Vertragliche Schriftform für Kündigung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
06. 07. 2000
Aktenzeichen
2 AZR 513/99a
Ist in einem Arbeitsvertrag vereinbart: „Änderungen des Arbeitsvertrags sowie Nebenabreden u.s.w. bedürfen ausdrücklich der Schriftform. Mündliche Absprachen sind rechtsunwirksam“, so haben die Arbeitsvertragsparteien damit keine schriftliche Form für die Abgabe einer Kündigungserklärung vereinbart.
§ 623 BGB erfasst nicht Kündigungen, die vor seinem In-Kraft-Treten am 1. 5. 2000 dem Erklärungsempfänger zugegangen sind.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. war bei der Bekl. seit 11. 5. 1998 als Angestellter zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5500 DM beschäftigt. Nach dem Vertrag waren die ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit mit einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Schluss des Kalendermonats vereinbart. Am Ende des Arbeitsvertrags heißt es: „§ 13 Änderungen des Vertrages: Änderungen des Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden u.s.w. bedürfen ausdrücklich der Schriftform. Mündliche Absprachen sind rechtsunwirksam.“ Der Vertrag sieht in § 11 ferner vor, dass Ausnahmeregelungen zum grundsätzlichen Ausschluss von Nebentätigkeiten schriftlich vereinbart werden. Die Bekl. kündigte dem Kl. am 8. 6. 1998 mündlich zum 31. 7. 1998. Der Kl. hat geltend gemacht, die Kündigung sei mangels Beachtung der in § 13 des Arbeitsvertrags geregelten Schriftform unwirksam. Er hat beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien ungekündigt fortbesteht. Die Bekl. hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, § 13 des Vertrags betreffe nicht auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Falls doch, sei die Schriftformvereinbarung in dem Gespräch, in dem die streitige Kündigung erklärt worden sei, konkludent einvernehmlich aufgehoben worden.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos. Mit seiner vom LAG zugelassenen Revision verfolgte der Kl. erfolglos sein Feststellungsbegehren.
Aus den Gründen:
Dass das LAG die streitige Kündigung für wirksam erachtet hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Das LAG hat § 13 des Arbeitsvertrags dahin ausgelegt, dass lediglich Änderungen des Vertrags und Nebenabreden der Schriftform bedürfen, nicht dagegen die auf Beseitigung des Schuldverhältnisses gerichtete Kündigung. Bei dem Zusatz „u.s.w.“ handele es sich um eine inhaltsleere Floskel, aus der nicht hergeleitet werden könne, dass auch Kündigungen, also Rechtsgeschäfte von völlig anderem Zuschnitt und Gewicht, erfasst werden sollten.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in der Begründung. Die streitige Kündigung ist nicht gem. § 125 S. 2 BGB unwirksam (Fortführung der Rspr. des Senats, vgl. BAG [9. 10. 1997], RzK I 2a Nr. 18 und BAG [16. 9. 1999], NZA 2000, 208 [212] = NJW 2000, 1286 = AP GrOkath.Kirche Art. Nr. 1; ebenso BAG [16. 5. 2000], NZA 2000, 939 = NJW 2000, 3155 = AP BGB § 125 Nr. 15). Die Auslegung von § 13 des Arbeitsvertrags (§§ 133, 157 BGB) durch das LAG dürfte zwar, weil es sich wohl um einen Formular-Arbeitsvertrag handelt, der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegen (vgl. BAG, RzK I 2a Nr. 18 m.w. Nachw.). Auch einer solch uneingeschränkten Überprüfung hält die Auslegung jedoch stand. Die Begriffskombination „Änderungen des Arbeitsvertrags“ impliziert, dass der Vertrag in geänderter Form fortbesteht. Eine Kündigung des Arbeitsvertrags als dessen „Änderung“ zu bezeichnen, entspricht nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Bereits die Überschrift von § 13 spricht deshalb dafür, dass die Klausel nur inhaltlich Änderungen oder Ergänzungen des im Übrigen fortbestehenden Arbeitsvertrags, nicht aber Kündigungen erfasst. Sie soll, wie sich auch aus Satz 2 entnehmen lässt, verhindern, dass im fortbestehenden Arbeitsverhältnis Streit über Ansprüche und Rechte der Parteien entsteht, die angeblich nach Abschluss des Arbeitsvertrags vom 1. 5. 1998 mündlich oder konkludent eingeräumt worden sein sollen. Mit dem Zusatz „u.s.w.“ in Satz 1 soll dieser Zweck möglichst umfassend gesichert werden, also verhindert werden, dass derartige Ansprüche oder Rechte z.B. aus einer betrieblichen Übung oder aus einer Konkretisierung der geschuldeten Tätigkeit abgeleitet werden. Inwieweit § 13 des Arbeitsvertrags dies leisten kann, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Jedenfalls hätte, wenn auch die auf Beseitigung des Arbeitsvertrags gerichtete und damit auf einer ganz anderen Ebene liegende Kündigung dem Schriftformzwang unterstellt werden sollte, dies durch Aufnahme eines entsprechenden Begriffs in den Katalog des § 13 S. 1 oder in anderer Weise klargestellt werden müssen (vgl. BAG, RzK I 2a Nr. 18). Dies gilt um so mehr, als der Vertrag in § 11 eine weitere Formvorschrift für ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorsieht. Wenn dann die Kündigung, die auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielt und daher von besonderem Gewicht ist, im Vertrag nicht als formbedürftig genannt ist, kann nicht angenommen werden, dass sie nach dem Willen beider Vertragspartner gleichwohl der Schriftform unterliegen sollte. Vielmehr ergibt die Auslegung des Vertrags das Gegenteil so eindeutig, dass sich ein Rückgriff auf die sogenannte Unklarheitenregel verbietet. Die Unklarheitenregel wäre nur anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel bliebe und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar wären (BAG [8. 9. 1998], NZA 1999, 769 = AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 10 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 32 [zu III 4]). Schließlich ergibt sich die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung entgegen der vom Kl. in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung auch nicht aus dem zum 1. 5. 2000 in Kraft getreten § 623 BGB in Verbindung mit § 125 BGB. Gestaltungswirkung entfaltet bereits die Kündigung als privatautonome Willenserklärung des Arbeitgebers. Ob die Gestaltungswirkung eintritt, kann grundsätzlich nur nach der beim Zugang (§ 130 BGB) der Willenserklärung bestehenden Rechtslage beurteilt werden. Wollte der Gesetzgeber ein durch eine Kündigung aufgelöstes privatrechtliches Rechtsverhältnis, wie es das Arbeitsverhältnis darstellt, rückwirkend oder mit der Gesetzesänderung ex nunc neu begründen, bedürfte dies - ungeachtet der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit - einer ausdrücklichen oder jedenfalls eindeutigen Regelung (vgl. BAG [21. 1. 1999], NZA 1999, 866 = AP KSchG1969 § 1 Namensliste Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 39 [zu II 1]; BAG [10. 2. 1999] NZA 1999, 702 = NJW 1999, 3797 = AP KSchG1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 38 [zu II 2a]; siehe auch BAG, NZA 2000, 939 = NJW 2000, 3155 = AP BGB § 125 Nr. 15 [zu I 3]). An einer solchen Regelung fehlt es, weshalb § 623 BGB vor dem 1. 5. 2000 zugegangene Kündigungen nicht erfasst.
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