Einwurf des Autoschlüssels in den Briefkastenschlitz der Tür des Gebäudes einer Kfz-Werkstatt ist nicht grob-fahrlässig
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 11. 1999
Aktenzeichen
20 W 17/99
Auszüge aus den Gründen:
Der Antragst. begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er die Antragsgegnerin aus dem Kaskoversicherungsvertrag wegen Diebstahls seines PKW in der Zeit vom 14. 6. 1998 21.00 Uhr bis zum 15. 6. 1998 7.30 Uhr auf dem Betriebsgelände des Autohauses H in W. auf Entschädigung in Anspruch nehmen will. …
Die Antragsgegnerin ist nicht gem.§ 61 VVG leistungsfrei geworden, denn nach dem bislang aus den Akten ersichtlichen Sachverhalt kann dem Antragst. nicht vorgeworfen werden, er habe den Diebstahl seines PKW durch grob fahrlässiges Verhalten ermöglicht.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das außer acht lässt, was im gegebenen Fall einleuchten musste (vgl. u.a. Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 6 Rn 117; Römer/Langheid, VVG, § 61 Rn 29). Grobe Fahrlässigkeit setzt für die Anwendung von § 61 VVG ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls zu fördern, wobei grob fahrlässige Unkenntnis dem gleich steht. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen.
Das Verhalten des Versicherten muss dazu subjektiv unentschuldbar gewesen sein (vgl. Prölss/Martin aaO § 61 Rn 11; Römer/Langheid a.a.O.). Ein in diesem hohen Maße unentschuldbares Fehlverhalten kann dem Antragst. hier nicht vorgeworfen werden.
Als er am Vorabend des vereinbarten Inspektionstermins für sein Fahrzeug den Fahrzeugschlüssel in den Briefkastenschlitz der Glastür des Betriebsgebäudes des Autohauses geworfen hat, mag er nicht bedacht haben, dass der Schlüssel von außen sichtbar war. Dass er dadurch aber die Entwendung seines Fahrzeugs erleichterte, war nicht so offenkundig, dass er zwingend eine andere Art der Schlüsselüberlassung an das Autohaus hätte in Betracht ziehen müssen. Es musste sich ihm nicht aufdrängen, dass Unbefugte in den Besitz seines Schlüssels gelangen konnte. Zu berücksichtigen ist nämlich auch, dass der Antragst. geltend macht, er habe zuvor mit dem Sohn des Inhabers des Autohauses abgesprochen, dass er den Schlüssel in den Briefkastenschlitz der Glastür einwirft. Diese Verfahrensweise war auch übliche Geschäftspraxis beim Autohaus H, wenn Kunden ihr Fahrzeug zur Inspektion bringen. Wenn der Antragst. sich aber so verhalten hat, wie es im Kundekreis der Fa. H allgemein üblich ist und diese Praxis zuvor nicht zur Entwendung von Fahrzeugen geführt hat, ist das Verhalten des Antragst. nicht schlechthin unentschuldbar.
Dem Antragst. ist deshalb für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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