Zulässiger Bericht der BUNTE über eine Beziehung des Bundesministers Hans Eichel
Gericht
OLG Frankfurt
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
22. 11. 2001
Aktenzeichen
16 W 60/01
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer das Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2001 (Az.: 2/3 O 383/01) wird zurückgewiesen.Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 25.000,-- DM.
Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird - in Abänderung der landgerichtlichen Festsetzung - auf 50.000,-- DM festgesetzt.
I. Die Antragsgegnerin verlegt die wöchentlich im gesamten Bundesgebiet erscheinende Illustrierte"Bunte". In der Ausgabe Nr. 37 vom 06.09.2001 wurde auf den Seiten 38 und 39 unter der Überschrift "Hans im Liebesglück" ein Artikel abgedruckt, in dem unter Nennung des vollständigen Vor- und Zunamens der Antragstellerin, bei gleichzeitiger Veröffentlichung ihres Bildes, über ihre Beziehung zu Bundesfinanzminister Hans Eichel berichtet wird.
Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Verbreitung der in der Antragsschrift zu I. 1. - 8. und II. 9. - 12. bezeichneten Behauptungen zu untersagen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.09.2001 dem Antrag teilweise entsprochen und ihn im übrigen zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluss Bezug genommen (Bl. 13 - 15 d.A.).
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter, soweit ihm das Landgericht nicht stattgegeben hat.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die Antragstellerin kann nicht Unterlassung der Behauptungen, die jetzt noch Gegenstand des Verfahrens sind, beanspruchen.
1. Die beanstandeten Behauptungen betreffen sämtlich die Privatsphäre der Antragstellerin, nicht dagegen schon ihren Intimbereich. Das sieht auch die Antragstellerin nicht anders; in der Antragsschrift und in der Beschwerdeschrift wird - zu Recht - nur eine Verletzung der Privatsphäre geltend gemacht.
Die Privatsphäre ist - anders als die Intimsphäre - nicht absolut geschützt. Die Reichweite des Persönlichkeitsschutzes gegenüber Beeinträchtigungen der Privatsphäre ist aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sich an den Belangen des Betroffenen einerseits und den schutzwürdigen Interessen der Medien an einer Veröffentlichung andererseits zu orientieren hat (Prinz/Peters, Medienrecht, Rz. 61 m. w. N.).
Grundsätzlich darf jedermann selbst und allein bestimmen, ob und inwieweit sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich dargestellt werden dürfen. Allerdings endet dieses Bestimmungsrecht dort, wo er in einem Wirkungsfeld auftritt, das nicht ihm allein gehört, an dem vielmehr andere mit ihren schutzwürdigen Interessen ebenso teilhaben. Dazu zählt auch die Allgemeinheit mit ihrem Recht, ein derartiges Wirkungsfeld öffentlich zu erörtern. In dem Zusammenhang kommt die verfassungsrechtlich nicht minder geschützte Pressefreiheit ins Spiel, der gegenüber das Persönlichkeitsrecht nicht schlechthin den Vorrang hat (OLG Hamburg AfP 1986, 209 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs; Prinz/Peters, a.a.O., Soehring, Presserecht, 3. Aufl. Rz. 19.12).
2. Die Antragstellerin ist Teil eines Wirkungsfeldes, in dessen Mittelpunkt eine herausragende Persönlichkalt des öffentlichen Lebens steht - nach herkömmlicher Terminologie eine "absolute Person der Zeitgeschichte". Solche Personen müssen Berichte über ihren Familienstand und dessen Veränderungen hinnehmen, so lange nicht der Intimbereich betroffen ist. Denn für die Einschätzung dieser politisch tätigen Personen sind in einer demokratischen Gesellschaft Informationen aus der Privatsphäre von legitimen Interesse, allerdings immer mit der Einschränkung, dass der Intimbereich unangetastet bleiben muss (Soehring a.a.O., Rz. 19.14 a).
Ein Minister der Bundesrepublik Deutschland, der - wie in dem Artikel ebenfalls erwähnt wird - seit August 1999 von einer Ehefrau getrennt lebt, muss sich Medienberichte gefallen lassen, nach denen seine Lebenspartnerin 47 Jahre alt, geschieden und Mutter von drei Kindern ist (Antrag I. 1.), als Sekretärin in einem in Kassel, der Heimatstadt des Ministers, ansässigen Bauunternehmen arbeitet (Antrag I. 2.) und Architektur studiert hat (Antrag I. 4.), der Minister sie schon vor mehr als 20 Jahren kennengelernt hat, und zwar offenbar bei einem völlig "neutralen" Anlass, nämlich einem Volksfest in seiner nordhessischen Heimat (Antrag II. 9. und 10.), und eine engere Beziehung erst seit Dezember 2000 besteht (Antrag II. 11.).
Gleiches gilt für die Äußerung "Gabriela hat für ihren Hans nur an Wochenenden Zeit" (Antrag II. 12). Verstanden wird sie vom Durchschnittsleser, der den gesamten Artikel zur Kenntnis genommen hat, als ein Hinweis darauf, dass für den überwiegend in Berlin wirkenden Minister und die in Kassel berufstätige Antragstellerin ein Zusammensein zeitlich in der Regel nur an Wochenenden möglich ist. Dagegen wird nicht der Eindruck hervorgerufen, die Antragstellerin habe für ihn an Wochentagen in dem Sinne "keine Zeit", dass sie sich dann nicht um ihn kümmere oder nicht mit ihm spreche, kurz, dass er ihr "egal" sei. Insofern geht die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, sie verbringe "nicht nur am Wochenende Zeit mit Herrn Hans Eichel", ins Leere. Denn der für den Durchschnittsleser ohne weiteres erkennbare Aussagekern geht nicht in diese Richtung, sondern besteht, wie ausgeführt, in einem Hinweis auf die räumliche Trennung, die (im Allgemeinen) nur an Wochenenden aufgehoben werden kann. Mit diesem Aussageinhalt ist die Äußerung eine Tatsachenbehauptung, die ebenso wahr ist wie die übrigen - unstreitig wahren - Behauptungen.
Dass der politisch interessierte Bürger auf derartige Einzelheiten aus dem Privatleben eines bedeutenden öffentlichen Funktionsträgers im Allgemeinen weniger Wert legt, seine (Wahl-)Entscheidungen vielmehr in erster Linie von den politischen Aussagen und Positionen abhängig macht, hat hier außer Betracht zu bleiben. Denn es gibt nicht wenige, für die der private Lebenswandel eines Politikers mehr im Vordergrund steht. Dieses Interesse zu befriedigen ist eine legitime Aufgabe der einschlägigen Medien. Die Frage, wo die Grenzen einer Berichterstattung über die Privatsphäre einer absoluten Person der Zeitgeschichte liegen, stellt sich hier nicht, weil der beanstandete Artikel diese Grenzen unzweifelhaft bei weitem nicht erreicht. Vielmehr gewinnt der Durchschnittsleser durchaus den Eindruck eines auf Zurückhaltung und Korrektheit bedachten Auftretens.
3. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob die Antragstellerin als Lebenspartnerin einer absoluten Person der Zeitgeschichte alles das hinnehmen muss, was in Bezug auf diese veröffentlicht werden darf. Die Frage ist grundsätzlich zu verneinen. Die "relative Person der Zeitgeschichte" rückt in das Blickfeld der Öffentlichkeit lediglich deshalb, weil das Licht, in dem die "absolute Person" steht, zwangsläufig auch auf sie fällt. Diese Beleuchtung ist aber nur insoweit unvermeidbar, als es zur Charakterisierung der im Blickfeld der Öffentlichkeit stehenden Bezugsperson unumgänglich ist.
Daraus folgt zunächst, dass eine Partnerschaft, die vor der Öffentlichkeit vollkommen abgeschirmt wird, grundsätzlich überhaupt nicht dadurch öffentlich gemacht werden darf, dass sie von den Medien gewissermaßen ans Licht gezerrt wird. So war es hier aber nicht. Die Antragsstellerin hat folgende in dem Artikel vom 06.02.2001 enthaltene Behauptung nicht angegriffen: "Samstags sieht man die beiden oft beim Einkaufen in der Markthalle, Händchen haltend". Außerdem hat die Antragstellerin nicht in Abrede gestellt, dass sie mit Bundesminister Eichel an Wochenenden in dessen "Lieblingsrestaurant" in Kassel Essen geht. Es kommt hinzu, dass sie gegen die Veröffentlichung ihres Bildes nicht vorgegangen ist, mag es auch schon einige Jahre alt sein. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auf Artikel in der "BILD-Zeitung" vom 01.09.2001 und in der "WELT am SONNTAG" vom 09.09.2001 verwiesen, in denen ebenfalls über die Beziehung der Antragstellerin zu Bundesminister Eichel berichtet wurde, im Artikel vom 09.09.2001 sogar unter Nennung des Namens der Antragstellerin und Zitierens des Ministers. Dass dieser Artikel erst nach dem streitgegenständlichen Text erschien, ist unerheblich, weil es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch besteht, auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ankommt. Von einer vor der Öffentlichkeit abgeschirmten Beziehung kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
Muss es die Antragsgegnerin somit hinnehmen, dass sie ins Blickfeld der von ihr jedenfalls nicht gemiedenen Öffentlichkeit gerät, ist ihr dies jedoch, wie schon ausgeführt, nur insoweit zumutbar, als es im Interesse einer freien Berichterstattung unumgänglich ist, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeit in einem (wahrheitsgemäßen) Bericht über deren Privatleben zu charakterisieren. Denn allein hierin liegt die Rechtfertigung dafür, dass eine Person, über deren Privatsphäre ansonsten nicht berichtet werden dürfte, Abstriche von dem ohne die Nähe zur absoluten Person der Zeitgeschichte uneingeschränkten Persönlichkeitsschutz hinnehmen muss.
Hiervon ausgehend wird es im allgemeinen nicht gerechtfertigt sein, den Namen der in solcher Weise "in der Nähe stehenden Person" zu offenbaren. Damit wäre eine Einschränkung der Pressefreiheit nicht verbunden. Denn die Wahrheit über eine enge persönliche Beziehung einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens zu einer anderen Person würde regelmäßig nicht eingeschränkt, auch nicht durch eine Auslassung verzerrt, wenn der Name weggelassen wird.
Das kann aber dann nicht mehr gelten, wenn der Name im Zeitpunkt der abschließenden gerichtlichen Entscheidung der Öffentlichkeit ohnehin schon bekannt ist. So liegen die Dinge hier. Der Artikel in der ."WELT am SONNTAG" vom 09.09.2001, einer bundesweit verbreiteten Zeitung, enthielt nicht nur Angaben zur Person der Antragstellerin - darunter einen Großteil der Behauptungen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind -, sondern auch ihren vollen Namen. In dem Artikel wird Bundesminister Eichel mit den Worten zitiert: "Wir kennen uns seit mehr als 20 Jahren und sind seit über einem Jahr miteinander befreundet". Über diesem Zitat befindet sich eine Fotografie, auf dem der Minister und die Antragstellerin in augenscheinlich fröhlicher Stimmung zu sehen sind; in dem Bild steht: "Finanzminister Hans Eichel und seine Lebensgefährtin Gabriela Wolff". Ob der Minister deren Namen dem Verfasser des Artikels vom 09.09.2001 selbst genannt hat, geht aus dem Text zwar nicht eindeutig hervor, lässt dies aber zumindest als möglich erscheinen. Dass sie gegen den Artikel vom 09.09.2001, insbesondere gegen die Nennung ihres Namens, vorgegangen sei, behauptet die Aritragstellerin selbst nicht. Der Senat hält es unter diesen besonderen Umständen bei Abwägung der beiderseitigen Interessen - des Persönlichkeitsschutzes der Antragstellerin einerseits, der Pressefreiheit der Antragsgegnerin andererseits - nicht für angängig, der Antragsgegnerin nunmehr eine bestimmte Form der Berichterstattung - nämlich die Veröffentlichung des Namens der Antragstellerin - zu untersagen, die andere Medien schon wenige Tage nach ihr bisher unbehelligt vornehmen konnten.
4. Da die Beschwerde somit insgesamt erfolglos bleibt, hat die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 3 ZPO.
Der Senat hält es für angemessen, den Streitwort des erstinstanzlichen Verfahrens in Abweichung von der Festsetzung des Landgerichts auf 50,000,-- neu festzusetzen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit §§ 20 Abs. 1 GKG, 3 ZPO). Dieser Wert erscheint auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Eilantrag auf eine nur vorläufige Regelung gerichtet war, angemessen.
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