Monatsfrist zur Geltendmachung von Reisemängeln

Gericht

OLG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

23. 01. 2003


Aktenzeichen

16 U 27/02


Leitsatz des Gerichts

  1. § 651 g BGB, der bestimmt, dass Reisemängel binnen eines Monats nach Ende der Reise geltend gemacht werden müssen, gilt nur für reisevertragliche, nicht für deliktische Ansprüche.

  2. Eine Klausel in den AGB´s eines Reiseveranstalters, wonach sämtliche in Betracht kommende Ansprüche binnen Monatsfrist nach Reiseende geltend gemacht werden müssen, erfasst auch deliktische Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

  3. Eine solche Klausel ist auch rechtswirksam. Sie ist weder überraschend noch stellt sie eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar.

  4. Die relativ kurze Frist zur Anmeldung von Reisemängeln ist im Interesse beider Parteien gerechtfertigt. Sie soll den Reisenden zu einer schnellen Entscheidung über die Geltendmachung seiner Ansprüche bringen und dem Reiseveranstalter Kenntnis davon verschaffen, so dass diese nunmehr seine Dispositionen treffen kann. Je mehr Zeit nach Ende der Reise vergeht, umso schwieriger ist es, den Sachverhalt zureichend aufzuklären.

  5. Dieser Sinn und Zweck der Ausschlussklausel trifft unterschiedslos sowohl auch vertragliche wie deliktische Ansprüche zu.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält einer Überprüfung stand. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

1. Nach der Berufungsbegründung werden ausdrücklich nur noch deliktische Ansprüche zur Entscheidung gestellt. In Bezug auf ihre vertraglichen Ansprüche nimmt die Klägerin die landgerichtliche Entscheidung damit hin. Auf die Rechtslage hinsichtlich vertraglicher Ansprüche kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.

2. Unstreitig hat die Klägerin Ansprüche auf Grund ihres Unfalles auf einer bei der Beklagten gebuchten Reise nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach dem vertraglich vereinbarten Ende der Reise bei der Beklagten angemeldet. Die Reise endete am 17. 6. 2000; die Anmeldung von Ansprüchen erfolgte erst mit anwaltlichem Schreiben vom 28. 8. 2000, das am nächsten Tag bei der Beklagten einging.

3. § 651g I BGB, der eine solche Monatsfrist bestimmt, gilt seinem Wortlaut nach nur für Ansprüche nach den §§ 651c bis 651f BGB, also für reisevertragliche Ansprüche. Die Kl. macht hier jedoch deliktische Ansprüche aus den §§ 823 I , 847 BGB geltend. Eine unmittelbare Geltung dieser Vorschrift für deliktische Ansprüche wird deshalb allgemein abgelehnt (Staudinger/Eckert, BGB, 13. Bearb. [2001], § 651g Rdnr. 25; Tonner, in: MünchKomm, 3. Aufl. § 651g Rdnr. 2; Führich, ReiseR, Rdnr. 360; Seyderhelm, ReiseR, § 651g Rdnr. 7; a.A. LG Frankfurt a.M. [24. ZK], NJW 1990, 520). Diese Auffassung teilt auch der Senat.

4. Grundlage für die notwendige Einhaltung einer Anmeldefrist von einem Monat auf deliktische Ansprüche kann deshalb nicht § 651g BGB, sondern nur die inhaltsgleiche Klausel Nr. 10.7. in den Reise- und Zahlungsbedingungen (AGB) der Bekl. sein.

4.1. Die Kl. hat die Frage, ob die AGB der Bekl. überhaupt in den Vertrag der Parteien einbezogen wurden, im Berufungsverfahren nicht mehr aufgegriffen, sondern geht selber von einer wirksamen Einbeziehung aus.

4.2. Die streitige Klausel ist auch rechtswirksam.

4.2.1. Ein Verstoß gegen das Verbot von abweichenden Vereinbarungen zum Nachteil von Reisenden (§ 651m BGB [a.F. = S. 1 n.F.] liegt schon deshalb nicht vor, weil diese Vorschrift nur für die vertraglichen Ansprüche der §§ 651a ff. BGB gilt.

4.2.2. Entgegen der Ansicht der Kl. handelt es sich hierbei nicht deshalb um eine überraschende Klausel i.S. des § 3 des hier noch anwendbaren AGB-Gesetzes (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB), weil der Verbraucher nicht damit rechne, dass ihm durch die Reisebedingungen eine Rechtsposition außerhalb des Reisevertragsrechts entzogen werde, zumal die Bekl. ihrer Informationspflicht nach § 3 II lit. h ReiseInfoV a.F. nicht nachgekommen sei. Da gerade bei Unfällen auf einer Reise vertragliche und deliktische Ansprüche konkurrieren, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Reisebedingungen auch mit deliktischen Ansprüchen befassen. Zudem trifft diese Klausel für deliktische Ansprüche lediglich eine Regelung, wie sie für vertragliche Ansprüche bereits ohnehin gesetzlich gilt. Eine solche Ausschlussfrist für Ansprüche auf Grund einer Reise ist also der geltenden Rechtsordnung durchaus nicht fremd.

Diese kannte bzw. kennt vielmehr in Art. 8 VI 1 des Finanzvertrags zum NATO-Truppenstatut und jetzt in Art. 6 des Ausführungsgesetzes zum NATO-Truppenstatut Vorschriften mit vergleichbarer Zielrichtung gerade in Bezug auf deliktische Ansprüche (vgl. BGHZ 34, 230 [231] = NJW 1961, 1014).

Auf einen etwa fehlenden besonderen Hinweis nach § 3 II lit. h ReiseInfoV kommt es also nicht an. Die Kl. behauptet im Übrigen selber nicht, sie habe gerade wegen Fehlens eines solchen Hinweises darauf vertraut, dass es in Bezug auf den Reisevertrag mit der Bekl. keine Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen gebe. Im Gegenteil trägt sie vor, dass sie die Erklärung, die Reisebedingungen der Bekl. anzuerkennen, nur als Routinevorgang unterschrieben habe und sie sich weiterer Rechtswirkungen nicht bewusst gewesen sei.

4.2.3. Darüber hinaus ist die Klausel entgegen der Ansicht der Kl. auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers nach § 9 II Nr. 1 AGBG unwirksam.

a) Zwar ist der Kl. einzuräumen, dass diese Auffassung vertreten wird. Danach bedeute eine Erstreckung der Ausschlussfrist auch auf deliktische Ansprüche eine Einschränkung der Geltendmachung solcher Ansprüche, die mit dem Grundgedanken der §§ 651g , 651m BGB unvereinbar und deshalb unwirksam sei (so OLG München, NJW-RR 1987, 493 [494]; Tonner, in: MünchKomm, § 651g Rdnr. 2; ders., Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651g Rdnr. 18; Seyderhelm, § 651g Rdnr. 7; Pick, ReiseR, 1995, § 651g Rdnr. 13, der diese Aussage allerdings auf die Verjährungsfrage bezieht). Das ist jedoch nicht nachvollziehbar, weil sich die genannten Vorschriften bereits von ihrem Standort im BGB her überhaupt nicht mit deliktischen Ansprüchen befassen und auch nicht befassen wollen und deshalb eine Aussage zu deliktischen Ansprüchen nicht erlauben.

Soweit Tonner (Der Reisevertrag, § 651g Rdnr. 18) meint, es gebe keinen Grund, den durch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Reiseveranstalters geschädigten Reisenden schlechter zu stellen als einen Dritten, der mit dem Reiseveranstalter nicht vertraglich verbunden sei, ist gerade das der entscheidende Unterschied, der eine Gleichbehandlung beider Anspruchsarten bei dem ersteren Personenkreis sehr wohl rechtfertigt. Darüber hinaus meint Tonner (Anm. zu LG Frankfurt a.M., RRa 1999, 88 [92]), die ratio des § 651g I BGB treffe deshalb auf deliktische Ansprüche nicht zu, weil der Reisende hier das Verschulden beweisen müsse und sich nicht wie bei vertraglichen Ansprüchen auf die Beweislastumkehr des § 282 BGB a.F. verlassen könne. Auch dieses Argument vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Im Rahmen der Ausschlussfrist kommt es einzig und allein darauf an, (mögliche) Ansprüche überhaupt erst einmal anzumelden, nicht dagegen, diese bereits durchzusetzen und im Streitfalle zu beweisen. Allein aus einer lediglich befürchteten Beweisbedürftigkeit in einem nur möglichen künftigen Rechtsstreit, zu dem es in der überwiegenden Zahl von Reiseunfällen gar nicht erst kommt, herleiten zu wollen, dass es sich hier bereits um eine Benachteiligung des Reisenden handele, die nicht noch durch eine Ausschlussfrist verstärkt werden dürfe, hält der Senat nicht für ein überzeugendes Argument.

b) Demgegenüber kommt der Bestimmung einer relativ kurzen Frist zur Anmeldung von Ansprüchen durchaus ein nachzuvollziehender, zu rechtfertigender Sinn zu. Dieser besteht darin, den Reisenden zu einer schnellen Entscheidung über die Geltendmachung seiner Ansprüche zu bringen und dem Reiseveranstalter Kenntnis davon zu verschaffen, so dass dieser nunmehr seine Dispositionen treffen kann. Das liegt im Interesse beider Parteien; denn je mehr Zeit nach Vertragsende vergeht, umso schwieriger ist es, den anspruchsbegründenden Sachverhalt zureichend aufzuklären. Für den Reiseveranstalter ist die alsbaldige Kenntnis von den Ansprüchen auch deshalb von Bedeutung, weil er ggf. Regressansprüche gegen den Leistungsträger geltend machen will (Tonner, in: MünchKomm, § 651g Rdnr. 1). Dieser Sinn und Zweck der Regelung trifft unterschiedslos sowohl auf vertragliche wie deliktische Ansprüche zu (Führich, Rdnr. 360).

Für eine Zulässigkeit einer Ausschlussfrist auch für deliktische Ansprüche spricht deshalb entscheidend, dass eine unterschiedliche Abwicklung der Rechtsbeziehungen des Reisenden zum Reiseveranstalter aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt im Hinblick auf die vom Gesetz bezweckte schnelle Klärung der Ansprüche unsinnig erscheint (LG Frankfurt a.M. [19. ZK], RRa 2002, 68 [70]; Führich Rdnr. 360; Staudinger/Eckert, § 651g Rdnr. 25; Recken, in: RGRK, § 651g Rdnr. 3). Da der Reisende bei der Anspruchsanmeldung die Schadenshöhe noch nicht beziffern muss, schließt die verkürzte Anmeldefrist die Geltendmachung späterer Schadensfolgen ja auch nicht aus (Führich, Rdnr. 360; Recken, in: RGRK, § 651g Rdnr. 3).

c) Die Zulässigkeit einer vereinbarten Ausschlussfrist für deliktische Ansprüche rechtfertigt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verjährungsfristen. Da deliktische Ansprüche nach früherem Recht (§ 852 I BGB a.F.) erst nach drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, ungeachtet einer Kenntnis 30 Jahre nach der Handlung verjährten, würde es, wenn man der ablehnenden Auffassung folgen würde, ausgereicht haben, dass der Reisende - etwa bei Spätschäden - erst nach Jahr und Tag deliktische Ansprüche aus einem Reiseunfall gerichtlich geltend macht und dadurch dem Reiseveranstalter erstmals Kenntnis davon verschafft. Nach so einer Zeitspanne ist es dem Reiseveranstalter kaum noch möglich, den Sachverhalt aufzuklären, von einer fehlenden Regressmöglichkeit ganz abgesehen. Aber auch der Reisende selbst könnte in Beweisnot geraten, da er bei deliktischen Ansprüchen die volle Beweislast trägt.

Auch nach neuem Recht hat sich insoweit nichts Wesentliches geändert. Für deliktische Ansprüche gilt jetzt auch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände (§§ 195 , 199 I BGB n.F.). Darüber hinaus gilt unabhängig von der Kenntnis bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit ebenfalls eine 30-jährige Verjährungsfrist ab der schädigenden Handlung (§ 199 II BGB n.F.). Deshalb wird auch in Zukunft die Sachverhaltsaufklärung nicht verbessert. Dem muss im Interesse beider Parteien vorgebeugt werden dürfen.

Damit verstößt eine Klausel in AGB, die auch für deliktische Ansprüche eine Anmeldefrist von einem Monat wie bei vertraglichen Ansprüchen vorsieht, nicht gegen wesentliche Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der (angeblich) abgewichen wird, zumal eigentlich gar nicht ersichtlich ist, von welcher gesetzlichen Regelung in Bezug auf deliktische Ansprüche überhaupt abgewichen worden sein soll (LG Frankfurt a.M. [21. ZK], RRa 1998, 160 m. zust. Anm. Bechhofer u. RRa 1999, 88 [90] m.abl. Anm. Tonner; im Ergebnis ebenso Erman/Seiler, BGB, § 651g Rdnr. 1).

4.2.4. Gegen § 11 Nr. 7 AGBG kann die verfahrensgegenständliche Klausel schon deshalb nicht verstoßen, wie die Kl. weiter meint, weil dieses Verbot vertragliche Ansprüche betrifft. Für (reise-)vertragliche Ansprüche hat der Gesetzgeber jedoch gerade die Ausschlussfrist des § 651g BGB geschaffen. Wenn aber der Gesetzgeber in einer Ausschlussfrist für die Anmeldung von vertraglichen Ansprüchen keinen Widerspruch zu einem Haftungsausschluss sieht, dann gilt das erst recht für deliktische Ansprüche.

5. Hat die Kl. somit eine wirksam vereinbarte Ausschlussfrist versäumt, so hilft ihr auch Nr. 10.7 S. 2 der Reise- und Zahlungsbedingungen der Bekl. (entspricht § 651g I 2a.F. = S. 3 n.F. BGB) nicht weiter; denn an der Einhaltung der Frist war sie nicht ohne ihr Verschulden gehindert.

5.1. Allerdings soll ein Verschulden entfallen, wenn der Reiseveranstalter den Reisenden nicht gemäß seiner Informationspflicht nach § 3 II lit.h ReiseInfoV a.F. auf die Ausschlussfrist hingewiesen hat (LG Frankfurt a.M., RRa 2002, 68 [69]; vgl. Führich, Rdnr. 372). Der entsprechende Hinweis ist jedoch in Nr. 10.7 der Reise- und Zahlungsbedingungen der Bekl. enthalten, die wiederum im Reisekatalog der Bekl. abgedruckt waren. Gem. § 3 IV 1 ReiseInfoV a.F. muss der Hinweis nicht zwingend in der Reisebestätigung enthalten sein; der Reiseveranstalter kann seiner Informationspflicht vielmehr auch dadurch nachkommen, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen entsprechen. Das ist geschehen.

Das LG ist auf Grund der vor ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass bei der Buchung der Reise durch die Kl. ein Katalog der Bekl. vorlag, aus dem die Reise ausgewählt worden war. Dementsprechend hat die Kl. bei der Buchung mit ihrer Unterschrift auch ausdrücklich bestätigt, die allgemeinen Reisebedingungen der Bekl. anzuerkennen. Außerdem enthält die Reisebestätigung den nochmaligen Hinweis, dass die Reisebedingungen anerkannt worden und Vertragsbestandteil seien. Dies greift die Kl. nicht an.

5.2. Soweit die Kl. auch in dem Umstand ihrer Verletzungen selbst einen Grund sieht, der ein Verschulden an der Fristversäumung ausschließe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Bei dem Unfall hat die Kl. eine Fraktur des linken Daumens, mehrere Frakturen am linken Oberarm, einen Kapselriss am linken Arm, einen Bruch der rechten großen Fußzehe sowie Prellungen und eine Verletzung am Schneidezahn erlitten. Diese Unfallfolgen waren jedoch keineswegs so schwerwiegend, dass die Kl. nicht einmal im Stande gewesen sein soll, etwa ihrem mitreisenden und mit dem Unfallgeschehen vertrauten Ehemann eine Vollmacht zur Anmeldung von Ansprüchen zu erteilen.

Damit bleibt es dabei, dass die Anmeldefrist versäumt ist und die Klägerin deshalb (auch) mit deliktischen Ansprüchen ausgeschlossen ist.

6. Auf die Verjährungsfrage kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an. ...

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil es offensichtlich an einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der hier behandelten Rechtsfrage fehlt. Auch ist in dieser Sache eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB §§ 651g , 651m , 823 ; AGBG § 9