Darlegungs- und Beweislast zu herabsetzenden Tatsachen-Äusserungen in der Presse (Liebhaber von Bibi Johns)

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 07. 2002


Aktenzeichen

9 O 8298/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit ehrverletzender Tatsachenbehauptungen obliegt - der Beweisregel des § 186 Strafgesetzbuch entsprechend - grundsätzlich dem veröffentlichenden Verlag.

  2. Handelt das Presseorgan in Wahrnehmung berechtigter Interessen und erfüllt es die journalistische Sorgfaltspflicht, kehrt sich diese Beweisregel zu Lasten des Betroffenen um, so dass dieser für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung darzulegen und zu beweisen hat.

  3. Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann sich das Presseorgan insbesondere berufen, wenn der Betroffene schon vor dem Veröffentlichungszeitpunkt freiwillig in die Öffentlichkeit getreten ist und somit ein sich aus der Pressefreiheit ergebendes Berichterstattungsinteresse vorliegt.

  4. Der journalistischen Sorgfaltspflicht wird Genüge geleistet, wenn der Betroffene vor der Veröffentlichung mit dem Inhalt der Berichterstattung konfrontiert und dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird.

Tatbestand

Der Verfügungskläger verlangt von der Verfügungsbeklagten zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung bestimmter Behauptungen.

...

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

I.

...


II.

Bezüglich der beiden anderen Punkte (erster und vierter Spiegelestrich aus der einstweiligen Verfügung) war die einstweilige Verfügung vom 10.05.2002 aufzuheben, weil der Antrag insoweit nicht begründet ist. Der Kläger hat im Verhältnis zur Beklagten zu 2) die Voraussetzung eines Unterlassungsanspruches aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB analog nicht glaubhaft gemacht.

1) Bezüglich der unter dem ersten Spiegelstrich aufgestellten Tatsachenbehauptungen trifft die Glaubhaftmachungslast hinsichtlich der Unwahrheit und der Wiederholungsgefahr den Kläger und nicht die Beklagte zu 2).

a) Zwar ist davon auszugehen, dass die aufgestellten Tatsachenbehauptungen (Schläge, Wutausbrüche des Klägers, Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung der Beklagten zu 1)) geeignet sind, den Kläger verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, da er als verbal und körperlich gewalttätig geschildert wird. Aufgrund der in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB trifft in einem derartigen Fall zwar grundsätzlich die Beklagte zu 2) die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Wahrheit der von ihr aufgestellten Behauptung. Im vorliegenden Fall besteht jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz, weil Frau Biehl, die für die Beklagte zu 2) tätige Journalistin, ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht genügt hat und sich die Beklagte zu 2) auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Durch seine Beziehung zu Frau Johns, einer der breiten Öffentlichkeit bekannten Schlagersängerin, steht der Kläger im Blickpunkt der Öffentlichkeit, was besonders auch deshalb gilt, weil er bereits vor dem hier streitgegenständlichen Artikel zusammen mit Frau Johns der Zeitschrift "BUNTE" ein ausführliches Interview gab, über dessen Inhalt in der Ausgabe Nr. 10/1999 ausführlich berichtet wurde. Dabei äußerten sich der Kläger und Frau Johns eingehend über ihre Beziehung. Daher bestand gerade auch unter dem Blickwinkel des durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechts der Pressefreiheit ein Berichterstattungsinteresse für die Beklagte zu 2). Auf ein derartiges Interesse kann sich auch die Beklagte zu 2) als Verlegerin einer Zeitschrift berufen, die eher unterhaltende Themen in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung stellt. Aufgrund dieser Berichterstattung war der Leserkreis der Zeitschrift "BUNTE" über die Person des Klägers und sein Privatleben bereits informiert gewesen. Wenn er selbst an die Öffentlichkeit getreten ist, ist das Interesse des Klägers, von den Medien in Ruhe gelassen zu werden, deutlich reduziert.

Frau Biehl hat ihre jounalistischen Sorgfaltspflichten erfüllt. Dazu gehört insbesondere auch, dem Kläger als von der Berichterstattung Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung und Schilderung des Sachverhalts aus seiner Sicht zu geben. Ausweislich des eigenen Vortrags des Klägers in diesem Verfahren einschließlich seiner eidesstattlichen Versicherung hat Frau Biehl mit dem Kläger persönlich und mit dem Manager von Frau Johns telefonisch Kontakt aufgenommen. Der Kläger hat nach seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung Frau Biehl darauf hingewiesen, nicht auf diese Geschichte eingehen zu wollen. Hierzu bestand für ihn zwar keine Pflicht; wenn er dies jedoch nicht tut, muss er gegebenenfalls die beweisrechtlichen Konsequenzen hieraus ziehen. Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass Frau Biehl nach der eidesstattlichen Vereinbarung von Herr Ritter erklärt habe, von einer Veröffentlichung werde Abstand genommen. Eine verbindliche Zusage der Unterlassung einer Veröffentlichung ist dem nicht zu entnehmen, zumal nicht erkennbar ist, inwieweit Frau Biehl hierfür die erforderliche Vertretungsmacht haben soll.

Dann aber ist daraus der Schluss zu ziehen, dass die Glaubhaftmachungslast für die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung den Kläger trifft und er ebenso die Erstbegehungsgefahr darlegen und glaubhaft machen muss.

b) Die Unrichtigkeit der aufgestellten Tatsachenbehauptung im Zusammenhang mit den Wutausbrüchen und Schlägen sowie der daraus resultierenden Erforderlichkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe durch die Beklagte zu 1) ist nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung den Sachverhalt so geschildert, dass er selbst keine rechtswidrige Gewalt gegen die Beklagte zu 1) angewandt habe; vielmehr sei er von seiner Ehefrau angegriffen worden. Jedoch liegt andererseits die eidesstattliche Versicherung von Frau Biehl vor, wonach ihr die Beklagte zu 1) die Dinge tatsächlich so geschildert hat, wie sie in dem Artikel dargestellt sind, insbesondere, dass die Gewalt vom Kläger ausgegangen sei. Weiterhin liegen der Kammer Briefe der Beklagten zu 1) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie an die Redaktion der "BUNTE" vor, aus denen sich ebenfalls ergibt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) Gewalt anwandte.

Für das Gericht bleiben unter Berücksichtigung der vorgelegten Mittel der Glaubhaftmachung Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Klägers. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Schilderung von Abläufen in einer gescheiterten Ehe beiderseits hoch emotional belastet sind. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass der Kläger gerade auch mit Blick auf seine eigene berufliche Karriere ein erhebliches Eigeninteresse hat, seine Rolle in dem Streit mit der Beklagten zu 1) in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Auf der Basis der schriftlichen Unterlagen hat die Kammer somit keine gesicherten Anhaltspunkte, aus denen sich mit hinreichender Gewissheit die Richtigkeit der Schilderungen des Klägers ergibt.

Demzufolge geht aus den oben genannten Gründen die Ungewissheit zu Lasten des Klägers. Auch hat er keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Anhaltspunkt für eine Erstbegehungsgefahr ergeben könnte.

2) Ein Verfügungsanspruch bezüglich der in Spiegelstrich 4 genannten Tatsachenbehauptungen (Geld und Hausrat) hat der Kläger ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

a) Zwar ist auch insoweit grundsätzlich die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung von der Beklagten zu 2) nachzuweisen, weil auch dieser Punkt des Vorwurfs des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von § 186 StGB erfasst ist; doch gilt auch hier, dass sich die Beweislast aus den oben genannten Gründen umkehrt, weil Frau Biehl als Journalistin dem Kläger Gelegenheit zur Äußerung zu den Vorwürfen gab.

b) Der Kläger konnte die Unwahrheit dieses Vorwurfs der Mitnahme allen gemeinsamen Geldes und des Inventars nicht glaubhaft machen.

In seiner einstweiligen Verfügung hat er selbst eingeräumt, dass er ein Ehebett und einen Schrank - wenn auch jeweils wertlos - auf den Sperrmüll entsorgt hat. Darunter kann zwar nicht "mitnehmen" verstanden werden, weil dieser Begriff das Behalten durch den Kläger beinhaltet. Andererseits relativiert bereits diese Angabe die Erklärung des Klägers, die Mitteilung in der Zeitschrift "BUNTE" sei zu diesem Punkt unrichtig. Die Beklagte zu 1) hat in ihren Schreiben die Richtigkeit ihrer Behauptungen in dem Interview mit Frau Biehl bestätigt, wonach der Kläger bestimmte Einrichtungsgegenstände mitgenommen habe. Angesichts der emotionalen Belastung der Beziehung des Ehepaares Racic bleiben auch in diesem Punkt Zweifel, weshalb die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Dies geht aus den oben unter II. 1. Genannten Gründen zu Lasten des Klägers.

Demzufolge konnte im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) die einstweilige Verfügung vom 10.05.2002 insoweit nicht bestätigt werden; vielmehr war sie aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruches abzuweisen.

...


Dr. Kainz
Vorsitzender Richter
am Landgericht

Odersky
Richterin
am Landgericht

Dr. Krenek
Richter
am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht