Örtliche Gerichtszuständigkeit für einen Prozeß gegen Anwalt

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

16. 08. 1995


Aktenzeichen

1Z AR 35/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei beabsichtigter Schadensersatzklage wegen Schlechterfüllung anwaltlicher Vertragspflichten eines Mandanten, der einen Prozeßbevollmächtigten sowie Verkehrsanwälte beauftragt hat und behauptet, den Anwälten seien in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich Fehler unterlaufen.

  2. Erfüllungsort für Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung anwaltlicher Vertragspflichten ist regelmäßig der Ort, an dem der Rechtsanwalt seine Kanzlei eingerichtet hat.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ast. hat gegen den Ag. zu 1, einen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in München sowie gegen die Ag. zu 2 und 3, jeweils Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in Nürnberg, Mahnbescheide erwirkt. Die Ag. haben jeweils Widerspruch eingelegt. Daraufhin hat der Ast. beim BayObLG gem. § 36 Nr. 3 ZPO beantragt, das gemeinschaftliche zuständige Gericht zu bestimmen. In seinem Entwurf zur Anspruchsbegründung hat er vorgetragen, er nehme die Ag. wegen Schlechterfüllung von Anwaltsverträgen auf Schadensersatz in Höhe von 45116,68 DM als Gesamtschuldner in Anspruch. Er habe den Ag. zu 1 beauftragt, Ansprüche wegen Verletzung eines Treuhandvertrages zu prüfen und gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Obwohl der Ag. zu 1 hätte erkennen müssen, daß die Ansprüche teilweise verjährt sowie teilweise nicht schlüssig gewesen seien, habe er eine Klageschrift entworfen, welche die Ag. zu 2 und 3 als Korrespondenzanwälte unverändert beim LG Nürnberg eingereicht hätten. Sowohl der Ag. zu 1 als auch die Ag. zu 2 und 3 hätten es jeweils in ihrem Pflichtenkreis schuldhaft unterlassen, von dem aussichtslosen Prozeß abzuraten. Als Folge der Pflichtverletzungen sei ihm ein Schaden dadurch entstanden, daß ihm beim LG und beim OLG Kosten erwachsen seien. Er beabsichtigte, weitere Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt, für die keine gesamtschuldnerische Haftung gegeben sei, gegen den Ag. zu 1 in einem Verfahren beim LG München I geltend zu machen und Verbindung zu beantragen. Der Senat hat das LG München I als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

II.1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen (§ 36 Nr. 3 ZPO; vgl. BayObLGZ 1993, 170 = NJW-RR 1994, 890; BayObLGZ 1983, 64 (65) = NJW 1983, 2458 L m.w. Nachw.). Die Ag. haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 12 ZPO), der durch ihren Wohnsitz bestimmt wird (§ 13 ZPO, § 7 I BGB), in verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken.

2. Die Voraussetzungen des § 36 Nr. 3 ZPO liegen vor.

a) Die Ag., die im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen, sind im Sinn der beabsichtigten Anspruchsbegründung Streitgenossen (§ 59 ZPO); denn sie sollen nach dem hierfür maßgeblichen Vorbringen des Ast. (vgl. BayObLGZ 1985, 314 (316) = NJW 1986, 389 L) als Gesamtschuldner infolge mangelnder Sorgfalt beim Entwurf einer Klageschrift bzw. bei der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens den behaupteten Schaden verantwortlich mitverursacht haben, so daß eine Zweckgemeinschaft anzunehmen ist (vgl. BayObLG, MDR 1992, 296 und NJW 1993, 190 = MDR 1993, 179; Vollkommer, AnwaltshaftungsR, 1989, Rdnr. 370).

b) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht nicht; insbesondere nicht der des Erfüllungsortes (§ 29 I ZPO i.V. mit § 269 I BGB).

Der Ast. macht Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Grundsätzen über Verletzung behaupteter anwaltlicher Verpflichtungen geltend. Hierfür ist nach den Umständen, insbesondere aus der Natur des jeweiligen Dienstleistungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 269 I Alt. 2, 611, 675 BGB; vgl. Palandt/Putzo,BGB, 54. Aufl., Einf. § 611 Rdnr. 21 m.w. Nachw.), als Erfüllungsort regelmäßig der Ort anzunehmen, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwalts (§ 27 II BRAO) befindet (vgl. BayObLG, MDR 1993, 179; Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 29 Rdnr. 25 „Anwalt“ m.w. Nachw; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 29 Rdnr. 31; Palandt/Heinrichs, § 269 Rdnr. 13 m.w. Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn ein Mandant, der einen Prozeßbevollmächtigten sowie Verkehrsanwälte (§ 52 BRAGO) beauftragt hat, behauptet, den Anwälten seien im jeweiligen Verantwortungsbereich Fehler unterlaufen, weil es sich um rechtlich selbständige Mandate mit unterschiedlichen Pflichten handelt und keiner der Anwälte in seinem Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfe des anderen (§ 278 BGB) tätig geworden ist (BGH, NJW 1988, 1079 (1082)). Deshalb bleibt es bei dem Grundsatz, daß der Leistungs- und Erfüllungsort (§ 29 I ZPO i.V.m. § 269 BGB) dort anzunehmen ist, wo die jeweilige Dienstleistung zu erbringen ist.

3. Es erscheint zweckmäßig, von den beiden in Betracht kommenden Landgerichten, entsprechend der Anregung des Ast., das LG München Ials örtlich zuständig zu bestimmen, da dort der zuerst beauftragte Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz hat.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht; Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht