Übernahme von Kabelanschlussgebühren durch die Sozialhilfe

Gericht

BVerwG (Mannheim)


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

28. 11. 2001


Aktenzeichen

5 C 9/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Kosten für den Anschluss an technische Einrichtungen - wie hier das Breitbandkabelnetz -, die den Fernsehempfang ermöglichen, sind in der Regel der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zuzuordnen.

  2. Stehen jedoch Kabelanschlussgebühren nicht zur Disposition des Hilfeempfängers, kann er sie also nicht im Einvernehmen mit dem Vermieter als Mietnebenkosten ausschließen, so gehören sie nicht zu den persönlichen Bedürfnissen des Hilfeempfängers, sondern sind Kosten der Unterkunft.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die von der Kl. im Januar 1994 angemietete Wohnung war wie die gesamte Wohnanlage an das Breitbandkabelnetz der Deutschen Telekom angeschlossen. Die hierfür vom Vermieter zu entrichtende monatliche Grundgebühr hatte die Kl.gem. § 3 des Mietvertrags als umlagefähige Betriebskosten zu tragen. Im März 1996 beantragte die Kl. beim Bekl. die Übernahme der von ihrem Vermieter für das Jahr 1995 geltend gemachten Nebenkostennachzahlung, unter anderem 109,92 DM Grundgebühr für den Kabelanschluss. Dies lehnte der Bekl. zunächst ab, übernahm aber auf den Widerspruch der Kl. mit Abhilfebescheid vom 25. 9. 1996 den dem Vermieter zustehenden Nachzahlungsbetrag für die Kabelgebühren 1995. Mit Bescheid vom 9. 9. 1996 hatte der Bekl. die der Kl. für den Monat Oktober 1996 zustehende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung der vom Vermieter für 1996 mit rund 12,12 DM (ausgehend von 145,48 DM Jahresgebühr) monatlich kalkulierten Grundgebühr für den Kabelanschluss berechnet. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage auf Verpflichtung des Bekl. zur Übernahme der Kabelgebühren für Oktober 1996 in Höhe von 12,12 DM hat das VG abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

Die Revision des Bekl. wurde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Die Revision des Bekl., über die das BVerwG gem. § 141 S. 1 i.V. mit § 125 I 1 und § 101 II VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist nicht begründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 II VwGO).

Das ursprünglich in der Form der Verpflichtungsklage erhobene Klagebegehren auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren hat die Kl. in der Revisionsinstanz mit Rücksicht darauf, dass der Bekl. mit Bescheid vom 13. 6. 1997 die gesamten Kabelanschlussgebühren für das Jahr 1996 übernommen hat, umgestellt auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 I 4 VwGO. Darin liegt keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung i.S. des § 142 VwGO, sondern nur eine Beschränkung des bisherigen Verpflichtungsbegehrens ohne Veränderung des Klagegrundes (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 206, und BVerwG, Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4 = NVwZ-RR 1995, 172). Diese Umstellung war zulässig, da sich das Verpflichtungsbegehren der Kl. durch die nachträgliche Übernahme der Kabelanschlussgebühren erledigt hatte, die Kl. aber in Anbetracht der noch unentschiedenen Widerspruchsverfahren für April und Mai 1997 ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Verpflichtung des Bekl. zur Übernahme der Kabelanschlussgebühren hat. Der Reduzierung des Klagebegehrens war durch Anpassung des berufungsgerichtlichen Tenors Rechnung zu tragen.

Die Ansicht des VGH, der Bekl. sei verpflichtet, die der Kl. für Oktober 1996 entstandenen Kabelanschlussgebühren als Kosten der Unterkunft nach § 3 I 1 RegelsatzVO zu übernehmen, verletzt Bundesrecht (§ 137 I Nr. 1 VwGO) nicht. Der VGH hat die laufenden Kosten für den Kabelanschluss im Streitfall nicht - wie das VG - der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern der Unterkunft (§ 12 I 1 BSHG) zugeordnet, für die nach § 3 I 1 RegelsatzVO laufende Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren sind, weil die Kabelanschlussgebühren im konkreten Fall nicht zur Disposition der Kl. gestanden hätten. Das ist aus der Sicht des Bundesrechts nicht zu beanstanden. Zwar kann Fernsehen nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BVerwGE 95, 145 [146] = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 25 = NJW 1994, 2844; BVerwGE 106, 99 [102] = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 40 = NJW 1998, 1967) als akustisch-visuelles Medium zur Information, Bildung und Unterhaltung, das dem Einzelnen ermöglicht, seine Umwelt zu erfahren und am kulturellen Leben teilzuhaben, ein persönliches Bedürfnis des täglichen Lebens (§ 12 I 2 BSHG) sein. Kosten für den Anschluss an technische Einrichtungen - wie hier das Breitbandkabelnetz -, die den Fernsehempfang ermöglichen, sind deshalb in der Regel der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zuzuordnen und sind dann folglich aus den Regelsatzleistungen zu decken (vgl. BVerwGE 95, 145 [146] = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 21 = NJW 1994, 2844). Ausnahmen resultieren aber daraus, dass die „persönlichen“ Bedürfnisse des täglichen Lebens ihrem Wesen nach solche aus freier, selbstbestimmter und -gestalteter, eben „persönlicher“ Lebensführung sind und deshalb die Zuordnung zur Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens ihre Grenze dort findet, wo Bedürfnisse in Rede stehen, die einem Hilfeempfänger von seinem Willen unabhängig entstehen (vgl. BVerwGE 105, 281 [288] = Buchholz 436.0 § 21 BSHG Nr. 12 = NJW 1999, 738). Stehen also Kabelanschlussgebühren nicht zur Disposition des Hilfeempfängers, kann er sie also nicht im Einvernehmen mit dem Vermieter nach einer Kabelanschlusssperre als Mietnebenkosten ausschließen, so gehören sie nicht zu den persönlichen Bedürfnissen des Hilfeempfängers, sondern sind Kosten der Unterkunft (vgl. BVerwGE 100, 136 [138] = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 33 = NJW 1996, 1838). Das tritt am deutlichsten hervor, wenn der Hilfeempfänger kein Fernsehgerät besitzt und auch kein persönliches Bedürfnis nach Fernsehen verspürt, gleichwohl aber eine bestimmte Wohnung nur anmieten bzw. weiter bewohnen kann, wenn er sich zur Zahlung der vom Vermieter verlangten Kabelanschlussgebühren verpflichtet. Nicht anders zu bewerten ist aber auch der Fall, dass der Hilfeempfänger Fernsehgerät und Antenne besitzt und nach den örtlichen Empfangsbedingungen auf den Kabelanschluss nicht angewiesen ist, gleichwohl aber die Kabelanschlussgebühren übernehmen muss, wenn er die Unterkunft erhalten oder behalten will. Im einen wie im anderen Fall stellen sich die Kabelanschlussgebühren als Aufwendungen dar, die dem Hilfeempfänger für Gewinnung oder Erhalt dieser Unterkunft zwangsläufig erwachsen, unabhängig davon, ob die Bereithaltung des Kabelanschlusses und die daraus folgende Möglichkeit der Kabelbenutzung seinem Willen und seinem persönlichen Bedürfnis entspricht, und die deshalb nach § 12 I 1 BSHG und § 3 I 1 RegelsatzVO vom Sozialhilfeträger als tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft zu übernehmen sind. Zwangsläufig in diesem Sinne erwachsen - entgegen der Auffassung des Bekl. - dem Hilfeempfänger Kabelanschlussgebühren auch dann, wenn für ihn im Zuständigkeitsbereich seines örtlichen Trägers der Sozialhilfe eine bedarfsgerechte, sozialhilferechtlich angemessene Unterkunftsalternative ohne Kabelanschlussgebührenlast verfügbar sein sollte. Denn Kabelanschlussgebühren, die vom Vermieter zwingend verlangt werden, stellen einen unausweichlichen Nebenkostenfaktor der konkreten Wohnung dar und dürfen deshalb aus den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Unterkunftskosten nicht herausgerechnet werden. Ob der Hilfebedürftige diese Wohnung anmieten darf oder sich auf eine andere Wohnung verweisen lassen muss, bestimmt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen über die sozialhilferechtliche Angemessenheit der Unterkunftskosten unter Berücksichtigung des Wunschrechts des Hilfebedürftigen nach § 3 II 1 und 3 BSHG (vgl. BVerwGE 97, 110 [112ff.] = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 28 = NVwZ 1995, 1104).

Dass die Kosten der von der Kl. angemieteten Unterkunft (trotz der Kabelanschlussgebühren) den Rahmen des sozialhilferechtlich Angemessenen nicht überstiegen, hat der Bekl. dadurch anerkannt, dass er den ihm vor Vertragsschluss vorgelegten Mietvertrag hinsichtlich der Höhe der Unterkunftskosten nicht beanstandet hat. Dementsprechend ist auch das BerGer. in seinem Urteil davon ausgegangen, zwischen den Beteiligten sei unstreitig, die von der Kl. früher in K. bewohnte Wohnung sei insgesamt, das heißt auch unter Berücksichtigung dieser Nebenkosten, sozialhilferechtlich gesehen angemessen gewesen.

Rechtsgebiete

Sozialrecht