FOCUS-Berichterstattung über Stasi-Vorwürfe gegen Engholm
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
09. 08. 2001
Aktenzeichen
27.O.172/01
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Kostenbetrages zuzüglich 10 %. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung des Klägers durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank (Aktiengesellschaft oder Genossenschaft) oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Berichterstattung der Beklagten im
Zusammenhang mit gegen ihn erhobenen Stasivorwürfen.
In der Ausgabe des von der Beklagten zu 1) verlegten Magazins "Focus" Nr. 49/2000 vom 4. Dezember 2000 erschien der nachfolgend in Kopie wiedergegebene Artikel der Beklagten zu 3) und 4):
[Artikel "Deckname 'Beethoven'", Focus 49/2000, in Kopie]
Der Artikel wurde wie folgt im Inhaltsverzeichnis angekündigt:
[Inhaltsverzeichnis Focus 49/2000 in Kopie]
Hintergrund der Berichterstattung war eine Auskunft des amerikanischen
Geheimdienstes CIA gegenüber der Bundesanwaltschaft, wonach sich hinter der
Registrierung zur Nummer XV/188/71 und dem dieser vom Ministerium für
Staatssicherheit der ehemaligen DDR zugeordneten Decknamen "Beethoven" die
Person des Klägers verberge.
Nachdem die Berichterstattung im "Focus" von verschiedenen Tageszeitungen aufgegriffen und der Kläger gegenüber der "Welt am Sonntag" bestritten hatte, wissentlich oder willentlich mit der DDR in anderer als politisch offizieller Art zu tun gehabt zu haben, erschien in der Ausgabe des "Focus" Nr. 50/2000 unter der Rubrik "Tagebuch" die folgende Stellungnahme des Beklagten zu 2):
[Editorial "Tagebuch", Focus 50/2000, in Kopie]
In der gleichen Ausgabe des "Focus" erschien der folgende Artikel der
Beklagten zu 3) und 4):
[Artikel "Affäre: Hecht alias Beethoven - Der Verfassungsschutz soll
Agentenhinweise auf den SPD-Spitzenpolitiker Björn Engholm vertuscht haben",
Focus 50/2000, in Kopie]
Nachdem im Nachrichtenmagazin "Spiegel" vom selben Tag die Vermutung
geäußert worden war, dass es sich bei der angeblichen Stasi-Verstrickung des
Klägers um einen Fehler handeln könnte, zumal dieser in den CIA-Unterlagen unter
der Registriernummer XV/128/71 bislang lediglich als Kontaktperson "Hecht"
aufgetaucht sei, veröffentlichte der Generalbundesanwalt am 14. Dezember 2000
eine Pressemitteilung, wonach sich aus im Wege der Amtshilfe aus den USA
erhaltenen Unterlagen ergebe, dass zwischen dem Kläger und einer Person mit dem
Decknamen "Beethoven" keine Personenidentität bestehe. Als Ursache der
Verdächtigung gab der Generalbundesanwalt dabei an, dass es aufgrund eines
Fehlers bei der Übertragung von Daten aus Karteikarten in elektronische Speicher
zu einer unrichtigen Eintragung der Kennziffer gekommen sei. Die Presseerklärung
ging der Beklagten zu 1) noch am selben Tag um 14:45 Uhr zu.
Noch unter dem 14. Dezember 2000 forderte der Kläger die Beklagten zu 1) - 3) mit anwaltlichem Schreiben zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, zur Veröffentlichung eines Widerrufs, zur Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes, zur Anerkennung materieller Schadensersatzansprüche sowie zur Freistellung von Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 1 Mio. DM auf. Unter dem 15. Dezember 2000 wiesen die Beklagten darauf hin, dass die Ausgabe 51/2000 bereits drucktechnisch abgeschlossen sei und die Pressemitteilung des Generalbundesanwalts erst in der Ausgabe 52/200, die am 22. Dezember 2000 erscheine, Berücksichtigung finden könne. Die Beklagten boten dem Kläger an, die redaktionellen Passagen mit diesem abzustimmen und die geforderte Unterlassungserklärung, soweit berechtigt, abzugeben.
In der am 16. Dezember 2000 erschienenen Ausgabe des "Focus" Nr. 51/2000 heißt es auf Seite 12:
[Artikel "Fragestunde: Engholm, Schröder und die Stasi", Focus 51/2000,
in Kopie]
Unter dem 18. und 19. Dezember 2000 gaben die Beklagten zu 1) - 3) die geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärungen ab.
In der Ausgabe des "Focus" Nr. 52/2000 erschien unter der Rubrik "Tagebuch" folgende Anmerkung des Beklagten zu 2):
[Editorial "Tagebuch", Focus 52/2000, in Kopie]
Auf den Seiten 40 und 41 derselben Ausgabe des "Focus" heißt es:
[Artikel "Geheimdienste: Krach um Tippfehler - Generalbundesanwalt Nehm
stellt richtig: Engholm nicht identisch mit IM 'Beethoven''', Focus 52/2000, S.
40-41, in Kopie]
Schließlich erschienen in den Ausgaben des "Focus" Nr. 15/2001, 17/2001,
18/2001 die nachfolgenden Berichte:
[Artikel: "Spionage: Deckname 'Erdmann' - Geheime Stasi-Akten aus dem
Tresor der CIA belasten erneut den früheren SPD-Spitzenpolitiker Björn Engholm",
Focus 15/2001, in Kopie]
[Artikel "Engholm: Gauck-Behörde bestätigt Stasi-Dokumente", Focus 16/2001, in Kopie]
[Editorial "Tagebuch", Focus 17/2001, in Kopie]
[Artikel "Engholm: 'Subversives Geflecht' - Geheimprotokolle aus dem Bundesarchiv dokumentieren verbotene Kontakte mit Funktionären aus der DDR", Focus 18/2001, in Kopie]
Der Kläger behauptet, niemals "IM" der Stasi gewesen zu sein. Er ist der
Ansicht, die Berichterstattung der Beklagten vom Dezember 2000 habe den
damaligen Erkenntnisstand nicht zutreffend wiedergeben. Vielmehr hätten sich die
Beklagten den gegen ihn damals bestehenden Verdacht zu eigen gemacht und damit
behauptet, er sei der Stasi-Agent mit dem Decknamen Beethoven gewesen, indem sie
ausgeführt hätten, er habe als "Inoffizieller Mitarbeiter für besondere Aufgaben
... den Feind ... unmittelbar beeinflussen" sollen. Auch wenn sein Dementi
abgedruckt worden sei, sei dem Leser suggeriert worden, dass der geäußerte
Verdacht zutreffe. Dies hätten auch die den Verdacht aufgreifenden Zeitungen so
verstanden. Die Berichterstattung sei erfolgt, ohne dass auch nur versucht
worden sei, Einsicht in die Originalunterlagen zu erhalten oder sonst in den USA
zu recherchieren.
Soweit die Beklagten in der Ausgabe 50/2000 behaupten, die Registriernummer XV/188/71 stehe für einen Stasi-Einflussagenten, sei dies eine reine Spekulation. Tatsächlich sage die Registrierung als "IMA" auf der Karteikarte nichts aus. Bis zum Jahre 1984 seien sämtliche Personen, über die das MfS Informationen erhalten habe, als "IM" registriert worden, wobei der Zusatz "A" lediglich auf die Anlegung einer getrennten Arbeitsakte hinweise. Eine Kontaktpersonen-Akte sei erst 1984 bzw. de facto 1988 eingeführt worden. Eine Prüfung des Anfangsverdachts auf Landesverrat durch den Generalbundesanwalt gegen ihn habe es nie gegeben. Auch soweit die Beklagten in Nr. 50/2000 berichtet hätten, die DDR-Staatssicherheit habe ihn, den Kläger, als "IM für besondere Aufgaben" registriert, sei dies falsch. Die von den Beklagten insofern herangezogene Richtlinie aus dem Jahre 1984, nach der "IMA" im Übrigen ebenfalls eine Sammelbezeichnung sei, könne für eine Registrierung im Jahre 1971 nicht gelten, zumal bei der Übertragung der aus dem Jahre 1971 stammenden Daten im Jahr 1985 eine Überprüfung nicht stattgefunden habe. Weder auf den Karteikarten, noch in der Teildatenbank 21, die auch als „SIRA" bezeichnet werde und aus der sich nur Angaben hinsichtlich der Art und Weise der Aktenführung ergeben würde, seien "IM"-Kategorien nach Funktionstypen verzeichnet. Diese ergäben sich vielmehr aus den sog. Statistikbögen. Aus den angeführten Daten sei also nicht ersichtlich, ob die registrierte Person aktiv als "Quelle" tätig war. Aus dem Statistikbogen ergebe sich dagegen eindeutig, dass er, der Kläger, als unwissentlich abgeschöpfte Kontaktperson geführt worden sei.
Den Beklagten hätte bekannt sein müssen, dass das im Registrierungsvorgang notierte Referat 01 nicht für die SPD, sondern für CDU und CSU zuständig gewesen sei. Auch sei bekannt gewesen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits 1983 eine Prüfung mit negativem Ergebnis durchgeführt hatte. Der Kläger bestreitet, dass eine Berücksichtigung der Presseerklärung des Generalbundesanwalt in der Ausgabe 51/2000 nicht mehr möglich gewesen sei, zumal der "Spiegel" in der zeitgleichen Ausgabe über diese berichtet habe. Der schließlich im Heft 52/2000 erfolgte Bericht stelle im Wesentlichen einen Tippfehler als Ursache für die Falschmeldung heraus und erwähne eher beiläufig, dass die vorherigen Behauptungen falsch gewesen sind. Auch soweit der Beklagte zu 2) in seinem Tagebuch versuche, die Schuld auf den CIA abzuladen, stelle dies keine Erfüllung seiner, des Klägers, Widerrufsforderung dar. Eine Entschuldigung sei zudem nicht erfolgt, so dass nach allem eine Entschädigung in Geld in der geforderten Höhe zuzusprechen sei.
Soweit die Beklagten zu 1) bis 3) nach Zustellung der Klage berichtet hätten, dass er "durch geheime Stasi-Akten aus dem Tresor des CIA erneut schwer belastet" werde, sei dies ebenfalls unzutreffend. Wie bereits erwähnt, würden die Karteikarten keinen zuverlässigen Hinweis darüber geben, in welcher Kategorie eine Person registriert sei. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR habe hierzu in einem Interview mit dem "Spiegel" erklärt, dass der Verdacht, er, der Kläger, sei „IM" gewesen, falsch sei und die Abschriften der Statistikbögen eindeutig auf eine Registrierung als Kontaktperson hinweisen würden. Insoweit seien die unter Ziffer 2 und 3) geltend gemachten Unterlassungsansprüche gerechtfertigt.
Schließlich habe er, der Kläger, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um hinsichtlich 12 Einzelbehauptungen Unterlassungsansprüche durchzusetzen. Dabei sei ein Gegenstandswert von mindestens 200.000,00 DM anzusetzen, was den Zahlungsantrag zu 4) rechtfertige.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten zu 1) - 4), zu verurteilen, an ihn eineGeldentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überlitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem Tage der Rechtshängigkeit zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch
- die Beklagte zu 1) eine Geldentschädigung von 200.000,00 DM,
- der Beklagte zu 2) eine Geldentschädigung von 100.000,00 DM
- sowie die Beklagten zu 3) und 4) eine Geldentschädigung von je 40.000,00 DM,wobei die Beklagten in der Höhe, in der sie verurteilt werden, als Gesamtschuldner haften.
2. die Beklagten zu 1) - 3) zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere bei der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, zu behaupten und/oder zu verbreiten:
a) „Björn Engholm, der frühere SPD-Parteivorsitzende, Ministerpräsident und Kanzlerkandidat war offenbar doch ab 1971 beim DDR-Geheimdienst als "Inoffizieller Mitarbeiter (IM) registriert".
b) "Ab 3. Februar 1971 galt Björn Engholm bei der Stasi als so genannter IMA - unter diesem Kürzel faßte Ostberlins Spionagetruppe ihre Inoffiziellen Mitarbeiter für besondere Aufgaben, Instrukteure, Kuriere, Funker und Perspektiv-Agenten zusammen".
3. die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere bei der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, zu behaupten und/oder zu verbreiten:
„Die HVA hatte Björn Engholm in der Kategorie IM-Akte A ("Quellen, IM für besondere Aufgaben, Residenten, Führungs-IM, Funker, Werber, Instrukteure, Kuriere, Perspektiv-IM") unter der Registriernummer XV/128/71 und unter dem Decknamen, "Erdmann" seit 1971 erfaßt".
4. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 2.452,01 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit dem 16.03.2001 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie führen an, eine Behauptung, dass der Verdacht gegen den Kläger
begründet gewesen sei, hätten sie nicht aufgestellt. Vielmehr sei lediglich
darüber berichtet worden, dass nach Erkenntnissen verschiedener Geheimdienste
und den damaligen Akten die Behörden den Verdacht hegen würden, dass sich hinter
dem IM Beethoven der Kläger verbergen könnte. Dabei sei lediglich darauf
abgestellt worden, dass vieles dafür spreche, dass der Kläger als "IM"
registriert bzw. geführt worden sei, was dieser offenbar selbst für möglich
gehalten habe. Dass der Kläger auch selbst aktiv geworden ist, sei demgegenüber
nicht behauptet worden. Der Ermittlungsstand sei jeweils zutreffend
wiedergegeben worden. Die Erläuterung des registrierten "IM"-Typs entspreche der
Richtlinie des Ministerrats der ehemaligen DDR vom 15. Mai 1984 (Bl. 56-59
d.A.), die bei der
Übertragung der Daten im Jahre 1985 Berücksichtigung
gefunden habe. Gleichzeitig mit dem Bericht, und zwar bereits neben der
Überschrift, sei das Dementi des Klägers verbreitet worden, so dass ein
Zueigenmachen nicht vorliege. Die Berichte anderer Tageszeitungen könnten ihnen,
den Beklagten, nicht zugerechnet werden. Dass der "Spiegel" bereits in der
Ausgabe 50/2000 mitgeteilt habe, dass der Verdacht gegen den Kläger
möglicherweise auf einer Verwechslung beruhe, stehe nicht im Widerspruch zu den
angegriffenen Berichten. Dass sich nach den Erkenntnissen der auswertenden
Behörden hinter der Registriernummer der Kläger verbergen könnte, habe auch der
"Spiegel" bestätigt. Soweit der Kläger behauptet, dass Karteikarten, die
Grundlage der Teildatenbank 21 seien, generell keine Aussagekraft darüber haben,
ob die registrierte Person ein "IM" oder nur eine Kontaktperson sei, sei dies
nicht richtig. Der Zusatz "Arbeitsakte" sei als Hinweis darauf zu sehen, dass
der "IM" auch Berichte geliefert habe. Soweit der Kläger darauf abstelle, dass
in der Ausgabe 51/2000 die Pressemitteilung vom 14. Dezember 2000 nicht mehr
berücksichtigt worden sei, habe dies daran gelegen, dass die vorgezogen bereits
am Samstag, den 16. Dezember 2000 erschienene Ausgabe bereits am 14. Dezember um
1.30 Uhr, also vor Eingang der Pressemitteilung, drucktechnisch abgeschlossen
gewesen sei und wegen des nahen Erscheinungstages nicht habe völlig neu gedruckt
werden können. Da in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen
Ausgabe eine umfangreiche redaktionelle Richtigstellung erfolgt sei, sei für
eine Geldentschädigung kein Raum.
Die Beklagten führen weiter aus, die neueste Berichterstattung beruhe darauf,
dass sich aus Stasi-Dokumenten ergebe, dass der Kläger unter der
Registriernummer XV/128/71 offenbar doch als inoffizieller Mitarbeiter mit dem
Decknamen "Erdmann" registriert gewesen sei. Dies habe die Gauck-Behörde auf
Anfrage aus der SIRA-Datenbank ermittelt. Der danach zuständigen Offizier habe
im Übrigen bestätigt, den Kläger persönlich mehrmals getroffen zu
haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist lediglich teilweise hinsichtlich der geltend gemachten
Kosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung begründet,
im Übrigen aber unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten
Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche gegen die Beklagten aus §§ 823
Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu.
Bei der Berichterstattung der Beklagten vom Dezember 2000 handelte es sich mit Ausnahme der Behauptung, der Kläger sei als "Inoffizieller Mitarbeiter für besondere Aufgaben" registriert gewesen, um eine zulässige Verdachtsberichterstattung, die die zugrundeliegenden Tatsachen jedenfalls im Kern zutreffend wiedergegeben hat und die durch die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen gerechtfertigt war (vgl. BGH NJW2000, 1036).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung ist hiernach zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht um so höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei einer ihm vorgeworfenen (strafbaren) Handlung bereits überführt. Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muß es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Andererseits dürfen nach der Rechtsprechung des BGH die Anforderungen an die
pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere
nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit
leidet. Insbesondere Straftaten gehören nämlich zum Zeitgeschehen, dessen
Vermittlung zu den Aufgaben der Medien gehört. Dürfte die Presse, falls der Ruf
einer Person gefährdet ist, nur solche Informationen verbreiten, deren Wahrheit
im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht, so könnte
sie ihre durch Art. 5 Abs.
1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben
bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht durchweg erfüllen, wobei auch zu
beachten ist, dass ihre ohnehin begrenzten Mittel zur Ermittlung der Wahrheit
durch den Zwang zu aktueller Berichterstattung verkürzt sind. Deshalb verdient
im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der
Öffentlichkeit regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mithin das
Informationsinteresse jedenfalls dann den Vorrang, wenn die oben dargestellten
Sorgfaltsanforderungen eingehalten sind (BGH a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei den Aktivitäten der Staatssicherheit der ehemaligen DDR und der Verstrickung westdeutscher Politiker handelt es sich um einen gravierenden Vorgang, der die Öffentlichkeit in erheblichem Maße interessiert. Die behauptete Registrierung des Klägers als Inoffizieller Mitarbeiter stellt im Hinblick auf dessen frühere politische Karriere, die im Zusammenhang mit der sog. Barschel-Affaire zu Ende ging, einen Umstand dar, der - sofern begründete Verdachtsmomente vorliegen - eine namentliche Erwähnung zu rechtfertigen vermag. In der streitgegenständlichen Berichterstattung vom Dezember 2000 wird auch hinreichend deutlich, dass es sich bei der angeführten Registrierung als "IM" lediglich um einen Verdacht handelt. In dem Bericht wird zwar mitgeteilt, dass die Stasi den Kläger registriert und ihm den Decknamen "Beethoven" zugeteilt hatte. Dabei wird darauf abgestellt, dass eine Auswertung einer in CIA-Besitz befindlichen Klarnamendatei und einer codierten "SIRA"-Karteikarte ergeben habe, dass der Kläger zur Registrierungsnummer XV 188/71 erfasst gewesen sei. Gleichzeitig wird aber eine Stellungnahme des Klägers wiedergegeben, wonach eine solche Registrierung allenfalls auf einer Abschöpfung beruhen könne. Auch wenn der Beklagte zu 2) in seiner Stellungnahme in der Rubrik "Tagebuch" der Ausgabe 50/2000 davon spricht, dass er keine Zweifel an den gemeldeten Fakten habe, wird für den unbefangenen Durchschnittsleser, auf dessen Verständnis abzustellen ist, deutlich, dass es nicht etwa um Aktivitäten des Klägers als Informant des Ministeriums für Staatssicherheit geht, sondern nur um die Tatsache, ob der Kläger - wie bisher angenommen - lediglich als Kontaktperson erfasst war, was unverfänglich ist, oder eine Registrierung als "IM" erfolgt ist. Dass die Auskünfte an die Bundesanwaltschaft nicht im Rahmen von Ermittlungen wegen Landesverrats erfolgt sind, behauptet der Kläger schließlich nicht, so dass die Berichterstattung auch insofern nicht zu beanstanden ist.
Mit den Beklagten ist davon auszugehen, dass diese der für die Medien bestehenden erhöhten Prüfungspflicht hinsichtlich Wahrheit, Inhalt und Herkunft des Verdachts hinreichend nachgekommen sind. Die Berichterstattung beruhte offenbar auf einer fehlerhaften Auskunft, die der amerikanische Geheimdienst CIA der Bundesanwaltschaft erteilt hatte. Weitergehende Recherchemöglichkeiten als die Einholung einer Stellungnahme des Klägers, deren Ergebnis dem Leser mitgeteilt wird, hatten die Beklagten nicht. Insbesondere ist weder dargetan, noch sonst ersichtlich, wie die Beklagten zu 3) und 4) etwa an die Originalunterlagen hätten gelangen können. Auch wenn die Beklagten etwa die im "Spiegel" Nr. 50/2000 angeführten, gegen eine Registrierung als "IM" sprechenden Gesichtspunkte wie die fehlenden Erkenntnisse der Gauck-Behörde oder die Zuordnung des Informanten "Beethoven" zum Referat, das die Quellen in den Unionsparteien betreute, nicht in ihren Bericht aufgenommen haben, kann letztlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieser einseitig einen bestimmten Verdachtsmoment kolportiert hat. Denn der durch die Auskunft des CIA begründete Verdacht war immerhin so stichhaltig, dass sich - worauf auch die Berichterstattung des "Spiegel" verweist - die Bundesanwaltschaft zur Klärung an die US-Behörde gewandt hat. Insofern ist schließlich auch der nach der angeführten Rechtsprechung des BGH erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen als gegeben anzusehen.
Soweit im Bericht der Ausgaben des "Focus" 49 und 50/2000 allerdings davon die Rede ist, dass der Kläger als "Inoffizeller Mitarbeiter für besondere Aufgaben" registriert worden ist, ist dies nicht mehr als zulässige Wiedergabe eines Verdachts anzusehen. Denn diese Aussage lässt sich auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht den diesen vorliegenden Unterlagen entnehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Karteikarte für sich genommen hinreichenden Aufschluss über die Art der Registrierung gibt oder die Angaben zum Zeitpunkt der Übertragung auf die elektronische "SIRA"-Datei gemäß der von den Beklagten angeführten Richtlinie aus dem Jahre 1984 überprüft worden sind. Denn die in der Karteikarte unter "Vorgangsart" enthaltene Bezeichnung "IMA" stellt auch nach der Richtlinie aus dem Jahre 1984 die Aktenart für alle "IM"-Kategorien dar, also neben der des "IM für besondere Aufgaben" auch der der Quellen und übrigen "IM"-Kategorien, so dass von einer Registrierung als "IMA" nicht ohne Weiteres auf eine darunter fallende Kategorie, etwa die des "IM für besondere Aufgaben" geschlossen werden kann. Die von den Beklagten herangezogene Richtlinie unterscheidet offenbar nicht zwischen abgeschöpften und aktiven Informanten. Auch die von den Beklagten in Bezug genommene Veröffentlichung des Helmut Müller-Enbergs über die Tätigkeit eines "Inoffiziellen Mitarbeiters für besondere Aufgaben" ist danach wenig aufschlussreich, weil schon nach der Richtlinie nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger lediglich als Quelle registriert worden ist, weswegen sich für die Behauptung, der Kläger sei als "bedeutender DDR-Agent" oder "Inoffizieller Mitarbeiter für besondere Aufgaben" registriert gewesen, keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben haben.
Die sich im Nachhinein als falsch herausgestellte Verdachtsberichterstattung haben die Beklagten schließlich ausreichend richtiggestellt, so dass für die Zubilligung einer Geldentschädigung hier kein Raum ist. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten zunächst in der Ausgabe des "Focus" 51/2000 an ihrer Darstellung festgehalten haben. Denn mit dem Vortrag der Beklagten, dem der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass diese Ausgabe bei Übermittlung der Pressemitteilung des Generalbundesanwalts bereits fertig gedruckt war. Die richtigstellenden Artikel in der Folgeausgabe 52/2000 weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Kläger nicht identisch ist mit dem zur Registriernummer XV/188/71 erfassten IM "Beethoven". Soweit die Verdachtsberichterstattung ein unzulässiges überschießendes Moment enthielt, nämlich die behauptete Registrierung als "IM für besondere Aufgaben", vermag dieses die Zubilligung einer Geldentschädigung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Die Beklagten haben in der Berichterstattung vom April 2001 klargestellt, dass unter dem Kürzel "IMA" Quellen, IM für besondere Aufgaben, Residenten, Führungs-IM, Funker, Werber, Instrukteure, Kuriere und Perspektiv-IM zusammengefasst worden sind. Letztlich ging es bei der angegriffenen Berichterstattung vom Dezember 2000 um die Registrierung als "IM". Da eine aktive Tätigkeit des Klägers nicht behauptet wird und die Kategorie als "IM für besondere Aufgaben" nicht ohne weiteres auf eine solche schließen lässt, machte es für den unbefangenen Durchschnittsleser keinen gravierenden Unterschied, unter welcher Kategorie der Kläger registriert gewesen sein soll.
Auch die jüngste Berichterstattung der Beklagten vermag die geltend gemachten Geldentschädigungs- und Unterlassungsansprüche nicht zu begründen. Wie sich auch aus der Stellungnahme der Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen gegenüber dem "Spiegel" ergibt, haben neue Ermittlungen ergeben, dass der Kläger zur Registrierungsnummer XV/128/71 zunächst als "IMA" erfasst worden und der Vorgang erst 1983 an die Fachabteilung für "Kontaktpersonen" abgegeben worden ist. Auch wenn die Bundesbeauftragte gegenüber dem "Spiegel" hieraus nicht den Schluss zieht, dass der Kläger tatsächlich "IM", sondern "Kontaktperson" gewesen ist, die Aussagekraft der Karteikarten anzweifelt und im Hinblick auf vorliegende Statistikbögen eine unwissentliche Abschöpfung annimmt, stellt die Tatsache der Registrierung als "IM" einen Umstand dar, dessen Mitteilung nach den obigen Ausführungen als zulässige Verdachtsberichterstattung anzusehen ist. Ob der Kläger entsprechend der Registrierung als "IM" auch tätig war oder als Quelle abgeschöpft worden ist, lässt der Bericht der Beklagten offen, auch wenn der Beklagte zu 2) die Schlussfolgerung der Bundesbeauftragten als "Nebelkerzen" bezeichnet. Allein die Mitteilung, dass unter der Bezeichnung "IMA" Quellen, Inoffizielle Mitarbeiter (IM) für besondere Aufgaben, Instrukteure oder Kuriere zusammengefasst worden seien, heißt nicht, dass der Kläger aktiv tätig geworden ist.
Dass der Kläger als "IM" registriert gewesen ist, stellt er nicht in Abrede, so dass der Unterlassungsantrag zu 2 a) unbegründet ist. Hinsichtlich der mit den Anträgen zu 2 b) und 3) angegriffenen Äußerung aus "Focus" Nr. 18/2001 bzw. 17/2001 steht dem Kläger ebenfalls kein Unterlassungsanspruch zu. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die von den Beklagten herangezogene Richtlinie aus dem Jahre 1984 auf eine Registrierung des Klägers im Jahre 1971 überhaupt anwendbar ist. Denn auch die Sammelbezeichnung der Richtlinie aus dem Jahre 1984 lässt letztlich offen, ob die Registrierung aufgrund einer aktiven Tätigkeit oder als abgeschöpfte Quelle erfolgte. Es spielt deshalb keine Rolle, ob eine Überprüfung der Angaben bei der elektronischen Erfassung im Jahre 1985 stattgefunden hat oder davon ausgegangen wird, dass zum Zeitpunkt der Registrierung des Klägers auch Kontaktpersonen als "IM" registriert worden sind.
Im Hinblick auf die im Dezember-Bericht behauptete Registrierung als "IM für besondere Aufgaben" stand dem Kläger nach den obigen Ausführungen ein Unterlassungsanspruch zu. Er hat daher gemäß § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz der durch die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung angefallenen Anwaltskosten, die nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO mit einer 7,5/10 Gebühr nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 DM, d.h. mit 1.068.75 DM anzusetzen sind. Einschließlich der Pauschale nach § 26 BRAGO und 16 % Mehrwertsteuer ergibt sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.286,15 DM. Zwar hat der Kläger nicht vorgetragen, seine Anwälte bereits bezahlt zu haben, so dass er eigentlich nur Freistellung von den Kosten beanspruchen kann. Da die Beklagte die Zahlung aber ernsthaft und endgültig verweigert hat, kann der Kläger sogleich Zahlung verlangen (vgl. BGH NJW 1992, 2222; 1999, 1642).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte zu 1) befindet sich aufgrund der Aufforderung zur Begleichung der Kostennote vom 2. März 2001 seit dem 17. März 2001 in Verzug.
Im Übrigen steht dem Kläger mangels rechtswidriger Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 1. Alt. ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.
Richter am Landgericht Mauck ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit von
Berlin an der Unterschrift gehindert.
Thiel
Becker
Thiel
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