Foto mit Rex Gildo

Gericht

LG Augsburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

09. 07. 2002


Aktenzeichen

2 O 5258/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Ist jemand mit einer absoluten Person der Zeitgeschichte lediglich "bekannt" und kommt dieser Bekanntschaft keinerlei besondere Bedeutung zu oder ist mit dieser Bekanntschaft kein besonderes Ereignis verbunden, ist er keine "relative" Person der Zeitgeschichte.

  2. Erkennbar i.S.d. Bildnisschutzes ist eine Person auch dann, wenn ein die Augen verdeckender Balken wegen seiner geringen Grösse noch die Identifizierbarkeit des Abgebildeten erlaubt.

  3. Wird ein Bildnis durch alle auf ihm wahrnehmbaren Personen gleichermassen geprägt, so stellt die dort enthaltene Abbildung einer Person kein blosses "Beiwerk" i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG dar.

  4. Ein Anspruch auf Schadenersatz im Wege der Lizenzanalogie ist ausgeschlossen, wenn sich das Veröffentlichungsinteresse der Medien nicht auf die (mit-)abgebildete Person bezieht.

  5. Eine den Anspruch auf Geldentschädigung rechtfertigende "schwere" Persönlichkeitsverletzung liegt nicht vor, wenn das einwilligungslos veröffentlichte Bildnis den Abgebildeten nicht in abträglicher Weise zeigt und dem Leser aufgrund des Begleittextes auch kein gegenteiliger Eindruck vermittelt wird.

  6. Beantragt der Kläger die Unterlassung einer Fotoveröffentlichung, nachdem er zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt hatte, so liegt hierin keine Klageänderung, sondern lediglich eine Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO.

Tenor

...

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

I.

Soweit die Beklagte zu 3) den strafbewehrten Unterlassungsanspruch der Klägerin anerkannt hat, war sie ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen (§ 307 Abs. 1 ZPO).


II.

Im Übrigen musste die Klage abgewiesen werden, da sie sich hinsichtlich sämtlicher noch zur Entscheidung stehender Ansprüche als zwar zulässig, aber nicht begründet erweist.

1. Soweit die Klägerin ihre ursprünglichen Hauptanträge auf Feststellung der rechtswidrigen Veröffentlichung ihres Bildes auf Unterlassensansprüche umgestellt hatte, handelte es sich dabei um eine bloße Klageerweiterung, nachdem die ursprünglich geforderten Feststellungen Anspruchsvoraussetzungen auch des Unterlassungsanspruchs darstellen. Eine Klageänderung liegt hierin nicht begründet, 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Thomas/Putzo 24. Aufl. Rdnr. 4 zu § 264 ZPO). Es bedurfte deshalb insoweit auch weder einer teilweisen Klagerücknahme der Klagerin noch war ihre Antragsänderung als solche auszulegen. Die zunächst angekündigten Hilfsanträge waren damit gleichzeitig nicht zur Entscheidung gestellt.

2. Die verbliebenen Auskunftsansprüche gegen die drei Beklagten über die von diesen für die Veröffentlichung oder Überlassung erzielten Erlöse, sowie der weitergehende Anspruch gegen die Beklagte zu 3) über die Anzahl der Weitergaben des Bildes und dessen Empfänger sind jedoch nicht gegeben.

Denn diese aus § 242 BGB abgeleiteten Hilfsansprüche, die grundsätzlich bejaht werden, wenn die Auskünfte zur Rechtsverfolgung erforderlich sind und der Verletzer sie unschwer erteilen kann (vgl. BGH NJW 62, 731; OLG München AfP 83, 278 f) setzen voraus, dass der Hauptanspruch, dessen Verfolgung der Hilfsanspruch dient, auch tatsächlich besteht (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 3. Aufl., Seite 645). Besteht der Hauptanspruch nicht, so entfällt der Hilfsanspruch.

Zur Natur der mit den Hilfsansprüchen verfolgten Hauptsacheansprüche hat der Klägervertreter aber auf ausdrückliche Frage des Gerichts im Termin vom 18.6.2002 erklärt, dies sei die Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen auf materiellen und immateriellen Schadensersatz, einschließlich von Bereicherungsansprüchen.

Derartige finanzielle Ansprüche der Klägerin erweisen sich aber als nicht begründet.

a) Dem Ersatz materiellen Schadens gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 22 Kunsturhebergesetz bzw. gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 22 Kunsturhebergesetz steht dabei allerdings nicht entgegen, dass eine Verletzung des Tatbestandes des § 22 Kunsturhebergesetz nicht vorläge.

Denn die Beklagten haben den ihnen obliegenden Nachweis für eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung und Verbreitung des Bildes nicht zu führen vermocht. Die von ihnen hierzu beantragte Vernehmung des Beklagten zu 1) als Partei war gemäß § 447 ZPO nicht möglich, da die Klägerin das erforderliche Einverständnis nicht erteilt hat. Für eine Vernehmung des Beklagten zu 1) von Amts wegen gemäß § 448 ZPO bestand keine Veranlassung, zumal der Zeuge Volker Hirsch eingehend bekundet hatte, bei der Aufnahme des Bildes klar auf den privaten Charakter des Fotos hingewiesen zu haben, was der Beklagte zu 1) auch ausdrücklich bestätigt habe. Das Gericht hat aufgrund des persönlichen Eindrucks, welchen es von dem Zeugen gewonnen hat, sowie aufgrund seines gesamten Aussageverhaltens - auch in Anbetracht der Stellung des Zeugen zur Klägerin - keinerlei Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und der Richtigkeit seiner Angaben, denen gerade auch der Beklagte zu 1) in Anwesenheit des Zeugen nicht mehr widersprochen hat. Die Aussage schien dem Beklagten zu 1) vielmehr durchaus unangenehm und peinlich zu sein.

Die Klägerin ist auf den veröffentlichten und verbreiteten Fotos auch ohne weiteres erkennbar, gleich ob ihre Augenpartie dabei "bebalkt" wurde oder nicht. Das Gericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung nämlich persönlich durch die Anwesenheit der Klägerin davon überzeugen, dass diese trotz des Balkens über der Augenpartie nicht nur für Bekannte, sondern auch für völlig Fremde - wie das Gericht, welches die Klägerin im Termin zum ersten Mal gesehen hat - völlig problemlos zu identifizieren und wiederzuerkennen ist.

Damit ist ein Verstoß gegen § 22 Kunsturhebergesetz gegeben.

Ein Ausnahmetatbestand der §§ 23, 24 Kunsturhebergesetz greift demgegenüber nicht ein. Insbesondere ist die Klägerin hier nicht als relative Person der Zeitgeschichte zu sehen, da sie mit dem Künstler Rex Gildo, welcher sicherlich als Person der Zeitgeschichte anzusehen ist, lediglich bekannt war und dieser Bekanntschaft auch nach den Angaben der Beklagten keinerlei besondere Bedeutung zukommt oder ein besonderes Ereignis mit dieser Bekanntschaft verbunden würde.

Weiter ist die Klägerin aber auch nicht bloßes "Beiwerk" im Sinne des 23 Abs. 1 Nr. 2 Kunsturhebergesetz. Denn es handelt sich hier schon nicht um ein Bild einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit, in der sich die mit abgebildete Person, die Klägerin, nur zufällig befände, sondern vielmehr um eine bewusste Aufnahme von drei Personen, von denen die Klägerin sich in der Mitte befindet und das Bild als solches damit keinesfalls weniger prägt als die beiden anderen Personen.

b) Doch steht der Klägerin trotz Verletzung des § 22 Kunsturhebergesetz ein Anspruch auf Ersatz der von den Beklagten durch den Vertrieb und die Veröffentlichung des Bildes erzielten oder ersparten Lizenzen nicht zu.

Eine solche Lizenz wird üblicherweise nur gezahlt, wenn ein Bild Werbezwecken dient und in der Regel es sich bei dem Abgebildeten um einen Prominenten handelt. Sie ist aber grundsätzlich auch möglich, wenn ein Bildnis zu publizistischen Zwecken genutzt wird. Abzustellen ist dabei jedoch stets darauf, ob der Verletzte nach der Verkehrsübung ein Entgelt hätte beanspruchen können (vgl. BGH NJW 81, 2402 f), hier also ob die Beklagten oder ein sonstiger Erwerber oder Nutzung des Bildes konkret oder üblicherweise bereit gewesen wäre, für die Abbildung der Klägerin eine Lizenzzahlung zu leisten oder ob Zahlungen lediglich für die anderen beiden auf dem Bild gezeigten Personen empfangen oder geleistet wurden und ob dies der Verkehrsübung entspricht.

Im vorliegenden Fall ist von letzterem auszugehen. Denn von konkretem Wert waren hier aus aktuellem Anlass ersichtlich Informationen über Herrn Rex Gildo und dessen Privatsekretär Klingeberg, sowie die Beziehungen der beiden Personen zueinander, über welche die Presse Spekulationen anstellte. Die Klägerin wurde demgegenüber in den Texten mit keinem Wort erwähnt, mit diesen beiden Personen auch nicht weiter in Verbindung gebracht und lediglich auf der Bildunterschrift als "Unbekannte" bezeichnet.

Auf ihre Beschwerde hin haben die Beklagten die Klägerin letztlich völlig aus dem Bild wegretuschiert und die Beklagte zu 3) hat das Bild im Jahr 2000 dann auch nur noch in dieser Form veröffentlicht. Dies dokumentiert aber gerade die Interessenlage der Medien, die - wie die Beklagten vortragen - nicht bereit sind, für die - entbehrliche Abbildung Unbekannter irgendwelche Leistungen zu erbringen. Gerade dies hatten aber die Beklagten auch unbestrittenerweise vorgetragen.

An der fehlenden Verkehrsüblichkeit zur Zahlung von Lizenzen im vorliegenden Fall scheitern sowohl ein Schadensersatzanspruch als auch ein Anspruch der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.

c) Weiter sind aber auch Ansprüche auf Ersatz immateriellen Schadens in Form einer Geldentschädigung gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 22 Kunsturhebergesetz, deren Durchsetzung die Auskunftsansprüche gleichfalls dienen sollen, nicht gegeben.

Denn zu einem Anspruch auf Geldentschädigung führt eine Bildverletzung nur, wenn diese nicht nur schuldhaft erfolgt, sondern aufgrund der Umstände, insbesondere des begleitenden Textes eine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellt (vgl. BGH GRUR 74, 415). Dies setzt aber einer irgend geartete abträgliche Bildnisverbreitung voraus, wie sie insbesondere bei Bildnisveröffentlichungen aus dem Intimbereich gegeben ist, oder wie sie sich auch aus dem Begleittext ergeben kann.

Von einer schuldhaften Bildverletzung jedenfalls sämtlicher drei Beklagter ist das Gericht vorliegend überzeugt, wobei auch für die Beklagte zu 3) die Pflicht bestanden hätte, die Einwilligung der Klägerin zu überprüfen, zumal ihre ursprüngliche "Bebalkung" zeigt, dass sie sich einer solchen Einwilligung keinesfalls sicher war. Gleiches mag in der Regel auch für die Veröffentlichung in anderen Medien gelten.

Doch liegt in der Veröffentlichung und Verbreitung des Bildes hier keine schwere Persönlichkeitsverletzung der Klägerin.

Diese war nach eigenen Angaben mit dem Künstler Rex Gildo befreundet, so dass die Abbildung mit ihm grundsätzlich nicht geeignet ist, ihre Person irgendwie anzutasten. Die Fotografie zeigt weiter objektiv eine völlig harmlose Zusammenkunft in freundlicher Atmosphäre, wobei hervorzuheben ist, dass Kleidung, Haltung und Verhalten der abgebildeten Personen völlig korrekt sind insbesondere jegliche Anzeichen auf Trunkenheit eines der Beteiligten oder auf Suchtprobleme fehlen.

Die Texte, zu denen das Bild veröffentlicht wurde, sprechen zwar von derartigen Sucht- und Alkoholproblemen des Künstlers Rex Gildo sowie von seiner Beziehung zu seinem Privatsekretär, dem mit abgebildeten Dave Klingeberg. Die Klägerin wird dagegen in diesen Texten mit keinem Wort erwähnt, auch ist nicht etwa von einer dritten oder einer unbekannten Frau die Rede, die mit den Problemen des Künstlers in Verbindung gebracht würde, was einen Schluss auf die abgebildete Klägerin zuließe. Diese ist vielmehr lediglich teilweise in der Bildunterschrift als "Unbekannte" bezeichnet. Bei dieser Gesamtsituation kann aber der Argumentation der Klägerin, die Leser der Zeitschriften könnten aus ihrer Abbildung folgern, sie, die Klägerin, habe von den Suchtproblemen des Herrn Rex Gildo gewusst, diese durchgeselliges Mittrinken gefördert und so an dessen tragischem Schicksal mit teilgenommen, nicht gefolgt werden (wobei die Klägerin allerdings auch selbst nicht einmal behauptet hat, von Dritten in diesem Sinne auf die Bildnisveröffentlichungen angesprochen worden zu sein).

Hieran scheitern auch bei einer Gesamtwürdigung des möglichen Verschuldens der Beklagten sowie möglicher dritter Anspruchsgegner Geldentschädigungsansprüche mit der Folge, dass auch die zur Vorbereitung erhobenen Auskunftsansprüche insgesamt abgewiesen werden mussten.

2. Die gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner schließlich erhobenen Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Weitergabe und Veröffentlichung des Bildes gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 Kunsturhebergesetz scheitern gleichfalls am Vorliegen einer solchen schweren Persönlichkeitsverletzung der Klägerin. Auf obige Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

Auch wenn das Verhalten sämtlicher Beklagter hier als schuldhaft anzusehen ist - hinsichtlich der Beklagten zu 3) ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen, vgl. unter Ziffer I. 2. b), hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) dagegen von Vorsatz, nachdem der Beklagte zu 1) offensichtlich der Auffassung war, sich angesichts seiner Freundschaft mit dem Zeugen Hirsch über seine frühere Zusage hinwegsetzen zu können - gebietet hier eine Gesamtschau der Umstände die Festsetzung einer Geldentschädigung nicht, da jedenfalls objektiv ein entsprechendes Ausgleichs- und Genugtuungsbedürfnis nicht bejaht werden kann.

Dies führte zur Klageabweisung im übrigen.

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Prexl
Richterin am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht