedrich, in: KR, § 13 KSchG Rdnr. 261a).

b) An dieser Rechtsprechung ist für den vorliegenden Fallfestzuhalten, daß der Arbeitgeber eine tarifwidrige Arbeitszeit, noch dazu ohne angemessenen finanziellen Ausgleich, gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitnehmer durch Ausspruch einer entsprechenden Änderungskündigungdurchzusetzen versucht (ebenso Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 2 KSchG Rdnr. 158). Der vom Arbeitgeber bezweckte Erfolg, die Einführung einer tarifwidrigen Arbeitszeit für das betreffende Arbeitsverhältnis, verstößt gegen die zwingende Wirkung der die Arbeitszeit des betreffendenArbeitnehmers regelnden tariflichen Arbeitszeitnormen (§ 4 I 1 TVG). Nach § 4 III TVG ist deshalb das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot des Arbeitgebers auf vertragliche Änderung der tariflichen Arbeitszeit rechtsunwirksam, ebenso wie es im Falle seiner Annahme durch denArbeitnehmer dessen Einverständniserklärung mit der tarifwidrigen Arbeitszeit wäre.

c) Die Unwirksamkeit erstreckt sich dabei auch auf die Kündigung. Dies ergibt sich schon daraus, daß bei der Nachprüfung der Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber erklärten Änderungskündigung nicht auf die Frage derBeendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein auf das Angebot des Arbeitgebers abzustellen ist, das Arbeitsverhältnis unter bestimmten anderen Bedingungen fortzusetzen. Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das Angebot ablehnt, sich abergegen die Wirksamkeit der Kündigung im Klagewege wendet (BAGE 25, 213 = NJW 1973, 1819 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung). Die Änderungskündigung zielt als ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft auf die Vertragsänderung,nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist deshalb sachlich gerechtfertigt, bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Änderungskündigung auf das Änderungsangebot, nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Wird mit der Änderungskündigungeine - weil tarifwidrig - rechtsunwirksame Vertragsänderung angestrebt, so ist erst recht die in der Änderungskündigung enthaltene Kündigungserklärung rechtsunwirksam, denn sie enthält zusätzlich dem Arbeitnehmer gegenüber die Drohung, das Arbeitsverhältnis werde beendet, fallsdieser sich mit den tarifwidrigen Arbeitsbedingungen nicht einverstanden erkläre.

d) Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Änderungskündigung sei allenfalls schwebend unwirksam und ändere den Arbeitsvertrag der Parteien z.B. in dem Moment, in dem der Kläger aus der Gewerkschaft austrete. DerSenat hat nicht zu entscheiden, ob grundsätzlich der in der neueren Literatur wohl überwiegenden Auffassung zu folgen ist, daß tarifliche Inhaltsnormen entsprechende vertragliche Vereinbarungen regelmäßig nur verdrängen, nicht endgültig beseitigen (Däubler, TarifvertragsR, 3. Aufl.,Rdnr. 183; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rdnr. 12; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 52; vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 201; BAGE 62, 360 = NZA 1990,351 = AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG1972). Eine gegen zwingende tarifliche Vorschriften verstoßende Änderungskündigung ist jedenfalls nach § 4 I, III TVG, § 134 BGB nichtig. Die Änderungskündigung zielt darauf ab, unter der Drohung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist die neuen Arbeitsbedingungen ohnejede Einschränkung durchzusetzen. Demgegenüber kann die zwingende Wirkung des Tarifvertrags nur durch eine Nichtigkeit der tarifwidrigen Änderungskündigung durchgesetzt werden (ebenso im Ergebnis BAGE 38, 106 = NJW1982, 2839 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG1969). Eine Änderung des Arbeitsvertrages lediglich mit Wirkung in ungewisser Zukunft, etwa wenn der Arbeitnehmer aus der Gewerkschaft ausgetreten ist, wird mit der Änderungskündigung nicht bezweckt. Die Annahme einer „schwebenden„ Unwirksamkeit würde im übrigen unberücksichtigt lassen, daß die Änderungskündigung eine echte Kündigung darstellt und damit zu den Rechtsgeschäften gehört, bei denensich ein solcher Schwebezustand regelmäßig verbietet (vgl. §§ 111, 174, 180 BGB; BAGE 74, 291 = NZA 1994, 615 = AP Nr. 33 zu § 2 KSchG1969; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 344f.).

e) Der Verstoß einer Änderungskündigung gegen tarifliche Inhaltsnormen stellt einen sonstigen Unwirksamkeitsgrund i.S. von § 13 III KSchG dar und führt nicht lediglich,wie das LAG meint, zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach §§ 2, 1 II KSchG (vgl. BAGE 38, 106 = NJW 1982, 2839 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG1969; Friedrich, in: KR, § 13KSchG Rdnr. 261a; Rost, in: KR, § 2 KSchG Rdnr. 179a, beide unter ausdrücklichem Hinweis auf BAGE 38, 106 = NJW 1982, 2839 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG1969). Den Tarifverstoß kann der Arbeitnehmer deshalb selbst dann nochgeltend machen, wenn er wegen Ablaufs der Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht mehr berufen kann.

III. Nach alledem ist die Änderungskündigung der Bekl.nach § 13 III KSchG, § 4 TVG, § 134 BGB rechtsunwirksam, denn im Betrieb galt eine tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden.

1. Der zwischen der Rechtsvorgängerin der Bekl. und IG-Metall abgeschlossene Anerkennungstarifvertrag, indem u.a. die Geltung des MTV im Betrieb vereinbart worden ist, stellt einen Firmentarifvertrag i.S. von §§ 1 I, 2 I TVG dar, der für das Arbeitsverhältnis des der IG-Metall angehörenden Kl. und der Bekl. als Rechtsnachfolgerin der tarifschließenden Arbeitgeberin Geltung beansprucht (§ 3 I TVG). Da sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach denVerhältnissen bei Ausspruch der Kündigung beurteilt, ist es rechtlich ohne Belang, daß die Bekl. nach Ausspruch der hier streitigen Kündigung den Anerkennungstarifvertragund die aufgrund des Anerkennungstarifvertrages im Betrieb geltenden Tarifverträge mit Wirkung zum 31. 12. 1996, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hat.

2. Nach § 4 des danach auf das Arbeitsverhältnis des Kl.anwendbaren MTV galt für den als zwingende tarifliche Inhaltsnorm eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden. Diese Arbeitszeit konnte nach § 4 III TVG vertraglich nicht, erst Recht nicht mittels einer Änderungskündigung geändert werden, es sei denn, die abweichende Abmachungwäre durch den Tarifvertrag gestattet oder die Änderung der Arbeitsbedingungen wäre für den Kl. günstiger. Beides ist nicht der Fall. Weder enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel (§ 4 III Alt. 1 TVG), noch ist die durch dieBekl. mit der Änderungskündigung angestrebte einzelvertragliche Erhöhung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden gegen ein um 3% höheres Entgelt für den Kl. günstiger als die tarifliche Regelung (§ 4 III Alt. 2 TVG). Unabhängig davon, wie eine einzelvertragliche Vereinbarung zu beurteilen wäre, mit der die Parteien eine Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit gegen entsprechend proportionale Erhöhung des Lohns vereinbaren, ergibt sich im vorliegenden Fall die Benachteiligung des Kl. schon allein aus dem Vergleich zwischen der ihm angebotenen tarifwidrigen Arbeitszeit und dem ihm für die Erhöhung seiner Arbeitszeitangebotenen Lohn. Die dem Kl. von der Bekl. angebotene Arbeitszeiterhöhung um 10% gegen eine Erhöhung seines Lohns lediglich um 3% ohne Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen zielte, bezogen auf die Gesamtarbeitszeit des Kl.,auf eine Absenkung seines Stundenlohns. Mit ihrer Änderungskündigung wollte die Bekl. also, wovon auch das LAG unausgesprochen ausgeht, das Arbeitsverhältnis des Kl. gegenüber den tariflichen Arbeitsbedingungen einerungünstigeren vertraglichen Vereinbarung unterwerfen. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

3. Dem Kl. ist es auch nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Unwirksamkeit der Änderungskündigung geltend zumachen. Es bedarf vorliegend keiner allgemeinen Abgrenzung, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen unter Berücksichtigung der zwingenden Wirkung des Tarifvertrags (§ 4 I 1 TVG) und des Verzichtsverbots (§ 4 IV 1 TVG) es überhaupt als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden kann, daß der Arbeitnehmer tarifwidrigeArbeitsbedingungen zunächst hinnimmt und sich erst später auf seine tariflichen Rechte beruft. Es stellt jedenfalls keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall der Kl. - zeitnah Klage auf Feststellung erhebt, daß die tarifwidrige Änderungskündigung seine Arbeitsbedingungen nicht geändert hat,und lediglich im Prozeß seinen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung während der Dauer des Prozesses dahin beschränkt, daß er sich bis auf weiteres mit einer Weiterbeschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen zufrieden gibt. Da die Parteien zunächst auch über dieFrage gestritten haben, ob der Kl. die geänderten Arbeitsbedingungen angenommen hat, war die Fassung des Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung durch den Kl. nicht geeignet, einen irgendwie gearteten Vertrauenstatbestand bei der Bekl. zu begründen, der es nunmehr als rechtsmißbräuchlich erscheinen ließe, daß der Kl. seine tariflichen Rechte geltend macht (vgl. Senat, NZA 1985,709 = AP Nr. 4 zu 767 ZPO).

IV. Ob die Kündigung der Bekl. außerdem wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 13 III KSchG, §§ 612a, 134 BGB rechtsunwirksam ist, kann damit offenbleiben.

Vorinstanzen

LAG Rheinland-Pfalz, 7 Sa 374/97, 18.12.1997

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG §§ 1 II, IV, 13 II, III; TVG § 4; BGB § 134