Mobilfunkantenne auf einer Sondernutzungsfläche
Gericht
OLG Köln
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
10. 01. 2003
Aktenzeichen
16 Wx 221/02
Ist in der Teilungserklärung einer Wohnungseigentumsanlage bestimmt, dass der Sondernutzungsberechtigte die Dachfläche für leistungsstarke Antennen benutzen darf, kann eine Mobilfunkantenne errichtet werden, ohne dass die anderen Miteigentümer überhaupt zustimmen müssen. Deshalb stellt sich hier erst gar nicht die Frage, ob die Miteigentümer die Zustimmung verweigern dürfen, weil von einer Mobilfunkantenne mögliche gesundheitliche Risiken ausgehen können.
Mit einer Teilungserklärung kann nicht nur das Zustimmungserfordernis ersetzt werden bezüglich der optisch baulichen Veränderung, sondern auch bezüglich möglicher gesundheitlicher Nachteile.
Die Miteigentümer müssen es nur dulden, dass auf dem Dach eine Anlage aufgebaut und betrieben wird, die dem entspricht, was in der Teilungserklärung vorausgesetzt wird. Eine Anlage muss auf jeden Fall geduldet werden, wenn sie sowohl den baurechtlichen Vorschriften und dem Stand der Technik entspricht, als auch die Grenzwerte nach § 26 der 26. BImSchV einhält.
Ein Gericht darf nicht urteilen, dass eine Mobilfunkantennen geduldet werden muss, soweit sie den baurechtlichen Vorschriften entspricht. Das Gericht muss selbst feststellen, ob entsprechend dem Stand der Technik etwa die Anschlusskabel durch den Aufzugschacht gelegt werden dürfen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Nach § 5 Nr. 7 der Teilungserklärung vom 20. 4. 1998 ist jeder Sondereigentümer berechtigt, bauliche Veränderungen innerhalb seines Sondereigentums ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer vorzunehmen, Einheiten zu unterteilen, zusammenzulegen oder sonst zu verändern, soweit dadurch nicht das Sondereigentum oder ein Sondernutzungsrecht eines anderen Sondereigentümers beeinträchtigt wird. Bei den Teileigentumseinheiten umfasst das Veränderungsrecht auch die Außenfassade und Veränderungen von Einrichtungen von Gebäudeteilen und Anlagen, welche auf Grund von eingeräumten Sondernutzungsrechten errichtet worden sind. Weiter heißt es in der Teilungserklärung:
...
Auszüge aus den Gründen:
2. Rechtlich zutreffend ist die Auffassung des LG, dass das Sondernutzungsrecht, aus dem die Ast. ihre Befugnis zur Aufstellung der Mobilfunkantennenanlage herleitet, wirksam begründet worden ist. Dem steht nicht entgegen, dass sie Teileigentümerin eines Garagenplatzes ist, also eines Miteigentums, der zwar im Wege einer Vermietung gewerblich genutzt werden kann, aber auch einer Eigennutzung offen steht. Das LG hat hierzu ausgeführt, die äußere Gestaltung der der teilenden Eigentümerin in der TE eingeräumten Befugnis zur Bestellung von Sondernutzungsrechten unter der Überschrift „gewerbliche Einheiten“ könne für sich genommen dafür sprechen, dass lediglich (Teil-)Eigentümern von gewerblichen Einheiten ein derartiges Sondernutzungsrecht eingeräumt oder übertragen werden könne. Indes zielten die Bestimmungen der TE insgesamt darauf ab, der teilenden Eigentümerin ein möglichst weites und umfassendes Gestaltungsrecht einzuräumen, wie sich aus verschiedenen - vom LG im Einzelnen aufgeführten Regelungen - in den §§ 7 und 15 TE ergebe. Der Senat, der auch als RechtsbeschwGer. die TE eigenständig auslegen kann, schließt sich dem an. … Bei der Überschrift „gewerbliche Einheiten“ zu § 7 Nr. 3 TE handelt es sich um eine sprachlich ungenaue schlagwortartige Abgrenzung, mit der deutlich gemacht werden sollte, dass lediglich - wie es sodann auch im eigentlichen Text heißt - Teileigentum i.S. des § 1 III WEG zur Bestellung von Sondernutzungsrechten berechtigen sollte, nicht aber auch Wohnungseigentum i.S. des § 1 II WEG.
3. Potenzielle, nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht feststellbare, aber auch nicht auszuschließende gesundheitliche Risiken einer Mobilfunkantennenanlage auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses für deren Bewohner stehen einer etwaigen Duldungspflicht der Ag. zu 1 nicht entgegen. Wegen der nach der TE ausdrücklich dem Sondernutzungsberechtigten eingeräumten Möglichkeit, die Dachfläche für „leistungsstarke Antennen“ zu nutzen, stellt sich vorliegend nicht die von dem OLG Hamm entschiedene Frage, ob für die Einrichtung einer Mobilfunkanlage die Zustimmung aller Wohnungseigentümer nach § 22 I WEG erforderlich ist, weil sich die Ungewissheit möglicher gesundheitlicher Risiken als ein nach § 14 Nr. 1 WEG nicht hinzunehmender Nachteil darstellt (vgl. OLG Hamm, NJW 2002, 1730 = NZM 2002, 456). Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die in der TE getroffene Regelung lediglich eine Befreiung von der Zustimmungspflicht der Wohnungseigentümer für die in der Errichtung der Anlage liegende optisch nachteilige bauliche Veränderung nach § 22 I WEG enthält oder ob von dem Ausschluss des Zustimmungserfordernisses auch die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen möglichen gesundheitlichen Nachteile erfasst sind (vgl. BayObLGZ 2002, 82 = NJW-RR 2002, 1022; Senat, NZM 2002, 612). Letzteres ist vorliegend der Fall, so dass sich auch die Frage erübrigt, wer die Feststellungslast dafür trägt, dass etwaige gesundheitliche Restrisiken einer Mobilfunkantennenanlage, welche die in Anhang 1 zu § 2 der 26. BImSchV enthaltenen Grenzwerte einhält, nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand mit den Mitteln einer gerichtlichen Beweisaufnahme nicht aufklärbar sind (vgl. zu Letzterem BVerfG, NJW 2002, 1638 = NZM 2002, 496).
Unter Außerachtlassung des Umstands, dass sich bereits vor der Begründung von Wohnungseigentum auf dem Dach der Anlage eine Mobilfunkantennenanlage befunden hat, und bei der aus Gründen der Grundbuchsicherheit gebotenen Auslegung der TE „aus sich heraus“ haben die Ag. unabhängig von den derzeit nicht aufklärbaren potenziellen gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer Felder die Anlage bereits dann zu dulden, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten sind. Vorliegend unterscheiden sich die in § 15 Nr. 2 II, III TE getroffenen Regelungen erheblich von denen, welche der Entscheidung des BayObLG zu Grunde lagen.
Der sondernutzungsberechtigten Ast. ist nicht lediglich allgemein die Aufstellung von Antennen erlaubt. Vielmehr kann sie „leistungsstarke“ Anlagen aufbauen. Mit dieser Formulierung wurde zugleich eine Verknüpfung zum Betrieb der Anlage hergestellt, die mit deren äußerem Erscheinungsbild, also dem Maßstab des § 22 I WEG, nichts zu tun hat, sondern deutlich macht, dass dem Berechtigten bezüglich der Leistungsfähigkeit der Anlage die Möglichkeit eröffnet werden sollte, technische Potenziale auszuschöpfen. Des Weiteren wurden für die Anlagen Maßstäbe und Grenzen vorgegeben, die sich nicht alleine im baurechtlichen Bereich erschöpfen, sondern auch den Betrieb der Anlage mit einbeziehen; denn sie hat neben den baurechtlichen Vorschriften allgemein den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen. Auch sollten Beeinträchtigungen der übrigen Eigentümer/Bewohner nicht gänzlich, sondern nur „soweit wie möglich“ zu vermeiden sein.
Damit sind Maßstab für eine etwaige Duldungspflicht nicht etwa nur die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts (so etwa im Falle BayObLGZ 2002, 82 = NJW-RR 2002, 1022; BayObLGZ 2001, 41 = NJW-RR 2001, 1456) bzw. § 14 Nr. 1 WEG (so im Falle OLG Hamm, NJW 2002, 1730 = NZM 2002, 456), sondern Regelungen in der TE selbst. Das hierin enthaltene Abstellen auf den Stand der Technik und auf eine Minimierung von Beeinträchtigungen für Miteigentümer bzw. Bewohner der Anlage, das Restrisiken impliziert, erlaubt vorliegend den Schluss, dass sich die Befreiung von der Zustimmungspflicht nicht nur auf die Errichtung von Antennenanlagen, sondern auch auf deren Betrieb bezieht, sofern die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte eingehalten sind und die Anlage allgemein dem Stand der Technik entspricht.
4. Ob und inwieweit allerdings die Vorgaben eingehalten werden, ist nur in einem Punkt zwischen den Parteien nicht im Streit, nämlich wegen der Einhaltung der Grenzwerte für elektromagnetische Felder, wozu die Richtigkeit der insoweit von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erteilten Standortbescheinigung von den Ag. zu 1 nicht in Frage gestellt wird. Höchst streitig war es indessen bereits in erster Instanz und ist es weiterhin, ob die baurechtlichen Vorschriften eingehalten sind, insbesondere ob es für die Erteilung der Anlage einer Baugenehmigung bedarf und ob die vorgesehene Verlegung der Leitungen für die Elektroversorgung der Anlage durch den Aufzugsschacht nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 39 NWBauO, § 11 GSG, § 3 AufzugsVO Nr. 208.1 Aufzugsrichtlinie) nicht zulässig ist. Soweit insoweit in den Tatsacheninstanzen dieser Streit ausgeklammert und mit Formulierungen im Tenor der ausgesprochenen Duldungsverpflichtungen wie „…soweit diese öffentlich-rechtlich genehmigt sind oder einer derartigen Genehmigung nicht bedürfen“ oder „soweit nach den anerkannten Regeln der Technik zulässig“, sind die Entscheidungen rechtsfehlerhaft. Zum einen geht es bei der Verlegung der Leitungen in den Aufzugsschacht nicht darum, ob dies dem Stand der Technik entspricht, sondern darum, ob dem öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Zum anderen und vor allem haben die Ag. zu 1 sich schon im Erstbeschwerdeverfahren zutreffend darauf berufen, dass mit der „Soweit-Verpflichtung“ eigentlich im Erkenntnisverfahren zu prüfende und aufzuklärende Streitpunkte offen geblieben sind mit der Folge, dass der Titel zu unbestimmt ist und keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Die Feststellung, ob ein Anspruch besteht, hat im Erkenntnis- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren zu erfolgen (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., Vorb. § 704 Rdnr. 14). Aus dem Titel selbst müssen sich daher unzweideutig Inhalt und Umfang des zu vollstreckenden Anspruchs entnehmen lassen. Dies gilt insbesondere in dem hier gegebenen Fall eines Duldungstitels, der gem. § 45 III WEG nach § 890 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung u. vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., Vorb. §§ 704-707 Rdnrn. 6, 8; § 890 Rdnr. 12).
Die Ag. zu 1 haben den Aufbau und den Betrieb der Anlage nur unter den in der TE enthaltenen Voraussetzungen zu dulden. Sie muss also den baurechtlichen Vorschriften und dem Stand der Technik entsprechen. Ob und inwieweit das der Fall ist, ist bereits im Erkenntnisverfahren festzustellen; denn ohne eine entsprechende Feststellung besteht gerade keine Duldungspflicht und es kann deswegen kein entsprechender Anspruch tituliert werden. Eine Verurteilung zur Kaufpreiszahlung kann z.B. auch nicht unter Ausklammerung des entsprechenden Streits der Parteien mit dem Zusatz erfolgen, „sofern zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zu Stande gekommen sein sollte“, oder eine Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt nicht ergehen, sofern die Zahlung nur bei „ernsthaftem zielstrebigem Studium“ zu erfolgen hat (vgl. zu Letzterem OLG Karlsruhe, OLG-Report 2002, 200 = IPRax 2002, 527 für einen entsprechenden ausländischen Titel). Solange also z.B. nicht festgestellt ist, ob die Kabelverlegung durch den Aufzugsschacht zulässig ist oder nicht, können die Ag. zu 1 nicht zur Duldung verpflichtet werden. Die gleichwohl ergangene Verpflichtung ist nicht vollstreckbar, weil im Verfahren nach § 890 ZPO nur schuldhafte Verstöße eines Schuldners mit Ordnungsmitteln durchgesetzt werden können, er also vorwerfbar seiner Duldungspflicht nicht nachgekommen sein muss (vgl. Schuschke/Walker, § 890 Rdnr. 25). Wenn aber nicht bereits im Erkenntnisverfahren festgestellt ist, ob die Anlage baurechtlich zulässig ist bzw. dem Stand der Technik entspricht, kann den Ag. auch kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sie sich ihrer Errichtung widersetzen. Der ergangene Titel hat deshalb wegen der fehlenden Vollstreckbarkeit letztlich auch für die Ast. keinen Wert.
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