Kein Zahlungsanspruch gegen durch 0190-Dialer geschädigte Kunden I

Gericht

AG Fürth


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 08. 2002


Aktenzeichen

310 C 572/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein 0190-Service ist dafür beweispflichtig, dass er mit einem Internetsurfer einen Vertrag über entgeltliche Dienstleistungen abgeschlossen hat und insbesondere deutlich auf die Zahlungspflicht hingewiesen hat.

  2. Wenn es einem 0190-Service durch Vereinbarung mit Telefonnetzbetreibern gelungen ist, zunächst eine Kontobelastung des Surfers zu erreichen, folgt hieraus noch nicht, dass dem Service auch eine Forderung gegen den Surfer zusteht. Die Forderung muss vielmehr nachgewiesen werden.

  3. Der dem 0190-Service obliegende Beweis kann insbesondere durch Demonstration des damals verwendeten Einwahlprogramms erbracht werden.

  4. Das Beweisangebot, irgendein später verwendetes Einwahlprogramm zu demonstrieren, hilft nichts, weil es nichts zu dem aussagt, was zum streitigen Zeitpunkt geschehen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einwahlprogramme häufig gewechselt werden.

Tenor


Endurteil:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Zahlungspflicht in Höhe von 1300,62 DM (665,00 Euro) gegenüber der ... (Konto ...) freizustellen.

  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Kosten der Beweisaufnahme trägt die Beklagte, im übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagte kann zu 1. die Vollstreckung des Urteils abwenden, wenn sie Sicherheit von 665,00 Euro leistet, es sei denn, der Kläger leistet Sicherheit gleicher Höhe.

    Jede Partei kann die Vollstreckung des Urteils gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden.

  5. Die Berufung gegen dieses Urteil wird für den Kläger nicht zugelassen.

Tatbestand


Sachverhalt:

I.

Der Kläger behauptet, er habe bei Erhalt der Rechnung der ... vom 2.5.2000 feststellen müssen, daß er mit insgesamt 1553,89 DM, davon 1362,00 DM netto für 34 Verbindungen mit einer 0190-Nummer belastet worden sei.

Seine Ermittlungen hätten ergeben, daß die Mehrzahl dieser Verbindungen mit einer Nummer der Beklagten durchgeführt worden seien. Diese Beträge fordere er zurück, da er nicht darauf hingewiesen worden sei, daß der Kontakt mit der Beklagten über die Telephonkosten hinaus bezahlt werden müsse. Er habe ein Computerprogramm der Beklagten geladen und installiert gehabt, dessen Startseite keine Warnung enthalten habe. Dieses Programm habe ihm dann im Hintergrund die 0190-Nummern gewählt.

Die ... habe zwischenzeitlich ihre Rechnung bereits angemahnt, und drohe ihm, den Anschluß zu sperren.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die ... auf das Buchungskonto ... des Klägers, Kundennr.: ... DM 1.508,72 zu bezahlen u. hilfsweise wird auf Befreiung von Verbindlichkeiten geklagt.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie hält den Kläger nicht für aktivlegitimiert, Forderungen der ... zu erheben.

Die Klage sei auch hinsichtlich des geforderten Betrags unschlüssig. Alle 34 Verbindungen machten 1300,62 DM aus, nur Teilbeträge ihre Servicenummern, also nicht auch 0190-... oder 0190-...

Es träfe zu, dass sie unter der Adresse www. ... .de ein chat-System betrieben haben, in welches und nur in welches sich durch ein spezielles, zur Verfügung gestelltes Programm habe einwählen können. Die Installation dieses Programms sei kostenfrei gewesen. Bei der Konfiguration und vor dem Einwählen sei der Benutzer darauf hingewiesen worden, dass die Verwendung 2,42 DM/Minute koste. Der Kläger müsse so für das zahlen, was er gewählt habe.

Dem Feststellungsantrag fehle ein Feststellungsinteresse.

Zukunftsschäden seien nicht abzusehen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Durch Vernehmung der Zeugen ... wurde Beweis erhoben. Auf den Beweisbeschluss vom 13. Juni 2002 und das Protokoll vom 13. August 2002 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

II.

1. Das Amtsgericht Fürth ist nach § 32 ZPO zuständig.

2. Dem Feststellungsantrag fehlt es an einem Feststellungsbedürfnis. Die Angelegenheit ist mit der Aufklärung des Klägers über die Gebührenpflichtigkeit seiner "Chats" beendet. Es wird weder behauptet, dass sein Konto bei der über die genannten Beträge hinaus noch einmal belastet worden ist. Wird es in Zukunft belastet, dann wohl zu Recht.

3. Die Klage ist im übrigen zwar nicht im Hauptantrag, doch im Hilfsantrag, hier zum Teil begründet.

a. Dafür, dass sie mit dem Kläger einen Vertrag Über entgeltliche Dienstleistungen abgeschlossen hat, hier also, dass er hinreichend deutlich auf seine Zahlungspflicht hingewiesen worden war, ist die Beklagte beweispflichtig. Wenn es ihr durch Vereinbarungen mit der ... gelungen ist, zunächst eine Kontobelastung des Klägers zu erreichen, folgt hieraus noch nicht, dass ihr auf eine Forderung gegen den Kläger zusteht. Die Forderung ist vielmehr von dem nachzuweisen, der sich darauf beruft, hier die Beklagte, auch wenn die Parteirollen der im Ergebnis leugnenden Klage umgekehrt sind.

b. Den ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte nicht erbracht.

Dem Gericht ist weder das damals verwendete Einwahlprogramm demonstriert worden, wie wiederholt in der Verhandlung angeregt, noch konnte der vernommene Zeuge hinreichend Auskunft erteilen. Er hat zwar in genereller Weise sich zu einem Großteil der verwendeten Programme geäußert, konnte aber zu dem hier maßgeblichen nichts aussagen. Wenn er meinte, wohl alle verwendeten enthielten deutliche Hinweise auf die geforderten Gebühren, deckt sich dies nicht mit dem vom Kläger eingereichten Bildschirmausdrucken, vorallem nicht dem, mit dem zum "Live Dating" und zur "Bill by Call" aufgefordert wird, sich das Einwahlprogramm zu beschaffen. Das dort abgebildete Muster des nach Installation von ... .exe erscheinenden Fensters nennt die abzubuchenden Gebühren nicht, und enthält allenfalls für die einen versteckten Hinweis auf das Bezahlenmüssen, die sich auf Englisch unterreden wollen.

Dem Gericht entstand der Eindruck, daß das vom Kläger verwendete Programm nicht vorgezeigt werden sollte. Das Beweisangebot, irgendein jetzt verwendetes Einwahlprogramm hilft nichts, weil es zu dem nichts aussagt, was 2000 geschehen ist. Nach Bekundung des Zeugen sollten die Einwahlprogramme oft gewechselt haben.

c. Die Beklagte schuldet dem Kläger nicht Bargeld, das er beliebig verwenden könnte, sondern bei unbezahlter Telephonrechnung Befreiung von einer Verbindlichkeit.

d. Weiter ist der Kläger nur von der Verbindlichkeit zu befreien, die durch Anwahl der Nummern der Beklagten entstanden zu sein scheint, also mangels weiterer Erläuterungen des Klägers der Höhe nach hinsichtlich des Betrags, den die Beklagte vorträgt.

4. Kosten: §§ 96, 92 ZPO.

5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO

6. Die Berufung gegen dieses Urteil ist für den Kläger nicht zuzulassen, da Gründe nach § 511 IV Nr. 1 oder 2 ZPO weder sichtbar geworden sind noch auch nur von der Parteien behauptet werden. Die Sache ist nur für die an ihr Beteiligten, nicht auch für die Allgemeinheit von Belang. Klärungsbedürftige Rechtsfragen grundsätzlicher Art wurden nicht aufgeworfen. Ebensowenig geht es in irgendeinem entscheidungserheblichen Punkt darum, eine einheitliche Rechtsprechung zu erreichen.

Die Bedeutung der Sache erschöpft sich in der Aufklärung eines Einzelsachverhalts.

Die klagende Parteien ist mit einem Teil ihrer Hauptforderung unterlegen, weil zu deren Rechtfertigung zu wenig vorgetragen worden hat.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht