Teilzeitarbeit - Zustimmung des Arbeitgebers
Gericht
ArbG Essen
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 06. 2001
Aktenzeichen
5 Ca 1373/01
"Rationale, nachvollziehbare" Gründe können als betriebliche Gründe der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit regelmäßig entgegenstehen, wenn durch die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten für den Arbeitgeber entstehen.
wenn der Arbeitgeber den Nachweis erbringt, dass einer dem Berufsbild des Arbeitnehmers entsprechender Arbeitskraft der auf dem für ihn zur Verfügung stehende Arbeitsmarkt nicht zu finden ist, dann ist ausnahmsweise der Einwand, keine zusätzliche Arbeitskraft finden zu können, erheblich.
Die Parteien streiten um die Verringerung der Arbeitszeit der Kl. Die am 26. 5. 1962 geborene Kl. hat eine Lehre als Steuerfachgehilfin abgeschlossen. Sie ist seit dem 1. 8. 1990 bei der Bekl. - die mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt - gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 5038 DM als kaufmännische Mitarbeiterin in einer 40-Stunden-Woche beschäftigt. In einem Zwischenzeugnis vom 30. 4. 1997 wurde ihr von der Bekl. folgende Aufgabenwahrnehmung bescheinigt:
„... Ab dem 1. 5. 1994 wurde Frau H von ihrer Tätigkeit im Sekretariat freigestellt, um bei dem Projekt Qualitätssicherung/ISO 9001 mitzuarbeiten. Aus diesem Projekt entwickelte sich die Abteilung Qualitätswesen, in der Frau H als kaufmännische Mitarbeiterin für die Verwaltung im Bereich Qualitätswesen verantwortlich ist. In dieser Funktion übernimmt sie nachfolgend genannte Aufgaben:
Nach der Geburt ihres Kindes trat die Kl. einen bis zum 15. 5. 2001 währenden Erziehungsurlaub an. Mit einem der Bekl. am 13. 2. 2001 zugegangenen Schreiben vom gleichen Tage teilte die Kl. der Bekl. Folgendes mit:
„... Am 16. 5. 2001 möchte ich gerne meine Tätigkeit wieder aufnehmen. Allerdings möchte ich sie nicht als Vollzeitarbeitsplatz, sondern als Teilzeitarbeitsplatz, gemäß dem im Januar 2001 verabschiedeten 'Teilzeitgesetz', ausüben.
Die Teilzeit soll wie folgt ausgeführt werden:
Montag: vormittags 4 Stunden
Dienstag: vormittags 4 Stunden
Mittwoch: vormittags 4 Stunden
Über eine positive Bestätigung von Ihrer Seite würde ich mich sehr freuen. ...“
Mit Schreiben vom 1. 3. 2001 lehnte die Bekl. eine Verkürzung der Arbeitszeit ab.
Die Klage hatte Erfolg.
I. 1. Die Kl. hat richtigerweise eine Leistungsklage auf Abgabe der in § 8 IV 1 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) normierten Zustimmungserklärung erhoben (zur Klageart vgl. Rolfs, RdA 2001, 129 [unter II 4b ee]). Der Antrag ist hinreichend bestimmt, obwohl die Kl. den Zeitpunkt, an dem die Arbeitszeitänderung eintreten soll, im Klageantrag nicht genannt hat. Die Benennung des Zeitpunkts ist jedoch entbehrlich, da dieser im Vorhinein ohnehin kaum bestimmt werden kann (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20. 7. 2000 - 3 Sa 60/99 - unveröff.; Diller, NZA 2001, 589 [590 Fußn. 10]; Beckschulze, DB 2000, 2598 [2606]). Im Hinblick auf die Regelung des § 894 ZPO tritt die begehrte Vertragsänderung nämlich erst mit der nach § 894 ZPO fingierten Willenserklärung ein. Dieser Zeitpunkt hängt wiederum von der - bei Klageerhebung nicht zeitlich kalkulierbaren - Rechtskraft des Urteils ab.
2. Die Klage ist auch begründet. Die Kl. hat einen Anspruch auf Zustimmung der Bekl. zu der von ihr gewünschten Verringerung der Arbeitszeit von bislang wöchentlich 40 Stunden auf künftig wöchentlich 12 Stunden nach § 8 I, IV 1 TzBfG.
a) Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG liegen vor.
Das Arbeitsverhältnis besteht nach § 8 I TzBfG länger als sechs Monate. Die Bekl. beschäftigt mehr als 15 Arbeitnehmer i.S. des § 8 VII TzBfG. Die Kl. hat ihr Verlangen rechtzeitig, nämlich drei Monate vor dem von ihr gewünschten Beginn der Änderung, geltend gemacht.
b) Die Arbeitszeitänderung ist nicht bereits kraft der gesetzlichen Fiktion des § 8 V 2 TzBfG eingetreten, da die Bekl. ihrerseits rechtzeitig - spätestens einen Monat vor dem begehrten Änderungszeitpunkt - den Antrag der Kl. schriftlich abgelehnt hat.
c) Der Anspruch ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Kl. eine Verringerung der Arbeitszeit um immerhin mehr als 2/3 begehrt. Das Teilzeitbefristungsgesetz sieht keinerlei Beschränkungen des Umfangs der Arbeitszeitverringerung vor (vgl. BT-Dr. 14/4374, S. 16f.; Lindemann/Simon, BB 2001, 146 [147]; Hromadka, NJW 2001, 400 [402]).
d) Der begehrten Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Kl. stehen keine betrieblichen Gründe entgegen. Der Begriff der betrieblichen Gründe wird im Gesetz nicht definiert. Betriebliche Gründe liegen aber nach § 8 IV 2 TzBfG insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten für den Arbeitgeber verursachen. Hierbei handelt es sich - wie die Formulierung „insbesondere“ zum Ausdruck bringt - nur um Regelbeispiele (Kliemt, NZA 2001, 63 [65]). Die Regelbeispiele sind im Rahmen der systematischen Auslegung zu berücksichtigen hinsichtlich der Frage, welche sonstigen betrieblichen Gründe der Arbeitszeitverringerung entgegenstehen können. Hierbei ist auch der in der Gesetzesbegründung zu Tage tretende Wille des Gesetzgebers zu beachten (Kliemt, NZA 2001, 63 [65]): Es soll vermieden werden, unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber zu stellen. Es genügen „rationale, nachvollziehbare“ Gründe zur Ablehnung (vgl. BT-Dr. 14/4374, S. 17). Im Streitfall hat die Bekl. es versäumt, nachvollziehbare betriebliche Gründe im obigen Sinne darzulegen. Zunächst einmal ist nicht erkennbar, dass die Organisation des Betriebs bzw. der Arbeitsablauf eine Teilzeitarbeit ausschließen. Die im Zwischenzeugnis vom 30. 4. 1997 niedergelegten Aufgaben der Kl. lassen sich nach Auffassung der Kammer durchaus in Teilzeit ausüben. Dies gilt zunächst einmal für sämtliche aufgeführten Sekretariatsaufgaben, welche in anderen Betrieben ohnehin häufig in Teilzeitstellen wahrgenommen werden. Die Bekl. hat auch nichts dazu vorgetragen, warum die Bearbeitung des Schriftverkehrs, die Führung und Erstellung von Protokollen, die textliche Bearbeitung, Pflege und termingerechte Herausgabe von Updates der Qualitäts-Managementhandbücher oder die Vorbereitung und Durchführung von Akquisitions-Aktionen nicht in Teilzeit ausgeübt werden können. Problematisch könnte allenfalls die Organisation und Vorbereitung von Schulungen sein. Hierzu hat die Kl. jedoch unbestritten vorgetragen, dass sie nicht mit der - zeitintensiven und eine dauerhafte Anwesenheit eher erfordernden - Durchführung von Schulungen, sondern nur mit der Organisation und Vorbereitung betraut war. Die Sicherstellung geeigneter Räumlichkeiten, das Anschreiben der Teilnehmer und die Organisation der Verpflegung kann aber auch in Teilzeit ausgeübt werden. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Organisation und Vorbereitung von Schulungen angesichts von ca. 10 Schulungen im Jahr - so die unwidersprochen gebliebene Angabe der Kl. im Termin zur mündlichen Verhandlung - ohnehin nicht zu ihren Hauptaufgaben zählt. Zur Klarstellung ist auszuführen, dass es der Kl. nicht möglich sein dürfte, bei 12 Wochenstunden alle Tätigkeiten gleichzeitig zu übernehmen. Dies ist aber eine logische - und vom Gesetzgeber hingenommene - Konsequenz aus der Teilzeitarbeit, die nicht geeignet ist, der Änderung der Arbeitszeit als betriebliche Gründe entgegen gehalten zu werden.
Aus welchem Grund die Kl. für die Abteilungen ständig als Ansprechpartnerin zur Verfügung stehen soll, hat die Bekl. nicht nachvollziehbar dargelegt. Die ständige Teilnahme an Projekten gehört laut Zwischenzeugnis nicht zu ihren Aufgaben. Das Projekt Qualitätssicherung/ISO 9001, für welches die Kl. laut Zwischenzeugnis von ihrer Tätigkeit im Sekretariat freigestellt war, ist abgeschlossen. Soweit sich die Bekl. darauf beruft, generell könnten Organisatoren nicht in Teilzeit (unabhängig vom Umfang) beschäftigt werden, so kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahingestellt bleiben, da die Kl. ohnehin nicht dem von der Bekl. vorgegebenen Anforderungsprofil einer Organisatorin entspricht, sondern kaufmännische Mitarbeiterin ist. Weder im Arbeitsvertrag noch im Zwischenzeugnis wird die Kl. als Organisatorin bezeichnet. Die Kl. hat auch kein - in den Stellenausschreibungen für Organisatoren vorausgesetztes - abgeschlossenes Studium oder eine vergleichbare Qualifikation (eine kaufmännische Lehre ist sicherlich nicht mit einem Studium vergleichbar).
Weiterhin kann sich die Bekl. nicht darauf berufen, sie finde keine geeignete Ersatzkraft für die Kl. Bereits der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 14/4374, S. 17) ist zu entnehmen, dass der Einwand, keine zusätzliche Arbeitskraft finden zu können, nur beachtlich ist, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass eine dem Berufsbild des Arbeitnehmers entsprechende Arbeitskraft auf dem für ihn maßgeblichen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht (vgl. Kliemt, NZA 2001, 63 [65]; vgl. Reinecke, in: Küttner, Personalbuch 2001, Teilzeitbeschäftigung Rdnr. 25). Die Bekl. hat nicht in ausreichendem Maße vorgetragen, sich überhaupt um eine Ersatzkraft bemüht zu haben. Die Stellenausschreibungen für „Organisatoren“ entsprechen bereits aus den oben dargelegten Gründen nicht den Qualifikationen der Kl. Da die Bekl. die Anfrage an das Arbeitsamt nicht vorgelegt hat, ist davon auszugehen, dass sie bei dieser Ausschreibung ähnliche Anforderungen gestellt hat. Zudem fehlt in den Stellenausschreibungen die nach § 7 I TzBfG erforderliche Ausschreibung als Teilzeitarbeitsplatz. Selbst wenn sich kein Bewerber für eine Vollzeitstelle gefunden hat, kann nicht unterstellt werden, dass auch keine Teilzeit-Ersatzkraft auffindbar ist. Unerheblich ist schließlich, ob die von der Kl. gewünschte Arbeitszeitverteilung betrieblich durchführbar ist. Hierbei handelt es sich nur um Wünsche der Kl., die weder zur Bedingung einer Arbeitszeitverkürzung noch zu einem Bestandteil der Klage gemacht worden sind. Es mag daher gegebenenfalls eine anderweitige Arbeitszeitverteilung gefunden werden.
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