Gegendarstellung bei Verdachtsberichterstattung
Gericht
KG Berlin
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
26. 04. 2002
Aktenzeichen
9 W 110/02
Für den Abdruck einer Gegendarstellung bedarf es stets eines berechtigten Interesses.
Ein berechtigtes Interesse fehlt, wenn die Stellungnahme des Betroffenen bereits ausreichend in der Erstmitteilung enthalten ist.
Ausreichend enthalten ist diese Stellungnahme jedoch nur, wenn die vom Betroffenen vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt worden sind. Es reicht nicht aus hervorzuheben, der Betroffene bestreite die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Dementsprechend muss auch bereits aus diesem Grunde vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme des Betroffenen eingeholt werden.
Nicht diskutiert wird in dem Urteil, wie es sich verhält, wenn eine Stellungnahme erfragt wurde, der Betroffene jedoch erst in der Gegendarstellung Tatsachen vorträgt.
Der Antragsteller begehrt den Abdruck einer Gegendarstellung zu einem Artikel in der von der Antragsgegnerin herausgegebenen Tageszeitung "Bild" vom 18. März 2002, in dem über die Erhebung einer Anklage gegen den Antragsteller und die zu Grunde liegenden Tatvorwürfe berichtet wird. Der Antragsteller stellt diese Vorwürfe in Abrede.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. März 2002 hat der Antragsteller die Antragsgegnerin zum Abdruck der begehrten Gegendarstellung aufgefordert, was diese mit Schreiben vom 27. März 2002 abgelehnt hat. Den am 2. April 2002 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Abdruck der Gegendarstellung hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dem Antragsteller fehle das nach § 10 Berliner Pressegesetz erforderliche berechtigte Interesse. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Ziff. 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Der Antragsteller wendet sich gegen einzelne in der Ausgangsmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptungen. An dieser Einordnung ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Antragsgegnerin hier ausdrücklich auf Angaben Dritter, nämlich der Staatsanwaltschaft, bezieht. Derartige Behauptungen Dritter muss sich das Presseunternehmen - zumindest als Verbreiter - zurechnen lassen, sofern es sich nicht ernsthaft und nachhaltig von der Behauptung distanziert, was hier nicht geschehen ist. Insoweit kann sich der Betroffene daher auch gegen die in einer Berichterstattung wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen Dritter mit einer Gegendarstellung wenden. Dies gilt gleichermaßen für Verdachtsäußerungen. Wird ein bestimmter Verdacht geäußert, kann der Betroffene darauf erwidern, da für das Recht zur Gegendarstellung nicht erforderlich ist, dass die Meldung als sicher hingestellt wurde oder gar falsch ist (vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 487, S. 364; Seitz/Schmidt/Schöner, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rn. 319, S. 130).
Dies bedeutet aber nicht, dass gegen jedwede - auch zulässige - Verdachtsberichterstattung eine Gegendarstellung eröffnet wäre. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es für den Abdruck einer Gegendarstellung stets eines berechtigten Interesses bedürfe. Ein solches fehlt, wenn die Stellungnahme des Betroffenen bereits ausreichend in der Erstmitteilung enthalten ist (vgl. LG Düsseldorf AfP 1992, 315; Prinz/Peters, aaO., Rn. 492, S. 366). So ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ein Anspruch auf Gegendarstellung dann nicht gegeben, wenn der Betroffene lediglich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet und dies in der Erstmitteilung bereits zum Ausdruck kommt. Dafür wiederum genügt aber nicht der bloße Umstand, dass über die Vorwürfe lediglich in Verdachtsform berichtet wird. Dann wäre gegen eine solche Berichterstattung nie eine Gegendarstellungsrecht gegeben. Auch zwingt dies den durchschnittlichen Leser keineswegs zu der Annahme, der so Verdächtigte bestreite die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. So kann Anklage auch erhoben werden, wenn sich der Beschuldigte gar nicht zur Sache eingelassen hat. Nach den Grundsätzen zulässiger Verdachtsberichterstattung ist es deshalb erforderlich, auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu berücksichtigen und insbesondere ist regelmäßig vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (BGH NJW 2000,1036,1037). Daran aber fehlt es in der angegriffenen Berichterstattung. Dass der Beschuldigte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Abrede stellt, kommt auch nicht auf geeignete andere - sprachliche - Weise zum Ausdruck. Da es die Antragsgegnerin versäumt hat, die im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung gebotene Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und auch nicht auf andere Weise deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass der Antragsteller die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet, kann er nunmehr den Abdruck einer entsprechenden Gegendarstellung begehren.
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