Zurückbehaltungsrecht bei Arbeit in gefahrstoffbelasteten Räumen

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

08. 05. 1996


Aktenzeichen

5 AZR 315/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Beschränkt sich die Gefährdung des Arbeitnehmers darauf, daß er in gefahrstoffbelasteten Räumen arbeitet, kann sich ein Zurückbehaltungsrecht nur aus §§ 273 I, 618 I BGB, nicht aber aus § 21 VI 2 der Gefahrstoffverordnung ergeben (Aufgabe von BAGE 75, 332 = NZA 1994, 610).

  2. Der Arbeitgeber ist nach § 618 I BGB, § 120a GewO, § 62 I HGB verpflichtet, die Arbeitsplätze möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrstoffen zu halten. Dieser Pflicht genügt der Arbeitgeber in aller Regel dadurch, daß er einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, dessen Belastung mit Schadstoffen nicht über das in der Umgebung übliche Maß hinausgeht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kl. wegen der von ihm behaupteten Gesundheitsschädlichkeit seines Arbeitsplatzes berechtigt war, seine Arbeitsleistung zu verweigern, und ob der Bekl. aus diesem Grund die Bezüge des Kl. trotz unterbliebener Arbeitsleistung nachzuzahlen hat. Der 1950 geborene Kl. erlernte den Beruf eines Büromaschinenmechanikers und war anschließend in diesem Beruf tätig. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit hatte er bis zum 20. Lebensjahr mehrere Jahre lang Chemikalienkontakt mit Trichloräthylen und Waschbenzin. Von 1966 bis 1970 litt er an wiederkehrenden Nebenhodenentzündungen. Vom Wehrdienst wurde er wegen Kniegelenksbeschwerden freigestellt. Von 1973 bis 1975 studierte der Kl. Sozialpädagogik. Etwa seit 1977 arbeitet er in diesem Beruf. 1977 hatte der Kl. Linksschenkelblock-Beschwerden. Das ist eine Störung der Reizleitung im Herzen, die bis auf einen arteriellen Bluthochdruck kein organisches Korrellat aufwies. Seit 1979 litt der Kl. an einer Nierensteinkrankheit. Seit dem 1. 4. 1981 arbeitete der Kl. in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiartie R des Bekl. in E.

Ihm wurde dort ein Arbeitszimmer zugewiesen. Seine Tätigkeit beschränkte sich jedoch nicht auf diesen Raum. Nach eigenen Angaben war der Kl. im Rahmen einer 40-Stunden-Woche in den folgenden Räumen tätig: 11 Stunden im Arbeitsraum, 8 Stunden im Arztzimmer, 6,5 Stunden im Besprechungszimmer der Station, 4 Stunden im Ergotherapie-Spielzimmer, 3 Stunden im Psychologenzimer, 2,5 Stunden im Konferenzzimmer und 3 Stunden außerhalb der Klinik. Das Arztzimmer, das Besprechungszimmer und das Psychologenzimmer weisen die gleiche Ausstattung wie das Arbeitszimmer des Kl. auf. Die Tagesräume sind erheblich größer, haben mehr Fenster und Holzleisten an den Zwischenwänden. Ob der Kl. zum Betreten des Ergotherapiezimmers einen dienstlichen Auftrag hatte, ist streitig. Im Sommer 1983 bat der Kl. den Klinikkämmerer S, etwas gegen die Fliegenplage in seinem Arbeitszimmer zu unternehmen. Es handelt sich darum, daß - nicht nur in dem Zimmer des Kl., sondern auch in anderen Räumen der Klinik - immer wieder massenhaft Fliegen auftraten und jeweils nach kurzer Zeit starben. Über ein Wochenende wurde daraufhin mit einem sogenannten KO-Gas das Arbeitszimmer des Kl. ausgegast. Dieses Gas enthält Permethrin und Pyrethrin. Bestimmte Vorsichtsmaßnahmen, wie sie neun Jahre später in einem an den Sachverständigen Dr. G gerichteten Schreiben des Bundesgesundheitsamtes vom 20. 3. 1992 dargestellt worden sind, wurden damals nicht beachtet. 1985 unterzog sich der Kl. in einer Kurklinik einer Kur wegen "Herzbeschwerden bei Linksschenkelblock, labiler Hypertonie, Nierenkelchstein links, Neigung zu Nackenkopfschmerzen, allgemeiner Erschöpfungszustand". 1985 war er außerdem wegen wiederkehrendem Nasenbluten in ärztlicher Behandlung. Im November 1985 und im Mai 1986 wandte sich der Kl. erneut an den Klinikkämmerer wegen des weiterhin auftretenden massenhaften Fliegensterbens. Daraufhin führte der Sicherheitsingenieur des Bekl. am 10. 6. 1986 im Arbeitszimmer des Kl. mit Teströhrchen eine Schadstoffuntersuchung durch, deren Ergebnis in einem Vermerk vom 20. 8. 1986 festgehalten wurde: "Der Teppichboden und sein Kleber lassen Gase austreten (Formaldehyd 0,5 ppm, Aceton etwa 80-100 ppm). Außerdem wirkt der Raum mangelhaft belüftet". Der Sicherheitsingenieur schlug vor, den Teppichboden samt Kleber zu entfernen und gegen schadstoffarme bzw. -freie Produkte auszutauschen. Außerdem regte er an, den Raum öfter und intensiv zu belüften und wegen der Fliegenplage Fliegengitternetze vor dem Fenster anzubringen. Nach seiner Behauptung stellte der Kl. etwa ab 1985 bei sich körperliche Beschwerden fest, nämlich Kopfschmerzen, Hautausschläge und -rötungen sowie -schwellungen, besonders im Gesichtsbereich, aber auch an den Fingern, Mißempfindungen, insbesondere Kribbeln in den Armen und Beinen und auf dem Rücken, Furunkel in Nase und Ohren, Schmerzen im Leberbereich und schlechte Leberwerte, geschwollene Lymphknoten, trockene Schleimhäute in Nase und Mund, Schluckbeschwerden und Brennen in der Brust. Im Juli 1986 war der Kl. bei einem Neurologen in Behandlung wegen "diffusem Schwindelgefühl, und zwar dem Gefühl, seitlich abzutriften". Im Dezember 1986 wurde bei dem Kl. eine Fettleber ersten bis zweiten Grades und eine Gefäßsklerose festgestellt, die in den folgenden Jahren nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Nach dem ärztlichen Gutachten der BfA vom 8. 12. 1986 litt der Kl. "unter Hinterkopfschmerzen bei ausgesprägten Myogelosen" (= Muskelverhärtungen mit Druckschmerzempfindlichkeit) "der Nacken- und Schultermuskulatur", war "starkem beruflichen Streß ausgesetzt" und hatte einen "psycho-physischen Erschöpfungszustand erreicht". Mit Schreiben vom 7. 11. 1986 hatte sich der Kl. nunmehr an die Betriebsleitung der Klinik gewandt und eine Erklärung der Ursachen für das Fliegensterben verlangt. Er bat um Einschaltung des Landesgewerbearztes und der Berufsgenossenschaft und teilte mit, daß er sich in seiner Gesundheit gefährdet fühle. Er sei der Auffassung, daß das, was den Fliegen schade, auch ihn schädige. Hierauf wurde dem Kl. von Ende 1986 bis Januar 1987 ein anderes Dienstzimmer zugewiesen. Außerdem maß am 8. 12. 1986 der Sicherheitsingenieur des Bekl. erneut den Gehalt der Raumluft im Arbeitszimmer des Kl. an Formaldehyd und Aceton und ermittelte diesmal nur noch Werte von 0,0 ppm bzw. 0,1 ppm. Dennoch wurde im Januar 1987 der Teppichboden nebst Kleber im Zimmer des Kl. durch eine PVC-Boden ersetzt. Nachdem der Hausarzt des Kl., Dr. D, einen Zusammenhang der vom Kl. beklagten Hautveränderungen mit seinem Arbeitsplatz vermutet hatte, wurde der Kl. durch den Arbeitsmediziner Dr. S vom Betriebsärztlichen Dienst des Bekl. am 9. 12. 1986 untersucht. Dieser ermittelte bei dem Kl. ein Übergewicht von 10 %, eine Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, Transaminasen im oberen Grenzbereich, ebenso Harnsäure, Cholesterin und Triglyderide erhöht. Einen arbeitsmedizinisch-toxikologischen Zusammenhang zwischen diesen Befunden und dem Arbeitsplatz des Kl. konnte er nicht feststellen. Gleichwohl hielt Herr Dr. S eine Klärung des Fliegensterbens für erforderlich und schlug deswegen eine toxikologische Untersuchung der toten Insekten, eine Prüfung durch einen Desinfektor und eine arbeitsmedizinische Arbeitsplatzbeurteilung vor. Die von dem Bekl. aufgrund weiterer Beschwerden des Kl. wegen des Fliegensterbens eingeschaltete Schädlingsbekämpfungsfirma vertrat mit Schreiben vom 17. 3. 1987 die Auffassung, es sei auszuschließen, daß die Fliegen durch Ausgasungen aus Baustoffen oder Bodenpflegemitteln zu Tode kämen. In der Folgezeit kam der Kl. mit der Interessengemeinschaft der Holzschutzmittelgeschädigten in Berührung und erhielt von dieser Hinweise, daß das Fliegensterben und seine Beschwerden auf Holzschutzmittelinhaltsstoffe wie Pentachlorphenol (PCP), Lindan, Dioxine und Furane zurückzuführen sein könnten. 1988 befand sich der Kl. erneut zur Kur, diesmal wegen "Hypertonus-Nierensteindiathese". Im Januar 1988 machte der Kl. ein Experiment. Er besorgte sich Fliegenlarven und ließ diese in Experimentierkästen in seinem Zimmer ausschlüpfen. Einen Teil der geschlüpften Fliegen ließ der Kl. sodann in seinem Arbeitszimmer frei. Diese waren ohne Ausnahme spätestens nach zwei Tagen tot. Die in den Kästen zurückgebliebenen Fliegen waren hingegen nach acht Tagen noch am Leben. Ein Unbekannter setzte zur gleichen Zeit in dem Arbeitszimmer des Stationsarztes Dr. V ebenfalls etwa 50 Fliegen aus. Auch diese starben alle nach ganz kurzer Zeit. Daraufhin teilte der Bekl. dem Kl. ein anderes Zimmer zu. Noch im Januar 1988 sandte der Kl. der "Ingenieursozietät für Umwelttechnik und Bauwesen" Holzspäneproben von dem Fensterrahmen aus seinem Arbeitszimmer. Die Fensterrahmen des Klinikgebäudes waren 1974 mit Holzschutzmitteln behandelt worden. Die Ingenieursozietät ermittelte daraufhin, die Holzspäne seien mit 119 mg PCP und 14,2 mg Lindan je kg belastet. In dem Gutachten vom 12. 3. 1988 wurde ausgeführt, daß Holz ab einer Belastung von 5 mg PCP bzw. 1,2 mg Lindan je kg als überhöht kontaminiert anzusehen sei. Dort heißt es weiter, im industriellen Produktionsprozeß entstünden regelmäßig technische Verunreinigungen von PCP und Lindan wie Dioxine und Furane, die für den Menschen noch erheblich gefährlicher als PCP und Lindan seien. Gleichzeitig mit den Holzspänen übersandte der Kl. der Ingenieursozietät Blut- und Urinproben von sich zur Untersuchung. Diese ermittelte nach ihrem Gutachten vom 12. 3. 1988 im Blut des Kl. 1,2 Mikrogramm PCP und 10 Nanogramm Lindan je Liter. Die Ingenieursozietät wies hierzu darauf hin, daß als überhöhte Belastung erst ein Wert von 10-20 Mikrogramm PCP bzw. ab 100 Nanogramm Lindan je Liter anzusehen sei. In dem Gutachten wurde weiterhin ausgeführt, daß es sich bei PCP und Lindan mittlerweile um überall vorkommende Schadstoffe handele, die inzwischen jede Person über Nahrung, imprägnierte Textilien, Aufenthalt in belasteten Arbeitsräumen, Gaststätten, öffentlichen Gebäuden usw. in sich aufnehme. Der Bekl. holte seinerseits ein Gutachten des "Instituts Fresenius" über die Belastung von Holzproben von Fenstern aus dem Arbeitsraum des Kl. ein. Fresenius ermittelte einen Gehalt von 600-750 mg PCP und 0,4-3 mg Lindan je kg. In dem Gutachten vom 31. 5. 1988 wurde hierzu ausgeführt, der Gehalt an Lindan sei gering, der an PCP dagegen hoch. Bei einem derart hohen PCP-Gehalt in Holzproben seien generell gesundheitsschädliche Auswirkungen auf die in diesen Räumen lebenden oder arbeitenden Menschen nicht auszuschließen. Ob das beobachtete Fliegensterben mit dem hohen PCP-Gehalt zusammenhänge, könne Fresenius nicht beantworten; dies müsse ein Toxikologe beurteilen. Daraufhin beauftragte der Bekl. das Institut Fresenius mit einer Raumluftmessung von PCP, Lindan und Hausstaub. Die Messung wurde in einem Tagesraum der Klinik am 25. 7. 1988 durchgeführt, in dem nicht nur die Fenster, sondern darüber hinaus auch die Zwischenwände aus Holz waren, das mit Holzschutzmitteln behandelt war. Bei einer Bestimmungsgrenze von 0,2 Mikrogramm je Normkubikmeter für Lindan und 0,5 Mikrogramm je Normkubikmeter für PCP waren diese Stoffe bei der Raumluftmessung nicht nachzuweisen. In dem Gutachten vom 31. 8. 1988 wurde hierzu ausgeführt, daß nach einer Broschüre des Bundesgesundheitsamtes mit dem Titel "Vom Umgang mit Holzschutzmitteln" unterhalb von maximalen Innenraumluftkonzentrationen von 60 Mikrogramm je Kubikmeter für PCP und 4 Mikrogramm je Kubikmeter für Lindan im allgemeinen keine gesundheitlichen Beschwerden mehr auftreten. Weiter untersuchte Frensenius bei einer 4 qcm großen Probe, die aus der Mitte des verwendeten Filters entnommen wurde, die Partikelanzahl und -verteilung des Gesamtstaubes. Dabei wurden keine Mineralfasern gefunden. In einer vom Bekl. nunmehr eingeholten Stellungnahme teilte das Bundesgesundheitsamt unter dem 20. 12. 1988 mit, es halte weitere Messungen für entbehrlich. In Räumen, in denen nur die Fenster mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln behandelt worden seien, liege die Raumluftbelastung mit PCP, Lindan und Dioxin in der Regel im Bereich der üblichen häuslichen Hintergrundbelastung. Am 15. 9. 1988 erstattete das Institut Fresenius im Auftrag des Bekl. ein weiteres Holzprobengutachten aus dem Zimmer des Kl. Dabei wurde bei einer Entnahmetiefe von 0 bis 3 mm PCP mit einem Gehalt von 500 mg je kg nachgewiesen. Lindan war bei einer Bestimmungsgrenze von 0,1 mg je kg nicht feststellbar. Dioxine und Furane wurden im Bereich von Mikrogramm pro kg nachgewiesen. Der Kl. übersandte das obige Gutachten zusammen mit dem Raumluftgutachten des Instituts Fresenius der Ingenieursozietät zur Beurteilung. Diese vertrat in ihrer Stellungnahme vom 17. 10. 1988 die Auffassung, angesichts der starken PCP-Belastung des Holzes sowie der nachgewiesenen Dioxin- und Furanwerte müsse eine überhöhte Kontamination der Raumluft mit Dioxinen und Furanen in Betracht gezogen werden. Da die Hölzer schon vor mehr als zehn Jahren eingebracht worden seien, müsse damit gerechnet werden, daß die langlebigen Dioxine und Furane seit dieser Zeit ausgasten und sich über die Raumluft und den Hausstaub an Möbeln, Teppichen, Tapeten usw. anlagerten und einerseits diese kontaminierten, andererseits von diesen Gegenständen wieder erneut in die Atemluft diffundierten. Unter Hinweis auf diese Stellungnahme äußerte der anwaltliche Vertreter des Kl. mit Schriftsatz vom 2. 11. 1988 gegenüber dem Bekl. die Meinung, daß der Arbeitsplatz des Kl. gesundheitsschädlich sei. Er setzte dem Bekl. eine Frist bis zum 30. 11. 1988, um für einen gesundheitsunschädlichen Arbeitsplatz des Kl. zu sorgen, und kündigte an, daß der Kl. sich andernfalls nach Fristablauf auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufe, aber weiterhin seine Arbeitskraft für einen gesundheitsunschädlichen Arbeitsplatz anbiete. Der Bekl. lehnte unter dem 29. 11. 1988 ein Leistungsverweigerungsrecht des Kl. ab unter Berufung auf das Raumluftgutachten des Instituts Fresenius vom 31. 8. 1988 und die Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes, nach der sich eine weitere Untersuchung erübrige. Daraufhin erschien der Kl. ab 1. 12. 1988 nicht mehr zur Arbeit; der Bekl. stellte die Zahlung der Bezüge ein. Nach dem 1. 12. 1988 bot der Kl. dem Bekl. an, seine Tätigkeit für die Klinik R künftig ambulant zu verrichten. Dies lehnte der Bekl. ab, weil die Arbeit des Kl. ohne dessen ständigen Kontakt mit dem Therapie-Team nicht durchführbar sei. Der Bekl. hatte in seinen Anstalten in W. und R. je eine feste Stelle für einen Sozialarbeiter. Er schlug dem Kl. Anfang 1989 und danach wiederholt vor, sich in diesen Anstalten für eine Versetzung des Kl. einzusetzen. Das lehnte der Kl. ab, da er die Verlängerung seines Arbeitsweges, die mit einer Versetzung an diese Kliniken verbunden gewesen wäre, für nicht annehmbar hielt. In der Folgezeit ließ der Bekl. von dem "Institut für mobile Arbeitsmedizin Pima" das Gutachten beurteilen, das die Ingenieursozietät über die Blut- und Urinproben des Kl. erstattet hatte. Das Pima-Institut stellte in seinem Gutachten vom 27. 2. 1989 fest, der Kl. weise in seinem Blut eine Konzentration von PCP und Lindan auf, die dem Bevölkerungsdurchschnitt entspreche. Weitergehende Untersuchungen seien überflüssig. Ferner holte der Bekl. bei dem von Prof. L geleiteten "Institut für Arbeits- und Sozialmedizin" der Universität Erlangen ein Gutachten darüber ein, ob bei dem Kl. eine Gesundheitsgefährdung durch Holzschutzmittel bzw. deren Inhaltsstoffe vorliege. In dem Gutachten vom 13. 4. 1989 wurde die Auffassung vertreten, daß der Grad der beruflichen Gefährdung besonders von der Konzentration eines Gefahrstoffes in der Arbeitsatmosphäre abhänge. Insoweit seien hauptsächlich die Meßergebnisse von PCP und Lindan in der Raumluft bedeutsam, die deutlich unter den damals vom Bundesgesundheitsamt vorgeschlagenen maximalen Innenraumkonzentrationen und in noch stärkerem Maße unter den - damals gültigen - maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werten) lägen. Unter diesen Umständen sei auch eine relevante Innenraumbelastung mit möglichen Holzschutzmittelverunreinigungen wie Dioxinen und Furanen ausgeschlossen. Die geringe, eindeutig im Normbereich beruflich nicht exponierter Personen liegende innere Belastung des Kl. werde auch durch seine völlig normalen Blut- und Urinwerte für PCP und Lindan bestätigt. Im Frühjahr 1989 ließ sich der Kl. von den Ärzten F und Dr. B nach der sog. SPECT-Methode (SPECT - Single Photon Emission Computed Tomography) auf Gesundheitsschädigungen durch PCP-haltige Holzschutzmittel untersuchen. Nach dem darauf erstatteten Gutachten vom 6. 5. 1989 geht die SPECT-Methode davon aus, daß die Exposition mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln zu einer neuro-toxischen Verminderung des Blutflusses im Gehirn führt, die im Wege der Kernspintomographie sichtbar gemacht werden kann. Hauptwirkort der Schädigung sei die sog. Blut-Hirn-Schranke. Von einer merklichen pathologischen Verminderung des Blutflusses im Gehirn sei bei einer Abweichung vom Normalwert von +/- 10 % auszugehen. Bei der Untersuchung des Kl. nach dieser Methode wurde eine Verminderung des Blutflusses im präzentralen Cortex um 7 % und im partietalen Cortex um 5 % festgestellt. Dieser Befund wurde als "nicht signifikant" bezeichnet. Dessen ungeachtet kam das Gutachten zu dem Ergebnis, es bestehe "kein Zweifel - wegen fehlender anderer Ursachen (genetischer Art, biologischer Herkunft) an die Bedingtheit der Schädigung des zentralen Nervensystems des Herrn Z durch die Inhalation von Löse- und Holzschutzmitteln". In dem Gutachten der Ärzte F und Dr. B wurde im übrigen für eine neuro-toxikologische Abklärung der Neuro-Toxikologe Prof. Dr. A empfohlen. Der Kl. war in der Zeit vom 1. 12. 1988 bis zum 22. 4. 1990 abgesehen von einer kurzzeitigen anderweitigen Beschäftigung arbeitslos. An Bezügen entgingen ihm 61363,35 DM brutto. Der Kl. erwirkte im Wege der einstweiligen Verfügung Arbeitsentgelt in Höhe von 4359,16 DM netto und erhielt für die übrige Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von 21887,40 DM. Seit dem 23. 4. 1990 wird der Kl. als Sozialarbeiter in der Notaufnahme des Bekl. in W. beschäftigt. Im Juli 1991 wurde der Kl. auf Veranlassung des Gemeindeunfallversicherungsverbandes in der neurologischen Abteilung des Krankenhauses S stationär darauf untersucht, ob bei ihm eine Berufskrankheit auf neurologischem oder neurotoxikologischem Gebiet vorliege. Der Gutachter Prof. Dr. A stellte in seinem Gutachten vom 2. 12. 1991 hierzu zusammenfassend fest, bei dem Kl. liege keine chronische neuro-toxische Erkrankung durch PCP, Lindan und deren Verunreinigungen vor. Die von den Ärzten F und Dr. B angewandte SPECT-Methode wurde von Prof. Dr. A dahin kommentiert, daß diese Methode nicht zum üblichen Instrumentarium einer neurotoxikologischen Untersuchung gehöre, von radiologischen und neuroradiologischen Experten nicht als neurotoxikologische Screening-Methode eingesetzt werde und keine zum Nachweis von Holzschutzmittelvergiftungen geeignete Analysemethode sei. Außerdem hätten F und Dr. B selbst die von ihnen beim Kl. gefundenen Ergebnisse als normal bezeichnet. Des weiteren führte der Gutachter Prof. Dr. A aus, er sei der Überzeugung, bei dem Kl. habe ein Krankheitsbild vorgelegen, das als "Sick-Building-Syndrom" (im folgenden SBS) bezeichnet werde. Darunter verstehe man ein Krankheitsbild, bei dem es in geschlossenen Räumen zu Überempfindlichkeit gegenüber häufig nicht genau identifizierten Schadstoffen komme. Es handele sich nicht um hysterische oder psychogene Störungen, sondern um nachvollziehbare Gesundheits- bzw. Befindlichkeitsstörungen, die teilweise ganze Kollektive in Großraumbüros oder anderen Neubauten beträfen. Es liege damit eine an den Arbeitsraum gebundene Befindlichkeitsstörung vor, die als Berufskrankheit zu werten sei. Schließlich ließ sich der Kl. Anfang 1992 in der Allergieklinik V untersuchen. In deren schriftlichem Gutachten vom 20. 2. 1992 sind als "Hauptbeschwerden" bezeichnet: "Pelziges Gefühl an Oberarmen und Rücken, Kopfschmerzen, Augenbrennen, Beklemmungsgefühl und Brennen in der Brust, Luftnot, Müdigkeit, Unruhe, Schleimhauttrockenheit mit Schluckbeschwerden (Kloßgefühl)". "Als wesentlicher ursächlicher Faktor für das Beschwerdebild (sei) die chronische Chemikalienbelastung des Kl. zu sehen". Die Tatsache, daß die Blutuntersuchung auf PCP keine wesentliche Belastung ergeben habe, erkläre sich daraus, daß bei schwer belasteten Personen durch die Leber ein vermehrter Abbau von PCP ermöglicht werde, jedoch schon vorher eine toxische Schädigung stattgefunden habe. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kl. den Bekl. auf Zahlung seines Verdienstausfalls aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs in Anspruch. Er hat vorgetragen: Ihm habe für die Zeit vom 1. 12. 1988 bis zum 22. 4. 1990 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zugestanden. Sein Arbeitsplatz in der Klinik sei gesundheitsgefährdend gewesen. Seine seit 1985 aufgetretenen Beschwerden seien auf diesen Arbeitsplatz zurückzuführen. Sie seien immer nur während des Aufenthalts in der Klinik aufgetreten und schlagartig an Wochenenden und besonders während der Urlaube zurückgegangen. Seit seiner Beschäftigung in W. ab April 1990 sei er beschwerdefrei.

Das ArbG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das LAG hat nach erneuter Beweisaufnahme die Berufung des Kl. gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen Antrag weiter. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. hat keinen Vergütungsanspruch nach § 615 S. 1 BGB. Die Bekl. befand sich nicht in Annahmeverzug; dem Kl. stand kein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu.

A. Das LAG hat das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 21 VI der Gefahrstoffverordnung (im folgenden: GefStoffVO) und § 273 I BGB mit folgender Begründung verneint.

Es sei nicht bewiesen, daß der Arbeitsplatz des Kl. in der Klinik R gesundheitsschädlich gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Arbeitsplatz mit keinem der in Frage kommenden Schadstoffe in einem die Gesundheit des Kl. gefährdenden Ausmaß belastet gewesen. Ein Zurückbehaltungsrecht bestehe dann nicht, wenn sich die Gefahrstoffkonzentration am Arbeitsplatz im Rahmen der überall anzutreffenden Belastung halte. Wegen der Belastung der Raumluft am Arbeitsplatz mit PCP, Lindan, Dixoinen und Furanen habe der Kl. seine Arbeitskraft schon deshalb nicht zurückbehalten dürfen, weil diese Stoffe entweder nicht nachweisbar gewesen seien oder sich im Rahmen der ubiquitären Belastung gehalten hätten. Eine Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln in einem über die normale Belastung hinausgehenden Maße habe der Kl. auch nicht durch die eingereichten medizinischen Gutachten nachgewiesen. Der Kl. habe auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle. Zum einen habe sich der Kl. darauf erst nachträglich berufen, zum anderen könne von einer relevanten Belastung mit den genannten Stoffen nicht die Rede sein. Der Kl. könne sein Zurückbehaltungsrecht auch nicht darauf stützen, daß er an einem sog. Sick-Building-Syndrom (SBS) gelitten habe. Davon könne trotz der dahingehenden Diagnose des Gutachters Prof. Dr. A nicht ausgegangen werden. Dieser stelle entscheidend darauf ab, daß die Beschwerden des Kl. an seiner Anwesenheit am früheren Arbeitsplatz gebunden gewesen seien. Gerade das sei aber wegen der vom Kl. bei späteren Untersuchungen angegebenen Beschwerden sehr zweifelhaft. Der Kl. habe somit weder gewichtige Indizien für die behauptete Gesundheitsschädlichkeit seines Arbeitsplatzes noch gar einen Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht. Die Rechtsansicht des Kl., nicht er habe den Ursachenzusammenhang zwischen seinen Beschwerden und dem Arbeitsplatz nachzuweisen, sondern die Bekl. habe nachzuweisen, daß kein solcher Zusammenhang bestehe, treffe nicht zu. Dem ist im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen.

B. Allerdings kommt ein Zurückbehaltungsrecht nach § 21 VI 2 GefStoffV schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

I. § 21 VI 2 GefStoffV gibt dem einzelnen Arbeitnehmer das Recht, die Arbeit zu verweigern, wenn durch die Überschreitung bestimmter Konzentrations- oder Toleranzwerte eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 2. 2. 1994 (BAGE 75, 332 = NZA 1994, 610 = AP Nr. 4 zu § 273 BGB) entschieden, daß die genannte Vorschrift schon dann anwendbar ist, wenn das Gebäude, in dem gearbeitet wird, Gefahrstoffe enthält. Diese Entscheidung hat in der Literatur überwiegend Kritik erfahren (Wank, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 273 BGB = NZA 1994, 610; Borchert, NZA 1995, 877; Molkentin/Müller, NZA 1995, 873; Mummenhoff, SAE 1995, 67; Schmidt, BB 1994, 1865; zust. dagegen Meyer, AiB 1994, 509; Schwab, Anm. zu AR-Blattei ES 200, Nr. 2; Schölzel, DB 1994, 98; Bücker, Zeitschrift f. Umweltrecht 1994, 202). Der Senat hält an dieser Auffassung nach erneuter Überprüfung nicht mehr fest. Die auf der Grundlage des Chemikaliengesetzes und anderer Gesetze erlassene Gefahrstoffverordnung sieht in ihrem Fünften Abschnitt, zu dem auch § 21 gehört, "allgemeine Umgangsvorschriften für Gefahrstoffe" vor. Gem. § 2 III 1 GefStoffV gelten die §§ 15a bis 15e GefStoffV und der Fünfte Abschnitt "für den Umgang mit Gefahrstoffen einschließlich Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich". Unter "Umgang" versteht § 3 II GefStoffV "das Herstellen, Gewinnen oder Verwenden i.S. des § 3 Nr. 10 Chemikaliengesetzes". § 10 Nr. 10 ChemG definiert "Verwenden" als "Gebrauchen, Verbrauchen, Lagern, Aufbewahren, Be- und Verarbeiten, Abfüllen, Umfüllen, Mischen, Entfernen, Vernichten und innerbetriebliches Befördern".

II. Der Wortlaut der genannten Bestimmungen läßt für sich allein zwar auch die Auslegung zu, daß es genügt, wenn der Arbeitnehmer in schadstoffbelasteten Räumen arbeitet. Aus Sinn und Zweck der Gefahrstoffverordnung und der Entstehungsgeschichte ergibt sich jedoch etwas anderes. Die Gefahrstoffverordnung will den Arbeitnehmer vor arbeitsspezifischen Gefahren schützen, nicht aber vor den Gefahren, die jedem Menschen drohen. Neben dem eigentlichen Umgang sollen die Tätigkeiten erfaßt sein, die zwar kein Umgang im definierten Sinne sind, die aber im Gefah-

renbereich des Umgangs erfolgen. Die §§ 15a bis 15e GefStoffV und der Fünfte Abschnitt der Gefahrstoffverordnung schützen daher auch den Arbeitnehmer, der in der Nähe eines anderen tätig wird, der selbst mit Gefahrstoffen umgeht, dagegen nicht den Arbeitnehmer, der in belasteten Gebäuden arbeitet (Wank, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 273 BGB = NZA 1994, 610).

Die Entstehungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. In der Begründung der Bundesregierung zu § 3 GefStoffV heißt es, daß unter "Verwenden" im Sinne dieser Vorschrift nicht die Nutzung von bestehenden Gebäuden, die Gefahrstoffe enthalten, gemeint ist. Die Verwendungsbeschränkungen der Verordnung umfaßten nicht das Belassen der Gefahrstoffe in bestehenden Gebäuden; ein Sanierungsgebot werde nicht ausgelöst (BR-Dr 200/93, S. 96ff. (104)). Daraus läßt sich schließen, daß der Verordnungsgeber die Arbeit oder den Aufenthalt in belasteten Räumen nicht als eine Art des Umgangs mit Gefahrstoffen ansah. Dieselbe Auffassung vertritt auch der Ausschuß für Gefahrstoffe in den von ihm aufgestellten Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). So heißt es in der durch Beschluß vom 18./19. 5. 1995 neugefaßten TRGS 101 "Begriffsbestimmungen", daß i.S. von § 15a und § 15b GefStoffV Beschäftigte dann "einem Gefahrstoff ausgesetzt (sind), wenn eine über die ubiquitäre Luftverunreinigung ("Hintergrundbelastung") hinausgehende Exposition vorliegt" (BArbBl 7-8/1995, 53). Die §§ 15a bis 15e GefStoffV und der Fünfte Abschnitt der Gefahrstoffverordnung sind daher nur auf Personen anwendbar, die selbst mit Gefahrstoffen umgehen oder dadurch Gefahrstoffen ausgesetzt sind, daß andere in ihrer Gegenwart damit umgehen. Sie sind nicht anwendbar, wenn sich die Gefährdung darauf beschränkt, daß jemand in belasteten Räumen arbeitet oder sich dort aufhält. Damit fällt die frühere Tätigkeit des Kl. in der Klinik R nicht unter den Anwendungsbereich des Fünften Abschnitts der Gefahrstoffverordnung. Der Kl. ging selbst nicht mit Gefahrstoffen um und wurde auch nicht in deren Gefahrenbereich tätig.

C. Ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273 I, 618 I BGB ist nicht gegeben, weil sich der Arbeitsplatz des Kl. nach den Feststellungen des LAG nicht in einem ordnungswidrigen Zustand befand. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

I. Seiner Pflicht aus § 618 I BGB genügt der Arbeitgeber in aller Regel dadurch, daß er einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, dessen Belastung mit Schadstoffen nicht über das in der Umwelt sonst übliche Maß hinausgeht.

1. Nach § 618 I BGB hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit nur insoweit, "als die Natur der Dienstleistung es gestattet". Damit ist nichts anderes gemeint als die "Natur des Betriebs", wie es in den gleichbedeutenden § 120a GewO und § 62 I HGB heißt. Aus den genannten Bestimmungen folgt die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitsplätze möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrstoffen zu halten. Diese Pflicht ist aber durch die Ubiquität, also durch das allgemeine Vorhandensein dieser Stoffe in der Umwelt begrenzt. Insoweit kann vom Arbeitgeber in der Regel nicht verlangt werden, am Arbeitsplatz günstigere Bedingungen zu schaffen. Meist wird er dazu auch gar nicht in der Lage sein. Das Arbeitsschutzrecht soll die Arbeitnehmer vor erhöhten Gefahren schützen, die ihnen durch die Arbeit drohen, nicht aber gegen das allgemeine Lebensrisiko aller Menschen. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 2. 2. 1994 (BAGE 75, 332 = NZA 1994, 610 = AP Nr. 4 zu § 273 BGB) zu § 21 VI 2 GefStoffV eine andere Auffassung vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Auch das Zurückbehaltungsrecht nach dieser Vorschrift verlangt, daß die Gefahr für Leben oder Gesundheit durch die Überschreitung bestimmter Konzentrationen oder Toleranzwerte besteht. Die Kausalität zwischen der Überschreitung dieser Werte und der Gesundheitsgefährdung ist aber zu verneinen, wenn sich die Gefahrstoffbelastung im Rahmen der üblichen Umweltbelastung hält.

2. Das LAG hat festgestellt, daß der Arbeitsplatz des Kl. weder mit den Inhaltsstoffen PCP-haltiger Holzschutzmittel, noch mit Pyrethroiden, noch mit Formaldehyd oder Glaswolle in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß belastet war. Eine Belastung mit PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen lasse sich entweder nicht nachweisen oder halte sich jedenfalls im Rahmen der ubiquitären Belastung. Auch von einer relevanten Belastung des Arbeitsplatzes mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle könne keine Rede sein. Die Angriffe der Revision gegen diese Beweiswürdigung greifen nicht durch. Die vom BerGer. vorgenommene Beweiswürdigung - genauer: Die Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme (§ 286 I ZPO) - ist durch das RevGer. nur beschränkt überprüfbar, nämlich nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen von § 286 ZPO. Das bedeutet: Der erkennende Senat kann lediglich überprüfen, ob das LAG den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt hat, ob es alle erhobenen Beweise gewürdigt hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG, NZA 1992, 411 = AP Nr. 10 zu § 14 MuSchG1968 = EzA § 14 MuSchG 1968 Nr. 10).

a) Die Würdigung der Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. X vom 26. 3. 1991 und 28. 1. 1993 sowie seiner mündlichen Vernehmung vor dem LAG ist nicht zu beanstanden.

Die Revision rügt, daß der von Dr. X zu Dioxinen und Furanen festgestellte Summenwert von 2,71 Pikogramm/cbm über den entsprechenden Außenluftwerten liege und das LAG deshalb von falschen Tatsachen ausgegangen sei. Das trifft jedoch nicht zu. Das LAG hat ausgeführt, es handele sich bei dem Wert von 2,71 Pikogramm/cbm um einen Summenwert, der nach der Aussage des Gutachters ohne wesentliche Bedeutung für die Luftbelastung sei. Entscheidend sei der toxische Äquivalenzwert, bei dem die einzelnen gemessenen Dioxine und Furane entsprechend dem Grad ihrer Giftigkeit gewichtet würden. Der danach gemessene toxische Äquivalenzwert von 0,04 Pikogramm/cbm liege deutlich unter der durchschnittlichen Außenluftbelastung. Gegen diese Beurteilung hat die Revision Einwände nicht vorgebracht. Bezogen auf die Raumluftbelastung mit PCP und Lindan hat sich das LAG ebenfalls auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. X gestützt, der bei einer Nachweisgrenze von 10 Nanogramm keine PCP- und Lindanbelastung feststellte. Unter Heranziehung des vom Kl. überreichten Gutachtens der Ingenieursozietät vom 2. 11. 1989 hat es dazu ausgeführt, daß Werte unter 10 Nanogramm/cbm im unteren Normalbereich liegen. Dabei hat das LAG als Vergleichsmaßstab nicht die normale Außenluftbelastung herangezogen, sondern die Belastung von Innenräumen, in denen keine sichtbaren PCP-Quellen vorhanden sind. Nach der vom Kl. vorgelegten Übersicht der Ingenieursozietät bewegt sich die Luftbelastung in solchen Räumen zwischen 0,4 und 30 Nanogramm/cbm. Die Heranziehung nicht erkennbar belasteter Innenräume als Ubiquitätsmaßstab ist nicht zu beanstanden. Soweit die Revision darauf verweist, daß der Sachverständige Dr. X als Physiker/Chemiker nach eigener Aussage die gesundheitliche Schädlichkeit der von ihm gemessenen Werte beurteilen könne, ist dies unbeachtlich. Denn das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts setzt die Überschreitung der Ubiquitätswerte voraus. Eine Begutachtung, ob die Gesundheit auch bei Einhaltung der ubiquitären Belastungswerte gefährdet ist, war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

b) Es ist nicht zu beanstanden, daß das LAG neben der Raumluftmessung zusätzliche Untersuchungen des Hausstaubs und der Fliegen nicht für erforderlich hielt. Es hat sich dabei auf die Vernehmung des Sachverständigen Dr. X und einen Aufsatz von Krause gestützt (Wirkstoffe von Holzschutzmitteln im häuslichen Bereich, in: Aurand u.a., Luftqualität in Innenräumen, 1982, S. 309). Danach sind Hausstaubuntersuchungen lediglich für bloße Screening-Zwecke zu empfehlen, da die Raumluftmessung regelmäßig die feinere Ermittlungsmethode sei. Die toxikologische Untersuchung der im Arbeitszimmer des Kl. abgestorbenen Fliegen sei überflüssig, da sie allenfalls die Belastungswerte der Raumluft widerspiegeln könne. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.

Soweit die Revision darauf hinweist, daß eine Kontamination mit Holzschutzmitteln auch durch Öffnen und Schließen der Fenster eintreten könne, hat sich das LAG in nicht zu beanstandender Weise der Auffassung des Sachverständigen Dr. X angeschlossen. Dieser hatte erklärt, daß der Hautkontakt, der durch Berühren von Fensterrahmen beim Öffnen und Schließen der Fenster entstehe, für eine Kontamination zu vernachlässigen sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den beiden u.a. von Gebefügi verfaßten wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Oberflächenanreicherung von halogenierten Verbindungen in Innenräumen, in: Halogenierte organische Verbindungen in der Umwelt, VDI-Berichte 745, Bd. I S. 503; und: Anreicherung von Bioziden in Innenräumen, in: Schadstoffbelastung in Innenräumen, Bd. 19 der Schriftenreihe der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN, S. 229) und den über ihn verfaßten Artikel in einer Tageszeitung, die vom Kl. eingereicht wurden.

Dr. Gebefügi und andere haben festgestellt, daß sich bestimmte Schadstoffe der Luft auf Oberflächen von Textilien und dadurch auch im Hausstaub anreichern und die Exposition, die durch den intensiven Hautkontakt mit Körpertextilien und Hausstaub verursacht wird, für die Bewohner der Innenräume wesentlich höhere Werte als die Exposition mit der belasteten Innenraumluft erreicht. Zur Kontamination durch Berühren von belasteten Holzteilen nehmen die Veröffentlichungen nicht Stellung. Im übrigen liegt es nach diesen Untersuchungsergebnissen auch fern, daß es schon durch das gelegentliche Berühren von belasteten Fensterrahmen anläßlich des Öffnens der Fenster zu erheblichen Kontaminationen kommt. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das LAG angesichts der Aussage des Sachverständigen Dr. X von einer Vernehmung der Zeugin Z abgesehen hat. Damit hätte der Kl. den Beweis dafür, daß das Berühren der Fenster seines Arbeitszimmers für ihn gesundheitsschädlich war, nicht führen können.

c) Das Urteil des LAG hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kl. habe eine über das normale Maß hinausgehende Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln auch nicht durch die eingereichten medizinischen Gutachten bewiesen. Das LAG ist dem Gutachten von Prof. Dr. A gefolgt, das dieser nach einem stationären Aufenthalt des Kl. in der neurologischen Abteilung des Krankenhaus S erstellt hat. Danach besteht das klassische Spektrum einer PCP- und einer Lindanvergiftung aus einer Kombination von Hautveränderungen (Chlorakne mit Hepatopathien), peripher-neurogenen Störungen im Sinne einer Polyneuropathie, myotoxischen Störungen und einer schwer faßbaren Encephalopathie; außerdem besteht ein erhöhtes Malignomrisiko. Keine dieser Krankheiten habe sich bei dem Kl. feststellen lassen. Entgegen der Auffassung der Revision beziehen sich diese Feststellungen sowohl auf den Zeitpunkt der Untersuchung als auch auf die damalige Zeit, als der Kl. noch in der Klinik R arbeitete. Soweit das LAG dem vom Kl. vorgelegten Gutachten des Arztes F vom 6. 5. 1989 nicht folgte, liegt hierin entgegen den Angriffen der Revision keine gesetzwidrige Beweiswürdigung.

Der Arzt F hatte den Kl. nach der sog. SPECT-Methode untersucht und war zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe kein Zweifel an der Bedingtheit der Schädigung des zentralen Nervensystems des Kl. durch die Inhalation von Löse- und Holzschutzmitteln. Dem ist das LAG aus zwei Gründen nicht gefolgt: Zum einen gehöre die SPECT-Methode nicht zum üblichen Instrumentarium einer neurotoxikologischen Untersuchung. Zum anderen bewegten sich die von F nach der SPECT-Methode festgestellten Ergebnisse (eine um 7 % bzw. 5% verringerter Blutfluß im Cortex) innerhalb des von dieser Methode selbst vorgegebenen Normalbereiche, nach welchem eine Verminderung des Blutflusses um 10 % als pathologisch gelte. Selbst wenn die SPECT-Methode mittlerweile wissenschaftlich anerkannt sein sollte, wie die Revision meint, bleibt dieser Widerspruch zwischen den Meßergebnissen und den Schlußfolgerungen des Arztes bestehen. Die Ansicht des BerGer., daß das Gutachten deshalb unbrauchbar ist, ist daher nicht zu beanstanden.

d) Zu Recht ist das LAG ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kl. ein Zurückbehaltungsrecht auch nicht auf die behauptete Gesundheitsschädlichkeit seines früheren Arbeitsplatzes wegen einer angeblichen Belastung mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle stützen kann. Es hat ausgeführt, der Kl. könne die vorgenannten Belastungen schon deshalb nicht anführen, weil er sich darauf erst nach der Wiederaufnahme seiner Arbeit in dem Krankenhaus berufen habe. Die Kritik der Revision an der Rechtsauffassung des LAG ist unerheblich. Denn das LAG hat festgestellt, daß bereits die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Zurückbehaltungsrechts nicht vorliegen. Es hat ausgeführt, daß von einer relevanten Belastung des Arbeitsplatzes mit den genannten Stoffen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme keine Rede sein könne. Zu der Frage, ob der Kl. durch das im Sommer 1983 zur Insektenvertilgung verwendete "KO-Gas" erkrankte, ist das LAG nicht dem Distanzgutachten von Prof. M gefolgt, der aus den Beschwerden des Kl. lediglich einen Verdacht auf eine chronischen Pyrethroid-Intoxination ableitete, sondern dem Gutachten von Prof. A, das nach stationärem Aufenthalt des Kl. der von ihm geleiteten Klinik erstellt wurde, und zu dem Ergebnis kam, daß beim Kl. gerade keine neurotoxikologische Erkrankung vorlag.

3. Dem LAG ist weiter darin zu folgen, daß der Kl. ein Zurückbehaltungsrecht auch nicht auf den bei ihm diagnostizierte Sick-Building-Syndrom (SBS) stützen kann.

a) Nach Gagelmann und Fonfara (in Klinisches Labor 1992, 447ff.) gibt es in jedem größeren Gebäude einen gewissen Anteil von Personen, die über die verschiedensten unspezifischen Beschwerden klagen. Sie träten in der Regel wenige Stunden nach dem Betreten des Gebäudes auf und schwächten sich ab oder verschwänden völlig, wenn das Gebäude verlassen werde. Der Anteil dieser Personen liege nach Schätzungen "normalerweise" zwischen 10 und 20 %. Ein Pegel von 15 % Befindlichkeitsstörungen werde nach der derzeitigen Meinung als sog. "Grenzwert" angesehen, oberhalb dessen ein Gebäude als "sick" (krank) definiert werde. Als Ursachen würden neben interindividuellen Empfindlichkeiten (Vorschädigungen) und der Zeitdauer der Exposition vor allem die Mischexpositionen diskutiert. Die Ursache für SBS könnten multifaktoriell sein. Physikalische (Temperatur, relative Luftfeuchte, Lüftungsrate, Beleuchtung, Schall, Ionen usw.), chemische (Schwebestäube wie z.B. Tabakrauch, anorganische Gase, flüchtige organische Verbindungen aus Reinigungs- und Klebemitteln, Biozide, Gerüche usw.) und biologische Ereignisse (Bakterien, Pilze usw.) könnten SBS auslösen. Psychische Faktoren könnten die Problematik verstärken bzw. unterstützen (Überlastungen, Streß, Bildschirmarbeiten, Massenhysterie). Es ist schon fraglich, ob ein SBS überhaupt zu einem Zurückbehaltungsrecht führen kann, wenn - wie hier - die Belastung der Arbeitsumwelt mit Schadstoffen das für Innenräume übliche Maß nicht überschreitet. Das kann jedoch zugunsten des Kl. unterstellt werden.

b) Das LAG hat ausgeführt:

Ob der Kl. an einem SBS gelitten habe, erscheine trotz der diesbezüglichen Diagnose von Prof. Dr. A keineswegs sicher. Der Gutachter stelle entscheidend darauf ab, daß die Beschwerden des Kl. an seiner Anwesenheit am früheren Arbeitsplatz gebunden gewesen seien. Der Kl. habe zwar vorgetragen, die Beschwerden seien schlagartig zurückgegangen, wenn er sich nicht an seinem damaligen Arbeitsplatz aufgehalten habe. Er habe ferner vorgetragen, er sei seit seiner neuen Beschäftigung in W. nicht mehr krank. Anfang 1992 habe er dagegen bei einer Klinikuntersuchung ähnliche Beschwerden wie zuvor angegeben. Diesen Widerspruch habe der Kl. nicht erklären können. Im übrigen habe das Gutachten keine Feststellungen darüber getroffen, daß in der Klinik R der Grenzwert von 15 % gesundheitsgestörter Personen erreicht bzw. überschritten gewesen sei.

Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das LAG hat - wie es § 286 I ZPO vorschreibt - das Ergebnis der Beweisaufnahme auch insoweit nicht isoliert, sondern "unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen" gewürdigt (vgl. Senat, NZA 1986, 284 = NJW 1986, 1567 = AP Nr. 42 zu § 63 HGB (zu II 2)). Es hat daher den vielfach wechselnden Vortrag des Kl. vor Gericht und bei ärztlichen Untersuchungen über seinen späteren Gesundheitszustand in seine Überzeugungsbildung einbezogen. Die Revision macht geltend, das BerGer. habe das Vorbringen des Kl. zu seinem späteren Gesundheitszustand zu Unrecht als widersprüchlich angesehen. Der Kl. habe sein Vorbringen nur dahin "ergänzt", daß sein Körper durch jahrelange Expostition übersensibilisiert sei und daher die Beschwerden immer dann aufträten, wenn er holzschutzmittelbelastete Räume betrete. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LAG hat der Kl., vom Gericht auf seine widersprüchlichen Äußerungen hingewiesen, zunächst erklärt, die in dem Bericht der Veramed-Klinik aufgeführten "Hauptbeschwerden" seien keine damals aktuell vorhandenen Beschwerden gewesen, sondern die in der Vergangenheit bis einschließlich 1988 von ihm beobachteten Störungen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hat der Kl. mitgeteilt, inzwischen sei sein Körper so sensibilisiert, daß die im Veramed-Gutachten genannten "Hauptbeschwerden" ihn auch heutzutage noch oft heimsuchten, und zwar häufig ganz plötzlich ohne erkennbare Ursache. Zu Recht hat es das LAG unter diesen Umständen als unverständlich bezeichnet, daß der Kl. in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, er sei seit April 1990 "ohne jegliche Gesundheitsstörungen". Da sonach bereits erhebliche Zweifel daran bestehen, daß die Beschwerden des Kl. überhaupt mit seinem damaligen Arbeitsplatz in der Klinik R zusammenhängen, kann dahinstehen, ob aufgrund der Untersuchung eines einzelnen Patienten ohne eigene Kenntnis von dem Gebäude überhaupt ein Sick-Building-Syndrom und damit auch der Zustand eines Gebäudes diagnostiziert werden kann.

c) Die Beweiswürdigung des LAG ist entgegen der Revision auch nicht deshalb zu beanstanden, weil es ohne bessere Sachkunde von einem Sachverständigengutachten abgewichen wäre (vgl. BGH, NJW 1989, 2948). Denn die Abweichung betrifft nicht das Fachwissen des Sachverständigen und seine Wertungen, Schlußfolgerungen und Hypothesen, sondern die zugrundeliegenden Tatsachen. Deren Feststellung obliegt aber dem Gericht, es sei denn, daß bereits hierfür die dem Gericht fehlende besondere Sachkunde in Anspruch genommen werden muß (BGHZ 37, 389 = NJW 1962, 1770). Das ist hier nicht der Fall.

d) Soweit schließlich die Revision ein Überraschungsurteil darin sieht, daß das LAG einen Grenzwert von 15 % der in einem Gebäude tätigen Personen angenommen hat, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn die Veröffentlichung von Gagelmann und Fonfara, auf die sich das LAG stützt, ist vom Kl. selbst vorgelegt worden.

4. Entgegen der Auffassung der Revision kann auch keine Rede davon sein, daß "erdrückende" Indizien für einen Ursachenzusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kl. und seinem damaligen Arbeitsplatz bestanden. Das LAG hat sämtliche Gesichtspunkte, die nach Meinung der Revision für eine Gesundheitsschädigung des Kl. durch seinen Arbeitsplatz sprechen, in die Beweiswürdigung einbezogen und abgewogen.

II. Im Ergebnis zu Recht hat das LAG Beweiserleichterungen zugunsten des Kl. abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung hat allerdings der Arbeitnehmer, der wegen Verletzung der Pflichten aus § 618 BGB Schadenersatz beansprucht, neben dem Schaden nur den objektiv ordnungswidrigen Zustand der Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften nachzuweisen, wenn dieser generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Der Arbeitgeber hat dann den Gegenbeweis dahin zu führen, daß der ordnungswidrige Zustand für den Schaden nicht ursächlich gewesen ist oder daß ihn kein Verschulden trifft (BGHZ 27, 79 = NJW 1958,1 437; BAG, AP Nrn. 1, 16 zu § 618 BGB; BAGE 12, 15 = NJW 1962, 411 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; vgl. Baumgärtel, Hdb. der Beweislast im PrivatR, 2. Aufl. (1991), § 618 BGB Rdnr. 2 m.w. Nachw.). Es kann zugunsten des Kl. unterstellt werden, daß die dargestellten Grundsätze auch dann anwendbar sind, wenn um das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts gestritten wird. Denn der Arbeitsplatz des Kl. war nach den Feststellungen des LAG nicht in ordnungswidrigem Zustand. Er wies keine überhöhte Belastung mit Schadstoffen auf. Weitergehende Beweiserleichterungen kommen hier nicht in Betracht. Der Kl. kann sich zur Stützung seiner Ansicht auch nicht auf das Urteil des BGH vom 10. 1. 1995 (NJW 1995, 1160) berufen. Der BGH hat dort den Vortrag der Kl., sie hätten durch die inhalative Aufnahme von PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen bleibende Gesundheitsschäden erlitten, nach § 823 BGB entgegen der Vorinstanzen für schlüssig gehalten und dem BerGer. aufgegeben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären zu lassen, ob die behaupteten Gesundheitsstörungen tatsächlich vorliegen und ob diese Schädigungen auf Ausgasungen aus den mit dem Holzschutzmittel der Bekl. gestrichenen Profilholzdecken zurückzuführen sind. Aussagen zum Beweismaß und zu Beweiserleichterungen enthält dieses Urteil nicht.

D. Das Zurückbehaltungsrecht kann auch nicht darauf gestützt werden, daß der Bekl. verpflichtet gewesen wäre, den Kl. wegen einer Übersensibilität auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen. Besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer können unter Umständen Anspruch auf besondere Schutzmaßnahmen haben. Ist ein Arbeitnehmer gegen bestimmte Schadstoffe nachweisbar besonders empfindlich, so trifft den Arbeitgeber eine gesteigerte Fürsorgepflicht. Wie weit diese reicht, kann aber im Streitfall offenbleiben. Denn Voraussetzung eines Anspruchs auf Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes an einem anderen Ort ist zumindest, daß der Arbeitgeber weiß oder wissen muß, wie er den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers Rechnung tragen kann. Daran fehlt es hier. Der Kl. hat dem Bekl. nicht mitgeteilt, wo er eingesetzt werden will. Er hat vielmehr eine Versetzung in andere Krankenhäuser des Bekl. unstreitig von vornherein und immer wieder kategorisch abgelehnt, weil ihm der Weg dorthin zu weit war. Eine Berufung darauf, der Bekl. sei verpflichtet gewesen, ihm einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, verstößt daher gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Zu Recht hat das LAG ausgeführt, es sei unverständlich, daß der Kl. angesichts der ihm in der Klinik R angeblich drohenden Gesundheitsgefahren einen längeren Anfahrtsweg zu einer anderen Klinik des Bekl. für unzumutbar gehalten habe.

Vorinstanzen

LAG Hessen, 7 Sa 1304/93, 11.10.1994

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht