Bereicherungsanspruch im Dreiecksverhältnis - Irrtümliche Banküberweisung
Gericht
OLG Bamberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
23. 02. 2000
Aktenzeichen
8 U 53/99
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer irrtümlich vorgenommenen Banküberweisung. Die Eheleute G hatten mit der Bekl. einen Werkvertrag über Arbeiten an ihrem Haus geschlossen. Diesen Hausbau hatten sie von der Kl. zwischenfinanzieren lassen. Am 22. 4. 1997 übersandten sie der Kl. die Rechnung der Bekl. in Höhe von 10742,12 DM, baten jedoch um Überweisung dieses Betrags von ihrem bei der Kl. bestehenden Kreditkonto auf ihr eigenes Konto. Die Kl. überwies diesen Betrag jedoch versehentlich auf das in der Rechnung angegebene Konto der Bekl. Nach Aufklärung dieses Versehens forderte die Kl. die Bekl. vergeblich auf, diesen Betrag an sie zurückzuüberweisen. Die Kl. erwirkte daraufhin gegen die Bekl. einen Vollstreckungsbescheid in Höhe von 10742,12 DM, gegen den die Bekl. Einspruch einlegte. Die Eheleute G akzeptierten sodann gegenüber der Kl. 6000 DM hiervon als ihre Zahlung. Die Bekl. hat vorgetragen, in ihrem Rechtsverhältnis zu den Eheleuten G stünde ihr dieser Betrag als Werklohn zu, so dass sie gegenüber diesen nicht ungerechtfertigt bereichert sei. Im Verhältnis zur Kl. aber habe sie, da der überwiesene Betrag genau dem Betrag ihrer Rechnung entspreche, annehmen müssen, dass die Eheleute G die Kl. angewiesen hätten, diese Überweisung an sie vorzunehmen; diese ihre Annahme sei deshalb schutzwürdig. Das der Kl. unterlaufene Versehen betreffe allein deren Verhältnis zu den Eheleuten G aus dem Bankvertrag. Die Kl. könne deshalb einen etwaigen Ausgleichsanspruch nur gegenüber den Eheleuten G geltend machen.
Das LG Bayreuth hat mit Endurteil vom 3. 8. 1999 dem Klageanspruch stattgegeben. Da die Kl. die Überweisung versehentlich nicht der Anweisung der Eheleute G entsprechend ausgeführt habe, sei die Überweisung nicht als deren Leistung anzusehen. Somit habe die Bekl. den überwiesenen Betrag nicht als Leistung der Eheleute G i.S. von § 812 I 1 Alt. 1 BGB erhalten, weshalb diese den Betrag nicht zurückfordern könnten. Daran ändere auch ein guter Glaube der Bekl. nichts. Es bliebe deshalb nur der Anspruch der Kl. gegen die Bekl., weil die Bekl. durch die versehentliche Überweisung in sonstiger Weise i.S. von § 812 I 1 Alt. 2 BGB auf ihre Kosten und im Verhältnis zu ihr auch ohne rechtlichen Grund bereichert sei. Mit ihrer Berufung strebt die Bekl. weiterhin die Aufhebung des Vollstreckungsbescheids und die Abweisung der Klage an. Die Berufung wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
Das LG hat den Vollstreckungsbescheid zu Recht hinsichtlich des im Urteilstenor aufgeführten Teilbetrags von 4742,12 DM aufrechterhalten und zutreffend ausgeführt, dass die Kl. gegen die Bekl.gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB Anspruch auf Rückzahlung des überwiesenen Betrags hat.
1. Die durch die Überweisung der Kl. erfolgte Gutschrift auf dem Konto der Bekl. ist nicht als Leistung i.S. des § 812 I 1 Alt. 1 BGB anzusehen, sondern nur als „in sonstiger Weise erlangte“ Vermögensmehrung i.S. des § 812 I 1 Alt. 2 BGB.
Als Leistung der Kl. ist die Überweisung nicht zu werten, denn als solche ist, jedenfalls nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 111, 382[386 ] = NJW 1990, 3194) und der h.M. (a.A. Lieb, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 812 Rdnrn. 27a, 51), nur eine bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens anzusehen, und zwar, wie dieser Formel zur Klarstellung hinzuzufügen ist, aus dem Vermögen des Leistenden. Die Kl. hat jedoch den Geldbetrag nicht aus ihrem Vermögen, sondern namens und auf Rechnung der Eheleute G überweisen wollen.
Im Übrigen würde eine der Ansicht der Bekl. folgende Qualifizierung dieser nur irrtümlich erfolgten Überweisung als Leistung der Kl.i.S. des § 812 I 1 Alt. 1 BGB erst recht dazu führen, dass dieser Fehler schon deshalb im Verhältnis zwischen der Kl. und der Bekl. zu bereinigen wäre und nicht, wie die Bekl. meint, im Deckungs- oder Valutaverhältnis. Denn ein Rückgriff auf diese Rechtsverhältnisse wäre wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nur dann veranlasst, wenn die irrtümlich vorgenommene Überweisung nicht als Leistung der Kl. zu werten wäre.
Die Überweisung ist jedoch auch nicht als Leistung der Kl. an die Eheleute G (im so genannten Deckungsverhältnis) zu werten, denn diese hatten die Kl. nicht angewiesen, den Betrag an die Bekl. zu überweisen, also eine solche Vermögensübertragung gerade nicht ausführen lassen wollen (vgl. BGH, WM 1980, 438); die Kl. wollte auch keine eigene Leistung aus ihrem Vermögen erbringen. Aus diesem Grund liegt auch keine Leistung der Eheleute G an die Bekl. (im so genannten Valutaverhältnis) vor.
Die Bekl. wurde somit durch diese irrtümliche Überweisung nur „in sonstiger Weise“ i.S. des § 812 I 1 Alt. 2 BGB bereichert (BGH, NJW 1994, 2357 [2358] unter Ziffer III 1c [aa]).
Entgegen ihrer Auffassung kann die Bekl. der Kl. nicht entgegenhalten, dass ihr Irrtum im Verhältnis zu den Eheleuten G „wurzle“ und für sie, die Bekl., nicht erkennbar gewesen sei und sie deshalb Anspruch auf Schutz ihres guten Glaubens in die Wirksamkeit der Überweisung habe, zumal ihr gegen die Eheleute G bestehender Werklohnanspruch dem Überweisungsbetrag exakt entsprochen habe und zudem die Eheleute G bis dahin keinerlei Einwände gegen ihren ihnen mit Rechnung vom 25. 3. 1997 bekannt gegebenen Werklohnanspruch erhoben hätten. Der BGH hat zwar, wie der Bekl. einzuräumen ist, im Falle einer zunächst wirksam erteilten, dann aber noch vor Ausführung der Überweisung ohne Kenntnis des Empfängers widerrufenen Anweisung entschieden, dass die Bank keinen Bereicherungsanspruch gegen den Scheckinhaber habe, weil der der Bank durch Nichtbeachtung des Widerrufs unterlaufene Fehler im Rechtsverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden „wurzle“ und deshalb auch innerhalb dieser Rechtsbeziehung bereinigt werden müsse (BGHZ 61, 289[293 f.] = NJW 1974, 39, bestätigt in BGHZ 66, 362 [364] = NJW 1976, 1448). Der BGH hat aber in der erstgenannten Entscheidung sowie schon in der Entscheidung BGHZ 50, 227 (229) = NJW 1968, 1822 ausdrücklich offen gelassen, wie zu entscheiden sei, wenn eine gültige Anweisung von Anfang an gefehlt habe.
In seiner Entscheidung BGHZ 66, 362 = NJW 1976, 1448 hat der BGH dann darauf abgestellt, dass der Empfänger den der Vermögensübertragung anhaftenden Mangel gekannt hatte, doch betraf dies den Sonderfall der Einreichung eines nicht unterschriebenen Schecks, den die Bank versehentlich einlöste. Allerdings hat der BGH in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass der Empfänger der Leistung in diesem Fall keinen Vertrauensschutz verdiene, wohl aber der Kunde der Bank (BGHZ 66, 362 [365] = NJW 1976, 1448 unter lit. b). Auch im Fall der Ausführung eines bereits widerrufenen Dauerüberweisungsauftrags hat der BGH der Bank keinen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger zuerkannt, wenn dieser den Widerruf des Auftrags nicht gekannt hatte (BGHZ 89, 376 = NJW 1984, 1348).
Der BGH hatte es jedoch bis zu seiner Entscheidung vom 20. 6. 1990 (BGHZ 111, 382 = NJW 1990, 3194) offen gelassen, wie der Bereicherungsausgleich vorzunehmen ist, wenn eine für die vorgenommene Überweisung wirksame Anweisung von vornherein fehlt (BGHZ 111, 384, letzter Absatz = NJW 1990, 3194); er hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass in solchen Fällen der bereicherungsrechtliche Ausgleich im Verhältnis zwischen dem Angewiesenen (hier der Kl.) und dem Zahlungsempfänger (hier der Bekl.) zu suchen sei (BGHZ 111, 382 [386] = NJW 1990, 3194, so im Ergebnis auch Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rdnrn. 59 und 62 und Schimanski/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. I, § 50 Rdnr. 3).
Der Senat teilt diese Auffassung. Auf die Frage, ob dem Empfänger einer solch irrtümlich erfolgten Überweisung dieser Irrtum bekannt oder auch nur erkennbar war und ob er auf Grund seines Rechtsverhältnisses zum Anweisenden (hier den Eheleuten G) annehmen durfte, dass diese mit der Überweisung ihre Schuld gegenüber ihr (der Bekl. als Überweisungsempfängerin) bezahlen wollten, kann es nicht ankommen. Denn diese auf Seiten eines Überweisungsempfängers vorliegenden subjektiven Umstände können nichts daran ändern, dass eine solch irrtümlich erfolgte Überweisung weder als Leistung der Bank gegenüber ihrem Kunden (hier den Eheleuten G) noch als dessen Leistung gegenüber seinem Gläubiger (hier der Bekl.) angesehen werden kann (so BGHZ 111, 382 [386] = NJW 1990, 3194).
In dem somit allein verbleibenden Rechtsverhältnis zwischen der Kl. und der Bekl. ist diese i.S. des § 812 I 1 Alt. 2 BGB als „in sonstiger Weise“ bereichert anzusehen. Hinsichtlich dieses Faktums kommt es jedoch gem. § 812 I BGB nicht darauf an, ob der Empfänger dieser Überweisung aus seinem „Empfängerhorizont“ einen solchen Irrtum erkennen konnte, und auch nicht, ob er der Auffassung sein konnte, dass sein Vertragspartner damit seine ihm gegenüber bestehende Schuld bezahlen wollte.
Das Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung stellt grundsätzlich nicht darauf ab, unter welchem Gesichtspunkt der Empfänger einer Leistung diese verstehen durfte, sondern ausschließlich darauf, ob die Vermögensverschiebung der Rechtslage entsprach. Die Bekl. kann sich insbesondere auch nicht darauf berufen, der überwiesene Betrag habe ihr gegenüber den Eheleuten G als Werklohn zugestanden. Denn auf diese Weise würde allein auf Grund des Irrtums der Kl. als Dritter in das zwischen den Eheleuten G und der Bekl. bestehende Rechtsverhältnis in der Weise eingegriffen, dass nicht mehr die Bekl. ihren Werklohnanspruch gegenüber den Eheleuten G geltend machen müsste und die Eheleute G dagegen ihr behauptetes Recht als Gewährleistung geltend machen könnten, sondern dass dann die Eheleute G gegen die Bekl. nur noch einen Anspruch aus § 812 BGB geltend machen könnten und diesen einklagen müssten. Ein solcher Eingriff in das Werkvertragsverhältnis nur auf Grund eines den Eheleuten G nicht zurechenbaren Irrtums der Bank kann nicht richtig sein.
Wollte man statt dessen den Eheleuten G einen Anspruch gegen die Kl. auf nachträgliche Ausführung der ihr erteilten Anweisung zuerkennen, sei es auch unter Abtretung ihrer Gewährleistungsrechte aus ihrem mit der Bekl. bestehenden Werkvertrag, so würde die genannte Veränderung dieses Rechtsverhältnisses die Kl. treffen. Auch dies wäre keine akzeptable Folge ihres bloßen Irrtums.
Davon abgesehen könnte einem etwaigen guten Glauben der Bekl., die Eheleute G hätten mit dieser Überweisung ihre Rechnung vom 25. 3. 1997 rügelos bezahlen wollen, auch unter dem Gesichtspunkt des Gutglaubensschutzes und des Rechtscheins keine dem Anspruch der Kl. entgegenstehende Bedeutung zukommen. Der gute Glaube der Bekl., die Kl. habe auf Grund einer tatsächlichen diesbezüglichen Überweisung der Eheleute G gehandelt, ist letztlich darauf gerichtet, die Kl. habe im Rahmen ihres mit den Eheleuten G bestehenden Bankvertrags auftragsgemäß gehandelt. Dies wäre ein Glaube an eine diesbezügliche Vollmacht. Banken können jedoch grundsätzlich nicht generell als Bevollmächtigte ihrer Kunden angesehen werden und die Eheleute G haben gegenüber der Bekl. auch keinerlei Anschein einer solchen Bevollmächtigung erweckt (vgl. dazu auch Lieb, in: MünchKomm, § 812 Rdnr. 50).
2. Die Bekl. hat den überwiesenen Betrag auf Kosten der Kl.i.S. des § 812 I 1 BGB erlangt, denn die Kl. kann mit diesem Betrag nicht die Eheleute G belasten, auch nicht mit der Begründung, sie habe damit deren Schuld gegenüber der Bekl. getilgt (vgl. BGH, NJW 1994, 2357 [2358] unter Ziffer III 1c [bb]). Entgegen der Auffassung der Bekl. hat die Kl. gegen die Eheleute G keinen Anspruch gem. §§ 677, 683 BGB, weil sie den streitgegenständlichen Betrag entgegen deren ausdrücklicher Bestimmung an die Bekl. überwiesen hat.
3. Die Überweisung und damit die Vermögensübertragung erfolgte, da auf dem Irrtum der Kl. beruhend, auch ohne rechtlichen Grund i.S. des § 812 I BGB. Die Bekl. kann demgegenüber nicht geltend machen, sie habe gegenüber den Eheleuten G einen Werklohnanspruch in gleicher Höhe, weil dies nicht ihr Rechtsverhältnis zur Kl. betrifft.
Die Kl. hatte somit Anspruch auf Rückzahlung des gesamten überwiesenen Betrags von 10742,12 DM. Auf diesen Anspruch hat sie sich jedoch einer entsprechenden Erklärung der Eheleute G folgend 6000 DM anrechnen lassen. Ihr verbleibender restlicher Anspruch in Höhe von 4742,12 DM ist somit begründet, weshalb das LG den Vollstreckungsbescheid zu Recht in dieser Höhe aufrechterhielt.
Dieses Ergebnis ist auch nicht etwa für die Bekl. unzumutbar, denn sie hätte nach Klarstellung des Irrtums der Kl. dieser den überwiesenen Betrag zurückerstatten und alsbald ihren jedenfalls damals noch nicht verjährten Werklohnanspruch gegen die Eheleute G geltend machen können. Denn auf Gewährleistungsansprüche gestützte Einwände wären dann dem Recht des Werkvertrags entsprechend zu behandeln gewesen.
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