Internetauftritt einer ausländischen Firma

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

10. 07. 2002


Aktenzeichen

6 U 9/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Für die Annahme der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund des deliktischen Gerichtsstandes gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 53 Abs. 1 EuGVÜ genügt es, dass rechtsverletzende Informationen in Deutschland über das Internet abrufbar sind.

  2. Nicht notwendig ist, dass die Informationen für die Versorgung des deutschen Marktes bestimmt waren.

  3. Zwischen elektronischen Geräten und Fachmessen, auf denen elektronische Geräte ausgestellt werden, besteht Branchennähe, weil der Verkehr aufgrund sachlicher Berührungspunkte von wirtschaftlichen Zusammenhängen ausgeht.

  4. Für die Benutzungsaufnahme eines Geschäftszeichens im Inland genügt es, dass in Deutschland Kunden für die im Ausland erbrachten Dienstleistungen akquiriert werden. Nicht notwendig ist die wenigstens teilweise Verlagerung des Gewerbebetriebes ins Inland.

  5. Aufgrund deutscher Kennzeichenrechte kann ein Internetauftritt nur dann untersagt werden, wenn er einen über die bloße Abrufbarkeit von Informationen hinausgehenden Inlandsbezug aufweist. Die Anforderungen an die Art und Intensität des Inlandsbezuges werden aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen getroffen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft einen Konflikt wegen Kennzeichnungsbenutzung durch einen ausländischen Nutzer im Internet, in deutschen Printmedien und auf Fachmessen in Deutschland.

Die Klägerin, eine US-amerikanische Unternehmensgesellschaft, ist eine weltbekannte Herstellerin von Mikroprozessoren für Computer. Sie hat sich in Deutschland die Bezeichnung „INTEL” durch Eintragung mehrerer Marken schützen lassen. Das älteste der Schutzrechte mit Priorität vom 21.6.1971 (Warenzeichen Nr. 936076) beansprucht Schutz für „elektronische Industrieerzeugnisse, nämlich digitale integrierte Schaltkreise, Register und Halbleiterspeicher, sämtlich für digitale Rechenmaschinen, Computer sowie deren Eingabe- und Ausgabeeinheiten”. Die Bezeichnung „Intel” genießt heute weltweit erhebliche Bekanntheit. Die wirtschaftlichen Belange der Klägerin in Deutschland werden von ihrer deutschen Tochtergesellschaft „Intel GmbH”, vormals „INTEL Semiconductor Gesellschaft mit beschränkter Haftung”, mit Sitz in München, im Handelsregister eingetragen im Jahre 1974, wahrgenommen.

Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung des italienischen Rechts mit Sitz in Mailand, ist die rechtlich verselbstständigte Organisation des italienischen Verbandes der elektronischen und elektrotechnischen Industrie (ANIE), dem etwa 900 Unternehmen angehören. Sie veranstaltet die im Turnus von 2 Jahren in Mailand stattfindenden internationalen Messen „Intel” für die Bereiche Elektrotechnik, Elektronik und Lichttechnik sowie „SICUREZZA”, die sich mit dem Thema „Sicherheitstechnik” befasst. Die Beklagte, die nunmehr mit „INTEL S.r.l.” firmiert, ging am 22.3.2001 im Wege der Umwandlung aus der „Associazione INTEL” hervor, die im Jahre 1978 den Geschäftsbetrieb von der 1973 gegründeten Firma „INTEL Internazionale Elettrotecnica S.p.A.” übernommen hatte. Letztere hatte die Messe „INTEL” seit dem Jahre 1975 betrieben.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und diese selbst bewarben die Fachmessen durch Anzeigen u.a. auch in Fachzeitschriften in Deutschland seit dem Jahre 1978. Darüber hinaus warb die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte nach ihrem Vortrag seit 1981 auf verschiedenen Messen in Deutschland um Kunden (Messeveranstalter und Messebesucher) sowie durch Werberundschreiben an Mitglieder der Fachkreise für ihre Messeveranstaltungen in Mailand. Umfang und Ausmaß der Aktivitäten der Beklagten sind zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Die Beklagte stellt die Messe „Intel” auch unter den Internet-Domains www.intelfiere.com und „www.intelshow.com” im Internet in englischer und italienischer Sprache vor. Unter dem Titel „Intel NEWS” bietet sie Messe-Information zum Herunterladen an und weist auf einen 1999 angeführten Preis für ausgestellte Produkte mit dem Titel „Innovation Technology Design Premio Intel Design” hin, der auch als „Intel Design Award” bezeichnet wird. ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Zulässigkeit der Klage

Mit Recht rügt die Berufung jedoch, dass das LG seine internationale Zuständigkeit nicht in vollem Umfang angenommen hat.

Im Ausgangspunkt zutreffend zieht das LG zur Begründung der hier allein in Betracht kommenden internationalen Tatortzuständigkeit den deliktischen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 53 Abs. 1 EuGVÜ heran. Die zuständigkeitsbegründenden Benutzungshandlungen der Beklagten erfolgen im Geltungsbereich der Klageschutzrechte. Der inländische Erfolgsort besteht dabei insb. auch hinsichtlich des von der Klägerin in erster Linie gerügten Internetauftritts der Beklagten. Insoweit genügt, dass die nach Behauptung der Klägerin rechtsverletzenden Informationen unter den ebenfalls angegriffenen Domains auch in Deutschland abrufbar sind. Weiter Voraussetzungen für die Begründung der internationalen Tatortzuständigkeit für Kennzeichenkonflikte im Internet sind nicht aufzustellen. Insbesondere kann der Erfolgsort kennzeichnungsverletzender Wiedergaben im Internet nicht – einschränkend – davon abhängig gemacht werden, ob die Informationen gezielt, d.h. „bestimmungsgemäß” auch auf den deutschen Markt ausgerichtet sind. Darauf kommt es für den zuständigkeitsbegründenden inländischen Verbreitungs- bzw. Begehungsort nicht an (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 140 Rz. 48). Der Erfolgsort von Kennzeichennutzungen im Internet koinzidiert daher mit dem Ort, an dem dieses Medium abgerufen werden kann. Ohnehin wendet sich im Streitfall die Beklagte unter den angegriffenen Domains auch an das deutsche Fachpublikum sowie an deutsche Aussteller.

Die internationale Tatortzuständigkeit kann auch nicht, wie es das LG vornimmt, von einem hinreichenden Inlandsbezug abhängig gemacht und mit dem Hinweis beschränkt werden, es fehle an einem – über den Werbeauftritt hinausgehenden – Handeln der Beklagten im Inland, so dass die Zeichenbenutzung nicht generell verboten werden könne. Der damit angestrebte Ausgleich der kollidierenden Interessen von Inhabern und Nutzern des streitigen Kennzeichens erfolgt aber zeckmäßigerweise auf der Ebene des materiellen Verletzungsrechts.

Im Übrigen fehlt es im Streitfall nicht an einer inländischen Betätigung der Beklagten unter dem Kollisionszeichen. Die Beklagte hat vorgetragen, für die Intel-Messe: Mailand seit über 25 Jahren in deutschen Fachzeitschriften Anzeigen zu schalten und durch Direktmailings an interessierte Fachkreise sowie seit 1981 auf deutschen Fachmessen mit Prospektmaterial zu werben.

Auch diese Benutzungshandlungen greift die Klägerin mit der vorliegenden Klage an.

B. Begründetheit der Klage

Der Klägerin steht ein Verbietungsrecht und damit ein korrespondierender Ersatzanspruch nicht zu, soweit die Beklagte das Kollisionszeichen außerhalb des Mediums Internet im Inland benutzt. Soweit der Zeichengebrauch in jüngster Zeit verstärkt im Internet erfolgt, bieten die inländischen Klageschutzrechte im Streitfall ebenfalls keine Verbots- bzw. Haftungsgrundlage.

Dabei richtet sich die rechtliche Beurteilung der grenzüberschreitenden Nutzungshandlungen, wovon das LG zutreffend (aber unausgesprochen) ausgegangen ist, jeweils nach dem deutschen Kennzeichenrecht (Schutzlandprinzip).

I. Zeichengebrauch außerhalb des Internet

In diesem Konfliktbereich stehen der Klägerin die geltend gemachten Abwehrrechte gegen die Verwendung des Kollisionszeichens im inländischen geschäftlichen Verkehr durch die Beklagte weder unter dem Gesichtspunkt des Verwechslungsschutzes MarkenG (MarkenG §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5, 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4) noch unter dem des Bekanntheitsschutzes (MarkenG §§ 14 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5, sowie § 15 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4) zu.

1. Verwechslungsschutz

Obwohl die zugunsten der Klägerin geschützten Kennzeichen mit dem von der Beklagten gebrauchten Unternehmenskennzeichen verwechslungsfähig sind und ihnen der bessere Zeitrang zusteht, genießt das angegriffene Zeichen Bestandsschutz nach allgemeinen Rechtsregeln (Verwirkung).

a) Schutzgegenstand ist neben den eingetragenen Intel-Marken (Klagemarken) auch das Unternehmenskennzeichen „Intel”. Diese Bezeichnung genießt Inlandsschutz nach Art. 2 PVÜ i.V.m. MarkenG §§ 5, 15. Zwar hat die Klägerin, die im Inland keine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet, dieses Zeichen nicht durch eigene Benutzungaufnahme im Inland erworben. Insoweit genügt aber die Ingebrauchnahme des Kennzeichens durch das inländische Tochterunternehmen der Klägerin, weil der angesprochene Verkehr die Namensführung jedenfalls auch der US-amerikanischen Muttergesellschaft zurechnet (vgl. OLG Karlsruhe v. 12.12.1992 – 6 U 190/90, GRUR 1992, 460 [461] – Mc Chinese, weitere Rechtsprechungsnachweise bei Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 5 Rz. 34). Dem geschützten Zeichen kommt wegen seines besonders hohen Bekanntheitsgrades im Verkehr besonders starke Kennzeichnungskraft zu.

Die entgegenstehenden Zeichen der Beklagten „Intel s.r.l.” und „INTEL” sind identisch bzw. (wegen des Rechtsformzusatzes) nahezu identisch. Das begründet bei gegebener gestärkter Unterscheidungskraft der geschützten Unternehmenskennzeichnung im Hinblick auf die bestehende Branchennähe und unter Berücksichtigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Verwechslungsfaktoren für einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Verwechslungsgefahr, was der Senat aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung selbst feststellen kann.

Für das im Rahmen der Verwechslungsgefahr zu prüfende Merkmal der Branchennähe genügte es von jeher (vgl. § 16 UWG a.F.), wenn sich die Geschäftsbereiche so nahe kommen, dass die Gefahr der Verwechslung (im engeren oder im weiteren Sinne) besteht, wobei eine definitive Grenze nicht bestimmt werden kann, weil zum einen je nach Kennzeichnungskraft der Schutzumfang unterschiedlich ist und weil zum anderen auch zwischen dem Grad der Annäherung der Kollisionszeichen und dem Abstand der Geschäftsbereiche in der Weise eine Wechselwirkung besteht, dass die Verwechslungsgefahr bei verwandten Waren oder Dienstleistungen eher zu bejahen ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 15 Rz. 43; GK/Teplitzky, § 16 Rz. 361).

Im Streitfall bestehen sachliche Berührungspunkte der Geschäftsbereiche, so dass der Verkehr zumindest zur Annahme geschäftlicher Zusammenhänge (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne) kommen kann. Es sind hierbei nicht etwa nur Überschneidungen der geschäftlichen Betätigung zu berücksichtigen, vielmehr kommt es im Rahmen einer Gesamtschau auf die für die Bildung der Verkehrsauffassung über Unternehmenszusammenhänge unterschiedlichen Umstände an, die sachliche Berührungspunkte begründen. Maßgeblich ist daher nicht, ob elektronische Geräte einerseits und das Betreiben von Messen, auf denen elektronische Geräte ausgestellt werden, als ähnlich zu beurteilen sind. Branchennähe setzt insb. nicht Gleichartigkeit voraus (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 15 Rz. 52). Im Hinblick auf diese Grundsätze fällt im Streitfall wegen der auch für Fachkreise nicht fern liegenden Möglichkeit einer Unternehmensverbindung die angegriffene Bezeichnung in den Schutzbereichs des Klagezeichens.

Ob Verwechslungsgefahr auch zwischen den Klagemarken und dem angegriffenen Zeichen der Beklagten bestand (und besteht), ist unter der Geltung des Warenzeichengesetzes weniger eindeutig zu beantworten (BGH v. 23.2.1989 – I ZB 11/87, MDR 1989, 608 = CR 1989, 497 = GRUR 1989, 347 [348] – MICROTONIC). Diese Frage kann jedoch schon deshalb unentschieden bleiben, weil die Klage aus anderen Gründen keinen Erfolg hat (vgl. unten cc).

b) Der Verletzungstatbestand ist – jedenfalls im Hinblick auf die kollidierenden Unternehmenskennzeichen – erfüllt, weil die Klägerin, wie nunmehr nach ihren im Berufungsverfahren ergänzten Sachvortrag festgestellt werden kann, hinsichtlich aller Schutzrechte über die bessere kennzeichenrechtliche Position verfügt.

aa) Die Vorrangfrage spielt hier allerdings nur eine Rolle, wenn sich der Verletzer auf relevante eigene Kennzeichenrechte – oder was hier nicht in Betracht kommt – auf Rechte Dritter stützen kann (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14 Rz. 19 und § 15 Rz. 11). Insoweit ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte an der von ihr benutzten Bezeichnung ein eigenes Ausschließlichkeitsrecht im Inland erworben hat.

Ebenso wie die Klägerin als ausländische Unternehmensträgerin kann auch die Beklagte Inhaberin inländischer geschäftlicher Bezeichnungen sein.

(1) Schutz im Inland besteht für den ausländischen Rechtsinhaber aber nur unter den gleichen Voraussetzungen wie für inländische Inhaber, also – abgesehen von dem Fall der notorischen Bekanntheit (vgl. § 4 Nr. 3 MarkenG; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 5 Rz. 34 a.E.) – durch Aufnahme der Benutzung eines unterscheidungskräftigen Geschäftszeichens im Inland, wenn eine Ingebrauchnahme vorliegt, die auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung im Inland schließen lässt (BGH WP 1997, 1081 [1083] – GARONOR; v. 28.9.1979 – I ZR 146/77, BGHZ 75, 172 [176] = MDR 1980, 201 = GRUR 1980, 114 [115 f.] – Concordia). Das hat das LG in dem angefochtenen Urteil angenommen. Entgegen der Ansicht der Berufung spricht i.E. Vieles für die Auffassung des LG.

Allerdings hat die Rechtsprechung bisher im Ausgangspunkt den Inlandsschutz einer kennzeichnungskräftigen ausländischen Firma an den nahe bevorstehenden Beginn einer Ausdehnung der im Ausland bereits bestehenden wirtschaftlichen Tätigkeit auf das Inland geknüpft (BGH v. 28.9.1979 – I ZR 146/77 = BGHZ 75, 172 [176] = MDR 1980, 201 m.w.N.). Dafür ist indessen nicht, wie offenbar die Berufung meint, Voraussetzung, dass der ausländische Rechtsinhaber seinen Gewerbebetrieb zumindest teilweise ins Inland verlegt. Es genügt für die Rechtsbegründung im Inland eine eigene wirtschaftliche Betätigung, die dem – so gekennzeichneten – ausländischen Unternehmen Kunden zuführt. Denn auch in einem solchen Falle der Kundenakquisition für die im Ausland erbrachten Dienstleistungen unter der ausländischen Firmenbezeichnung im Inland wird diese im inländischen Geschäftsverkehr benutzt (BGH v. 28.9.1979 – I ZR 146/77 = BGHZ 75, 172 [176] m.w.N. = MDR 1980, 201 zu Wareneinkäufen eines ausländischen Unternehmens im Inland). Für den Erwerb des Inlandsschutzes kann es hiernach nur noch darum gehen, ob die tatsächlich ausgeübte Geschäftstätigkeit sich als eine auf Dauer angelegte Aktivität mit Publizitätswirkung erweist. Dies findet seinen Grund in den Belangen von Inhabern kollidierender Rechte, die von der inländischen Geschäftstätigkeit ausländischer Unternehmen andernfalls nicht ohne weiteres Kenntnis erlangen und daher gefährdet werden könnten.

(2) An diesen Voraussetzungen für das Entstehen des Inlandsschutzes der Firmenbezeichnung zugunsten der Beklagten fehlt es im Streitfall nicht. Allerdings wäre zur Rechtfertigung solcher Rechtsfolgen nicht hinreichend die bloße Schaltung von Werbeanzeigen in inländischen (Fach)Zeitschriften. Ein Kennzeichnungsschutz für die Beklagte entstand aber durch eigene Werbetätigkeit für die von ihr veranstalteten Fachmessen in Mailand, und zwar in Form von Direktmailings und eigenen Messeauftritten in Deutschland. Dabei hat sie im Inland unter ihrer Geschäftsbezeichnung Verträge mit deutschen Unternehmen über Messeteilnahmen und die Anmietung von Messeständen in Mailand entweder abgeschlossen oder doch angebahnt. Die mit den Akquisitionsbemühungen im Inland verbundenen Aktivitäten der Beklagten müssen daher nach dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Publizitätswirkung genügen, einen nationalen Zeichenschutz zu begründen. Nach alledem liegt ein Handeln der Beklagten im inländischen geschäftlichen Verkehr zur Förderung ihres Geschäftszwecks vor, auch wenn dieser auf den Ausstellungsort in Mailand bezogen und auch nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht gerichtet ist (vgl. zum letzteren Gesichtspunkt BGH v. 10.2.1987 – KZR 43/85, MDR 1987, 643 = GRUR 1987, 438 [440] – Handtuchspender).

Die Beklagte beruft sich daher zu Recht auf ein eigenes Ausschließlichkeitsrecht an ihrer Firma.

bb) Das verhilft ihrer Rechtsverteidigung freilich noch nicht zum Erfolg, weil der Klägerin nach ihrem Vorbringen – ungeachtet der weiteren von der Berufung aufgeworfenen Frage der zeitlichen Kontinuität der Nutzung des angegriffenen Zeichens – jedenfalls die bessere Rechtsposition zusteht. Ihre Kennzeichenrechte genießen Priorität. Das gilt zunächst für die Klagemarke 1 (Prioritätszeitpunkt 21.6.1971), i.Ü. aber auch für die Firmenbezeichnung. Denn die Klägerin hat nunmehr durch Vorlage des vollständigen Registerauszuges nachgewiesen, dass ihr deutsches Tochterunternehmen unter ihrem Handelsnamen „INTEL Semiconductor GmbH”, bereits am 28.6.1974 in das Handelsregister eingetragen worden war. Nach den vorgelegten Presseberichten aus dem Wirtschaftsteil deutscher Zeitungen in der fraglichen Zeit ergibt sich, dass diese Gesellschaft unmittelbar im Anschluss an die Eintragung ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben muss.

Der von der Beklagten geltend gemachte Inlandsschutz setzt demgegenüber frühestens im Jahre 1975 ein.

cc) Trotz des hiernach vorliegenden Verletzungstatbestandes steht der Durchsetzung der von der Klägerin verfolgten kennzeichenrechtlichen Unterlassungsansprüche – jenseits und ungeachtet der Geltendmachungsschranke des § 153 Abs. 1 MarkenG – der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Wege (§ 242 BGB).

Der Bestandsschutz für die angegriffene Firma folgt jedoch nicht bereits aus § 21 Abs. 2 MarkenG. Die Beklagte hat die hiernach vorausgesetzte positive Kenntnis der Klägerin nicht dargetan. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch aus den allgemeinen Verwirkungsgründen, die neben dem markenrechtlichen Verwirkungsschutz eingreifen, § 21 Abs. 4 MarkenG (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rz. 16 a.E.).

Der Eintritt der Verwirkung nach allgemeinen Regeln erfordert zunächst eine länger anhaltende Duldung durch den Anspruchsberechtigten und entsprechend die Schaffung eines schutzwürdigen Besitzstandes auf Seiten des Verletzers. Im Hinblick auf die jahrzehntelange ungestörte Benutzung des Kollisionszeichens kann im Streitfall bereits auf einen solchen Besitzstand geschlossen werden. Der relevante Zeitraum wird im Streitfall nicht etwa dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte, wie die Klägerin geltend macht, während des Zeitraums von 1989–1995 Werbeanzeigen in deutschen Zeitschriften nicht vorgenommen habe. Das trifft nach dem Berufungsvorbringen der Beklagten ohnehin nicht zu (Anlagenkonvolut B 2). Im Übrigen ändert dieser Einwand nichts am Vorliegen des Zeitumstandes für die allgemeine Verwirkung. Denn ebenso wie die bloße Anzeigentätigkeit im Inland für die Entstehung inländischen Kennzeichenschutzes für einen ausländischen Inhaber ohne Bedeutung ist (vgl. oben 1 b aa) [2]), kommt es für die Frage, ob der inländische Bezeichnungsschutz durch Benutzungsaufgabe (wieder) verloren ging, auf etwaige Anzeigen der Beklagten in deutschen Printmedien an. Im Übrigen ist aber zwischen den Parteien nicht eigentlich streitig, dass im fraglichen Zeitraum die Beklagte durch eigene Messeauftritte und Werbeaktionen deutsche Kunden warb und seinerzeit tatsächlich aufgrund der Werbemaßnahmen eine nicht unerhebliche Anzahl von deutschen Ausstellern und Besuchern die Messen der Beklagten in Mailand aufgesucht hat. Dennoch hat die Klägerin in all diesen Jahren bis zur Erhebung der vorliegenden Klage im Jahre 2000 an der wirtschaftlichen Betätigung und dem hierbei verwendeten Geschäftszeichen der Beklagten keinen Anstoß genommen. Dabei hätte die Klägerin den Gebrauch des Kennzeichens durch die Beklagte ohne weiteres feststellen können und müssen; positive Kenntnis ist – anders als bei § 21 MarkenG – hier nicht erforderlich (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rz. 22 m.w.N.). Aufgrund der jahrzehntelangen Koexistenz der Kennzeichen durfte die Beklagte davon ausgehen, die Klägerin werde ihr den Gebrauch der identischen Unternehmenskennzeichen nicht streitig machen. Es ist daher von einem berechtigten Vertrauen der Beklagten auszugehen, dass die Klägerin sie im Rahmen der eingeführten Benutzungshandlungen auch künftig nicht wegen Rechtsverletzung in Anspruch nehmen werde. Weiter ist hier auch davon auszugehen, dass die Beklagte bei Aufnahme der Benutzung des Zeichens im Inland gutgläubig war. Im Übrigen würde Verwirkung selbst dann eintreten, wenn dem Verletzer bekannt gewesen wäre, dass er in ein fremdes Zeichenrecht eingreift (BGH v. 2.2.1989 – I ZR 183/86, MDR 1989, 794 = GRUR 1989, 449 [453] – Maritim; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rz. 24).

Letztes Tatbestandsmerkmal für den allgemeinen Verwirkungseinwand bezüglich Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rz. 25) ist das Vorliegen eines wertvollen Besitzstandes, weil dem Verletzer die künftige Fortsetzung der Verletzungshandlung nur gestattet sein soll, wenn er durch Wegfall einer solchen Position einen erheblichen Schaden erleiden würde. Auch diese Voraussetzung liegt hier vor, nachdem die internationale Messe der Beklagten schon seit über 25 Jahren unter der angegriffenen Geschäftsbezeichnung in den einschlägigen Fachkreisen bekannt ist und in vielen Ländern unter dieser Bezeichnung beworben wird.

2. Bekanntheitsschutz

Soweit die Abwehrklage auf die Verletzungstatbestände des § 14 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG geschützt ist, scheitert sie, wie das LG zutreffend ausführt, an dem prioritätsälteren Recht der Beklagten am Unternehmenskennzeichen. Der maßgebliche erste Kollisionszeitpunkt ist nach den eigenen Ausführungen der Klägerin nicht vor Mitte der 90-er Jahre anzusetzen. Das Benutzungsrecht der Beklagten durch Gebrauchsaufnahme ist, selbst wenn man von einer Unterbrechung der Zeitschriftenwerbung in Deutschland in den Jahren 1990–1994 ausgehen wollte, nicht erloschen. Eine etwaige Einstellung solcher Werbemaßnahmen im Inland führt nicht dazu, dass der einmal erworbene Kennzeichenschutz wieder verloren geht (vgl. schon oben 1 b cc). Im Übrigen kann von einem zeitweiligen Erlöschen durch Nichtgebrauch des Kennzeichens in den Jahren nach 1989 nicht ausgegangen werden, wie der Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug zeigt. Hiernach ist eine ununterbrochene Bewerbung der italienischen Messe durch die Beklagte in Deutschland zugrunde zu legen.

Insoweit kann sich die Beklagte ggü. dem Abwehranspruch gegen Ausnutzung und Beeinträchtigung der bekannten Klagekennzeichen auf ihr prioritätsälteres Recht am Unternehmenskennzeichen berufen.

Im Ergebnis steht der Klägerin nach alledem ein Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, mit dem sie den außerhalb des Internets erfolgenden Werbeauftritt der Beklagten im Inland unter dem angegriffenen Zeichen unterbinden könnte, so dass es insoweit bei der vom LG im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Klageabweisung verbleibt.

II. Online-Werbung

1. Soweit die Klägerin den Internetauftritt der Beklagten unter dem Kollisionszeichen bekämpft, scheitert die Klage (…) nicht schon unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung der Unterlassungsansprüche, soweit Benutzungshandlungen vorliegen, welche die bisherige Zeichennutzung qualitativ und quantitativ übersteigen und daher nicht mehr an dem mit dem Verwirkungseinwand erreichten Bestandsschutz teilnehmen. Auch wenn die Klägerin die Benutzung als Unternehmenskennzeichen im Inland nicht mehr unterbinden kann, unterliegen Ausdehnung und inhaltliche Änderung des Zeichengebrauchs dem Verbietungsrecht des Rechtsinhabers. Der Nutzer hat nämlich kein Recht zur Ausdehnung über den erreichten Status quo hinaus (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rz. 28). Er kann insb. nicht darauf vertrauen, dass der Verletzte die Ausweitung des Gebrauchs in seinen Websites zur Benennung neu eingerichteter Messeprämierungen und Internet-Domains ebenso dulden werde wie die vorausgegangenen Werbemaßnahmen außerhalb dieses Mediums.

2. Auf den Verwirkungseinwand ist die Beklagte insoweit jedoch nicht angewiesen. Denn die subjektiven Kennzeichenrechte der Klägerin sind, was die Benutzung des Zeichens im Internet angeht, in ihrer Reichweite beschränkt. Das führt im Streitfall dazu, dass der Klägerin ein Verbietungsrecht nicht zusteht.

a) Die Anwendung der allgemeinen kennzeichenrechtlichen Kollisionsregeln auf Kennzeichenkonflikte im Internet muss wegen der nicht hinnehmbaren Rechtsfolgen zu einer Einschränkung der Ausschließlichkeitswirkung des inländischen Schutzrechts führen. Denn das auf seiner Grundlage ausgesprochene Verbot der Verwendung der angegriffenen Bezeichnung im Internet würde sich faktisch auch außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des geschützten Rechtes auswirken, weil der ausländische Rechtsinhaber, den das Verbot der Internetbenutzung des Kollisionszeichens im Internet träfe, an der Verwendung des Zeichens im Internet insgesamt gehindert wäre, also die Beklagte etwa in Italien oder in anderen europäischen Ländern, ohne Rücksicht darauf, ob die Klägerin dort ebenfalls über eine (bessere) kennzeichenmäßige Rechtsposition (als die Beklagte) verfügt.

Im Schrifttum wird vorgeschlagen, diesen Widerstreit der Interessen des inländischen Schutzrechtsinhabers an der Beobachtung des territorialen Schutzbereichs und des ausländischen Zeichennutzers an der Benutzung des grenzüberschreitenden Mediums durch normative Einschränkung des Kennzeichenrechts zu lösen. Eine Verletzungshandlung im Inland soll in solchen Fällen nur gegeben sein, wenn die Internet-Information einen über die bloße Abrufbarkeit im Inland hinausreichenden Inlandsbezug aufweist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14 Rz. 31; Kur in Löwenheim/Koch [Hrsg], Praxis des Online- Rechts, 1998, S. 325; Bettinger/Thum, GRUR – Int. 1999, 659 [672 ff.).

Dabei sollen die Anforderungen an die Art und Intensität dieses Inlandsbezugs auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Betroffenen bestimmt werden (Ingerl/Rohnke,MarkenG, Rz. 30 f. unter Hinweis auf LG Mannheim, GRUR – Int. 1968, 236 – Tannenzeichen; dezidiert für Interessenabwägung Bettinger/Thum, GRUR – Int. 1999, 659 [673 ff.]). Dabei muss das (territoriale) Schutzbedürfnis des Kennzeicheninhabers mit den Folgen eines Unterlassungsgebotes für den grenzüberschreitend tätigen ausländischen Unternehmer abgewogen werden (vgl. zum Kennzeichenschutz bei territorial beschränktem Geltungsbereich BGH v. 11.10.1990 – I ZR 8/89, MDR 1991, 409 = GRUR 1991, 155 – Rialto).

b) Diese Grundsätze führen im Streitfall zu einer Ausnahme vom Ausschließlichkeitsrecht der Klägerin. Dafür sind folgende Umstände maßgeblich: Die Beklagte betreibt in Mailand internationale Messen, deren Existenz von der Teilnahme eines entsprechenden Messepublikums (Aussteller und Besucher) aus dem Ausland abhängt. Nach der Ausrichtung ihrer Ausstellungstätigkeit ist die Beklagte dringend darauf angewiesen, auf ihre Veranstaltungen jedenfalls im europäischen Raum hinzuweisen und Kundenwerbung zu betreiben. Dabei kann sie auf eine andere Bezeichnung der von ihr veranstalteten Messen nicht verwiesen werden, nachdem sie (bzw. ihre Rechtsvorgänger) das angegriffene Zeichen schon über 25 Jahren benutzt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der beanstandete Eingriff in die zeichenrechtliche Position der Klägerin in dem vorliegenden Fall gering ist, weil die so bezeichneten Dienstleistungen einschl. der beanstandeten Prämierung im Geltungsbereich des inländischen Schutzrechts nicht vorgenommen werden. Damit liegt das Schwergewicht der Benutzungshandlungen nicht im Inland. … Die von der Beklagten im Inland entfaltete wirtschaftliche Tätigkeit besteht zwar in der Werbung von Kunden für ihre Messeveranstaltungen in Italien. Wegen der Konzentration der Geschäftstätigkeit in Italien weisen die Internetinformationen jedoch aus dem Schutzland hinaus. Sie haben außerdem lediglich Dienstleistungen auf dem Gebiet Elektronik/Elektrotechnik bzw. der Lichttechnik zum Gegenstand, während die geschützten Vertriebsinteressen der Klägerin insb. Mikroprozessoren für Computer betreffen. Die Unterschiedlichkeit der gekennzeichneten Gegenstände darf ungeachtet der allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsätze bei der Abwägung der kollidierenden Nutzungsinteressen nicht unberücksichtigt bleiben. Insbesondere ist, was die Klagemarken angeht, festzustellen, dass es insoweit an der Gleichartigkeit fehlt. Als weiterer Gesichtspunkt muss in die Bewertung einfließen, dass sich die Klägerin für ihr Recht am Unternehmenskennzeichen auf einen – im Vergleich zur Benutzungsdauer der Kollisionszeichen – nur geringeren Zeitvorrang von einem Jahr berufen kann, während die Beklagte in den folgenden Jahrzehnten gleichfalls einen wertvollen Besitzstand an ihren Zeichen begründete.

Trotz Verwirklichung des kennzeichnungsrechtlichen Verletzungstatbestandes ist nach alldem ein Verbot der Benutzung des streitigen Kennzeichens im Internet gegen die Beklagte nicht gerechtfertigt.

Vorinstanzen

LG Mannheim, 7 O 134/00

Rechtsgebiete

Internetrecht