Berichterstattung über Stasi-Vergangenheit von Udo Foht

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 07. 2001


Aktenzeichen

21 U 3144/01


Tenor


  1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Endurteil des Landgerichts München 1, 9. Zivilkammer, vom 21.03.2001 wird zurückgewiesen.

  2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Entscheidungsgründe

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :


Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers (§ § 511 ff ZPO) ist unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Veröffentlichung in der Ausgabe 6/2001 des FOCUS vom 05.02.2001 auf Seite 172 gerechtfertigt war und die Beklagte auch nicht verpflichtet ist, gleichlautende Aussagen künftig zu unterlassen.

Auch die weitere Glaubhaftmachung in der Berufungsinstanz führt zu keinem anderen Ergebnis.

I.

Eine für den Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1 und 2, § 1004 (analog) BGB i.V.m. § 186 StGB notwendige Wiederholungsgefahr kann nicht aus einer rechtmäßigen Erstmittellung abgeleitet werden. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Rechtmäßigkeit der Äußerung und zur Einhaltung der Grundsätze der zulässigen Verdachtsberichterstattung wird Bezug genommen.

Bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB in Auslegung mit Blick auf Art. 5 GG; vgl. etwa BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 - IM-Liste) hat die Beklagte auch die pressemäßige Sorgfalt beachtet (vgl. BGH in BGHZ 139, 95 = NJW 1998, 3047 - IM-Sekretär und OLG Hamburg DtZ 1992, 223 - Herrmann Kant). Insbesondere war es in diesem Fall nicht erforderlich, den Verfügungskläger vor der Veröffentlichung anzuhören. Eine solche Nachfrage ist nur dann erforderlich, wenn dadurch eine spezielle Aufklärung erwartet werden kann (Löffler/Steffen, Presserecht, 4. Auflage § 6 Rn. 170). Ergibt sich bei vernünftiger Prognose, daß von vornherein mit einem Dementi zu rechnen ist, besteht diese Pflicht nicht (Soehring, Presserecht, 3. Auflage, Rn. 2.24). Bei der hier vorliegenden speziellen Problematik konnte die Beklagte entweder erwarten, daß der Verfügungskläger die Richtigkeit des sich aus den Unterlagen des MfS ergebenden Sachverhalts bestätigen oder - wie anschließend geschehen - die Unterlagen insgesamt als gefälscht bezeichnen würde. Weder in dem einen noch in dem anderen Fall hätte sich für die Beklagte ein Ansatzpunkt für weitere Recherchen ergeben. Insbesondere wenn - wie vom Verfügungskläger behauptet - die Unterlagen über seine Tätigkeit als IMS eine Totalfälschung darstellen, gab es nach dem Aktenstand für den Verfügungskläger keine Möglichkeit, innerhalb angemessener Zeit fundierte, weitere Nachforschungen gebietende Hinweise auf die Unrichtigkeit der Unterlagen zu geben.

II.

Es besteht auch keine in Ausnahmefällen zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs ausreichende Gefahr einer bevorstehenden erstmaligen Rechtsverletzung. Zwar kann aus einer ursprünglich rechtmäßig aufgestellten Behauptung, deren Unwahrheit sich nachträglich erweist, noch nicht auf eine Wiederholungsgefahr - richtig: Erstbegehungsgefahr - geschlossen werden (BGH AfP 1987, 597/599 = NJVV 1987, 2225/2227 - Chemiegift), doch zeigt ein Artikel in der Ausgabe 14/2001 des FOCUS vom 02.04.2001 auf den Seiten 248/249, daß die Beklagte ihre Verdachtsberichterstattung fortsetzt.

Auch dabei wurden in Bezug auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch die Grundsätze der zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten. Insbesondere besteht weiterhin das im Ersturteil bereits dargelegte anerkennenswerte berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an dieser Berichterstattung. Auch durch die Art der Darstellung im Artikel vom 02.04.2001 wird deutlich gemacht, daß es sich um einen Verdacht handelt, der sich auf die Unterlagen des MfS stützt. Die den Verfügungskläger entlastende eidesstattliche Versicherung des früheren hauptamtlichen MfS-Mitarbeiters Affeldt wird ausdrücklich erwähnt. Demnach könnte trotz Einhaltung der pressemäßigen Sorgfaltspflicht die weitere Berichterstattung der Beklagten nur untersagt werden, wenn der Verfügungskläger mit dem erforderlichen Grad den Nachweis erbringt, daß der Verdacht zu Unrecht erhoben wurde. Zu der den Verfügungskläger treffenden Glaubhaftmachungslast wird auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen, die auch für die weitere Berichterstattung gelten.

Auch die im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren eidesstattlichen Versicherungen des Dieter Affeldt vom 26.04.2001 und des Verfügungsklägers vom 16.05.2001 sind nicht ausreichend, um die tatsächliche Unwahrheit der Unterlagen des MfS festzustellen oder wenigstens überwiegend glaubhaft zu machen.

Der ehemalige hauptamtliche MfS-Mitarbeiter Dieter Affeldt versicherte am 26.04.2001 an Eides Statt, daß ihm der Vorschlag zur Kontaktaufnahme vom 05.04.1977, die Stellungnahme zum Werbungsvorschlag vom 13.09.1977 und der Vorschlag zur Verpflichtung vom 05.09.1979 erst durch den Klägervertreter bekannt gemacht wurden und er mit den Mitarbeitern des MfS, den Herren Heimann und Reuter, nicht darüber gesprochen habe, ob eine Anwerbung des Verfügungsklägers lohnend sei.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, daß der im Jahre 1977 angelegte Vorgang "IMS Karsten Weiß" im Jahre 1986 von der Hauptabteilung XX/9 Heimann an die Hauptabteilung XX/7 Affeldt abgegeben wurde. In einem "Wer-ist-Wer-Übersichtsbogen" findet sich der unterschriebene Vermerk des Hauptmanns Affeldt, daß dem "IMS Karsten Weiß" der Mitarbeiter Heimann persönlich bekannt sei.

Es ist bei der von Affeldt in der eidesstattlichen Versicherung vom 27.02.2001 behaupteten Anlage einer fiktiven IM-Akte zur Planerfüllung nicht nachvollziehbar, wieso sich darin Vorgänge befinden, die im Jahre 1977 angelegt und 1986 in die Abteilung des Affeldt abgegeben wurden. Nach der vorgelegten Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ("Gauck-Behörde") vom 11.05.2001 sind nur außerordentlich selten Einzelfälle bekannt geworden, in denen Personen fälschlicherweise in den Akten als IM geführt wurden. Eine Richtlinie oder einen Befehl zur "Planerfüllung" habe es nicht gegeben, es handle sich bei derartigen Behauptungen in der Regel um Schutzbehauptungen.

Ob eine persönliche Zeugenbefragung des Dieter Affeldt zu einer anderen Beweiswürdigung führen wird, muß für das vorliegende Verfahren der einstweiligen Verfügung dahingestellt bleiben.

Auch durch die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers vom 16.05.2001 kann der Nachweis der Unrichtigkeit der Berichterstattung (§§ 936, 920 Abs. 2, § 294 ZPO) nicht geführt werden. Der Verfügungskläger führt in dieser eidesstattlichen Versicherung aus, bei einem Anwerbeversuch Ende der 70er Jahre habe er eine Zusammenarbeit mit dem MfS abgelehnt.

In den MfS-Unterlagen ist ein "Vorschlag zur Verpflichtung" des Verfügungsklägers vom 05.09.1979 enthalten, der vom Hauptmann Heimann verfaßt und vom Oberstleutnant Reuter gegengezeichnet ist. Darin wird über ein Kontaktgespräch mit dem Verfügungskläger und dessen positiver Haltung zur Zusammenarbeit mit dem MfS berichtet und über seine Bereitschaft, konkrete Aufgaben zu erfüllen. Sollte die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers zutreffen, wäre auch dieser Bericht, der nicht von Affeldt stammt, inhaltlich falsch. Dafür fehlen ebenfalls Anhaltspunkte.

Bei dieser Beweislage kann zumindest im Verfahren der einstweiligen Verfügung dem Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers nicht stattgegeben werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Seitz Dr. Klemm Schmidt
Vorsitzender Richter Richter
am Oberlandesgericht

Vorinstanzen

LG München I, 9 O 4185/01

Rechtsgebiete

Presserecht