Urlaubsdauer - Abhängigkeit von der Zahl der Wochenarbeitstage
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
28. 04. 1998
Aktenzeichen
9 AZR 314/97
Ändert sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche, verkürzt oder verlängert sich entsprechend die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs. Sie ist dann jeweils unter Berücksichtigung der nunmehr für den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit neu zu berechnen. Das trifft auch für einen auf das folgende Urlaubsjahr übertragenen Resturlaub zu, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des folgenden Jahres in Teilzeit beschäftigt ist.
§ 48 IV Unterabs. 4 BAT-KF ist nur auf die Berechnung eines Urlaubsanspruchs während des Kalenderjahres anzuwenden. Wird die Verteilung der Arbeitszeit im Übertragungszeitraum geändert, ist die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Resturlaubs unter Zugrundelegung der Regelungen im Bundesurlaubsgesetz neu zu bestimmen.
Die 1961 geborene Kl. ist seit dem 1. 7. 1988 bei der Bekl. als Krankenschwester tätig. Auf das Arbeitsverhältnis sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT-KF) und der anderen für den öffentlichen Dienst im Land Nordrhein-Westfalen geschlossenen Tarifverträge in der für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die Urlaubsbestimmungen im BAT-KF lauten u.a.:
§ 47. Erholungsurlaub.
(1) Der Angestellte erhält in jedem Urlaubsjahr Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr...
(7) Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen ... nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. ...
§ 48. Dauer des Erholungsurlaubs.
(1) Der Erholungsurlaub des Angestellten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt in der Vergütungsgruppe ... Kr XIII bis Kr I ... bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage...
(4) Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte, mit Ausnahme der auf Arbeitstage fallenden gesetzlichen Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird. Endet eine Arbeitsschicht nicht an dem Kalendertag, an dem sie begonnen hat, gilt als Arbeitstag der Kalendertag, an dem die Arbeitsschicht begonnen hat.
Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf mehr als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, erhöht sich der Urlaub für jeden zusätzlichen Arbeitstag im Urlaubsjahr um 1/260 des Urlaubs nach Absatz 1 zuzüglich eines etwaigen Zusatzurlaubs. ...
Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, vermindert sich der Urlaub für jeden zusätzlichen arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/260 des Urlaubs nach Absatz 1 zuzüglich eines etwaigen Zusatzurlaubs. ...
Wird die Verteilung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit während des Urlaubsjahres auf Dauer oder jahreszeitlich bedingt vorübergehend geändert, ist die Zahl der Arbeitstage zugrunde zu legen, die sich ergeben würde, wenn die für die Urlaubszeit maßgebende Verteilung der Arbeitszeit für das ganze Urlaubsjahr gelten würde...
Die Kl. war bis zum 31. 12. 1995 in der 5-Tagewoche vollzeitbeschäftigt. Seit dem 1. 1. 1996 arbeitet sie auf ihren Wunsch 80 Stunden monatlich im Wechseldienst nach Dienstplan. Ihre Arbeitszeit ist nunmehr auf weniger als 5 Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt. Die Kl. hatte den Erholungsurlaub von insgesamt 29 Arbeitstagen für das Jahr 1995 mit Ausnahme von zehn Urlaubstagen erhalten. Den Resturlaub, den sie nicht vor Jahresende hatte antreten können, beantragte die Kl. für die Zeit vom 1. bis 4. 2. 1996 (vier Tage), 12. und 13. 2. 1996 (zwei Tage) und vom 1. bis 4. 3. 1996 (vier Tage). Nach der Gewährung des Urlaubs für die beiden ersten Zeiträume teilte die Bekl. der Kl. Ende Februar 1996 mit, aufgrund der Arbeitszeitänderung sei der Urlaub nach § 48 IV Unterabs. 4 BAT-KF neu zu berechnen. Der übertragene Urlaub betrage daher nicht zehn, sondern nur fünf Tage. Der für den 13. 2. 1996 gewährte Urlaubstag werde deshalb auf den Urlaubsanspruch für das Jahr 1996 angerechnet. Damit ist die Kl. nicht einverstanden. Sie hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, ihr vier Tage Resturlaub aus dem Jahr 1995 zu gewähren, ihr einen zusätzlichen Urlaubstag aus dem Jahr 1996 zu gewähren.
Das ArbG hat die Bekl. verurteilt, der Kl. einen zusätzlichen Urlaubstag aus dem Jahre 1996 zu gewähren und hat im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das LAG das Urteil des ArbG abgeändert und die Bekl. verurteilt, (1) der Kl. vier Tage Resturlaub aus dem Jahre 1995 zu gewähren, (2) der Kl. einen zusätzlichen Urlaubstag aus dem Jahre 1996 zu gewähren. Die Revision der Bekl. führte zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
I. Der Kl. steht gegen die Bekl. kein aus dem Jahre 1995 übertragener Resturlaub zu. Infolge der Änderung ihrer Arbeitsverteilung seit 1. 1. 1996 haben sich die ihr als Resturlaub noch zustehenden Urlaubstage auf fünf Tage vermindert. Diesen Urlaub hat sie vom 1. bis 4. 2. 1996 und am 12. 2. 1996 erhalten.
1. Der Urlaubsanspruch der Kl. richtet sich nach den Vorschriften des BAT-KF. Nach §§ 47, 48 BAT-KF standen ihr für das Jahr 1995 29 Urlaubstage zu. Davon hatte ihr die Bekl. in diesem Jahr insgesamt 19 Tage gewährt. Die weiteren Urlaubstage, die sie nicht vor Jahresende hatte antreten können, hat die Bekl. zutreffend wegen der seit 1. 1. 1996 veränderten Verteilung der Arbeitszeit neu berechnet. Da die Parteien über die Richtigkeit der Berechnung nicht streiten, bedarf es hierüber keiner Erwägungen des erkennenden Senats. Zu entscheiden ist nur noch darüber, ob der Urlaubsanspruch nur im Urlaubsjahr entsprechend der jeweils maßgeblichen Verteilung der arbeitstäglichen Arbeitszeit umzurechnen ist, nicht aber im Übertragungszeitraum, wie die Kl. in Übereinstimmung mit dem LAG annimmt.
2. Das LAG hat unter Hinweis auf § 48 IV Unterabs. 4 BAT-KF ausgeführt, daß die Tarifvertragsparteien in dieser Bestimmung nur geregelt haben, wie die Urlaubsdauer für einen Arbeitnehmer bei einer Änderung der Arbeitszeitverteilung während des Urlaubsjahres zu bestimmen ist. Das trifft zu. Im Gegensatz zur Auffassung des LAG ist daraus aber nicht zu schließen, daß die Urlaubsdauer im Übertragungszeitraum bei einer Veränderung der Verteilung der Arbeitszeit unverändert bleibt. Das LAG meint, dies daraus herleiten zu können, daß sich der übertragene Urlaub hinsichtlich seiner Länge nach dem Entstehungsjahr richte. Das trifft nicht zu. Was das LAG als urlaubsrechtlichen Grundsatz erklärt, ist ein Satz aus einem arbeitsrechtlichen Handbuch (vgl. Schaub, ArbeitsR - Hdb., 8. Aufl., § 102 V 5c, S. 883), für den weder dort noch im Urteil des LAG eine Begründung gegeben wird. Er entspricht nicht den für den Urlaubsanspruch maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes. Entgegen diesem vermeintlichen Grundsatz richtet sich die individuelle Dauer des einem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs nicht nach bereits erbrachten Arbeitsleistungen oder nach bereits erledigten Verteilungen der Arbeitszeit, sondern vielmehr nach der im Bundesurlaubsgesetz (und ebenso in dem hier maßgeblichen Tarifvertrag) für den Arbeitnehmer jeweils maßgeblichen Arbeitszeitverteilung, also der vom Arbeitnehmer an den Arbeitstagen zu erbringenden Dienstleistungen, weil nach § 1 und § 3 BUrlG für die gesetzliche Urlaubsdauer eine Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Werktage zugrunde gelegt ist. Davon abweichend ist die tarifliche Urlaubsdauer nach § 48 I BAT-KF auf einen Angestellten bezogen, dessen Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist.
3. Aus welchem Grund für den Übertragungszeitraum nach dem Bundesurlaubsgesetz eine Umrechnung auf die nunmehr maßgebliche Arbeitszeit ausgeschlossen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Der Urlaubsanspruch ist im Übertragungszeitraum - abgesehen von einer weiteren Befristung sowie dem Entfallen der besonderen Ausnahmetatbestände nach § 7 II 1 BUrlG - mit dem Urlaubsanspruch im Urlaubsjahr identisch. Damit gibt es für einen Grundsatz, wie ihn das LAG aufgestellt hat, keinen Anhaltspunkt.
4. Zu Unrecht hat das LAG außerdem angenommen, daß eine Neuberechnung entsprechend der im Übertragungszeitraum maßgeblichen Arbeitszeitverteilung ausscheide, weil die Tarifvertragsparteien hierzu keine Regelung getroffen haben. Damit übergeht das LAG, daß Tarifvertragsparteien zwar nach § 13 I 1 BUrlG berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, vom Bundesurlaubsgesetz in dem für sie eröffneten Rahmen abweichende Regelungen zu treffen. Haben die Tarifvertragsparteien dies unterlassen, ist von der gesetzlichen Regelung auch für den tariflichen Urlaubsanspruch auszugehen (vgl. z.B. BAGE 66, 134 = NZA 1991, 466 = AP Nr. 56 zu § 7 BUrlG Abgeltung m. w. Nachw.). Die auch vom LAG angesprochene Frage nach einer möglichen Lückenfüllung in Tarifverträgen beantwortet sich daher für urlaubsrechtliche Regelungen von selbst: Entweder haben die Tarifvertragsparteien mit ihrem Regelungswerk die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes wirksam ausgeschlossen, oder es sind die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden, wenn dem Tarifvertrag kein anderes tarifliches Regelungsziel zu entnehmen ist (vgl. BAGE 66, 134 [138] = NZA 1991, 466 = AP Nr. 56 zu § 7 BUrlG Abgeltung; Leinemann/Linck, UrlaubsR, § 13 BUrlG Rdnr. 7).
Die Tarifvertragsparteien haben für den Übertragungszeitraum keine Berechnungsregelungen getroffen. Ob und welche Bestimmungen sie gegebenenfalls vereinbart hätten, ist mangels eines Anhaltspunktes nicht feststellbar. Daher sind insoweit für die Berechnung des der Kl. noch zustehenden Resturlaubs die Regelungen im Bundesurlaubsgesetz anzuwenden. Eine Umrechnung entsprechend der Verteilung der Arbeitszeit ist daher durch den Tarifvertrag nicht ausgeschlossen. Einer Regelung durch die Tarifvertragsparteien bedurfte es hierzu entgegen der Auffassung des LAG nicht. Das schließt nicht aus, daß die Tarifvertragsparteien auch eine andere Regelung hätten treffen können.
5. Nach den §§ 1, 3, 7 BUrlG ist - wie bereits dargelegt (vgl. oben I 3) - auch im Übertragungszeitraum die Urlaubsdauer entsprechend der während dieser Zeit maßgeblichen Arbeitszeitverteilung zu bestimmen. Ein Grund, von der für den im Urlaubsjahr nach §§ 1, 3 BUrlG maßgeblichen Umrechnung nach § 7 BUrlG für den Übertragungszeitraum abzuweichen, ist nicht ersichtlich. Da die Parteien über die Berechnung der Bekl. nicht streiten und die Kl. nur mit einer Verminderung der Zahl der ihr zu gewährenden Urlaubstage insgesamt nicht einverstanden ist, bedarf es keiner Ausführungen des Senats, ob sich Unterschiede in der Berechnung aufgrund der nach dem Bundesurlaubsgesetz zu beachtenden Merkmale ergeben.
6. Das Urteil des LAG erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Zu Unrecht hat die Kl. im Verfahren vor dem LAG geltend gemacht, daß eine Umrechnung ihres Anspruchs im Übertragungszeitraum gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 119 EGV bzw. nach Art. 3 II, III GG verstoße. Die Kl. übersieht, daß die Umrechnung ihres Urlaubsanspruchs allein darauf beruht, daß die Dauer des tariflichen Anspruchs von der im Tarifvertrag zugrunde gelegten Arbeitszeit abhängt (§ 48 I BAT-KF) und sich die Verteilung ihrer Arbeitszeit gegenüber ihrer bisherigen Arbeitszeit geändert hat. Diese Änderung beruht auf der von der Kl. begehrten Neufestsetzung ihrer Arbeitszeit seit 1. 1. 1996. Die durch eine Änderung der Verteilung der Arbeitszeit bedingte Änderung der Zahl der Urlaubstage ist entgegen der Auffassung der Kl. keineswegs auf Teilzeitarbeitsverhältnisse beschränkt, sondern in allen Arbeitsverhältnissen mit einer Arbeitszeit, deren Verteilung von der im Tarifvertrag genannten abweicht, möglich. Wird die Arbeitszeit auf mehr Arbeitstage einer Woche, als im Tarifvertrag vorgesehen, verteilt, erhöht sich entsprechend die Zahl der Urlaubstage.
Die Auffassung der Kl., ihr trotz Verringerung ihrer Arbeitstage den Urlaub zu gewähren, den nur ein Angestellter bei einer Verteilung seiner Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage verlangen kann, bedeutet daher, daß sie eine Begünstigung für sich gegenüber solchen Arbeitnehmern begehrt. Daher ist die Auffassung der Kl. schon im Ansatz nicht zutreffend. Für eine Benachteiligung, wie sie von der Kl. behauptet wird, fehlt es im übrigen an einem ausreichenden Tatsachenvortrag. Die Kl. hat nämlich nicht dargelegt, in welchem Umfang nach ihrer Auffassung Teilzeitarbeitsverhältnisse von der Tarifregelung negativ betroffen sind und um welche Zahl von Teilzeitarbeitsverhältnissen weiblicher Angestellter es sich dabei im Unterschied zu männlichen Angestellten handelt. In der Revisionsinstanz hat die Kl. ihr Vorbringen hierzu nicht wiederholt.
7. Die von der Bekl. berechneten Urlaubstage hat die Kl. erhalten. Der Urlaubsanspruch für das Jahr 1995 ist damit durch Erfüllung erloschen. Das Urteil des LAG zu diesem Antrag ist daher aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des ArbG zurückzuweisen.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen