Irreführende Verwendung der Bezeichnung 'Interviewer' für nicht anonymisierte Befragungen zum Zwecke der Versicherungsakquisition

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

19. 01. 1982


Aktenzeichen

7 O 13737/81


Tenor


  1. Die Klage wird hinsichtlich des Hauptantrages abgewiesen.
  2. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. (Hilfsantrag).
  3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 500,-- abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein, in dem die meisten deutschen Markt- und Sozialforschungsinstitute zur Wahrung der gemeinsamen Interessen Mitglied sind.

Bei den Beklagten handelt es sich um Versicherungsunternehmen. In Zeitungsanzeigen suchen sie "Interviewer". So erschien in der Münchner Abendzeitung vom 10.6.1981 auf Veranlassung der Beklagten eine Anzeige, die wie folgt lautete:

"Achtung Nebenverdienst! Wir bauen unseren Informationsdienst aus und suchen bei bester Bezahlung noch einige Interviewer. Tel.: 089/..."

Diese so geworbenen Personen sollen bei der Akquisition von Versicherungsverträgen in der Weise mitwirken, daß sie im Rahmen von Hausbesuchen Befragungen durchführen. Diese Befragungen werden anschließend von den Beklagten ausgewertet und dienen für die Entscheidung der Beklagten als Grundlage, zu welchen der befragten Personen ein weiterer Mitarbeiter gesandt wird, der dann gezielt Angebote zum Abschluß von Versicherungsverträgen unterbreitet. Kommt es zum Abschluß von Versicherungsverträgen, erhält auch der erste "Interviewer" eine Provision.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten verstießen mit der oben genannten Zeitungsannonce gegen die Vorschriften der §§ 1 und 3 UWG. Es sei unzulässig, die Bezeichnung "Interviewer" für Personen zu verwenden, die Fragen stellten, damit bei dem Angesprochenen anschließend evtl. gezielt mit Hilfe der nicht anonymisierten Antworten ein Vertrag akquiriert werden könne. Wer die beanstandete Anzeige lese, denke nicht daran, daß er eine Befragung durchführen solle, die dazu diene, daß bei dem Angesprochenen anschließend ein Vertrag akquiriert werden könne. Ein nicht unerheblicher Teil, wenn nicht alle Leser meinten, es würden Interviewer für (anonyme und vertrauliche) Befragungen gesucht. Wer in der Bevölkerung kenne . schon diese (im übrigen neue) Akquisitionsart der Beklagten? Wer denke bei bei einer solchen Anzeige schon daran, es könne ja ein Mitarbeiter gesucht werden, der in den Haushalten nachzuforschen habe, inwiefern dort konkret Versicherungsverträge abgeschlossen werden könnten. Ein Verkaufsgespräch habe mit einem "Interview" nichts zu tun. Ein Verkäufer sei kein Interviewer, dies sei allgemeine Meinung.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

Den Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall des Zuwiderhandelns festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an dem Vorstand, untersagt,
  • zu annoncieren: Wir bauen unseren Informationsdienst aus und suchen bei bester Bezahlung noch einige Interviewer",
  • wenn das Stellen der Fragen gezielter Akquisition von Versicherungsverträgen mit Hilfe der nicht anonymisierten Antworten bei den Angesprochenen dienen soll und
  • wenn der mit der Annonce gesuchte Mitarbeiter bei der Eröffnung des Gesprächs bei dem zu "Befragenden" nicht eindeutig zum Ausdruck bringen muß, daß Ziel des Besuches ist, den Aufgesuchten zum Abschluß eines Versicherungsvertrages zu bewegen.
Hilfsweise beantragt er, festzustellen, daß die Hauptsache erledigt ist.

Die. Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Die Beklagten tragen vor, der Hauptantrag sei unzulässig, weil er unvollziehbar sei und daher für ihn kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Durch die angegriffene Zeitungsannonce würden die Adressaten nicht irregeführt. Die Interviewer sollten keine Verkaufsgespräche führen, sondern nur die Interview-Funktion erfüllen, für die sie gesucht würden. Daß auch andere Unternehmen Interviewer suchten, verschaffe ihnen noch nicht auf dem Weg über das Wettbewerbsrecht ein Monopol, diese sachgerechte Bezeichnung in Annoncen alleine verwenden zu dürfen. "Interviewer" sei ein Ausdruck mit breitem Bedeutungsgehalt ohne Aussage über eine ganz bestimmte Position. Die Anzeige werde auch nicht wettbewerbswidrig wegen der Tätigkeit, für die die Mitarbeiter gesucht würden. Das Interview diene nicht notwendig dazu, mit dem Befragten zu einem Vertragsabschluß zu kommen, sondern diene tatsächlich nur zu dem, was es vorgebe, nämlich durch Ausfüllen des Sicherheitsplanungsbogens eine Erkenntnisquelle dafür zu schaffen, ob der Betreffende sachgerecht oder unterversichert sei. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil der Kläger keine Erledigt-Erklärung abgegeben habe.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17.11.1981 erklärten sich die Parteien mit Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere des Vorbringens der Parteien, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Hauptantrag unzulässig, im Hilfsantrag begründet.

1)
Hinsichtlich des Hauptantrages ist die Klage unzulässig, weil nach der von den Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung kein Rechtsschutzinteresse mehr besteht.

Mit Schriftsatz vom 26.10.1981, S. 6 = Bl. 19 d. A. erklärten die Beklagten verbindlich, sich zu verpflichten, bei der Suche von "Interviewern" durch Zeitungsannoncen auch anzugeben, daß sie, die Braunschweigische, diese "Interviewer" suche. Auf entsprechenden Hinweis des Klägers sagten die Beklagten mit Schriftsatz vom 24.11.1981, S. 1 = Bl. 31 d.A. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung eine Vertragsstrafe von DM 3.000,-- zu.

Mit dem Zusatz der Firma der Beklagten kann es diesen nach Ansicht der Kammer nicht untersagt werden, für die im Tatbestand dieses Urteils geschilderten Zwecke Personen mit der Bezeichnung "Interviewer" mittels Zeitungsanzeigen zu suchen. Der Adressat und Leser der Annonce weiß dann, daß es ein Versicherungsunternehmen ist, das "Interviewer" benötigt. Damit auch klar, daß die Gesuchten nicht für ein neutrales Marktforschungsinstitut arbeiten werden, sondern zur Beschaffung von Informationen für ein Versicherungsunternehmen. Für den möglichen Bewerber dürfte die Annahme auch naheliegen, daß das Versicherungsunternehmen die gesammelten. Informationen im Rahmen ihres Akquisitionsgeschäftes verwenden wird.

Der Begriff "Interviewer" hat einen breiten Bedeutungsgehalt. Es ist dem Kläger zwar zuzugeben, daß hierunter nicht mehr Personen fallen, deren Aufgabe es ist, Verkaufsgespräche zu führen. Nach dem unstreitigen Sachverhalt werden die eigentlichen Verkaufsgespräche jedoch von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt geführt. Die mit der Zeitungsannonce gesuchten Arbeitskräfte haben dagegen die Aufgabe, Personen zu befragen und die erhaltenen Auskünfte zu registrieren. Dies ist die typische Tätigkeit eines "Interviewers". Der Begriff des "Interviewers" läßt die nähere Ausgestaltung dieser Tätigkeit offen. Die Kammer sieht nicht, wie man die Tätigkeit der gesuchten. Arbeitskräfte mit einem anderen Worte besser umreißen könnte.

Es besteht also keine ins Gewicht fallende Möglichkeit, daß die Adressaten der Zeitungsanzeige über die angebotene Tätigkeit getäuscht werden. Wohl mögen sie sich keine oder unzureichende Gedanken über den Verwendungszweck machen, dem die Interviews zugeführt werden. Diese Frage, wie später die erhaltenen Interviews ausgewertet werden, ob die Ergebnisse anonymisiert werden oder nicht, hat jedoch mit dem eigentlichen Tätigkeitsbereich der anzuwerbenden Arbeitslkräfte nichts Entscheidendes mehr zu tun.

Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, daß gegen die Praxis der Beklagten, zumindest so wie sie vom Kläger geschildert wird, erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen. Das gesamte Vorgehen der Beklagten ist jedoch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Die Kammer hat lediglich über den konkreten Klageantrag zu entscheiden, welcher die Verwendung des Begriffes "Interviewer" in den Zeitungsannoncen der Beklagten betrifft. Diese Verwendung ist aber bei Angabe der Firma der Beklagten zulässig, wie ausgeführt.

Da die Unterlassungserklärung der Beklagten also die Wiederholungsgefahr ausräumen würde, war der Kläger verpflichtet, sie anzunehmen. Da er dies nicht getan hat, entfällt das Rechtsschutzinteresse als Prozeßvoraussetzung (vgl. Beschluß des OLG München vom 29.7.1980, GRUR 1980, 1017 "Contact-Linsen").

2)
Der Hilfsantrag des Klägers ist jedoch begründet. Die Hauptsache ist erledigt.

Das Protokoll vom 17. November 1981 enthält zwar nicht die ausdrückliche Erklärung des Klägers, daß hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt wird. Diese Erklärung ist jedoch in der Stellung des entsprechenden Hilfsantrages zu sehen.

Eine Erledigungserklärung kann auch hilfsweise abgegeben werden, hier ersichtlich für den Fall, daß der Hauptantrag erfolglos bleibt (vgl. Thomas-Putzo, 9. Aufl., Anm. 4 bb zu § 91 a ZPO). Die Beklagten haben der Erledigungserklärung nicht zugestimmt. Es muß also darüber entschieden werden, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist.

Voraussetzung hierfür bildet die . Feststellung, daß der Klageanspruch ursprünglich gegeben war, lediglich durch ein im Laufe des Rechtsstreits eingetretenes Ereignis entfiel. Diese Feststellung kann im vorliegenden Falle getroffen werden, weil die im Laufe des Rechtsstreits abgegebenen Unterlassungserklärungen der Beklagten der Klage das Rechtsschutzinteresse nahmen.

Zu Beginn des Rechtsstreits bestand der Unterlassungsanspruch indessen. Ohne Angabe des Namens der Beklagten bei den Zeitungsannoncen konnte bei den Adressaten der irrige Eindruck entstehen, daß Interviewer im Rahmen einer allgemeinen Marktforschung gesucht würden und nicht etwa Interviewer, die gezielt zur Auswahl potentieller Versicherungsnehmer eingesetzt werden. Diese mögliche Irreführung entsteht gerade durch das Weglassen der Firma der Beklagten. Nach Ansicht der Kammer begründet die vermeidbare Verwendung irreführender Begriffe in Stellenanzeigen die Wettbewerbswidrigkeit i.S. von § 1 UWG (vgl. Baumbach-Hefermehl, 13. Aufl., Rdn. 522 zu § 1 UWG).

3)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer geht davon aus, daß der Streitwert des Hilfsantrages die Hälfte des Streitwertes des Hauptantrages beträgt, mit der Folge, daß die Parteien im selben Verhältnis obsiegen bzw. unterliegen. Die Kosten des Verfahrens werden deshalb gegeneinander aufgehoben.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziff. 1, 711 ZPO.

Marshall Dr. Streicher Dr. Ernst-Moll
Vors. Richter am LG Richter am LG Richter am LG

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht; Markt- und Sozialforschung