Computergestützte Gebote bei Online-Auktionen

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Entscheidung über Widerspruch


Datum

16. 07. 2002


Aktenzeichen

312 O 271/02


Leitsatz des Gerichts

Das Angebot von Sniper-Software, mittels derer versucht wird, das letzte und damit erfolgreiche Gebot computergestützt bei einer Online-Auktion abzugeben, verstößt gegen § 1 UWG. Zugleich stellt das Angebot eine unlautere Absatzbehinderung der Online-Auktion dar. Denn durch den verbreiteten Einsatz der angebotenen Software-Lösung kann sich das Bieterverhalten der Kunden verändern und abgeschreckt werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. betreibt eine Online-Handelsplattform, auf der Nutzer Waren aller Art zum Verkauf gegen Höchstgebot anbieten können. Internetnutzer können Waren oder Dienstleistungen zu einem frei bestimmbaren Startpreis anbieten. Da die Waren gegen Höchstgebot verkauft werden, erhält derjenige Kaufinteressent automatisch vom Anbieter den „Zuschlag“, der nach Ablauf der Angebotsdauer das höchste Gebot abgegeben hat. Die Ast. finanziert den Betrieb der Handelsplattform durch Gebühren der Anbieter, die diese im Falle eines erfolgreichen Verkaufs ihrer Ware an die Ast. entrichten.

Um als möglicher Käufer der auf der Handelsplattform angebotenen Waren mitbieten zu können, muss man sich bei der Ast. anmelden. Dabei wird dem Bieter von der Ast. ein Mitgliedsname und ein Passwort zugeteilt. U.a. hat der Anmelder während des Anmeldevorgangs am Computer die folgende Erklärung zu bestätigen: „Ich habe die oben stehenden AGB vollständig gelesen und verstanden. Ich bin mit allen darin enthaltenen Regelungen und Bedingungen einverstanden.“

Der sich anmeldende Bieter hat auf dem Bildschirm die Erklärung „Ich stimme zu“ anzuklicken. In den AGB findet sich in § 2 folgende Regelung: „Das Passwort muss geheim gehalten und darf Dritten unter keinen Umständen mitgeteilt werden.“ Mit dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren wendet sich die Ast. gegen ein von der Ag. entwickeltes Verfahren, das dem möglichen Bieter die Möglichkeit gibt, erst kurz vor dem Ende der Auktionsdauer ein Gebot abzugeben, das mit größtmöglicher Sicherheit erfolgreich sein wird, d.h. den Zuschlag erhalten wird. Die Ag. hat ihr Angebot auf ihrer Homepage wie folgt beschrieben: „S. ist eine Online-Dienstleistung, die in der Lage ist, ohne Deine Anwesenheit in letzter Sekunde ein Gebot auf E-Auktionen abzugeben. Sie legen fest, wie kurz vor Auktionsende und in welcher Höhe Dein Gebot platziert werden soll. Kaum eine Chance für andere Bieter, da S. Sekunden vor Ablauf bietet, sind andere Interessenten nicht mehr in der Lage, noch zu überbieten, bevor die Auktion endet (sofern Dein Gebot das höchste war).“ Die Ast. hält dieses Angebot der Ag. für wettbewerbswidrig. Die Dienstleistung der Ag. führe zu einem Behinderungswettbewerb und verstoße aus diesem Grund gegen § 1 UWG. Die Ag. schlage Profit aus den Leistungen der Ast., ohne selbst die hohen Kosten für die Etablierung der von der Ast. geschaffenen Online-Handelsplattform im Markt zu tragen. Durch das Angebot werde die Funktionsweise der E-Handelsplattform von außen erheblich beeinträchtigt, wegen der Aussichtslosigkeit der Abgabe von Geboten ohne Inanspruchnahme des S-Dienstes sei mit einem erheblichen Rückgang bei der Nutzung der E-Handelsplattform zu rechnen, was eine gegen § 1 UWG verstoßende Absatzbehinderung der Ast. darstelle.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die einstweilige Verfügung v. 3.6.2002 erweist sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens der Ag. als begründet und ist daher zu bestätigen.

In der Sache erweist sich das Verbot der einstweiligen Verfügung v. 3.6.2002 auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als gerechtfertigt. Das Angebot der Ag. verstößt gegen § 1 UWG. Die Ag. provoziert mit ihrem Angebot wissentlich eine Vertragsverletzung der E-Nutzer. Die Ast. hat mit ihren Nutzern bei der Anmeldung unter Bezugnahme auf die AGB vereinbart, dass das Passwort nicht an Dritte weitergegeben werden darf. Die Kammer kann nicht erkennen, dass diese Klausel der AGB in irgendeiner Weise sachlich zu beanstanden sein könnte. Die Argumente der Ag., es handele sich hier um eine überraschende und unangemessene Klausel, vermögen nicht zu überzeugen.

Das Angebot der Ag. beinhaltet zwingend die Weitergabe des Nutzernamens und des Passwortes des Bieters an die Ag., die sonst ein Gebot mit Hilfe der S.-Software überhaupt nicht platzieren könnte. Ein in dieser systematischen Weise auf die Vertragsverletzung des Kunden angelegtes Angebot muss zugleich als sittenwidrig gem. § 1 UWG beurteilt werden. Darüber hinaus ist auch eine unlautere Absatzbehinderung zu bejahen. Durch den Einsatz der von der Ag. bereitgehaltenen Software wird in empfindlicher Weise in das System einer Onlineauktion eingegriffen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Ag. selbst in ihrer Werbung formuliert: „Da S. erst Sekunden vor Ablauf bietet, sind andere Interessenten kaum mehr in der Lage, sie noch zu überbieten“, wird deutlich, dass ein verbreiteter Einsatz des Angebots der Ag. sich deutlich abschreckend sowohl für Verkaufs- wie Kaufinteressenten über die Handelsplattform der [Ast.] auswirken müsste. Diese Einwirkung auf ihre erfolgreich weltweit betriebene Internet-Handelsplattform braucht die Ast. nicht hinzunehmen. Soweit die Ag. geltend gemacht hat, die Ast. fördere selbst sog. „Sniper-Programme“, ist die Ast. diesem Vortrag substanziiert entgegengetreten. Die Unlauterkeit des Angebots der Ag. wird nicht nachhaltig dadurch in Zweifel gezogen, dass es offenbar auf dem amerikanischen Markt anderweitig „Sniper-Software“ gibt.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht