Mobbinghandlungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Gericht
LAG Niedersachsen
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
03. 05. 2000
Aktenzeichen
16a Sa 1391/99
Im Rahmen der Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber auf das Wohl und Wehe der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen; der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auch vor Gefahren psychischer Art schützen. Es besteht insoweit ein Anspruch auf Schutz vor systematischen Anfeindungen und vor schikanösem Verhalten durch Kollegen oder Vorgesetzte, gem. § 278 BGB muss sich der Arbeitgeber dabei gleichermaßen das Verhalten solcher Personen zurechnen lassen, die als Vorgesetzte in seinem Namen handeln.
Sieht sich der Arbeitnehmer einer schikanösen Behandlung durch den Arbeitgeber ausgesetzt und hat er die Eskalation am Arbeitsplatz nicht mitbegründet, ist die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf Arbeitsleistung das geeignete Mittel, Druck auf den Arbeitgeber zur Lösung eines Arbeitsplatzkonflikts auszuüben.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, die Handhabung von Arbeitszeitregelungen und die Entfernung mehrer Abmahnungen aus den Personalakten der Kl. Die Kl. führt Zahlungsklage aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts und verfolgt Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung von Fürsorgepflichten. Schließlich begehrt sie Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung. Die am 28. 5. 1943 geborene Kl. ist seit dem 1. 10. 1973 für die Bekl. als Verkäuferin tätig. Die Bekl. betreibt bundesweit einige hundert vergleichbare Verkaufsstätten im Rahmen einer Filialkette. Es besteht ein Betriebsrat. Von 1974 bis 1979 leitete die seinerzeit vollzeitbeschäftigte Kl. das X. Seit 1979 ist sie aus familiären Gründen teilzeitbeschäftigt. Die Bekl. vereinbart mit Teilzeitkräften den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung nach Quartals- bzw. Jahresstunden. Nach der letzten Vertragsänderung vom 25. 4. 1991 beträgt das Jahresstundenvolumen der Kl. seit dem 1. 6. 1991 1400 Stunden bei einer Bruttomonatsvergütung von ca. 2400 DM. In einem Begleitschreiben der Bekl. zu dieser Vertragsänderung heißt es:
„Mit Wirkung vom 1. 6. 1991 beträgt ihre Arbeitszeit 1400 Stunden im Jahr. Der Arbeitseinsatz ist variabel und wird zwischen Ihnen und Ihrem Vorgesetzten direkt abgestimmt …“
Über die Arbeitszeitregelung in der Filialkette verhält sich die „Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitregelung in der Filialkette vom 18. 11. 1993“. Danach werden Teilzeitkräfte wegen der stark unterschiedlichen Auslastungen der Filialen generell nur auf Quartals- bzw. Jahresstundenbasis unter Vertrag genommen. Der Zeitübertrag wird bei Teilzeitkräften mit Jahresstunden wie folgt geregelt:
„Teilzeitkräfte mit Jahresstunden können bis zu 10% ihrer Jahresvertragsstunden als Minder- oder Mehrstunden monatlich vortragen, darüber hinausgehende Minusstunden verfallen bzw. angewiesene Mehrarbeitsstunden kommen zur Auszahlung oder können auf Wunsch des Arbeitnehmers gegebenenfalls incl. der tariflichen Zuschläge in Freizeit abgegolten werden.“
Der Arbeitszeitausgleich ist wie folgt geregelt:
„Beim Vor- und Nacharbeiten von Plus-/Minusstunden darf die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit max. 50% über der rechnerischen Wochenarbeitszeit liegen. Größere Abweichungen sind in beiderseitigem Einvernehmen in begründeten Ausnahmefällen möglich.“
Die Arbeitszeit der Kl. wird festgelegt durch monatliche Einsatzpläne, die im Vormonat erstellt werden. Eine Vorlage der Einsatzpläne - auch aus den anderen Verkaufsstätten der Filialkette - an den Betriebsrat erfolgt nach Absprache mit dem Betriebsrat nicht. Bis 1997 war die Kl. überwiegend halbtags mit einer Arbeitszeit von 4,5 Stunden tätig. Ende 1997 wies das Arbeitszeitkonto der Kl. 132 Minusstunden auf. Anfang 1998 stellte die Bekl. eine neue Filialleiterin, Frau Z, ein. Frau Z ist ca. 35 Jahre alt und stammt aus den neuen Bundesländern. Die neue Filialleiterin verlangte von der Kl. sowie der weiteren teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterin M den Abbau der Minusstunden durch entsprechende Nacharbeit. Sie setzte die Mitarbeiterinnen auch nicht mehr nur halbtags ein. Nachdem die Kl. hiermit nicht einverstanden war und die Filialleiterin einseitig die Arbeitszeiten festlegte, kam es zwischen den Parteien zu einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung über den Inhalt der vertraglichen Arbeitszeitregelungen und die Reichweite des Direktionsrechts der Bekl. in Bezug auf die Lage der Arbeitszeit der Kl. Die Kl. führte Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis nach § 4 BeschFG vereinbart und die Bekl. nicht berechtigt sei, einseitig die Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit der Kl. festzulegen und die Minusstunden aus dem Jahr 1997 nacharbeiten zu lassen (ArbG Göttingen). In einem weiteren einstweiligen Verfügungsverfahren (ArbG Göttingen) schlossen die Parteien sodann am 17. 11. 1998 einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:
1. Die Einsatzzeiten und gegebenenfalls erforderliche Änderungen werden zwischen der Filialleitung und der Kl. zunächst besprochen und in einem schriftlichen Einsatzplan dokumentiert; kommt eine Einigung nicht zu Stande, setzt die Filialleitung die Einsatzzeiten im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 BGB) und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen (BeschFG, ArbZG) fest.
2. Die Filialleitung wird nach Möglichkeit die vereinbarten
Jahresstunden im Laufe des nächsten Kalenderjahres abfordern, um eine
Übertragung auf das nächste Kalenderjahr zu vermeiden.
3. Die
Filialleitung und die Kl. werden sich bemühen, die heute (17. 11. 1998)
angefallenen Minusstunden bis spätestens Ende 1999 ausgeglichen zu haben.
4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit sowie der Rechtsstreit … erledigt …
Der Vergleich wurde rechtskräftig, nachdem die Kl. von der vereinbarten Möglichkeit des Widerrufs bis zum 24. 11. 1998 keinen Gebrauch gemacht hatte. Nachfolgend kam es zu Gesprächen zwischen der Kl., der Filialleiterin und der weiteren Mitarbeiterin M, dessen Ablauf zwischen den Parteien streitig ist. Die Kl. erkrankte vom 3. 12. 1998 bis 14. 12. 1998. Anschließend kam es zu Auseinandersetzungen wegen der Arbeitszeitplanung für Januar 1999. Die Kl. teilte der Filialleiterin mit, sie sei an allen Dienstagen und Donnerstagen ab 13 Uhr und Mittwochs und Freitags bis 14 Uhr einsatzbereit. Die Bekl. war mit diesem Arbeitszeitvorschlag nicht einverstanden. Sie erstellte einen Personaleinsatzplan für Januar 1999, der für alle Mitarbeiterinnen in der Filiale wechselnd freie, halbe bzw. ganze Arbeitstage vorsah. Nach einem Streitgespräch zwischen der Kl. und der Filialleiterin am 23. 12. 1999 erkrankte die Kl. erneut vom 23. 12. 1998 bis 14. 2. 1999. Nachdem die Kl. bereits am 6. 10. 1998 vom Medizinischen Dienst untersucht worden war, folgte auf Veranlassung der Bekl. eine erneute Untersuchung am 19. 1. 1999. Nach dem von der Kl. im Termin am 8. 3. 2000 überreichten Gutachten vom 19. 1. 1999 bestanden zum Untersuchungszeitpunkt reaktive Depressionen, die ursächlich auf Spannungen am Arbeitsplatz zurückzuführen waren. Mit Schreiben vom 11. 1. 1999 führte der Prozessbevollmächtigte der Kl. gegenüber der Bekl. Beschwerde wegen Mobbinghandlungen. Für die Kl. machte er wegen der Verhaltensweisen der Filialleiterin einen Anspruch auf Disziplinierung der Filialleiterin, sei es durch Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung geltend. Mit Schreiben vom 14. 1 1999 kündigte er unter Fristsetzung bis zum 25. 1. 1999 an, vom Prozessvergleich nach § 326 I BGB zurückzutreten, da der geschlossene Vergleich nicht eingehalten werde. Mit Datum vom 11. 1. 1999, der Kl. zugestellt am 29. 1. 1999, erteilte die Bekl. der Kl. zwei Abmahnungen. Vorgeworfen wurde ihr am 14. 11. 1998 Wechselgeld trotz Kassenanweisung in der Kasse belassen und am 3. 11. 1998 sich geweigert zu haben, am 6. 11. 1998 einen Tag in der Filiale H. auszuhelfen. Bereits am 24. 3. 1998 hatte die Filialleiterin der Bekl. der Kl. eine Ermahnung erteilt, da die Kl. 0,50 DM Wechselgeld am Abend in der Kasse belassen hatte. Mit Schriftsatz an das ArbG Göttingen vom 7. 2. 1999 unter dem Aktenzeichen des durch Vergleich beendeten Gerichtsverfahrens (3 Ca 527/99) trat die Kl. vom Prozessvergleich vom 17. 11. 1999 zurück und beantragte die Anberaumung eines neuen Termins. Gleichzeitig erklärte sie die Anfechtung und fristlose Kündigung des Vergleichs. Die Kl. arbeitete sodann vom 15. 2. 1999 bis zum 17. 2. 1999. Erneuter Streit entspann sich zwischen den Parteien über die nach dem Dienstplan für Februar 1999 arbeitsfreien Tage vom 18. 2. 1999 bis 20. 2. 1999. In diesen Tagen wurde Ware geliefert. Die Kl. sah darin eine Ausgrenzung. Sie erkrankte vom 22. 2. 1999 bis 5. 3. 1999. Am 4. 3. 1999 wurde sie erneut durch den Medizinischen Dienst untersucht. Danach bestand der Arbeitsplatzkonflikt nach wie vor, die Kl. sollte aber am 8. 3. 1999 die Arbeit wiederaufnehmen. Die Bekl. übermittelte mit Schreiben vom 5. 3. 1999 den Einsatzplan der Kl. für den Monat März 1999. Der Einsatzplan ging am 5. 3. 1999 per Fax und am 8. 3. 1999 bei dem Prozessbevollmächtigten der Kl. postalisch ein. Er widersprach den Arbeitszeitvorstellungen der Kl. Diese hatte pauschal Wochentage und Zeiten angegeben, an denen sie arbeiten wollte. Die Kl. trat am 8. 3. 1999 die Arbeit nicht an. Sie berief sich mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen gleichen Datums auf ein Leistungsverweigerungsrecht. Dort heißt es:
„Da der Einsatzplan nicht - wie im Arbeitsvertrag vereinbart - zwischen dem Vorgesetzten und meiner Frau direkt abgestimmt wurde, insbesondere unter Abwägung beiderseitiger Interessen kein Einvernehmen erzielt wurde, sondern bereits mein diesbezügliches persönliches bzw. telefonisches Nachfragen am 2. 3. 1999, ob es einen Einsatzplan für März gebe, als Störung des Arbeitsablaufs mit einem Hausverbot belegt wurde, ferner - sofern anwendbar - die gesetzliche Ankündigungsfrist des § 4 II BeschFG von mindestens 4 Tagen nicht eingehalten wurde, machen wir hiermit gem. § 273 BGB i.V. mit § 4 BeschFG bis auf weiteres unser Leistungsverweigerungsrecht geltend …“.
Mit Schreiben vom 10. 3. 1999 berief sich die Kl. zur Begründung des Leistungsverweigerungsrechts auch auf den ungelösten Arbeitsplatzkonflikt. Im Kammertermin vom 9. 4. 1999 wurden keine Anträge gestellt im Hinblick auf schwebende Vergleichsverhandlungen. Bestandteil dieser Vergleichsbemühungen war die zum Zweck der Vorbereitung eines Auflösungsvergleichs absprachegemäß ausgesprochene Kündigung der Bekl. vom 16. 4. 1999. Nach Scheitern der Vergleichsgespräche hat die Bekl. die Kündigung zurückgenommen.
Das ArbG hat die Bekl. verurteilt, der Kl. ein Zwischenzeugnis zu erteilen und im Übrigen die Kl. abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Die Berufung ist unzulässig, soweit die Kl. in Bezug auf den Zeugnisanspruch nach erstinstanzlichen Obsiegen und späterer Erfüllung durch die Bekl. nunmehr Feststellung der Erledigung begehrt. Der Kl. ist durch Urteil des ArbG der Anspruch auf ein Zwischenzeugnis uneingeschränkt zugesprochen worden. Damit fehlt es an der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderlichen Beschwer der Rechtsmittelklage (Zöller, ZPO, Vorb. § 511 Rdnr. 8).
Der Rechtsstreit ist nur zum Teil entscheidungsreif. Soweit die Kl. Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs vom 17. 11. 1998 begehrt und die Anträge aus dem Verfahren ArbG Göttingen (3 Ca 527/98) zum Spruch stellt, bestehen Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage. Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG (BAG, NJW 1963, 1469; BAGE 40, 17; BAG, Urt. v. 28. 3. 1985 - 2 AZR 92/84) ist der Streit über die Wirksamkeit eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleichs in dem Verfahren zu entscheiden, in dem der Vergleich geschlossen wurde, da der Geltendmachung in einem neuen Verfahren die anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache entgegensteht (§ 261 III Nr. 1 ZPO). Dies gilt nach der Entscheidung des BAG vom 28. 3. 1985 auch dann, wenn - wie vorliegend - die Fortsetzung des Verfahrens beantragt und seitens des Gerichts ein neues Verfahren eröffnet wird. Da dieses Problem nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, bedurfte es insoweit eines rechtlichen Hinweises nach § 139 ZPO. Die von der Kl. verfolgten Ansprüche auf Urlaubsgeld und auf Zahlung der jährlichen Sonderzuwendung folgen anderen Anspruchsvoraussetzungen als der Gehaltsanspruch. Auch wenn der Kl. ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung nicht zusteht und die auf Annahmeverzug gestützte Zahlungsklage unbegründet ist, sind Ansprüche auf Zahlung von Sonderzuwendungen damit nicht ausgeschlossen. Der Kl. war nach § 139 ZPO Gelegenheit zu geben, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. In Bezug auf den streitigen Abmahnungskomplex ist eine Beweiserhebung erforderlich.
II. Soweit der Rechtsstreit entscheidungsreif ist, ist die Berufung der Kl. gegen das Urteil des ArbG Göttingen unbegründet. Die Kl. hat keinen Anspruch aus Annahmeverzug für den Zeitraum ab dem 8. 3. 1999 (1) sowie auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Unterlassung wegen der behaupteten Mobbinghandlungen (2); der Kündigungsschutzklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (3).
1. Die Kl. hat keinen Anspruch gegenüber der Bekl. aus §§ 611, 615, 273 BGB aus Vergütung für den Zeitraum vom 8. 3. 1999 bis einschließlich Februar 2000. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 294 bis 296 BGB seine Arbeitskraft anbietet und leistungsbereit und leistungswillig ist (§ 297 BGB) (vgl. ErfK/Preis, 1998, § 615 BGB Rdnrn. 9ff.). Ist der Arbeitnehmer wegen eines ihm zustehenden Leistungsverweigerungsrechts nicht leistungsbereit, so muss das Angebot der Arbeitsleistung die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts umfassen, um Gläubigerverzug zu begründen (BAG, AP Nr. 28 zu § 615 BGB; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 26. 9. 1997 - 19 Sa 64/96). Die Kl. hat sich mit Schreiben vom 8. 3. 1999 und 10. 3. 1999 auf ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung berufen. Das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB gewährt dem Schuldner das Recht, seine Leistung zurückzuhalten, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Der Gegenanspruch muss vollwirksam und fällig sein und auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen (Konnexität). Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Vorbehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben (ErfK/Wank, § 615 BGB Rdnr. 31; BAG, NZA 1985, 355 = NJW 1985, 2494 = AP Nr. 3 zu § 273 BGB) und wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt (ErfK/Dieterich, Art. 2 GG Rdnr. 82; Blomeyer, in: Münchener Hdb.z. ArbeitsR, § 93 Rdnr. 24; zur verhältnismäßigen Ausübung bei Lohnrückständen BAG, NZA 1996, 1085 = AP Nr. 5 zu § 273 BGB). Danach ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, das Zurückbehaltungsrecht auszuüben, wenn er wegen einer geringen Gegenforderung die ganze Leistung zurückbehalten will (ErfK/Preis, § 611 BGB Rdnr. 670) oder wenn gegenüber einer unbestrittenen Forderung ein Gegenanspruch geltend gemacht wird, dessen Klärung so schwierig und zeitraubend ist, dass die Durchsetzung der unbestrittenen Forderung auf Dauer verhindert wird (BGH, NJW 1990, 1172).
Im Arbeitsverhältnis besteht ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung auch, wenn der Arbeitgeber mit erheblichen Nebenpflichten nicht nachkommt (BAG, NZA 1997, 86 = NJW 1997, 611 L; Lorenz, in: MünchKomm, § 618 BGB Rdnr. 67; ErfK/Wank, § 618 BGB Rdnr. 28; LAG Hessen, Urt. v. 26. 8. 1997 - 7 Sa 535/97; Kreitner, DStR 1997, 1292). Die Verletzung der Fürsorgepflicht (BAG, AP Nr. 28 zu § 615 BGB; LAG Baden Württemberg, Urt. v. 26. 9. 1997 - 19 Sa 64/96; LAG Frankfurt a.M., Urt. v. 26. 8. 1997 - 7 Sa 535/97), bzw. der sich aus § 618 BGB ergebenden Arbeitsschutzpflichten (BAG, NZA 1997, 86) können ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung begründen. Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Fürsorgepflicht auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, er muss den Arbeitnehmer auch vor Gesundheitsgefahren psychischer Art schützen (Haller/Koch, NZA 1995, 356 [358]). Es besteht insoweit auch ein Anspruch auf Schutz vor systematischen Anfeindungen und vor schikanösem oder diskriminierendem Verhalten durch Kollegen oder durch Vorgesetzte, wobei der Arbeitgeber sich gem. § 278 BGB auch das Verhalten der Personen zurechnen lassen muss, die als Vorgesetzte in seinem Namen handeln (v. Hoyningen-Huene, BB 1991, 22114 [2221]; Bieler/Heilmann, AuR 1996, 430 [433]).
2. Die Kl. hat mit Schreiben vom 8. 3. 1999 eine vertragswidrige einseitige Arbeitszeitzuweisung reklamiert und sich darauf berufen, der Einsatzplan für März 1999 sei nicht, wie im Arbeitsvertrag vereinbart, zwischen den Parteien direkt abgestimmt und vereinbart worden. Mit Schreiben vom 10. 3. 1999 hat sie geltend gemacht, sie müsse mit schikanöser Behandlung der Filialleiterin rechnen. Bis zur Lösung dieses Arbeitskonflikts halte sie ihre Arbeitsleistung zurück. Weder die Berufung auf eine vertragswidrige Arbeitszeitzuweisung noch auf die behaupteten Verhaltensweisen der Filialleiterin rechtfertigen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes an der Arbeitsleistung gem. § 273 BGB.
a) Auf eine vertragswidrige einseitige Zuweisung der Arbeitszeiten kann die Kl. ein Zurückbehaltungsrecht nicht stützen. Zwar kann wie eine vertragswidrige Zuweisung von nicht zumutbarer Arbeit über einen längeren Zeitraum (LAG Berlin, Urt. v. 12. 3. 1999 - 2 Sa 53/98) auch die dauernde Zuweisung von Arbeitszeiten unter Verstoß gegen die vertraglichen Absprachen ein Zurückbehaltungsrecht begründen. Nach den vertraglichen Absprachen zwischen den Parteien ist die Einteilung der Arbeitszeiten durch die Bekl. aber vertragskonform, kollektivrechtlich nicht zu beanstanden und entspricht billigem Ermessen gem. § 315 BGB.
aa) Nach der Vertragsänderung vom 25. 4. 1991 haben die Parteien eine Jahresarbeitszeit von 1400 Stunden vereinbart. Eine vertragliche Regelung der Lage der Arbeitszeit besteht nicht. Soweit sich die Kl. auf das Begleitschreiben zur Vertragsänderung vom 1. 6. 1991 beruft, wonach der Arbeitseinsatz variabel ist und zwischen der Kl. und dem Vorgesetzten direkt abgestimmt wird, ergibt sich daraus nicht, dass nur eine einvernehmliche Festlegung der Arbeitszeiten verbindlich ist. Abstimmen bedeutet, dass bei der Festlegung der Arbeitszeiten den beiderseitigen Interessen Rechnung getragen wird. Damit wird der Rechtsgedanke von § 315 BGB - Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen - aufgegriffen, nicht aber die Ausübung des Direktionsrechts beschränkt oder ein Zwang zur Einigung über die Arbeitszeiten statuiert.
Unerheblich ist ferner, dass es nach Vortrag der Kl. bis zum Eintritt der Filialleiterin stets zu einer einvernehmlichen Festlegung der Arbeitszeiten gekommen ist. Auch daraus ergibt sich keine Vertragsänderung in Bezug auf eine zwingende einvernehmliche Festlegung der Arbeitszeiten. Einer diesbezüglichen - nur unter engen Voraussetzungen überhaupt denkbaren Konkretisierung der vertraglichen Pflichten (BAG, Urt. v. 30. 10. 1991 - 5 AZR 6/91) - wäre nur dann näher zutreten, wenn nach der vertraglichen Handhabung in der Vergangenheit einseitige Festlegung der Arbeitszeit von den Vertragsparteien für unwirksam erachtet worden wären. Beispiele hierfür trägt die Kl. nicht vor.
Ist die Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig bestimmt, so erfolgt die Bestimmung von Zeit, Ort und Art der Leistungspflicht im Wege des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber, wobei regelmäßig ein weiter Rahmen zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen besteht (BAG, NZA 1993, 1127 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Erman/Hanau, BGB, § 611 Rdnr. 306; Leinemann/Kiel, GewO, § 105 Rdnr. 4020).
bb) Die zwischen den Parteien bestehende Vertragslage - die Vereinbarung einer Jahresarbeitszeit - ist nicht rechtsunwirksam gem. § 134 BGB wegen einer Umgehung der §§ 1, 2 KschG. Eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber vertraglich die Dauer der vertraglichen Arbeitszeit bestimmen kann, weil dem Arbeitnehmer der Änderungsschutz des § 2 KSchG entzogen wird (BAG, NZA 1985, 321). Zwischen den Parteien ist die Dauer der Arbeitszeit im Bezugszeitraum aber fest vereinbart. Die Kl. erhält auch ihre monatlichen Bezüge pro rata temporis, ohne dass es auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ankommt. Damit haben die Parteien zwar eine flexible Arbeitszeitgestaltung gewählt, aber keine einseitigen Eingriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers in das vertragliche Äquivalenzverhältnis eröffnet. Eine Umgehung zwingenden Kündigungsrechts scheidet damit aus. Auch der vereinbarte Bezugszeitraum von einem Jahr ist in der von den Parteien gewählten Form rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BAG, NZA 1996, 597 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie; Heinze, NZA 1997, 681). Bedenken im Hinblick auf eine fehlende Kalkulierbarkeit des zur Verfügung stehenden monatlichen Einkommens sowie auf eine Gefährdung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes bei schwankendem Einkommen (Mikosch, GK-TzA, § 5 Rdnr. 61) haben die Parteien durch die an der durchschnittlichen monatlichen Stundenvergütung orientierten kontinuierlichen Entgeltzahlung Rechnung getragen.
Soweit die Kl. zutreffend darauf verweist, dass die Planbarkeit der zur Verfügung stehenden freien Zeit im Hinblick auf andere Beschäftigungsverhältnisse beschränkt ist, liegt hier kein Problem einer Vertrags- sondern der Vertragsausübungskontrolle, die am Maßstab von § 315 BGB, § 4 BeschFG vorzunehmen ist.
cc) Die Beschäftigung der Kl. nach Maßgabe der Vertragsänderung vom 25. 4. 1991 ist der Bekl. nicht deshalb verwehrt, weil der Betriebsrat nach der Behauptung der Kl. der damaligen Vertragsänderung nicht gem. §§ 99 I, 95 III BetrVG zugestimmt hat. Es kann dahinstehen, ob der Wechsel von einer festen täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit zu einer Jahresarbeitszeit überhaupt eine Versetzung im Sinne dieser Vorschriften und damit zustimmungsbedürftig ist (ablehnend bei Arbeitszeitveränderungen BAG, AP Nrn. 25, 28 und 33 zu § 95 BetrVG; a.A. für den Fall der Umstellung auf Stundenvolumenverträge wegen der erheblichen organisatorischen Änderungen Buschmann/Dieball, TzA, § 99 BetrVG Rdnr. 7). Der Betriebsrat hat ausweislich der Vertragsurkunde am 7. 5. 1991 die letzte Vertragsänderung auf ein Jahresstundenvolumen von 1400 Stunden gegengezeichnet und damit gebilligt. Da nach der Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitregelung in der Filialkette Teilzeitkräfte generell nur auf der Basis von Quartals- oder Jahressstundenverträgen eingestellt und die Kl. seit 1979 auf der Basis von Quartalsstunden und seit 1991 mit einem Jahresstundenvertrag beschäftigt wird, unterliegt die Zustimmung des Betriebsrats keinem Zweifel.
dd) Die Festlegung der Arbeitszeiten durch die Bekl. entspricht auch billigem Ermessen gem. § 315 BGB. Konkrete Einzelfälle einer billigem Ermessen widersprechenden Arbeitszeitzuweisung hat die Kl. nicht vorgetragen. Soweit sie in der beschäftigungsfreien Zeit vom 18. 2. 1999 bis 20. 2. 1999, in der zum Teil Ware geliefert wurde, eine bewusste Ausgrenzung von betrieblichen Abläufen sieht, ist dies bezeichnend für das übersteigerte Misstrauen der Kl. Handlungen der Bekl. gegenüber sind aber in der Sache offensichtlich abwegig.
Soweit die Kl. allgemein Gesundheitsgefahren bei wechselnden Arbeitszeiten behauptet, ist nicht ansatzweise erkennbar, woher solche Gefahren herrühren könnten. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes wird auch von der Kl. nicht dargelegt. Richtig ist zwar, dass wechselnde Arbeitszeiten theoretisch die Aufnahme weiterer Beschäftigungsverhältnisse erschweren können. Eine Arbeitszeitzuweisung, die darauf keine Rücksicht nimmt, mag auch billigem Ermessen widersprechen. Die Kl. hat aber nicht behauptet, dass ihr durch die Arbeitszeitzuweisung anderweitige Arbeitsmöglichkeiten abgeschnitten wurden. Eine theoretische Konfliktlage ist unbeachtlich. Soweit die Kl. mit Schreiben vom 8. 3. 1999 eine Verletzung der Ankündigungsfrist des § 4 II BeschFG reklamiert hat, besteht ein Leistungsverweigerungsrecht lediglich bis zum Ablauf dieser Frist (bei Telefaxzugang am 5. 3. 1999 maximal bis zum 9. 3. 1999), keinesfalls kann ein Verstoß gegen § 4 II BeschFG Grundlage für eine dauernde Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts sein.
ee) Die Zuweisung der Arbeitszeiten ist auch nicht deshalb rechtsunwirksam, weil dem Betriebsrat die monatlichen Einsatzpläne nicht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG vorgelegt werden. Der Betriebsrat hat sein Mitbestimmungsrecht zunächst mit der Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitregelung in der Filialkette von 18. 11. 1993 ausgeübt. Diese Betriebsvereinbarung regelt die Rahmenbedingungen der Arbeitszeitverteilung (Zeiterfassung, Umfang des Zeitübertrags sowie der Vor- und Nacharbeit). Selbst wenn die Dienstplaneinteilung bzw. die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage trotz Betriebsvereinbarung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt, weil die Vereinbarung weder eine konkrete Regelung der Grundsätze der Arbeitsplangestaltung enthält noch die Bekl. zu einseitigen Festlegungen ermächtigt (vgl. BAG, NZA 1987, 248 = AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG1972 Arbeitszeit; BAG, NZA 1989, 807 = NJW 1989, 2771 = AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG1972 Arbeitszeit [Fall der Aufnahme allgemeiner Gestaltungsgrundsätze in einer Betriebsvereinbarung]), so verstößt die betriebliche Praxis nicht gegen § 87 I 2 BetrVG. In der seit Jahren beiderseitig unverändert ausgeübten Praxis, sich nicht einzelne Arbeitspläne der mehreren hundert Filialen vorlegen zu lassen, liegt eine formlos mögliche Regelungsabrede (vgl. ErfK/Hanau/Kania, § 77 BetrVG Rdnrn. 26ff.) über den Umfang der Vorlagepflichten in Bezug auf die Arbeitspläne. Soweit die Kl. ohne nähere Erläuterung eine diesbezügliche Absprache in Abrede nimmt, ist dies angesichts der unstreitigen betrieblichen Praxis unsubstanziiert und unbeachtlich.
ff) Auch die von der Kl. behaupteten Verstöße der Bekl. gegen den Prozessvergleich vom 17. 11. 1998 - von dem die Kl. zurückgetreten sein will - begründen kein Zurückbehaltungsrecht. Für die Frage der wirksamen Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ist die in diesem Teilurteil nicht getroffene Entscheidung über die Wirksamkeit des Rücktritts nicht präjudizierend. Ist der Vergleich durch die Erklärung der Kl. vom 7. 2. 1999 gem. § 326 BGB hinfällig geworden, so hat die Kl. ihre rechtlichen Möglichkeiten abschließend wahrgenommen und kann nach erfolgtem Rücktritt nicht ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Nach dem Rücktritt kann der Arbeitgeber dieses spezielle Leistungshindernis nicht mehr beseitigen. Auch wenn der Vergleich vom 17. 11. 1998 die Parteien nach wie vor bindet, so liegen Verstöße der Bekl. dagegen, die ein Zurückbehaltungsrecht der Kl. an der Arbeitsleistung begründen könnten, nicht vor. Der Vergleich hat keine von den vertraglichen oder gesetzlichen Regeln abweichende Grundlage für die Festlegung der Arbeitszeit geschaffen. Es bestätigt das Direktionsrecht der Bekl. im Hinblick auf eine Festlegung der Arbeitszeiten. Damit sind nach vorstehenden Erwägungen auch die Arbeitszeitfestlegungen der Bekl. nicht zu beanstanden.
Soweit die Kl. die Auffassung vertritt, es müsse zunächst ein Gespräch und den Versuch eines gemeinsamen schriftlichen Einsatzplans geben, schließt dies die vorherige Erstellung eines Dienstplanentwurfs durch die Bekl. nicht aus. Dass es zwischen den Parteien nicht zu einer Einigung über die Arbeitszeiten kam, liegt wesentlich an den Arbeitszeitwünschen der Kl. Ihre Arbeitszeitvorstellung für Januar 1999 - Dienstags und Donnerstags ab 13 Uhr, Mittwochs und Freitags bis 14 Uhr - hätte eine Rückkehr zu starren Arbeitszeiten bedeutet und keinen Raum mehr für eine flexible Arbeitszeitgestaltung gelassen. Die einseitige Festlegung der Arbeitszeiten durch die Bekl. ist danach nicht zu beanstanden.
b) Der Kl. steht auch kein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung zu, soweit sie sich mit Schreiben vom 10. 3. 1999 auf die schikanöse Behandlung durch die Filialleiterin und den ungelösten Arbeitsplatzkonflikt berufen hat. Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts sowie des Vortrags der Kl. besteht kein Anspruch wegen der Verletzung von Fürsorgepflichten, der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts rechtfertigen könnte.
Es kann unterstellt werden, dass es Streitgespräche und Kommunikationsstörungen der geschilderten Art zwischen der Kl. und der Filialleiterin gegeben hat. Es ist auch offenkundig, dass die Probleme in der Filiale G. erst mit dem Eintritt der neuen Filialleiterin begannen. Schließlich ist es nachvollziehbar, dass diese Spannungen mitursächlich waren für die unstreitigen Arbeitsunfähigkeitszeiten und dass die Kl. unter den attestierten Depressionen gelitten hat. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts war jedoch unverhältnismäßig. Zwar war die Zurückhaltung der Arbeitsleistung grundsätzlich geeignet, Druck auf die Bekl. zur Lösung des Arbeitsplatzkonflikts auszuüben, sie war aber nicht erforderlich. Das Gebot der Erforderlichkeit im Rahmen einer Übermaßprüfung verlangt, dass kein milderes Mittel zur Verfügung steht, welches vergleichbar wirksam wäre (ErfK/Dieterich, Vorb. GG Rdnr. 30). Erforderlich wäre die Zurückhaltung der Arbeitsleistung gewesen, wenn die Kl. einseitig einer schikanösen Behandlung durch die Filialleiterin ausgesetzt gewesen wäre und sie die Eskalation am Arbeitsplatz nicht mitverursacht hätte. Dann wäre es allein Sache der Bekl. gewesen, durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der Fürsorgepflicht den Konflikt zu lösen. Die Kl. hat aber in erheblichem Umfang an der Entstehung des Konfliktes mitgewirkt und auch zu der nachfolgenden verbalen Eskalation in der Filiale G. beigetragen. Die Auseinandersetzung zwischen der Kl. und der Filialleitern wurde ausgelöst durch die veränderte Arbeitszeitfestlegung durch die neue Filialleiterin. Die Kl. hat nach vorstehenden Erwägungen die Reichweite des Direktionsrechts der Bekl.bzw. der für sie handelnden Filialleiterin verkannt und einseitige Festlegungen der Arbeitszeiten nicht hingenommen. Zudem hat sie das auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung berechtigte Begehren der Filialleiterin, die 132 Minderstunden aus 1997 nachzuarbeiten, nicht akzeptiert. Damit hat sie den Grundstein für die nachfolgenden Querelen gelegt. Es ist nicht erkennbar, dass die Situation sich gleichermaßen zugespitzt hätte, wenn die Kl. sich ihrerseits vertragsgerecht verhalten hätte.
Auch der schriftsätzliche (vor) prozessuale Vortrag schon zu einem Zeitpunkt, als das Zurückbehaltungsrecht noch nicht ausgeübt war, war mitursächlich für die Eskalation des Konfliktes. Aus dem behaupteten Ost-West Konflikt die Unfähigkeit abzuleiten, in Freiheit aufgewachsenen westdeutschen Arbeitnehmern vorzustehen, ist eklatant diskriminierend und zeigt, dass die Kl. nicht bereit ist, die Vorgesetztenstellung der Filialleiterin zu akzeptieren.
Der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hätte deshalb der Versuch vorausgehen müssen, durch die notwendige und gebotene Korrektur des eigenen Verhaltens sowohl im Hinblick auf die Festlegung der Arbeitszeiten wie auch im Hinblick auf die diskriminierenden Vorwürfe wegen der Herkunft der Filialleiterin die Situation zu befrieden. Dies ist unterblieben. Gehaltsansprüche der Kl. bestehen deshalb nicht. Damit entfällt auch der Anspruch auf eine Gehaltsabrechnung (mit Ausnahme der Monate, in denen eventuelle Ansprüche auf Sonderzuwendungen bestehen).
3. Die Kl. hat keinen Anspruch auf „Unterlassung von Handlungen, die das Persönlichkeitsrecht oder die Gesundheit der Kl. verletzen oder sie sonst wegen ihres Alters benachteiligen“. Der Antrag ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist gem. § 253 II Nr. 2 ZPO. Der Unterlassungsantrag muss konkret gefasst sein und die zu unterlassene Verletzungshandlung so genau wie möglich bestimmen (Zöller/Greger, ZPO, § 253 Rdnr. 13b). Die begehrte Unterlassung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder der Gesundheit beschreibt pauschal eine Selbstverständlichkeit nicht aber, wie erforderlich, die präzise Handlung, die unterbleiben soll.
4. Die Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen der vom Medizinischen Dienst festgestellten Erkrankungen ist zulässig aber unbegründet. Die Kl. hat weder die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 823 I BGB oder aus PVV noch, wie es für die Begründetheit einer Feststellungsklage erforderlich ist (Zöller/Greger, § 256 Rdnr. 8a), die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hinreichend substanziiert. Im Übrigen wird auf vorstehende Erwägungen zu Nr. 2b verwiesen.
5. Auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 823, 847 BGB besteht nach vorstehenden Erwägungen nicht.
6. Die Klage ist unzulässig, auf Grund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses, soweit die Kl. die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 17. 4. 1999 begehrt. Insoweit macht sich das Gericht die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu eigen (§ 543 ZPO).
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