Umfang der Streupflicht der öffentlichen Hand bei Glatteis
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
04. 10. 1962
Aktenzeichen
III ZR 129/61
Bei Glatteis besteht eine Streupflicht auf öffentlichen Straßen außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nur an besonders gefährlichen Stellen. Gefährlich ist eine solche Straßenstelle, die wegen ihres Zustandes die Möglichkeit eines Unfalles auch für den Fall nahe legt, dass der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt. Eine besonders gefährliche Stelle liegt erst dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der damit zu fordernden erhöhten Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann. Offen geblieben ist dabei die Frage, ob eine solche besondere Gefährlichkeit noch aus anderen Gründen bejaht werden muss, etwa auf Kraftverkehrsschnellstraßen oder an Straßenstellen, bei denen jeder Unfall notwendigerweise außergewöhnlich schwere Folgen hat.
Die Streupflicht ist danach verneint in einem Fall, in dem sich Glatteis auf einer kurvenreichen, leicht abfallenden Strecke einer Bundesstraße im Mittelgebirge mit wechselndem Waldbestand an einem bewaldeten Steilhang infolge Nebels gebildet hatte, der aus dem Tal hochgestiegen war und sich am Hang gestaut hatte.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Unfall ereignete sich infolge Glatteis am 19. 2. 1959 kurz nach 14 Uhr auf der Bundesstraße 312 bei dem Kilometerstein 46,4 bei klarem sonnigen Winterwetter mit einer Temperatur um den Nullpunkt. Der verletzte X befand sich an diesem Tage mit eigenem VW auf einer Urlaubsfahrt. Er kam aus dem Schwarzwald und wollte nach Bayern. Der Unfall geschah zwischen Riedlingen und Zwiefalten, östlich der Schwäbischen Alb. Die Straße führte hier von Süden nach Norden. X fuhr bergab und hatte gerade ein Waldstück durchfahren, als der Wald an seiner rechten Seite aufhörte und den Blick in ein im Osten liegendes Tal freigab, während das bewaldete Gelände auf der westlichen (linken) Seite stark anstieg. In einer langgestreckten Linkskurve kam der Wagen auf Glatteis; er schleuderte, drehte sich vorn nach rechts und prallte beim Kilometerstein 46,4 mit der linken Seite an einen Baum rechts der Straße. X erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Die Klägerin (Dienstherr des X) hat vorgetragen: Die Straße sei an der Unfallstelle auf etwa 150 m spiegelglatt und nicht bestreut gewesen. Der Geschädigte sei im dritten Gang mit höchstens 50 km/h gefahren. Er habe mit Glatteis nicht zu rechnen brauchen. Das Land hätte an dieser Stelle streuen müssen, weil sie besonders gefährlich sei. Infolge des Geländes und der Straßenführung komme es zu Eisbildungen, mit denen niemand rechnen könne. Das habe schon häufig, insbesondere am fraglichen Tage mehrfach zu ähnlichen Unfällen geführt. Der Straßendienst des Landes sei auch mangelhaft organisiert gewesen. Das LG hat die Klage mangels Streupflicht abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ihre Revision war erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
1. ... Die Pflicht der öffentlichen Hand, die winterliche Glätte der Straßen durch abstumpfende Mittel zu beseitigen, folgt - soweit nicht polizeiliche Wegereinigungsgesetze gelten - aus der allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflicht. Diese Straßenverkehrssicherungspflicht beruht auf der Tatsache, dass von den Straßen durch die Zulassung eines Verkehrs Gefahren ausgehen können. Gegenstand dieser Pflicht sind nur die Maßnahmen, mit denen diesen Gefahren zu begegnen ist. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht richten sich nach dem Zweck, dem die jeweilige Verkehrseinrichtung dient, und den unter Berücksichtigung diesen Zwecken drohenden Gefahren. Die Pflicht erstreckt sich dabei nicht nur auf den Zustand der Fahrbahn, sondern auch darauf, dass sich der Verkehr auf der Straße gefahrlos abwickeln kann. Der Pflichtige muss zwar die Gefährdeten vor allen von der Straße ausgehenden Gefahren schützen und notfalls warnen, aber nur, soweit dies mit zumutbaren Mitteln möglich ist. Diese Begrenzung auf zumutbare Mittel wird bei der Streupflicht bedeutsam, da es unmöglich ist, alle Straßen bei Glätte durch Streuen völlig gefahrlos zu gestalten und zu erhalten. Die Rechtsprechung hat deshalb anerkannt, dass eine allgemeine Pflicht, alle Fahrbahnen öffentlicher Straßen bei Winterglätte zu bestreuen, nicht besteht. Ein Streuen aller Straßen ist bei der Länge des deutschen Straßennetzes mit Rücksicht auf die dazu benötigten Arbeitskräfte und Mittel einfach undurchführbar. Die Verkehrsteilnehmer, insbesondere die Kraftfahrer, müssen gewisse Einwirkungen der Naturgewalten als unabänderlich hinnehmen; sie müssen. entsprechend vorsichtig fahren und erforderlichen Falles auch vorübergehend die Benutzung von Straßen für den Kraftverkehr bei Überschwemmungen, Feuersbrünsten, Steinschlägen, Bergrutschen, Orkanen und dergleichen unterlassen. Ähnliches gilt für die winterliche Straßenglätte. Hier besteht bei Glatteis auf öffentlichen Straßen eine Streupflicht für die Fahrbahnen innerhalb geschlossener Ortschaften nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen. Außerhalb der geschlossenen Ortslage besteht grundsätzlich überhaupt keine Streupflicht; eine Ausnahme gilt nur für besonders gefährliche Stellen. Gefährlich in diesem Sinne sind solche Straßenstellen, die wegen ihrer eigentümlichen Anlage oder bestimmter Zustände, die nicht ohne weiteres erkennbar sind, die Möglichkeit eines Unfalls auch für den Fall nahe legen, dass der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr allgemein erforderliche Sorgfalt walten lässt. Eine besonders gefährliche Stelle liegt erst dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der damit zu fordernden erhöhten Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann. Ob auch dann eine Straßenstelle als besonders gefährliche Stelle angesprochen werden muss, wenn nach den besonderen Umständen des Falles jedes Rutschen auf winterlichen Straßen und die damit verbundene Gefahr des Abkommens von der Fahrbahn regelmäßig außergewöhnliche Gefahren in sich birgt, wie z. B. bei einer ungesichert an einer tiefen Schlucht entlang führenden Straße, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. Ob und wieweit bei Schnellverkehrsstraßen (z. B. Autobahn und dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen vorbehaltenen Autobahnzubringern) mit Rücksicht auf die Zweckbestimmung anderes gilt, bedarf ebenfalls keiner Erörterung, weil eine derartige Straße hier nicht befahren wurde. Deshalb besteht bei öffentlichen Straßen außerhalb der geschlossenen Ortslage grundsätzlich dann keine Streupflicht, wenn ein im oben umschriebenen Sinn besonders sorgfältig fahrender Kraftfahrer die Glatteisbildung oder die Möglichkeit einer solchen so rechtzeitig erkennen kann, dass er sich darauf einstellen und durch langsames und gleichmäßiges Fahren einen Unfall in aller Regel vermeiden kann.
Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, von der abzugehen kein Anlass besteht (BGH NJW 52, 1087; VersR 56, 68; 59, 334; VRS 10, 254; BGHZ 31, 73 = NJW 60, 194; BGHZ 31, 219 = NJW 60, 479).
Eine solche besondere Gefahrenstelle ist insbesondere bejaht worden an einer Straßenstelle, die wegen des in der Umgebung ungewöhnlichen Grundwasserstandes schon bei geringstem Bodenfrost auch bei sonst ganz trockener Witterung zu Glatteisbildung neigte, was kein Wegebenutzer ahnen konnte (BGH III ZR 137/59 v. 11. 7. 1960). Der erkennende Senat hat weiter als eine derartige besonders gefährliche Stelle eine Brücke im Zuge einer Bundesstraße anerkannt, als der breiten Masse der Kraftfahrer noch nicht bekannt war, dass die Fahrbahn auf solchen Brücken schneller vereist als an anderen Stellen der Straße (BGHZ 31, 73 = NJW 60, 194 - Niddabrücke); für eine andere Zeit hat der VI. ZS des BGH für solche Fälle eine Streupflicht bereits verneint, weil Brücken als derartige Gefahrenstellen allen Kraftfahrern bekannt sein müssten (BGH VI ZR 76/59 v. 30. 5. 1960 = MDR 60, 839). Abgelehnt ist eine Streupflicht bei Durchfahrten unter Brücken und Stellen mit wechselnder Sonnenbestrahlung, weil derartige Gefahrenstellen Kraftfahrern vertraut und bekannt sein müssen. Denn der Wegebenutzer darf keinesfalls aus dem Zustand eines Teils einer Straße darauf schließen, dass die folgenden Strecken veränderter Beschaffenheit den gleichen Zustand aufweisen. Er muss bei Frostgefahr und Temperaturen um den Nullpunkt mit plötzlichen Vereisungen an Stellen rechnen, die erfahrungsgemäß zur Eisbildung neigen, etwa an Straßenstücken mit gegenüber der Umgebung veränderter Einwirkung von Sonne, Wind und Niederschlägen, bei wechselndem Baumbestand oder an Wegestrecken mit sonstigen eisfördernden Besonderheiten (BGH III ZR 177/58 v. 30.11.1959 = LM Nr. 13 zu § 823 [Eb] BGB = NJW 60, 432; III ZR 144/59 v. 11. 7. 1960; III ZR 137/59 v. 11. 7. 1960; III ZR 139/61 v. 12. 7. 1962 = NJW 62, 1767).
Träger dieser Verkehrssicherungspflicht sind bei Bundesstraßen - wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat - die Länder (BGHZ 9, 373 = NJW 53,1297; BGHZ 14, 83 = NJW 54,1297; BGHZ 16,95 = NJW 55, 298).
II. Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser von ihm richtig dargelegten Rechtsgrundsätze eine besondere Gefährlichkeit der Unfallstrecke sowie eine Verpflichtung zum Streuen vor dem Unfall verneint und dazu folgende Feststellungen getroffen: Die Bundesstraße 312 sei 5,65 m breit, aber noch nicht für den Schnellverkehr ausgebaut und entspreche dem Zustand, wie man ihn in Baden-Württemberg allenthalben antreffe. Jeder Kraftfahrer erkenne das ebenso wie die kurvenreiche, Führung ab Kilometerstein 49,9, wo das übliche Warnschild eine kurvenreiche Strecke auf 4.000 m und kurz darauf ein weiteres Schild "Glatteisgefahr" angekündigt habe. Der nach dem Kilometerstein 47,1 beginnende und kaum 600 m lange Waldbestand habe auf der östlichen Seite etwa 80 m vor dem Kilometerstein 46,4 geendet; die Straße führe dann am westlichen teilweise bewaldeten Abhang einer Senke entlang. An der Unfallstrecke gehe eine langgestreckte, leicht überhöhte Linkskurve mit einem Gefälle von 3,6 % nach einer geraden Strecke von etwa 15 m in eine sanfte, auch nach außen überhöhte Rechtsschleife über.
Das Glatteis am Unfalltage sei dadurch entstanden, dass der aus dem Tal kommende Nebel, dessen Aufsteigen durch den bewaldeten steilen Hang an der Westseite der Straße verzögert wurde, sich verdichtet und bei Temperaturen unter dem Nullpunkt als Glatteis auf der nach der Talseite offenen Strecke niedergeschlagen habe, während in dem beiderseits bewaldeten Streckenabschnitt der Nebel sich nicht so stark verdichtet habe. Das Eis habe für den Verletzten 15 m hinter dem beiderseitigen Waldbestand begonnen. Die Eisfläche habe sich vom Morgen bis zum Mittag langsam, aber erheblich vergrößert. Auf Straßen im Mittelgebirge, die von Süden nach Norden an einem bewaldeten steilen Hang eines Tales entlangführen, sei das kein außergewöhnlicher Vorgang, zumal die Unfallstelle trotz sonnigen Wetters im Schatten gelegen habe. Das Gelände außerhalb der Fahrbahn sei leicht mit Schnee bedeckt gewesen und X habe schon vorher auf der Fahrt durch den Schwarzwald verschiedene Glatteisstellen passiert gehabt.
Der Geschädigte hätte an dieser Stelle wiederum mit Glatteis rechnen müssen und deshalb viel langsamer fahren müssen. Er habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass diese noch an der steil ansteigenden Bergseite bewaldete, nach einem Tal im Osten freiliegende Straßenstelle eisfrei sein würde, weil er in dem vorangegangenen Waldstück von 600 m Länge kein Glatteis bemerkt gehabt habe, zumal er im Waldstück selbst schon feuchte Stellen bemerkt gehabt habe. Die Straße habe für den Verletzten bereits auf den letzten 85 m im beiderseitigen Waldgelände und anschließend auf weitere 15 m auf der einseitig bewaldeten Strecke feucht wie nach einem Regen und gegenüber dem trockenen Straßenuntergrund dunkler ausgesehen. Ein solcher Wechsel habe einem aufmerksamen Fahrer nicht entgehen dürfen. Der Geschädigte hätte deshalb gerade im Bereich der Unfallstelle die Möglichkeit einer Vereisung erkennen müssen und seine Geschwindigkeit erheblich herabsetzen müssen. Schon bei einer Geschwindigkeit zwischen 30 und 40 km/h wäre der Unfall ganz vermieden worden.
Eine besondere Gefährlichkeit dieses Straßenabschnitts könne auch nicht wegen einer Häufung von Glatteisunfällen angenommen werden. Denn die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass sich in nächster Nähe der Unfallstelle auf Glatteis zurückzuführende Verkehrsunfälle häufig ereignet hätten.
III. Diese Feststellungen rechtfertigen die Verneinung einer Streupflicht. Dabei ist die Beantwortung der Frage, ob ein Gelände gefährlich oder besonders gefährlich ist, weitgehend dem Tatrichter zu überlassen, Das Revisionsgericht darf grundsätzlich in solchen Fällen nur überprüfen, ob der Tatrichter für seine Entscheidung den richtigen rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und alle tatsächlichen Besonderheiten des Sachverhalts ausreichend gewürdigt hat.
Die Würdigung des Berufungsgerichts zeigt im Ergebnis keinen Rechtsfehler, denn das Gelände enthielt nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts genügend Warnzeichen. Das Bild der Straße hatte mehrfach schnell gewechselt. Die Straße führte nach dem Verlassen des beiderseitigen Waldstücks an einem bewaldeten Steilhang weiter; dieser nur noch einseitig bewaldete Straßenteil war der Kälte und Wind stärker ausgesetzt als die Strecke im beiderseitigen Waldgelände. Im bergigen Gelände treten feuchte Luftmassen häufiger auf als in der Ebene und können an bewaldeten Hängen gestaut werden. Dieses auffallende und wechselnde Straßenbild im Mittelgebirge musste bei den herrschenden Witterungsverhältnissen einen aufmerksamen Kraftfahrer veranlassen, den Straßenzustand besonders genau zu beobachten und sein Augenmerk mit erhöhter Sorgfalt auf etwaige Glatteisstellen oder verdächtige Straßenstellen zu richten, die einen Anhaltspunkt für das Vorhandensein von Glatteis bieten konnten. Ein den winterlichen Verhältnissen Rechnung tragender Kraftfahrer hätte hier - auch wenn im Augenblick kein Nebel zu sehen war - mit der Möglichkeit einer Glatteisbildung gerechnet und die Gefahr durch eine Verringerung der Geschwindigkeit bewältigt. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass eine derartige Straßenstelle nicht als besonders gefährlich im Sinne der oben erwähnten Rechtsprechung zu werten ist.
Für diese Entscheidung ist es ohne Bedeutung, dass X auf die Möglichkeit einer Glatteisbildung noch besonders durch die dunkel gefärbten feuchten Straßenstellen aufmerksam gemacht wurde, die schon im Waldgelände begonnen hatten. Der Revision ist zuzugeben, dass die Gründe des Berufungsurteils auf diese Missachtung zusätzlicher Gefahrenzeichen zu stark abgestellt haben. Für die Entstehung einer Streupflicht ist die objektive Gefährlichkeit der Straßenstelle maßgebend, also ein Straßenzustand, bei dem nach objektiver Wertung der Kraftfahrer trotz Anwendung der im Winter erforderlichen erhöhten Sorgfalt die Möglichkeit eines Unfalls durch Glatteis nicht erkennen und die dadurch verursachten Schäden nicht abwenden kann. Besteht auf Grund des objektiven Straßenzustandes eine Streupflicht, dann kann allerdings trotz ihrer Vernachlässigung eine Haftung entfallen, wenn den Kraftfahrer ein persönlicher Vorwurf trifft, weil er im Einzelfall die auf Grund seiner persönlichen Kenntnisse, Erfahrungen oder Anforderungen zu wahrende Vorsicht außer acht gelassen hat, beispielsweise wenn er nach erkanntem Glatteis scharf gebremst oder trotz warnenden Zurufs seine Fahrt auf dem Glatteis beschleunigt hat. Darum handelt es sich im vorliegenden Fall aber entgegen der Annahme der Revision nicht, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits das Gelände selbst ausreichende objektive Warnungshinweise enthielt, so dass eine Streupflicht auf jeden Fall zu verneinen war, auch wenn die Straße keine dunklen Feuchtigkeitsflecke aufgewiesen hätte.
Aus dem gleichen Grunde bedarf es keiner weiteren Behandlung der Frage, auf welche Strecke sich das vor dem Waldstück angebrachte Glatteisschild bezogen hatte.
Das Urteil des Berufungsgerichts nennt allerdings mehrfach Himmelsrichtungen, und zwar im Blick auf die Richtung, in der X fuhr, sowie im Blick auf die Lage des Waldes und des Tales neben der Glatteisstelle; auch wird erwähnt, dass die Sonne zwar schien, die Glatteisstelle aber im Schatten lag; endlich wird darauf hingewiesen, dass X bei seiner Fahrt durch den Schwarzwald auch dort durch winterliche Glätte gefährdete Straßenstellen angetroffen hatte. Würde das Berufungsgericht gerade aus diesen Umständen hergeleitet haben, dass ein Kraftfahrer an der Unfallstelle mit Glatteis zu rechnen hatte, und dass deshalb diese Stelle nicht als besonders gefährlich anzusehen und mithin nicht zu streuen sei, so könnte ihm nicht gefolgt werden. Ein Kraftfahrer auf einer kurvenreichen Strecke wäre überfordert, wenn von ihm verlangt würde, er müsse jederzeit über die Himmelsrichtungen unterrichtet sein und müsse daher aus dieser Kenntnis der Himmelsrichtungen auch die Gefahr von Glatteisbildung prüfen. Der Zusammenhalt der Urteilsgründe ergibt jedoch, dass das Berufungsgericht die Himmelsrichtungen nur in Anlehnung an das Sachverständigen-Gutachten erwähnt, um mit diesem Gutachten zu erklären, wie es zur Glatteisbildung an der Unfallstelle gekommen ist. Das Urteil lässt aber mit hinreichender Sicherheit erkennen, dass das Berufungsgericht angenommen hat, die Gefahr der Glatteisbildung an der Unfallstelle sei aus der Beschaffenheit der Fahrstrecke zu erkennen gewesen (Übergang von beiderseitigen Wald zu einer Strecke mit Hochwaldbestand nur an der Bergseite, dagegen unbewaldetes Gelände an der Talseite). Daraus ergibt sich zugleich, dass das Berufungsgericht auch die Schattenlage der Glatteisstelle zur Zeit des Unfalls und die Erfahrungen des X aus seiner vorangegangenen Schwarzwaldfahrt nicht zur Begründung der Ansicht verwendet hat, die Unfallstelle sei nicht als eine besonders gefährliche Stelle anzusehen.
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