Betriebskosten nach Zahl der Personen statt nach Wohnraumfläche

Gericht

AG Weimar


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

07. 06. 1996


Aktenzeichen

10 C 42/96


Leitsatz des Gerichts

Der Vermieter kann verpflichtet sein die Betriebskosten, statt nach Wohnraumfläche nach der Zahl der Personen in den Wohnungen umzulegen, wenn dies alle Mieter fordern.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. ist gem. schriftlichem Mietvertrag vom 4. 6. 1957 Mieterin einer Wohnung der Bekl. Es handelt sich um eine preisgebundene Wohnung in der zweiten Etage eines Anwesens in Weimar. In dem Haus wohnen derzeit neun verschiedene Mietparteien mit insgesamt 24 Personen. Die Kl. bewohnt eine Teilwohnung von 80,75 qm Größe allein. In anderen Wohnungen des Anwesens mit vergleichbarer Größe wohnen Familien mit mindestens drei, teilweise fünf Personen. Mit Schreiben vom 7. 8. 1991 hatte die Bekl. von ihrem Gestaltungsrecht nach § 1 I BetriebskostenumlageVO Gebrauch gemacht und als Umlegungsmaßstab das Verhältnis der Wohnflächen bestimmt. Auf ein Schreiben der Kl. vom 16. 1. 1994 hin erklärte die Bekl., daß der Vereinbarung eines anderen künftigen Umlegungsmaßstabes nichts entgegenstände, wenn alle anderen Mietvertragsparteien dem zustimmen würden. Mit Schreiben vom 19. 3. 1994 teilte die Kl. der Bekl. mit, daß alle Mietvertragsparteien mit einer Umlage der verbrauchsabhängigen Kosten nach Personenzahl einverstanden sind und legte eine entsprechende Unterschriftenliste vor. Dennoch lag den Betriebskostenabrechnungen vom 13. 4. 1994 und 9. 11. 1994 für die Zeiträume 1992 und 1993 wiederum als Umlegungsmaßstab die Wohnfläche zugrunde.

Die Klage mit den Anträgen, die Bekl. zu verurteilen, die verbrauchsabhängigen Betriebskosten für Wasser, Abwasser und Müllentsorgung nach einem von dem Gericht zu bestimmenden Maßstab, hilfsweise bis zur Ausstattung der Wohnung mit Verbrauchserfassungsgeräten nach der Personenzahl umzulegen, hatte mit dem Hilfsantrag und der Beschränkung auf die Kl. Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. ist verpflichtet, für künftige Abrechnungsperioden bei der Umlegung der Wasser-, Abwasser- sowie der Müllabfuhrkosten im Hause den Verteilungsschlüssel dahingehend zu ändern, daß im Verhältnis zur Kl. künftig nach Kopfteilen, also nach der Zahl der Hausbewohner, abgerechnet wird. Das weitergehende Klagebegehren, wonach die Änderung des Umverlegungsmaßstabes bereits mit Wirkung ab dem Abrechnungszeitraum 1. 1. 1994 erfolgen sollte, war dagegen abzuweisen.

Zwar hat die Bekl. zutreffend ausgeführt, daß der von ihr gewählte Umlagemaßstab den Bestimmungen der §§ 3 bis 9 BetriebskostenumlageVO entspricht. Nach §§ 3, 3a BetriebskostenumlageVO können die Kosten der Wasserversorgung und Entwässerung sowie die Kosten der Müllabfuhr entweder nach dem Verhältnis der Wohnflächen oder nach einem Maßstab, der dem unterschiedlichen Verbrauch Rechnung trägt, umgelegt werden. Von diesem Bestimmungsrecht hat die Bekl. in der Weise Gebrauch gemacht, indem sie die hier in Frage stehenden Kosten nach dem Verhältnis der Wohnflächen umgelegt hat. Dies begegnet im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken. Die Befugnis des Vermieters, die Betriebskosten nach den Bestimmungen der Betriebskostenumlageverordnung umzulegen, bleibt für Mietverhältnisse, die vor dem 11. 6. 1995 begründet worden sind, gem. § 14 I MHRG bis zum 31. 12. 1997 erhalten. Die Bekl. verkennt aber, daß sie die Wahl zwischen den vom Gesetz vorgesehenen Umlegungsmaßstäben nach billigem Ermessen zu treffen hat. Hält die Parteibestimmung sich im Rahmen billigen Ermessens und weist sie keine Ermessensfehler auf, so ist sie gem. § 315 III 1 BGB verbindlich. Hat der Vermieter hingegen einen Maßstab gewählt, der im Einzelfall zu einem grob unbilligen Ergebnis führt, kann der Mieter nach § 242 BGB einen Anspruch auf Abänderung des Verteilungsschlüssels haben (vgl. LG Aachen, NJW-RR 1992, 274 = WuM 1991, 503 (504)). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mehrheit der Hausgemeinschaft sich für eine sachgerechte Änderung des Umlegungsmaßstabes ausspricht (vgl. Sternel, MietR, 3. Aufl., III Rdnr. 261). Der Vermieter ist dann verpflichtet, den neuen sachgerechten Maßstab anzuwenden. Ausgehend von den unstreitigen Darlegungen der Kl. zahlt diese als Einzelperson genauso viel an Wasser- und Abwasser- sowie Müllabfuhrkosten wie die anderen drei- oder auch fünfköpfigen Familien. Die Umlegung der Wasser- und Abwasserkosten für das Jahr 1992 hat nach dem Wohnflächenmaßstab einen Anteil der Kl. von 610,93 DM ergeben. Bei einer Umlegung nach dem Personenschlüssel hätte sie dagegen lediglich 346,24 DM zu zahlen gehabt. Noch auffälliger ist nach den Ausführungen der Kl. das Mißverhältnis im Abrechnungszeitraum 1993.

Es steht demnach fest, daß aufgrund der unterschiedlichen Belegungsdichte innerhalb des Hauses die Belastung der Kl. mit Betriebskosten in keinem dem tatsächlichen Verbrauch angenäherten Verhältnis steht. Das Gericht läßt es dahingestellt, ob die von der Kl. dadurch erlittenen Nachteile so grob unbillig sind, daß die Kl. allein unter Berufung auf diese Nachteile von der Bekl. eine Änderung des Umverlegungsmaßstabs verlangen kann. Denn im konkreten Fall kommt hinzu, daß die Mieter des Anwesens sich in der Vergangenheit hinsichtlich der Wasser-, Abwasser- und Müllabfuhrkosten für eine Änderung des Umlegungsmaßstabs nach Personen ausgesprochen haben.

Unter diesen Umständen ist die Bekl. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verpflichtet, zur Kostenverteilung nach dem "Personenschlüssel" überzugehen, da dieser mit Rücksicht auf die gegenwärtigen, tatsächlichen Verhältnisse eine gerechtere, weil stärker verbrauchsbezogene, Heranziehung der einzelnen Mieter erwarten läßt. Wesentliche, schutzwürdige Belange der Bekl. stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Zwar hat die Bekl. ein berechtigtes Interesse daran, ihren Verwaltungsaufwand durch einen einheitlichen Verteilungsschlüssel für alle Häuser gering zu halten. Auch führt die Umlage nach Personen, wenn keine Wasserzähler vorhanden sind, nicht immer zu gerechteren Ergebnissen, da der individuelle Wasserverbrauch erheblich voneinander abweichen kann. Doch rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts diese Nachteile ein Festhalten an dem bisherigen Umlegungsmaßstab jedenfalls dann nicht, wenn sich die Mehrheit der Hausgemeinschaft des fraglichen Objekts für die begehrte Änderung des Verteilungsschlüssels ausgesprochen hat. Der Vermieter ist dann verpflichtet, den neuen sachgerechten Maßstab zukünftig anzuwenden.

Entgegen der Auffassung der Kl. ist die Änderung des Umlegungsmaßstabs jedoch nur für die Zukunft zulässig. Für bereits verflossene Abrechnungsperioden ist eine Abänderung des Verteilungsschlüssels, unabhängig davon, ob tatsächlich schon abgerechnet worden ist, nicht zulässig (vgl. dazu Sternel, III Rdnr. 362). Davon geht auch die von der Kl. zur Begründung ihrer anderen Rechtsauffassung herangezogene Bestimmung des § 4 V MHRG aus. Dort wird ausdrücklich bestimmt, daß eine Änderung des Umlegungsmaßstabs nur für künftige Abrechnungszeiträume und mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig ist (vgl. § 4 V 2 MHRG).

Rechtsgebiete

Mietrecht