Aufklärungspflicht des Steuerberaters - Falschberatung zum Zwei-Konten-Modell
Gericht
OLG Bamberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
28. 05. 2001
Aktenzeichen
4 U 235/00
Der Steuerberater muss bestmöglich seinen Klienten beraten und vertreten.
Darüber hinaus muss der Steuerberater auch über alle denkbaren Möglichkeiten legaler Steuerersparnis aufklären.
Diese Pflicht zur Aufklärung besteht auch ungefragt.
I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch i.Ü. zulässig (§§ 511 a ff. ZPO). Sie ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.
1. Dem Grunde nach bejaht der erkennende Senat mit dem LG eine Haftung der Beklagten aus Pflichtverletzung des Dienstvertrages mit dem Kläger, wobei der Anspruch auf pVV i.V.m. §§ 611, 675 BGB beruht.
Allerdings sieht der Senat die Pflichtverletzung nicht in der unterlassenen Empfehlung zur Durchführung des „Zwei-Konten-Modells”, denn dieses war seinerzeit in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis tatsächlich und rechtlich stark umstritten.
Der Steuerberater schuldet jedoch neben der bestmöglichen Interessenvertretung und Beratung auch Aufklärung über steuerlich bedeutsame Einzelheiten, Möglichkeiten und Gestaltungsformen, über ihre Bedeutung im konkreten Einzelfall und ihre Folgen, also über alle denkbaren Möglichkeiten legaler Steuerersparnis. Diese Pflicht zur Aufklärung besteht auch ungefragt, umso mehr jedoch bei konkreter Nachfrage des Mandanten nach bestimmten Steuersparmodellen wie hier. Der Steuerberater ist danach verpflichtet, den Mandanten durch umfassende Information und Beratung in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und Fehlentscheidungen zu vermeiden (BGH WM 1992, 238; v. 26.5.1994 – IX ZR 57/93, MDR 1994, 945; Zugehör, WM Sonderbeilage Nr. 4 zu Heft 42/2000; Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 4. Aufl., Rz. 174 ff.).
Dies aber hat die Beklagte nach dem beiderseitigen Sachvortrag, dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz, dem Inhalt der vorgelegten Urkunden (beispielsweise Anlagen K 1, 2, 7, 8 …) und nach den eigenen Bekundungen der Beklagten bei ihrer informatorischen Anhörung am 3.8.2000 nicht getan: …
Die Beklagte wäre vielmehr, was sie unstreitig nicht getan hat, gehalten gewesen, dem Kläger alle Vor- und Nachteile des Modells darzustellen und zu erklären, im Wege einer Vergleichsberechnung die Steuerersparnisse zu berechnen, ihn über die gängige damalige Verwaltungspraxis beim zuständigen Finanzamt aufzuklären und ihn auf die Risiken hinzuweisen, die bei einem späteren Scheitern des Modells in der Zukunft (zu erwartende Rechtsprechung des BFH) auf ihn zukommen würden. Nur dadurch wäre der Kläger gehörig in die Lage versetzt worden, die Vor- und Nachteile für sich und seine finanzielle Situation abzuwägen und sich frei für oder gegen das „Zwei-Konten-Modell” zu entscheiden.
Die Möglichkeit, aufgrund umfassender Information, Beratung und Belehrung in freier Entscheidung eine Wahl der Gestaltung zu treffen, war dem Kläger jedoch durch die Beklagte nicht eingeräumt worden, obwohl dies ihre Pflicht aus dem Steuerberatervertrag gewesen wäre. Im Gegenteil hat die Beklagte durch ihre nach außen zu erkennen gegebene ablehnende Haltung dem Kläger diese Möglichkeit genommen, jedenfalls solange er vorbehaltlos seiner steuerlichen Beraterin vertraut hat und ihr gefolgt ist. Dieses Vorgehen stellt (wovon offenbar auch OLG Köln NJW E-VHR 1998, 40; KG v. 6.2.1997 – 12 U 6986/95, KGReport Berlin 1997, 233 = StB 1997, 240 ebenfalls ausgehen) einen fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten als Steuerberaterin ggü. dem Kläger als ihrem Mandanten dar.
Dabei handelt es sich nicht um einen Verstoß gegen die Beratung unter Einhaltung der Grundsätze vom „sichersten Weg”. Vielmehr fehlt es bereits an der notwendigen Grundaufklärung und Basisinformation über die Steuer sparenden Möglichkeiten des „Zwei-Konten-Modells” und seine Folgen und Risiken, wodurch dem Kläger als steuerlichem Mandanten die freie Entscheidungsmöglichkeit entzogen bzw. gar nicht erst gewährt worden ist. Selbstverständlich hätte die Beklagte im Rahmen dieser Aufklärung und Information auf ihre bestehenden Bedenken hinweisen dürfen (und müssen), sie durfte aber die geschuldete Aufklärung und Information nicht aus ihrer ablehnenden Haltung ggü. dem „Zwei-Konten-Modell” von vorneherein für nicht praktikabel, „nicht machbar”, also steuerlich nicht zulässig darstellen, wie sie es ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (vor allem Zeugen Dr. … und …) jedoch getan hat.
Dieser Pflichtverstoß beginnt mit der Erstberatung im Zusammenhang mit der Eröffnung der Praxis und dem privaten Hausbau (bzw. Grundstückserwerb) unter Kreditaufnahme und wiederholt sich mit jeder geschuldeten Steuerberatung anlässlich der jährlichen Steuererklärung sowie mit jedem der von Klägerseite und von den Zeugen Dr. … und … geschilderten ablehnenden Gespräche, Telefonate und Schreiben ausweislich der vorgelegten Anlagen.
2. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden bejaht der Senat, weil der Kläger plausibel erklärt hat, dass er bei entsprechender Aufklärung und Information sich für das „Zwei-Konten-Modell” entschieden hätte.
Dies erscheint dem Senat vor allem deshalb plausibel, weil die Entscheidung wirtschaftlich kaum risikobehaftet gewesen wäre; denn zum einen hätte die Hausbank für dieses Modell keine zusätzlichen Zinsen oder Kosten gefordert, hätte also neutral abgerechnet (Aussage Zeuge Q.) und zum anderen hätte dem erwirtschafteten bzw. erwarteten Steuervorteil lediglich eine geringfügige Risikobelastung bei Nichtanerkennung des Modells durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gedroht. Neben der Steuerrückzahlung – bei Erlass von Steuerbescheiden unter entsprechendem Vorbehalt möglich – wäre bei späterer Änderung (vgl. § 164 AO) allenfalls eine geringfügige Zinsbelastung auf die nachzuzahlenden Steuern von 0,5 % pro Monat angefallen, beginnend jedoch erst nach 15 Monaten ab Ablauf des Veranlagungszeitraumes und begrenzt auf 4 Jahre (§§ 233 a, 238 AO). Dem steht aber ein erheblicher Steuervorteil i.H.v. 30.000 DM bis 40.000 DM p.a. gegenüber. Bei Thesaurierung dieser Steuererträge bis zur Bestandskraft der Steuerbescheide oder Entscheidung des BFH (Großer Senat) hätte das Risiko sogar minimiert werden können. Diese Lösung zu wählen, wie der Kläger für sich geltend gemacht hat, erscheint dem Senat angesichts des geringen Risikopotentials daher durchaus plausibel.
3. Der Schaden ist vom Erstgericht schlüssig und folgerichtig dargestellt worden. Mangels Berufungsangriffen hierzu nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des Erstgerichts insoweit vollinhaltlich Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Insbesondere steht das Verbot der Zinskompensation dem geltend gemachten Schaden nicht entgegen, denn die von der Hausbank eingeräumten Zinskonditionen beim „Zwei-Konten-Modell” haben mit Zinskompensation nichts zu tun; eine Zinsverrechnung hätte nicht stattgefunden.
Auch die Vermeidung unmittelbarer, zeitnaher privater Tilgung von Verbindlichkeiten, die sich unter Umständen schädlich hätte auswirken können, wäre ohne weiteres durch entsprechende Gestaltung zu vermeiden gewesen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hätte, dass er unter Vorbehalt ergangene Steuerbescheide nicht nachträglich auf die Möglichkeit der Anwendung des „Zwei-Konten-Modells” hat überprüfen lassen, sieht der Senat nicht, denn die rückwirkende Einrichtung von Bankkonten und Buchführung zur Ermöglichung eines „Zwei-Konten-Modells” gibt es nicht.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen