Persönlichkeitsrecht der Eltern bei Berichten über Kinder
Gericht
LG Heilbronn
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
25. 09. 2001
Aktenzeichen
3 O 713/01 III
Streitwert: 12.000,-- DM
Die Kläger machen gegen die Beklagte Schmerzensgeldansprüche wegen der
Ausstrahlung eines Berichts geltend.
Am 06.11.1999 ist der Sohn der Kläger, Smajo Basic, der in dieser Nacht mit
zwei Freunden unterwegs war und mit ihnen gemeinsam Alkohol konsumiert hatte,
gegen 04.00 Uhr im Alter von 23 Jahren bei einem Sprung von der Neckarbrücke in
Heilbronn ums Leben gekommen.
Ende Juli 2000 wurde von der Beklagten ein
Bericht über Brückenspringer gesendet, in welchem u.a. auch über den Sprung des
Smajo Basic berichtet wurde. Der Bericht wurde von der Focus TV-Produktions GmbH
produziert und von den Journalisten S.T.M. stay tuned medien GbR
recherchiert.
In diesem Bericht wurde ohne Zustimmung der Kläger ein Foto des
Toten gezeigt, das den recherchierenden Journalisten auf Anfrage vom Leiter des
Jugendtreffs, in dem Smajo Basic verkehrte, ausgehändigt worden war. Der Vorname
des Toten wurde ebenfalls genannt.
Die Kläger, die den Bericht nie gesehen, sondern nur davon gehört haben, tragen vor, es habe sich um einen Sensationsbericht gehandelt, in dem der Tote als hirnoser Säufer dargestellt worden sei, dem recht geschehen sei. Dadurch sei die Ehre und Würde des Toten massiv verletzt worden.
Verletzt worden sei darüber hinaus auch die Privatsphäre der Kläger selbst, deren ganz private und sehr persönliche Tragödie durch die Sendung der Öffentlichkeit dargeboten worden sei. Die Kläger seien aufgrund des Berichtes von zahlreichen Bekannten auf den zu diesem Zeitpunkt bereits 8 Monate zurückliegenden Tod ihres Sohnes angesprochen worden, wobei die betreffenden Personen ganz unverhohlen Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Kläger geäußert hätten. Diese Gespräche hätten die Kläger zutiefst erschüttert, verletzt und auch Selbstzweifel in ihnen heraufbeschworen. Die Klägerin habe aufgrund dessen sogar zwei Nervenzusammenbrüche und Depressionen bekommen und habe unter Schlaflosigkeit gelitten.
Auch das Recht der Kläger auf Selbstbestimmung habe die Beklagte verletzt, indem sie den Bericht gegen deren ausdrücklichen Willen gesendet habe.
Die Kläger beantragen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte beruft sich zunächst darauf, dass der ausgestrahlte Beitrag
sorgfältig recherchiert worden und inhaltlich richtig gewesen sei. Der Bericht
habe dem öffentlichen Interesse, vor Nachahmungen zu warnen, gedient und sei in
enger Zusammenarbeit mit der Polizei entstanden. Es habe sich keinesfalls um
einen Sensationsbericht über Brückenspringer gehandelt, sondern um eine sehr
zurückhaltende Dokumentation.
Die Beklagte habe aufgrund der vorausgegangenen
Recherchen der Journalisten von S.T.M.-GbR davon ausgehen dürfen, dass das Bild
des Toten ausgestrahlt werden dürfe.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 21.08.2001 (Bl. 46 d.A.) Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
1.
Ein Schmerzensgeldanspruch des Sohnes der Kläger, der mit dessen Tod
auf die Eltern als Erben übergegangen wäre, ist nicht gegeben. Der Sohn war bei
Ausstrahlung des streitgegenständlichen Berichts bereits verstorben.
2.
Auch ein Schmerzensgeldanspruch aufgrund der Verletzung des
postmortalen Persönlichkeitsrechts des Toten steht den Klägern nicht zu.
Der
postmortale Persönlichkeitsschutz gewährt den Angehörigen eines Verstorbenen im
Falle der Verletzung dessen allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur einen Anspruch
auf Unterlassung bzw. Widerruf, nicht jedoch einen Anspruch auf Schmerzensgeld.
Dieser soll dem Betroffenen nämlich in erster Linie Genugtuung für die ihm
zugefügte Verletzung seiner Persönlichkeit verschaffen, was eine von Angehörigen
geltend gemachte Entschädigung jedoch nicht erfüllen kann (vgl. BGH NJW 1974,
1371).
3. Die Kläger haben auch keinen eigenen Anspruch auf Schmerzensgeld.
a.
Eingriffe in Rechte Verstorbener sind in der Regel keine Angriffe auf
dessen Angehörige.
Eine andere Beurteilung ist nur angezeigt, wenn
gleichzeitig mit dem Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen das
Persönlichkeitsrecht eines Angehörigen unmittelbar und ausdrücklich tangiert
wird (vgl. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und
Rundfunk, 2.Auflage, Rdn. 295).
b.
Allein in der Wiedergabe des Fotos des Sohnes der Kläger und in der
Nennung dessen Vornamens liegt keine Verletzung des eigenen
Persönlichkeitsrechts der Kläger (vgl. BGH VersR 1974, 756, 757).
c.
Auch die Berichterstattung als solche ist weder ihrer Art und Weise
noch ihrem Inhalt nach geeignet, die Kläger als Eltern des Verstorbenen in ihrem
Persönlichkeitsrecht unmittelbar und ausdrücklich zu verletzen.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Eltern kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn das Kind minderjährig ist und in der Familie oder wenigstens unter dem besonderen Schutz der Eltern lebt und die Äußerung zugleich eine Mißachtung des Erziehungsrechts der Eltern oder den Vorwurf der Vernachlässigung ihrer Erziehungspflicht enthält (vgl. BGH NJW 1969, 1110).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der verunglückte Sohn der Kläger war bei seinem Tod nicht mehr minderjährig, sondern bereits 23 Jahre alt. Zwar lebte er noch bei seinen Eltern zu Hause, jedoch vermag dies allein eine Verletzung von deren Persönlichkeitsrecht nicht zu begründen. Die Tatsache, dass Freunde und Bekannte der Kläger diesen nach Ausstrahlung des Berichts den Vorwurf einer fehlerhaften Erziehung gemacht haben, mag zwar die Kläger verständlicherweise hart treffen, kann aber nicht der Beklagten zugerechnet werden (vgl. auch BGH VersR 1974, 756, 757 - In dem dort streitgegenständlichen Zeitungsbericht über den Tod eines 19-jährigen Rauschgiftsüchtigen wurde sogar ausdrücklich über die Eltern und deren Erziehung berichtet.).
Zum einen nahm der gesendete Bericht in keiner Weise Bezug auf die Eltern des Verunglückten und deren Erziehungsmethoden, vielmehr handelte es sich bei den Vorwürfen um von den Zuschauern selbst gezogene Schlüsse.
Zum anderen war der Sohn der Kläger - auch wenn er noch zu Hause wohnte - mit 23 Jahren reif und verständig genug, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und es nach seinen eigenen Vorstellungen und gerade nicht nach denen seiner Eltern zu führen. Diese Umstände sind auch jedem objektiven Zuschauer des streitgegenständlichen Berichts bekannt, weshalb die von Bekannten den Eltern gemachten Vorwürfe nicht der Beklagten zuzurechnen sind. Auch kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass zumindest irgendeine altersmäßige Grenze gezogen werden muß, da andernfalls selbst die Handlungen 50-jähriger, zu Hause wohnender Junggesellen noch auf die Erziehung durch die Eltern zurückgeführt werden könnten, was ganz offensichtlich unverhältnismäßig wäre. Dementsprechend muss zumindest bei Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, von einer selbstverantwortlichen Lebensführung ausgegangen werdep, was einen Rückgriff auf Erziehungsfehler der Eltern verbietet.
4.
Die Kläger haben schließlich keinen materiellen Schadensersatzanspruch.
a.
Zum einen haben die Kläger keinen diesbezüglichen Antrag gestellt.
Die Kläger haben lediglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes zu verurteilen.
Dieser Antrag kann schon allein wegen seiner höhenmäßigen Unbestimmtheit nicht als Antrag auf Zahlung eines materiellen Schadensersatzes ausgelegt werden. Letzterer muss - anders als der Antrag auf Schmerzensgeld - die eingeforderte Summe konkret beziffern (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Andernfalls ist er unzulässig.
b.
Zum anderen wäre ein solcher Anspruch auch dem Grunde nach nicht
gegeben.
Zwar hat der BGH grundsätzlich einen matehellen Schadensersatzanspruch von Angehörigen prominenter Verstorbener anerkannt, da derjenige, der unbefugt Namen und Bildnisse einer prominenten Persönlichkeit vermarkte, nicht besser stehen dürfe als derjenige, der sich die Nutzung von den wahrnehmungsberechtigten Erben habe genehmigen lassen (vgl. BGH AfP 2000,356).
Jedoch handelte es sich bei dem Sohn der Kläger weder zu dessen Lebzeiten noch nach seinem Tod um eine berühmte Persönlichkeit, für deren Abbildung die Beklagte eine Lizenzgebühr zu zahlen gehabt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts basiert auf § 3 ZPO und orientiert sich an der Höhe des Schmerzensgeldes, die sich die Kläger vorgestellt haben.
(Glaunsinger) | Ihle | Hesse |
Vors. Richter am LG | Richter am LG | Richterin |
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen