Sozialhilfe bei eheähnlicher Gemeinschaft

Gericht

VGH Kassel


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

27. 03. 1992


Aktenzeichen

9 TG 1112/89


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft i. S. des § 122 BSHG vorliegt, kommt entgegenstehenden Erklärungen der Partner, die wissen, worauf es ankommt, regelmäßig keine durchgreifende Bedeutung zu.

  2. Sind die Erklärungen der Partner wenig glaubhaft, dann sind auch die von ihnen zum Nachweis ihrer Ansprüche und zur Bekräftigung ihrer Erklärungen geschaffenen äußeren Umstände in der Regel nicht geeignet, das Nichtbestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu belegen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ag. verweigerte der Ast. gegenüber die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Daraufhin beantragte die Ast. den Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Das VG gab dem Antrag statt. Die Beschwerde der Ag. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Die Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluß ist, soweit er dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entsprochen hat, aufzuheben und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung insgesamt abzulehnen, denn die Ast. hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 I 2, III VwGO i. V. mit § 920 II ZPO).

Sie hat nicht glaubhaft gemacht, daß ihr ohne Berücksichtigung des Einkommens und des Vermögens des Herrn S Hilfe zum Lebensunterhalt zustand.

Nach § 11 I 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann, wobei gem. § 11 I 2 BSHG bei - nicht getrennt lebenden - Ehegatten das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen sind. Ihnen gleichgestellt sind gem. § 122 S. 1 BSHG Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt regelmäßig dann vor, wenn eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Während der Sozialhilfeträger das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft nachweisen muß, wenn er sich hierauf beruft, muß der Hilfesuchende seine Mittellosigkeit und diejenige seines Ehegatten oder Parners, mit dem er in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebt, nachweisen. Die Beweislast der Behörde für das Vorliegen der Voraussetzung des § 122 BSHG zwingt allerdings nicht dazu, nur dann von dem Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen, wenn dies von den Betroffenen zugestanden wird; vielmehr beurteilt sich diese Frage nach allen äußeren, objektiv erkennbaren Umständen. Entgegenstehenden Erklärungen der Partner kommt in der Regel keine durchgreifende Bedeutung zu. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Erklärungen von Beteiligten, die mehr und mehr erfahren haben, worauf es ankommt, um die Voraussetzungen für eine eheähnliche Gemeinschaft auszuschließen, immer weniger glaubhaft werden, zumal wenn sie sich über die entscheidungserheblichen Fragen rechtskundig gemacht haben (Senatsbeschl. v. 3. 2. 1992 - 9 TG 2874/87, unter Hinweis auf OVG Berlin, ZfSH/SGB 1982, 318). Ebenso wie unter den vorgenannten Voraussetzungen die Erklärungen der Partner wenig glaubhaft sind, sind die von ihnen zum Nachweis ihrer Ansprüche und zur Bekräftigung ihrer Erklärungen geschaffenen äußeren Umstände in der Regel nicht geeignet, das Nichtbestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu belegen. Vielmehr spricht die Lebenserfahrung dafür, daß derjenige, der den Ausschluß bzw. die Verringerung von Sozialhilfeleistungen aufgrund des § 122 BSHG verhindern will, die nach außen erkennbaren Umtände mit seinen Erklärungen in Einklang zu bringen sucht. Alle Anzeichen sprechen im vorliegenden Falle dafür, daß dies hier so ist.

Rechtsgebiete

Sozialrecht