Grob fahrlässiges Überfahren eines Stoppschilds
Gericht
OLG Köln
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 05. 2001
Aktenzeichen
9 U 172/00
Wer ein Stoppschild überfährt, handelt grob fahrlässig. Die Versicherung muss nicht zahlen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. nimmt die Bekl. aus einer mit der Bekl. abgeschlossenen Fahrzeugvollversicherung wegen eines Unfalls des von ihrem Geschäftsführer gesteuerten versicherten Fahrzeugs in Anspruch, der sich ereignete, als der Geschäftsführer in eine Kreuzung ohne Beachtung des für ihn geltenden Stoppschilds einfuhr. Die Bekl. hält sich wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls für leistungsfrei.
Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Bekl. ist leistungsfrei nach § 61 VVG, weil der Geschäftsführer der Kl. als ihr Vertreter den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Grobe Fahrlässigkeit setzt in objektiver und subjektiver Hinsicht eine aus dem normalen Rahmen der Fahrlässigkeit herausfallende gröbliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Im Bereich des Straßenverkehrs liegt sie vor, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers objektiv grob verkehrswidrig und subjektiv schlechthin unentschuldbar ist. Eine Vorfahrtverletzung durch Überfahren eines Stoppschilds ist wegen der großen Gefährlichkeit für den Straßenverkehr objektiv grob fahrlässig (OLG Oldenburg, r + s 1995, 42; OLG Hamm, NJWE-VHR 1998, 153 = ZfSch 1998, 262: insoweit Aufgabe der früheren, noch von der Kl. zitierten Auffassung in VersR 1993, 826; OLG Nürnberg, r + s 1997, 409) und ist ein Indiz für grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht (BGHZ 119, 147 = NJW 1992, 2418 = r + s 1992, 292). Das Hineinfahren in einen Kreuzungsbereich birgt hohe Gefahren, besonders wenn er für den Verkehr durch ein Stoppschild gesperrt ist. Von jedem Verkehrsteilnehmer ist zu erwarten, dass er sich einer solchen Kreuzung mit der Aufmerksamkeit nähert, die es ihm ermöglicht, das Stoppschild zu beachten und den dadurch geschützten vorfahrtberechtigten Verkehr nicht zu gefährden (OLG Oldenburg, r + s 1995, 42).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar von den üblichen „Stoppschildfällen“ dadurch, dass der Kreuzungsverkehr hier normalerweise zusätzlich durch eine Lichtzeichenanlage geregelt wird. Bei deren ordnungsgemäßem Betrieb hat das Stoppschild für den Verkehrsteilnehmer keine Bedeutung (§ 37 I StVO). Anderes gilt aber, wenn die Lichtzeichenanlage wie hier abgeschaltet oder ausgefallen ist und die üblichen Lichtzeichen fehlen. Ein gelbes Blinklicht, das nach § 38 I 1 StVO ein Gefahrzeichen ist und Warnfunktion hat, geht den allgemeinen Regeln und Verkehrszeichen nicht vor, sondern mahnt zu deren Beachtung (vgl. Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 35. Aufl., § 38 Rdnr. 13). Gerade wegen dieses aufleuchtenden Blinklichts muss das Überfahren einer derart gesicherten Kreuzung umso mehr als objektiv grob fahrlässig gewertet werden, weil der Vorfahrtpflichtige wie bei einer Rotlicht zeigenden Ampelanlage neben dem Stoppschild auch ein optisches Signal zum Halt an der Haltelinie erhält.
Der Versicherungsnehmer hat, um sich von dem Vorwurf zu entlasten, besondere Umstände darzulegen, die den Verkehrsverstoß im milderen Licht erscheinen lassen. Ein sog. Augenblicksversagen ist nach der höchstrichterlichen Rspr. für sich allein genommen ohne Hinzutreten dieser besonderen Umstände nicht geeignet, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind (BGHZ 119, 147 = NJW 1992, 2418 = r + s 1992, 249).
Solche besonderen Umstände in der Örtlichkeit des Kreuzungsbereichs oder in der Person des Geschäftsführers der Kl. liegen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass das Stoppschild nicht zu sehen war, bestehen nicht. Auch im Übrigen hat die Kl. besondere Umstände zur Örtlichkeit nicht vorgetragen.
Die in der Klageschrift behauptete Irritation des Geschäftsführers der Kl. durch das Blinklicht ist nicht geeignet, derartige besondere Umstände darzulegen. Danach hat er nämlich das Blinklicht gesehen. Worin die Irritation liegen soll, ist weder dargelegt noch nachvollziehbar. Wenn ihn aber dieses Blinklicht verunsichert hat, hätte er um so vorsichtiger in den Kreuzungsbereich einfahren müssen. Ein Durchqueren mit unverminderter Geschwindigkeit ist dann gerade nicht angezeigt.
Der hierzu abweichende Vortrag des Geschäftsführers der Kl. persönlich ist unabhängig davon, ob man diesen wegen Widersprüchlichkeit bereits als unbeachtlich wertet, jedenfalls auch nicht zur Darlegung solcher subjektiver besonderer Umstände geeignet. Die Behauptung, er habe das gelbe Licht nicht als Blinklicht, sondern als gelbes stehendes Licht gesehen, ist ohne weitere Angaben dazu völlig substanzlos. Ein Blinklicht ist eben kein stehendes Licht. Angaben dazu, was ihn zu der gegenteiligen Annahme gebracht hat, fehlen. Selbst wenn er aber Gelblicht gesehen hat und er dieses für das dem Grünlicht folgende Lichtzeichen gehalten hat, durfte er auch dann nicht ohne weiteres die Kreuzung noch überqueren. Denn Gelblicht bedeutet die Anordnung, an der Haltelinie das nächste Zeichen abzuwarten (§ 37 II Nr. 7 StVO). Nur wenn dies gefahrlos nicht möglich ist, d.h. wenn der Bremsweg bei mittlerem Bremsen bis zum Kreuzungsbereich nicht ausreichen würde, durfte er zügig und unter Beachtung des Querverkehrs durchfahren (vgl. Jagusch/Hentschel, § 37 Rdnr. 48a). Dass dem so war, behauptet die Kl. nicht.
Soweit die Kl. erstmals in der Berufung bestreitet, dass die Ampel gelbes Blinklicht angezeigt hat, steht dies in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag, insbesondere auch den Angaben ihres Geschäftsführers und ist wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht nach § 138 I ZPO schon deshalb unbeachtlich. Im Übrigen ist dieser Vortrag aber substanzlos und auch aus diesem Grund unerheblich.
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