Zur Gleichberechtigung im Zusammenhang mit § 15 BErzGG und Art. 19 des EWG Vertrages

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

15. 02. 1994


Aktenzeichen

3 AZR 708/93


Leitsatz des Gerichts

  1. Zeiten des gesetzlichen Erziehungsurlaubs (§§ 15 ff. BErzGG) lassen den Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt; sie führen nur zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses.

  2. Daraus folgt für die betriebliche Altersversorgung, daß Zeiten des Erziehungsurlaubs den Lauf der Unverfallbarkeitsfristen gem. § 1 BetrAVG und die Dauer der Betriebszugehörigkeit i. S. des § 2 BetrAVG nicht unterbrechen.

  3. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, Zeiten des Erziehungsurlaubs von Steigerungen einer Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (dienstzeitabhängige Berechnung) auszunehmen. Eine solche Versorgungszusage stellt keine durch Art. 119 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung der Frauen dar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. verlangen von der Bekl. die Anerkennung von Zeiten des Erziehungsurlaubs als rentensteigernde "Anrechnungs- und Steigerungszeiten".

Die Kl. sind Mitarbeiterinnen der IG Metall. Die IG Metall und die anderen Einzelgewerkschaften des DGB sowie weitere gewerkschaftl. Einrichtungen sind Mitglieder der bekl. Unterstützungskasse des DGB. Die Mitglieder wickeln über diese Kasse die ihren Arbeitnehmern zugesagte betriebl. Altersversorgung ab. Begünstigte sind die Beschäftigten der Kassenmitglieder, die bei der Kasse angemeldet sind. Die Kasse zahlt Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten, Altersrenten und Hinterbliebenenrenten.

Die Kl. waren bei der bekl. Unterstützungskasse als Versorgungsberechtigte angemeldet. Sie nahmen zwischen 1983 und 1993 zu unterschiedl. Zeiten und mit unterschiedl. Dauer Erziehungsurlaub nach § 15 BErzGG in Anspruch. Für die jeweilige Dauer des Erziehungsurlaubs, zwischen 7 und 32 Monaten, meldete die IG Metall die Kl. bei der Kasse ab. Für die Zeiten der Abmeldung wurden keine Beiträge an die Kasse entrichtet.

Hierzu ist in der Kassensatzung vom 1. 1. 1978 bestimmt."Die von der Mitgliederversammlung festgesetzte Zuwendung ist vierteljährl. zu überweisen. Die Zuwendung ist auch für erkrankte oder beurlaubte Beschäftigte für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses zu entrichten. Dies gilt nicht für ruhende Arbeitsverhältnisse"

In der ab 1. 1. 1991 geltenden Satzung ist dazu bestimmt (§ 12 Abs. 2), daß für die Bemessung der Beiträge die laufenden Leistungen und Anwartschaften zu berücksichtigen sind.

Die Versorgungsleistungen der Kasse sind in Unterstützungsrichtlinien geregelt. Die seit dem 1. 1. 1980 geltenden Richtlinien wurden am 1. 4. 1988 und am 1. 1. 1992 geändert (URL 1988/92). Diese Richtlinien gelten nur für die Kl. D. Daneben gelten seit dem 1. 1. 1983 neue Richtlinien (URL 1983). Die neuen Richtlinien gelten für die anderen Kl.

Beide Leistungsordnungen sehen dienstzeit- und endgehaltsabhängige Versorgungsleistungen vor (URL 1988/92: 10 Jahre 35 % und dann jährl. 2 % bis zu 70 % des ruhegeldfähigen Einkommens; URL 1983: 0,8 % pro Dienstjahr).

In § 2 Abs. 4 der Richtlinien ist (gleichlautend) folgendes bestimmt:

"Die Anmeldung bei der Unterstützungskasse wird unterbrochen, wenn der Begünstigte ohne Fortzahlung des Arbeitsentgeltes beurlaubt oder von der Arbeit freigestellt wird (ruhendes Arbeitsverhältnis). Soweit eine Beurlaubung oder Freistellung im gewerkschaftspolitischen Interesse eines Kassenmitgliedes liegt, kann der Kassenvorstand auf Antrag des Mitgliedes eine anderweitige Regelung treffen. Die Anmeldung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses ohne Zustimmung des Kassenvorstandes ist unwirksam."

Die Richtlinien (1988/92 und 1983) enthalten in § 5 nahezu gleichlautende Regelungen über die Anrechnungszeit:

§ 5 URL 1988/92:

"Anrechnungszeit

(1) Die Anrechnungszeit besteht aus der Anmeldungszeit und der Zurechnungszeit.

(2) Die Anmeldungszeit ist die Zeit der ununterbrochenen Anmeldung zur Unterstützungskasse bis zum Eintritt eines Unterstützungsfalles.

(3) Bei einer Unterbrechung der Anmeldungszeit bis zu 2 Jahren wird die vor der Unterbrechung liegende Anmeldungszeit angerechnet.

...

(5) Die Zurechnungszeit ist die Zeit nach Eintritt des Unterstützungsfalles der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres..."

§ 5 URL 1983:

"Anrechnungszeit

(1) Die Anrechnungszeit ist die Zeit der ununterbrochenen Anmeldung zur Unterstützungskasse bis zu dem Kalendermonat, in dem der Unterstützungsfall eintritt (Anmeldungszeit).

(2) Bei einer Unterbrechung der Anmeldungszeit bis zu 2 Jahren wird die vor der Unterbrechung liegende Anmeldungszeit angerechnet.

..."

Die Klausel, nach der vor der Unterbrechung der Anrechnungszeit liegende Dienstzeiten nur bei Unterbrechungen bis zu 2 Jahren anzurechnen sind, ist durch Beschluß der Mitgliederversammlung der Bekl. vom 21. 9. 1989 dahin geändert worden, daß sie für den Erziehungsurlaub nicht gilt. Insoweit ist auch ein längerer Erziehungsurlaub als 2 Jahre unschädl.

Die Kl. haben geltend gemacht, die Zeiten ihres jeweiligen Erziehungsurlaubs müßten als Anrechnungs- und Steigerungszeiten versorgungserhöhend berücksichtigt werden. Das ergebe sich schon aus den Richtlinien; auch während des Erziehungsurlaubs seien sie Beschäftigte des Kassenmitglieds geblieben. Überdies sei der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Der Erziehungsurlaub werde von deutlich mehr Frauen als Männern in Anspruch genommen. Für die Benachteiligung der Frauen bei der Versorgungssteigerung gebe es keinen rechtfertigenden Grund. Da Langzeiterkrankte, Mitglieder des Bundestags und Sozialattaches Sonderregelungen in Anspruch nehmen könnten, liege es nahe, daß die Schlechterstellung der Frauen willkürl. sei.

Die Kl. haben beantragt festzustellen, daß der bekl. Verein verpflichtet sei, die von ihnen in Anspruch genommenen Zeiten des gesetzl. Erziehungsurlaubs als Anrechnungszeiten i. S. des § 5 und als Steigerungszeiten i. S. des § 6 der geltenden Unterstützungsrichtlinien anspruchserhöhend zu berücksichtigen.

Die Bekl. hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nur die Anmeldungszeit sei versorgungsfähig. Ruhe das Arbeitsverhältnis, wie beim Erziehungsurlaub, so werde die Anmeldungszeit unter- brochen. Es seien dann auch keine Zuwendungen an die Kasse zu zahlen. Dagegen bleibe die Betriebszugehörigkeit bestehen, so daß die Anwartschaft nicht verfallen könne.

Das Gebot der Gleichbehandlung sei nicht verletzt. Die Gewährung unbezahlten Erziehungsurlaubs bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses begünstige die Berechtigten, führe aber nicht zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Müsse der Arbeitgeber trotz Suspendierung der Arbeitspflicht Lohnbestandteile in Gestalt von Beiträgen für die betriebl. Altersversorgung zahlen, so seien Teilzeitbeschäftigte, die nur in Höhe ihres Arbeitszeitanteils an der Versorgung teilnähmen, ohne jeden sachl. Grund benachteiligt. Daß Zeiten des Erziehungsurlaubs in der gesetzl. Rentenversicherung versorgungswirksam blieben, könne nicht dazu führen, Ansprüche auf Arbeitsentgelt, wie es die betriebl. Altersversorgung darstelle, zu begründen.

Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Die Revisionen der Kl. blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. können nicht verlangen, daß die Bekl. die Zeiten des Erziehungsurlaubs als rentensteigernde Anmeldungs- und Steigerungszeiten berücksichtigt.

I. Die Klagen sind gegen die richtige Bekl. gerichtet. Das hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen. Ein Streit über den Umfang und den Inhalt von Versorgungsrechten ist zunächst mit der Kasse auszutragen. Ob auch der Arbeitgeber in Anspruch genommen werden kann, der die Versorgung über die Unterstützungskasse zugesagt hat (so Schaub, EWiR 1993, Art. 119 EWGV 3/93, S. 983), kann hier dahinstehen.

II. Der Streit betrifft nur die Frage, ob die Zeiten des Erziehungsurlaubs für die Kl. rentensteigernd wirken müssen. Es geht nicht darum, ob der von den Kl. in Anspruch genommene Erziehungsurlaub als Zeit der Betriebszugehörigkeit i. S. der §§ 1 und 2 BetrAVG anzuerkennen ist. Zu Recht wird die Betriebszugehörigkeit der Kl. während des Erziehungsurlaubs von der Bekl. nicht in Abrede gestellt. Das Betriebsrentengesetz bezeichnet mit "Betriebszugehörigkeit" allein den rechtl. Bestand des Arbeitsverhältnisses Dies ist, soweit ersichtl., unbestritten (BAG Urt. vom 10. 3. 1992 - 3 AZR 140/91 - AP Nr. 73 zu § 7 BetrAVG [I 2c der Gründe] [für die Amtl. Samml. bestimmt]; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 82; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Band I, 3. Aufl., § 1 Rz 1465 f.). Die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub führt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Es besteht im Gegenteil Kündigungsschutz; der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nur in besonders geregelten Ausnahmefällen kündigen (§ 18 BErzGG).

III. Die bekl. Unterstützungskasse ist nicht verpflichtet, die Erziehungsurlaubszeiten als anspruchserhöhende Dienstzeiten zu berücksichtigen.

1. Gemäß § 2 Abs. 4 URL wird die Anmeldung bei der Kasse unterbrochen, "wenn der Begünstigte ohne Fortzahlung des Arbeitsentgeltes beurlaubt oder von der Arbeit freigestellt wird (ruhendes Arbeitsverhältnis)". Es mag zutreffen, wie die Kl. meinen, daß mit dieser Regelung ursprüngl. nicht die Fälle des Erziehungsurlaubs geregelt werden sollten. Die Vorschrift ist jedoch weit gefaßt. Der Klammerzusatz (ruhendes Arbeitsverhältnis) läßt den Schluß zu, daß der Grund für die Beurlaubung oder Freistellung für die Unterbrechung der Anmeldung nicht maßgebend sein soll. Es sollen vielmehr alle Fälle des ruhenden Arbeitsverhältnisses erfaßt werden. Für die Bekl. bestand demnach kein Anlaß, die Vorschrift mit dem Inkrafttreten des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 6. 12. 1985 (BGBl. I S. 2154) neu zu fassen.

Entgegen der Auffassung der Kl. ist auch davon auszugehen, daß die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt. Es kommt nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis kraft einseitiger Willenserklärung des Begünstigten (so BAG 62, 35 und BAG 63, 375 = AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG) oder kraft Gesetzes ruht (so BAG Urt. vom 10. 2. 1993 - 10 AZR 450/91 - AP Nr. 7 zu § 15 BErzGG [für die Amtl. Samml. bestimmt], und Urt. vom 24. 11. 1993 - 10 AZR 704/92 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation). Entscheidend ist, daß die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die Arbeits- und Lohnzahlungspflicht, während des Erziehungsurlaubs suspendiert sind, das Arbeitsverhältnis also im wesentl. nur noch als äußere rechtl. Bindung fortbesteht.

Der Beschluß der Mitgliederversammlung vom 21. 9. 1989 bestätigt diese Auslegung. Die Sonderregelung für den Erziehungsurlaub ist nur denkbar, wenn Zeiten des Erziehungsurlaubs unter die allgemeine Ruhensregelung fallen.

2. Der Ausschluß von Versorgungssteigerungen während der Ruhensdauer in den Versorgungsrichtlinien der Bekl. ist rechtl. nicht zu beanstanden.

a) Nach § 15 Abs. 3 BErzGG kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Eine gesetzeswidrige Einschränkung liegt jedoch nicht vor. Der Anspruch auf Erziehungsurlaub wird nach § 15 Abs. 3 BErzGG nur im Rahmen der gesetzl. Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes geschützt. Es ruhen während des Erziehungsurlaubs die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Wird bestimmt, daß Zeiten ohne Entgeltanspruch sich nicht versorgungssteigernd auswirken, so geht diese Einschränkung nicht über das hinaus, was auch für andere Vergütungsbestandteile gilt.

Diese Auffassung entspricht der Rechtspr. des BAG zur Kürzung von Urlaubsgeld (BAG Urt. vom 8. 6. 1989 - 8 AZR 641/87 - EzA § 17 BErzGG Nr. 3) und zur Kürzung von Gratifikationen und Sonderzahlungen (BAG Urt. vom 8. 10. 1986 - 5 AZR 582/85 - AP Nr. 7 zu § 8a MuSchG1968; BAG 66, 169 = AP Nr. 135 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urt. vom 24. 11. 1993 - 10 AZR 704/92 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratiufikation).

b) § 2 Abs. 4 URL ist nicht wegen Verstoßes gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag nichtig. Die Regelung führt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung der Frauen.

(1) Gemäß Art. 119 EWG-Vertrag gilt für Männer und Frauen der Grundsatz der Lohngleichheit. Verboten sind auch solche geschlechtsneutral gefaßte Regelungen, die wesentl. mehr Angehörige des einen oder des anderen Geschlechts tatsächl. benachteiligen, es sei denn, die Maßnahme ist objektiv gerechtfertigt und hat nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun. Besteht ein wirkl. Bedürfnis für eine unterschiedl. Behandlung, so kann auch eine geschlechtsspezifische Benachteiligung zulässig sein (EuGH Urt. vom 13. 5. 1986 - Rs 107/84 - Bilka, EuGH 1986, 1607 = AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag).

(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes wird in der Bundesrepublik Deutschland, ebenso wie in der Arbeitnehmerschaft der IG Metall, Erziehungsurlaub nahezu ausschließl. von Frauen in Anspruch genommen. Männer nehmen nur vereinzelt Erziehungsurlaub in Anspruch. Das Berufungsgericht hat Zweifel geäußert, ob diese Siutation den Schluß rechtfertigt, die Frauen seien mittelbar diskriminiert, weil sie mit dem Erziehungsurlaub verbundene finanzielle Nachteile überwiegend zu tragen hätten.

Der Zehnte Senat des BAG hat die Auffassung vertreten, der Ausschluß des Anspruchs auf eine tarifl. Sonderzahlung knüpfe an das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit an die Suspendierung der Hauptpflichten an, und zwar unterschiedslos für Männer und Frauen; daher lasse sich nicht feststellen, daß die Regelung erhebl. mehr Angehörige des einen oder anderen Geschlechts nachteilig treffe; beim Wehrdienst seien ausschließl. Männer betroffen (§§ 1, 6 Abs. 2 ArbPlSchG; vgl. ferner § 78 Zivildienstgesetz, § 59 Bundesgrenzschutzgesetz).

Der erkennende Senat hält es nicht für zweifelsfrei, ob diese Betrachtungsweise zutrifft. Richtig ist, daß Arbeitsverhältnisse aus vielerlei Gründen ruhen können, ohne daß sich sicher erkennen ließe, auf welchen Gründen das Ruhen überwiegend beruht. Immerhin zeigen die statistischen Erhebungen des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Soziales, daß in den Jahren 1988 bis 1991 zwischen 640000 und 779000 Frauen Erziehungsgeld bezogen haben. Der Anteil der Männer lag im gleichen Zeitraum zwischen 0,98 % und 1,17 %. Ob im Vergleich dazu der Anteil der wehrpflichtigen und zivildienstleistenden Männer zahlenmäßig überhaupt ins Gewicht fällt, erscheint fragl. Männer werden häufig erst nach dem Ende des Wehr- oder Zivildienstes ein ständiges Beschäftigungsverhältnis eingehen. Nach Auskunft der Bekl. in der mündl. Verhandlung vor dem Senat spielt im Bereich des DGB und seiner Einzelgewerkschaften, auf den es für die vergleichende Betrachtung ankommt, das Ruhen von Arbeitsverhältnissen wegen des Wehr- oder Zivildienstes praktisch keine Rolle.

Daß aber gerade Frauen ihre Arbeitsverhältnisse - ob mit oder ohne Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub - aussetzen oder beenden, um sich der Familie und Kindererziehung zuzuwenden, läßt sich nur durch ihre geschlechtsspezifische Rolle in der Gesellschaft erklären. Das gleiche gilt für solche Bereiche, in denen Teilzeitarbeit ganz überwiegend von Frauen wahrgenommen wird.

(3) Im Ergebnis kann offen bleiben, ob sich die Ruhensregelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes i. V. mit den Leistungsrichtlinien der Bekl. als typischer Nachteil für die Frauen auswirkt. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß die Bekl. sich auf hinreichend gewichtige Gründe stützen kann, die es zulassen, Zeiten des Erziehungsurlaubs von dienstzeitabhängigen Versorgungssteigerungen auszunehmen. Der Arbeitgeber, der Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht als leistungssteigernd anerkennt, kann sich zur Rechtfertigung seiner Leistungsgestaltung auf ein wirkl. Bedürfnis berufen:

Leistungen der betriebl. Altersversorgung dienen zwar der Versorgung der begünstigten Arbeitnehmer, sie sind aber zugleich Entgelt für die dem Unternehmen erbrachte Betriebstreue des Arbeitnehmers (st. Rechtspr. des Senats, zuletzt Urt. vom 16. 3. 1993 - 3 AZR 389/92 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit). Auch nach der ständigen Rechtspr. des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind Betriebsrenten als eine auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Vergütung i. S. des Art. 119 EWG-Vertrag anzusehen (statt aller: EuGH Urt. vom 13. 5. 1986 - Rs 170/84 - Bilka, EuGH 1986, 1607 = AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Daraus folgt: Erbringt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Leistungen über eine rechtl. selbständige Versorgungseinrichtung, so kann die Versorgung beitragsabhängig ausgestaltet sein. Der Arbeitgeber zahlt dann für die Dauer des Bezugs von Lohn oder Lohnersatzleistungen Prämien oder Beiträge, damit die Versorgungseinrichtung ihrerseits die im Leistungsplan vorgesehene Versorgung erbringen kann. Auch vom Arbeitgeber direkt zu erfüllende Versorgungszusagen können unmittelbar dienstzeit- und entgeltbezogene Versorgungsleistungen vorsehen. Der Arbeitgeber darf die Höhe seiner Zuwendungen davon abhängig machen, daß der Arbeitnehmer ihm die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung erbringt, also tatsächl. arbeitet.

Solche Gestaltungen sind weder nach nationalem noch nach europäischem Recht verboten. Es gilt der Rechtssatz, daß Lohn nur für erbrachte Arbeit geschuldet wird, sofern nicht das Gesetz ausnahmsweise eine Lohnzahlungspflicht auch für Zeiten ohne Arbeitsverpflichtung vorsieht (z. B. in den Fällen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, § 1 LohnFG, Lohnfortzahlung für gesetzl. Feiertage, § 1 FeiertagslohnzhalungsG, Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Zeiten des Mutterschutzes, § 14 MuSchG und in den Fällen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers nach § 615 BGB).

Für die betriebl. Altersversorgung bedeutet dies: Ist der Arbeitgeber von der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit, weil das Arbeitsverhältnis ruht, dann ist der Arbeitgeber grundsätzl., von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen, auch nicht verpflichtet, zusätzl. Entgeltleistungen zu erbringen. Er darf, so wie das Arbeitsverhältnis im ganzen ruht, auch seine Aufwendungen für zusätzl. Entgeltleistungen "ruhen" lassen (ebenso im Ergebnis Doetsch, DB 1992, 1239, 1244; derselbe, BetrAV 1993, 157; Oster, BetrAV 1992, 246, 248; Kaiser, Erziehungs- und Elternurlaub in Verbundsystemen kleiner und mittlerer Unternehmen, 1993, S. 85 ff.; zweifelnd Schaub, EWiR 1993, Art. 119 EWGV 3/93, S. 983 f.).

Die vorstehenden Überlegungen werden durch die bei Teilzeitarbeit von Rechts wegen gebotene Leistungsgestaltung bestätigt. Es ist geradezu Ausdruck der Gleichbehandlung, daß Teilzeitarbeit nur nach dem zeitl. Anteil der Arbeitsleistung im Vergleich zur Vollzeitarbeit vergütet wird. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Andernfalls könnten die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ungerechtfertigt benachteiligt sein. Nichts anderes gilt für Leistungen der betriebl. Altersversorgung. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer kann nicht eine gleich hohe betriebl. Altersversorgung fordern, wie sie für die volle Arbeitszeit zugesagt ist (BAG Urt. vom 5. Oktober 1993 - 3 AZR 695/92 - AP Nr. 20 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung [B II 1 der Gründe]). Würden Zeiten des Erziehungsurlaubs in vollem Umfang für die betriebl. Altersversorgung leistungssteigernd berücksichtigt, so wären solche Arbeitnehmer gleichheitswidrig benachteiligt, die zwar nur Teilzeitarbeit leisten, diese aber tatsächl. erbringen. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für tatsächl. erbrachte Dienste wäre in unerträgl. Weise erschüttert. Der Unterschied zwischen ruhendem und nicht ruhendem Arbeitsverhältnis ist so gewichtig, daß eine unterschiedl. Behandlung nicht nur beim Lohn, sondern auch bei der Gewährung zusätzl. Leistungen zum Arbeitsentgelt gerechtfertigt ist (BAG Urt. des Zehnten Senats vom 24. 11. 1993 - 10 AZR 704/92 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation [II 3d der Gründe]). Behält sich der Arbeitgeber - wie in den Leistungsrichtlinien der bekl. Unterstützungskasse - vor, im Einzelfall aus besonderen Gründen eine für den Arbeitnehmer günstigere Entscheidung zu treffen, so ist das nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber kann einzelne Arbeitnehmer besser stellen, ohne damit in jedem Fall gegen das Gebot der Gleichbehandlung zu verstoßen.

Er ist nicht gehindert, etwa aus sozialen Erwägungen, aus besonderen Gründen der Billigkeit oder um einen besonderen Anreiz zu geben, zusätzl. freiwillige Leistungen zu erbringen. Erzwingbar für alle Arbeitnehmer sind solche zusätzl. Leistungen aber nicht.

3. Nach den vorstehenden Erwägungen scheiden auch Verstöße der Bekl. gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG aus. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit der Folge der Aussetzung von Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht ist von solchem Gewicht, daß eine generelle Gleichstellung der betroffenen Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern in nicht ruhenden Arbeitsverhältnissen nicht verlangt werden kann. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dem Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge wird die Regelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes gerecht. Ihr wird bis zu 3 Jahren der Arbeitsplatz erhalten, der Anspruch auf die gesetzl. Rente fortgeführt und eine staatl. Leistung bis zu 600 DM monatl. gewährt (§ 5 BErzGG). In der betriebl. Altersversorgung wird ihr die Urlaubszeit als Dienstzeit bei den Unverfallbarkeitsfristen und der Anwartschaftsberechnung erhalten. Zu weitergehenden Entgeltleistungen ist der Arbeitgeber aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verpflichtet.

Vorinstanzen

LAG Düsseldorf

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht