E.A. von Hannover Bildpublikation im Smoking
Gericht
LG Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
05. 04. 2002
Aktenzeichen
324 O 521/98
Prinz E.A. von Hannover ist nach wie vor keine „absolute Person der Zeitgeschichte” im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG).
Der Bereich der Zeitgeschichte ist im weitesten Sinne zu verstehen. Er umfaßt nicht nur das eigentlich politische, sondern auch das soziale, wirschaftliche und kulturelle Leben. In den Bereich der Zeitgeschichte gehört somit alles, was in der Öffentlichkeit - sei es auch nur regional - beachtet wird.
Das zeitgeschichtliche Ereignis, das im entschiedenen Rechtsstreit den Gegenstand der Berichterstattung bildete, war die Einstellung eines gegen den Abgebildeten geführten Ermittlungsverfahrens. Ermittelt wurde zu dem Vorwurf, der Prinz habe auf dem Heimweg von einer Benefizgala einen Reporter tätlich angegriffen.
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG spricht nicht von „Bildern aus dem Bereich der Zeitgeschichte”, sondern nur von „Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte”. Diese Unterscheidung im Wortlaut entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Nr. 1. Die Verbreitung eines Bildnisses, das eine absolute oder relative Person der Zeitgeschichte zeigt, setzt deshalb nicht voraus, daß das Bildnis die Person bei dem zeitgeschichtlichen Ereignis selbst abbildet.
Die Presse würde übermäßig eingeschränkt, wenn die Person nur auf neutrale Porträtfotos zurückgreifen dürfte. Eine andere Auslegung würde den Normzweck des § 23 Abs. 1 Nr. 1 zu eng verstehen.
§ 23 Abs. 2 KUG verlangt jedoch ein kontextgerechtes Bildnis.
Im konkreten Fall wurde durch die Abbildung des Prinzen im Smoking das Ereignis nicht verfälscht. Zwischen der Darstellung des Klägers in einem Gesellschaftsanzug und dem berichteten Ereignis bestand im beurteilten Fall ein gedanklicher Zusammenhang.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu
tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, eine ihn zeigende Fotografie erneut zu verbreiten.
Der Kläger ist Angehöriger des Hauses Hannover. Im Verlag der Beklagten erscheint die Zeitschrift „Focus”. In deren Ausgabe Nr. 33/98 veröffentlichte die Beklagte einen Beitrag (Anlage K 1) mit der Überschrift „Das zahlt er aus der Portokasse”, der sich mit dem Kläger und der Einstellung eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Körperverletzung befasst. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgte gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153 a StPO. Dem Kläger war, wie in dem Fließtext der Berichterstattung ausgeführt wird, vorgeworfen worden, auf dem Heimweg von einer Benefizgala einen Reporter tätlich angegriffen zu haben. Zur Illustrierung des Beitrages war eine im Zusammenhang mit dem Geschehnis angefertigte, den Kläger zeigende Fotografie abgedruckt. Im Rahmen dieses Beitrags wurde neben einem u.a. den Kläger zeigenden Bild auch eine Fotografie veröffentlicht, welche die ganze Person des Klägers im Smoking zeigt.
Der Kläger mochte die Veröffentlichung dieses Bildnisses nicht hinnehmen und ließ die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 18. August 1998 (Anlage K 2, K 3) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern, die die Beklagte mit Schreiben vom 20. August 1998 (Anlage K 4) ablehnen ließ. Daraufhin stellte der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den die Kammer mit Beschluss vom 24. August 1998 (324 O 454/98) zurückwies; auf die Beschwerde des Antragstellers erließ das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg am 7. September 1998 die begehrte Verbotsverfügung (Az.: 7 W 92/98). Auf Antrag der Beklagten wurde dem Kläger eine Frist zur Erhebung der Klage zur Hauptsache gesetzt. Die Kammer hat die Beklagten mit Urteil vom 19. Februar 1999 zur Unterlassung der erneuten Verbreitung der angegriffenen Fotografie verurteilt, die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten ist von Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg vom 26. Oktober 1999 (Az. 7 U 48/99) zurückgewiesen worden. Diese Urteile sind auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2001 (Az. 1 BvR 2109/99) aufgehoben und die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden.
Der Kläger trägt vor, er habe nicht in die streitgegenständliche Veröffentlichung eingewilligt. Die Veröffentlichung des Fotos stelle einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. sein Recht am eigenen Bild dar. Ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit an der Fotografie sei nicht zu erkennen. Selbst dann, wenn man in dem Gegenstand der illustrierten Berichterstattung ein zeitgeschichtliches Ereignis sehen wollte, läge ein solches nunmehr nicht mehr vor, weil die damals angeklagte Tat im Januar 1998 begangen worden sein soll und damit jetzt schon einige Zeit zurückliege.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM 500.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, das in FOCUS Nr. 33/98 im Rahmen des Artikels „Das zahlt er aus der Portokasse” auf Seite 35 in der Mitte abgedruckte Foto, das Prinz Ernst August von Hannover im Smoking zeigt, erneut zu veröffentlichen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht sich nicht zur Unterlassung verpflichtet. Sie ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung der Aufnahme rechtmäßig erfolgt sei. Der Kläger habe in die Veröffentlichung eingewilligt: Die Fotografie sei am Abend des 19. November 1997 entstanden, als der Kläger das „Gala Concert at the Festival Hall for the Queen & Duke of Edinburgh” besucht habe. Bereits bei Betrachtung der Fotografie, die die Vorlage der Veröffentlichung gewesen sei (Anlage B 1), sei auf den ersten Blick zu erkennen, dass der Kläger den Fotografen bemerkt und ausdrücklich in die Aufnahme eingewilligt habe. Der Fotograf habe zudem gegenüber dem Geschäftsführer der Agentur „UK Press”, J. Parker, bestätigt, dass das Einverständnis des Klägers hinsichtlich der Veröffentlichung nicht auf eine Berichterstattung über das genannte Galakonzert beschränkt worden sei, sondern dass der Kläger eine uneingeschränkte Einwilligung hinsichtlich der Veröffentlichung des Fotos abgegeben habe, also mit einer Veröffentlichung des Fotos in jedem redaktionellen Zusammenhang einverstanden gewesen sei (Beweis: Zeugnis Parker). Im übrigen habe es einer Einwilligung des Klägers nicht bedurft, denn ihr, der Beklagten, stehe der Rechtfertigungsgrund gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zur Seite. Der Kläger sei eine sogenannte absolute Person der Zeitgeschichte (vgl. Gutachten Anlagen B 3, B 4). Seitdem der Kläger der ständige Begleiter von Prinzessin Caroline von Monaco sei, sei er Gegenstand eines besonders großen öffentlichen Interesses (Beweis: Repräsentative Sachverhaltsermittlung). Auch vor dieser Zeit sei er in vielerlei Hinsicht in die Öffentlichkeit getreten; z.B. habe er unstreitig - auch schon während seiner Ehe mit Chantal von Hannover - die Medien für eine sogenannte „HomeStory” eingeladen und darüber hinaus - unstreitig - repräsentative Funktionen wie z.B. im Rahmen der Weltausstellung „Expo 2000” in Hannover wahrgenommen. Auch deshalb bestehe ein besonderes Interesse der Bevölkerung am Schicksal und an der Person des Klägers (Beweis: Sachverständigengutachten). Jedenfalls ergebe sich die Zulässigkeit der Veröffentlichung daraus, dass der von der Beklagten veröffentlichte Artikel sich mit einem Ereignis aus dem Bereich der Zeitgeschichte befasst habe. Sowohl über den Sachverhalt, der dem Kläger den Beinamen „Prügelprinz” eingebracht habe, als auch über das sich anschließende Ermittlungsverfahren sei in den Medien monatelang berichtet worden. Dies habe zur Folge, dass der Kläger in diesem Zusammenhang als sogenannte relative Person der Zeitgeschichte einzustufen sei und im Bild gezeigt werden dürfe. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob auf dem Bildnis nur der Kopf oder die gesamte Person erkennbar sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG kein Anspruch auf Unterlassung der erneuten Verbreitung der angegriffenen Aufnahme zu. Die Veröffentlichung der angegriffenen Aufnahme durch die Beklagte stellte keine rechtswidrige Verletzung des Bildnisrechts des Klägers dar. Die Beklagte hat zwar nicht substantiiert vorgetragen, dass der Kläger im Sinne von § 22 KUG in die Veröffentlichung seines Bildnisses eingewilligt hätte, indem es an hinreichend konkretem Vortrag dazu fehlt, wie es zu der behaupteten Einwilligungserklärung gekommen und was im einzelnen zwischen dem Kläger und dem Fotografen besprochen worden sein soll.
Die angegriffene Bildnisveröffentlichung war aber aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
gerechtfertigt, denn bei der veröffentlichten Fotografie handelte es sich um ein
Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne dieser Norm. Die Kammer hält
allerdings an ihrer Auffassung fest, dass der Kläger keine sogenannte „absolute
Person der Zeitgeschichte” ist, die es grundsätzlich hinzunehmen hätte, dass ihr
Bildnis verbreitet wird; dies braucht indessen nicht vertieft zu werden, weil
der Kläger es als „relative Person der Zeitgeschichte” hinzunehmen hatte, dass
die streitige Aufnahme im Zusammenhang mit der Berichterstattung durch die
Beklagte verbreitet worden ist. Das zeitgeschichtliche Ereignis, das den
Gegenstand der mit der angegriffenen Aufnahme illustrierten Berichterstattung
bildete, war die Einstellung des gegen den Kläger geführten
Ermittlungsverfahrens, das aufgrund der Stellung des Klägers in der Gesellschaft
und des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfes, er habe einen Journalisten tätlich
angegriffen, einiges öffentliches Interesse gefunden hatte. Der Bereich der
Zeitgeschichte ist im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst nicht nur das
eigentlich politische, sondern auch das soziale, wirtschaftliche und kulturelle
Leben, so dass in den Bereich der Zeitgeschichte alles gehört, was in der
Öffentlichkeit sei es auch nur regional - beachtet wird (LG Saarbrücken, Urt. v.
19. 5. 2000, NJW-RR 2000, S. 1571 ff., 1571). Der Veröffentlichung der
streitigen Aufnahme steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser weder um eine
bei dem zeitgeschichtlichen Ereignis entstandene Fotografie noch um eine
neutrale Porträtaufnahme handelt. Die Kammer hält an der in ihrem Urteil vom 19.
Februar 1999 vertretenen Auffassung, dass § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht anwendbar
sei, weil die Beklagte zur Illustrierung
ihrer Berichterstattung eine nicht
im Zusammenhang mit dem berichteten Ereignis entstandene Fotografie des Klägers
benutzt hat, die diesen in ganzer Person mit einem Gesellschaftsanzug bekleidet
zeigt, nicht mehr fest. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass § 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG die Veröffentlichung nur von solchen Bildnissen lediglich im Zusammenhang
mit einem bestimmten Ereignis zeitgeschichtlich bedeutsamer Personen zulasse,
die die Abgebildeten im Augenblick des zeitgeschichtlichen Ereignisses oder
eines mit diesem im Zusammenhang stehenden Geschehens zeigen oder durch die die
an dem Ereignis beteiligten Personen dem Leser durch ein neutrales Porträtfoto
im Bild vorgestellt werden (so schon Neumann-Duesberg, Bildberichterstattung
über absolute und relative Personen der Zeitgeschichte, JZ 1960, S. 114 ff., 114
in Fußn. 7: „neutrale Abbildungen, z.B. früher aufgenommene Paßbilder”). Diese
Auffassung erscheint nach nochmaliger Überprüfung im Lichte der Erwägungen des
Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2001 als zu eng. Dies
folgt nicht allein aus den in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
angeführten, auf Art. 5 Abs. 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
gestützten Bedenken an der sogenannten „Porträtrechtsprechung”, sondern auch aus
der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG selbst:
Der Wortlaut von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG steht seiner Anwendung zur
Rechtfertigung der Verbreitung eines Bildnisses, das eine an einem
zeitgeschichtlichen Ereignis beteiligte Person, nicht aber das
zeitgeschichtliche Ereignis selbst abbildet, nicht entgegen; denn die Norm
spricht nicht von „Bildem von Ereignissen der Zeitgeschichte”, sondern nur von
„Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte”. Da das KUG, wie sich aus § 22
KUG ergibt, unter „Bildnis” die Abbildung einer Person versteht, kommt es mithin
nur darauf an, ob die Person, deren Bild verbreitet wird, eine Person der
Zeitgeschichte ist. Unter welchen Umständen die sie zeigende Aufnahme entstanden
ist, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes daher nicht entscheidend (vgl.
Neumann-Duesberg aaO. S. 114 unter I.). Wenn der Verbreiter zur Illustrierung
seiner Berichterstattung ein Bildnis wählt, das auf eine solche Art und Weise
nicht zu dem zeitgeschichtlichen Ereignis „passt”, dass seine Verbreitung nicht
als rechtmäßig angesehen werden kann, so gilt hierfür § 23 Abs. 2 KUG
(Neumann-Duesberg aaO. S. 117 f. unter VI. u. VII.). Für dieses Ergebnis spricht
auch der Zweck der Norm, der es der Presse im Rahmen der Freiheit ihrer
Berichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. § 1 des im Zeitpunkt des
Erlasses des KUG geltenden Reichspressegesetzes vom 7. 5.1874, RGBI. S. 65)
ermöglichen sollte und soll, ihre Berichterstattung angemessen zu bebildern; da
bei vielen zeitgeschichtlichen Ereignissen ein Bildberichterstatter nicht vor
Ort ist, der die beteiligten Personen in dem zeitgeschichtlichen Ereignis selbst
aufnehmen könnte, und neutrale Porträtfotos gerade von Personen, die nur mehr
oder weniger zufällig zu Personen der Zeitgeschichte werden, häufig nicht
zeitnah zu erlangen sind, wäre der Anwendungsbereich der Norm übermäßig
eingeschränkt, wenn die Presse zur Illustrierung nur auf derartige neutrale
Porträtfotos zurückgreifen dürfte (Gass in Möhring/Nicolini,
Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 60 Anh., § 23 KUG Rdnr. 11). Schließlich ergibt
auch die Entstehungsgeschichte der Norm, dass hinsichtlich der Art des
Bildnisses, das zur Illustrierung der Berichterstattung über ein
zeitgeschichtliches Ereignis herangezogen werden darf, keine zu engen Grenzen
gezogen werden dürfen: Geschaffen worden ist die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
vorgesehene Ausnahme von dem Grundsatz des § 22 KUG im Hinblick auf „die
Bildnisse von Personen, die im öffentlichen Leben stehen oder in Kunst und
Wissenschaft ein allgemeines Interesse wachrufen” (so die Materialien zum KUG,
Reichstagsdrucksachen, 11. Leg.-Per., II. Session, 1905/06, Nr. 30, hier zitiert
nach KG, 4. StS., Urt. v. 26. 1. 1928, JW 1928, S. 421 f., 421 li. Sp. Mi.),
mithin die Bildnisse solcher Personen, für die Neumann-Duesberg 1960 (aaO.) die
Bezeichnung „absolute Personen der Zeitgeschichte” eingeführt hat und bei denen
eine Verbreitung ihres Bildnisses auch dann zulässig sein sollte, wenn dieses
nicht im Zusammenhang mit dem Ereignis entstanden war, das den Gegenstand der zu
illustrierenden Berichterstattung bildete. Nachdem erkannt worden war, dass
außer der Art von Personen, an die der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelung in
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gedacht hatte, auch andere Personen - Neumann-Duesberg
(aaO.) folgend seit 1960 als „relative Personen der Zeitgeschichte” bezeichnet -
aufgrund besonderer Ereignisse eine nur in Beziehung auf diese Ereignisse
bestehende zeitgeschichtliche Bedeutung erlangen können, hat der zuletzt
genannte Gesichtspunkt dazu geführt, dass in der Rechtsprechung zunächst nicht
vorausgesetzt wurde, dass die Verbreitung eines eine solche Person zeigenden
Bildnisses davon abhinge, dass es die betreffende Person in dem
zeitgeschichtlichen Ereignis selbst abbilden würde. Als bis an die Grenzen des §
23 Abs. 2 KUG zulässig angesehen wurde vielmehr grundsätzlich die Verbreitung
jeden Bildnisses einer solchen Person, sofern es nur dazu diente, eine
Berichterstattung über das zeitgeschichtliche Ereignis zu illustrieren (so z.B.
OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 12. 1958, JZ 1960, S. 126 ff. m. Anm. v.
Neumann-Duesberg aaO., worin nicht als problematisch angesehen wurde, dass
es
sich bei den zur Illustrierung einer Berichterstattung über die Vorgänge
bei einer Verhaftung verwendeten Fotografien der beteiligten Polizeibeamten um
einen Ausschnitt aus einer Gruppenaufnahme bzw. um ein Privatfoto handelte).
Erst später hat sich die Auffassung zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dahingehend
verengt, dass außer der Verbreitung von in dem zeitgeschichtlichen Ereignis
entstandenen Aufnahmen nur die Verbreitung neutraler Porträtfotos zulässig sei
(vgl. z.B. Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kap. 49 Rdnr. 14
m.w.N.).
Da, wie ausgeführt, die Berichterstattung, in deren Rahmen die angegriffene Bildveröffentlichung erschienen ist, ein zeitgeschichtliches Ereignis betraf, an dem der Kläger beteiligt war, könnte nur § 23 Abs. 2 KUG, wonach die Verbreitung eines Bildnisses nicht rechtmäßig ist, wenn durch diese ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird, der Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung entgegengestanden haben. Das war, wie eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 bzw. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Positionen ergibt, indessen nicht der Fall; denn bei der von der Beklagten verwendeten Aufnahme handelte es sich um ein kontextgerechtes Bildnis des Klägers, durch die keine über die zulässige Berichterstattung hinausgehende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bewirkt worden ist:
Die von der Beklagten verwendete Aufnahme war kontextgerecht. Da der
Betroffene aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen Anspruch darauf hat,
vor Darstellungen in der Presse geschützt zu werden, durch die sein
Persönlichkeitsbild in der Öffentlichkeit verfälscht wird, darf die zur
Illustrierung einer Berichterstattung verwendete Aufnahme den Inhalt des
Ereignisses, um das es in der Berichterstattung geht, und die Rolle, die der
Betroffene im Zusammenhang mit diesem Ereignis spielt, nicht verfälschen. Das
Ereignis, dem die Berichterstattung der Beklagten gilt, ist durch die Wahl eines
Bildnisses, das den Kläger in einem Smoking zeigt, nicht verfälscht worden; denn
zwischen der Darstellung des Klägers in einem Gesellschaftsanzug, wie er zu
festlichen Anlässen getragen wird, und dem berichteten Ereignis bestand ein
gedanklicher Zusammenhang, weil - worauf das Bundesverfassungsgericht in dem
Beschluss vom 26. April 2001 (unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die
Fotografie bereits einige Zeit vor dem Ereignis aufgenommen worden war)
hingewiesen hat - auch der dem Kläger vorgeworfene Angriff auf den Reporter, der
Gegenstand des gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahrens gewesen war, im
Anschluss an ein festliches Ereignis stattgefunden haben soll, an dem der
Kläger
teilgenommen hatte. Durch die Veröffentlichung des angegriffenen
Bildnisses ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers auch nicht
schwerwiegender beeinträchtigt worden als dies bei Verwendung eines das
zeitgeschichtliche Ereignis darstellenden Bildnisses oder einer neutralen
Porträtaufnahme der Fall gewesen wäre. Die Fotografie ist, wie es im Beschluss
des Bundesverfassungsgericht umschrieben wird, „nicht unvorteilhaft”, indem sie
den Kläger nicht in einer Situation oder Haltung zeigt, die geeignet wäre, sein
Ansehen in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Eine Herabsetzung der
Persönlichkeit des Klägers ergibt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus dem
Kontrast, der zwischen der ihn im Gesellschaftsanzug zeigenden Aufnahme und dem
Gegenstand der Berichterstattung, der Einstellung eines Strafverfahrens wegen
Körperverletzung, bestehen mag; denn da die Aufnahme den Kläger in einer
Situation zeigt, in der ihm nichts Bedrohliches anhaftet, ist ihre Verwendung
zur Illustrierung der Textberichterstattung viel eher dazu geeignet, den
Eindruck, den der Leser aufgrund dieser von dem Kläger möglicherweise gewinnen
mag, zugunsten des Klägers zu relativieren, so dass dessen Persönlichkeitsrecht
durch die Verwendung der angegriffenen Aufnahme sicherlich weniger
beeinträchtigt wird, als dies bei der - zulässigen - Veröffentlichung der
Aufnahme der Fall ist, die den Kläger im Zeitpunkt des ihm vorgeworfenen
Angriffes auf den Fotografen zeigt. Eine zur Unzulässigkeit der
Bildnisverbreitung in diesem konkreten Zusammenhang führende
Persönlichkeitsbeeinträchtigung ergibt sich auch nicht aus der Größe, in der die
Aufnahme zum Abdruck gebracht worden ist; denn da der Kläger gleichsam die
„Hauptperson” des geschilderten Ereignisses war, durfte seine Person auch in der
Illustrierung des Beitrages entsprechend herausgestellt werden. Aus dem gleichen
Grund kann eine Unzulässigkeit der angegriffenen Bildberichterstattung auch
nicht daraus gefolgert werden, dass die Beklagte den Beitrag außer mit dem hier
streitgegenständlichen Bildnis noch mit mehreren weiteren Bildnissen des Klägers
illustriert hat. Die Kammer hat des weiteren erwogen, ob sich die Unzulässigkeit
der Verbreitung der streitigen Aufnahme daraus ergeben kann, dass der Kläger,
wenn er die angegriffene Bildnisveröffentlichung hinzunehmen hat, einer
allgemeinen Verfügbarkeit seiner Person durch Presseveröffentlichungen
anheimfiele, indem er auch dann, wenn er sich dazu entschließt, sein Privatleben
öffentlicher Erörterung in den Medien zu entziehen, in weitem Umfang die
Veröffentlichung von Bildnissen hinzunehmen hätte (vgl. dazu schon KG JW 1928,
S. 421 f., 421 re. Sp. oben). Auch dieser Gesichtspunkt vermag jedoch in dem
hier zu entscheidenden Fall nicht dazu zu
führen, die angegriffene
Bildberichterstattung als unzulässig anzusehen; denn die Veröffentlichung des
Bildnisses des Klägers erfolgte gerade nicht im Rahmen einer beliebigen, die
Person des Klägers ohne konkreten Anlass zum Gegenstand öffentlicher Erörterung
machenden Berichterstattung, sondern zur Illustrierung einer Berichterstattung
über ein bestimmtes, im Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuelles
zeitgeschichtliches Ereignis, so dass die Person des Klägers durch diese
Veröffentlichung gerade nicht einer allgemeinen Verfügbarkeit durch die Presse
unterworfen worden ist. Aus diesem Grund vermag der Kläger seinen
Unterlassungsanspruch auch nicht auf den Gesichtspunkt zu stützen, dass nunmehr,
im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, so 'geraume Zeit seit dem
berichteten Ereignis vergangen ist, dass eine jetzt erfolgende erneute
Verbreitung des Bildnisses auch im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über
dieses Ereignis wohl rechtswidrig wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. 6.1973,
BVerfGE 35, S. 202 ff - „Lebach”). Denn der Unterlassungsanspruch aus § 1004
Abs. 1 Satz 2 BGB analog setzt eine Wiederholungsgefahr nach vorangegangener
Rechtsverletzung voraus, wird also grundsätzlich erst dadurch ausgelöst, dass
das dem Kläger zustehende Recht in rechtswidriger Weise beeinträchtigt worden
ist. An dieser Voraussetzung fehlt es unabhängig vom Zeitablauf deswegen, weil
die Veröffentlichung der angegriffenen Fotografie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie
erfolgte, deswegen rechtmäßig war, weil die mit ihr illustrierte
Berichterstattung der Beklagten zeitnah zur Bekanntgabe der Einstellung des
gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahrens erschien.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO n.F.
Buske
Zink
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