Zum Eintritt der Sperrzeit nach SGB III § 144 bei Nichtannahme oder Nichteintritt eines Leiharbeitsverhältnisses

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

08. 11. 2001


Aktenzeichen

B 11 Al 31/01 R


Leitsatz des Gerichts

Eine Sperrzeit kann auch eintreten, wenn der Arbeitslose ein angebotenes Leiharbeitsverhältnis nicht angenommen oder nicht angetreten hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

I. Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit.

Der 1975 geborene Kl. schloß im Juli 1996 eine Ausbildung als Elektroinstallateur ab. Danach bezog er - mit Unterbrechungen durch mehrere jeweils nur wenige Wochen dauernde Beschäftigungen im erlernten Beruf und durch den von September 1997 bis September 1998 geleisteten Zivildienst - von der BfA Arbeitslosengeld. Zuletzt wurde ihm nach Arbeitslosmeldung am 31. 1. 1999 ab diesem Tag Arbeitslosengeld bewilligt und bis einschließlich 28. 2. 1999 gezahlt. Ab 15. 3. 1999 war der Kl. als Bauhelfer beschäftigt.

Am 2. 2. 1999 übermittelte die BfA dem Kl. ein mit Rechtsfolgenbelehrung versehenes Stellenangebot als Elektroinstallateur bei der Firma E. in S., der die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erteilt worden war. E. informierte die BfA mit Schreiben vom 9. 2. 1999 über die Nichteinstellung des Kl. und begründete dies mit dem Hinweis: „Hatte alle Ausreden, möchte nicht in Zeitarbeit, der Weg ist ihm zu weit usw“. Die BfA hob daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 10. 2. bis 28. 2. 1999 auf und forderte Erstattung des in dieser Zeit gezahlten Arbeitslosengeld von 792,11 DM sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 247,33 DM.

Das SozG hat die Klage, mit welcher der Kl. im wesentlichen geltend gemacht hat, ihm dürfe nach einer Arbeitslosigkeit von gerade zwei Wochen noch kein Leiharbeitsverhältnis angeboten werden, abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kl. die Verletzung der §§ 144 und 121 SGB III: Die Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis nach der Arbeitslosmeldung sei unzumutbar gewesen; für die Ablehnung des Angebots habe ein wichtiger Grund vorgelegen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II.

Die Revision ist i.S. der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet.

Zu entscheiden ist nach den vom Kl. gestellten Anträgen ausschließlich darüber, ob die BfA zu Recht die Arbeitslosengeld-Bewilligung für die Zeit vom 10. bis 28. 2. 1999 aufgehoben und Erstattung des für diese Zeit gezahlten Arbeitslosengeld zuzüglich Beiträge verlangt hat. Insoweit sind von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich. Insbesondere bedurfte die Berufung des Kl. gegen das klageabweisende Urteil des SG im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.39,44 DM (792,11 DM Arbeitslosengeld, 247,33 DM Beiträge) nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG keiner Zulassung.

Nach § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III hat der Bezieher von Arbeitslosengeld der BfA gezahlte Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und das Arbeitslosengeld zurückgefordert worden ist. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen, mithin auch Arbeitslosengeld, zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Ob die BfA im März 1999 berechtigt war, die im Februar 1999 verfügte Arbeitslosengeld-Bewilligung für den Zeitraum 10. bis 28. 2. 1999 zurückzunehmen, richtet sich - wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist - nach § 45 SGB X. Danach darf ein begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist. Rechtswidrig wäre die Bewilligung von Arbeitslosengeld bezogen auf den streitbefangenen Zeitraum dann, wenn in ihm der Anspruch des Kl. wegen Eintritts einer Sperrzeit geruht hätte. Ob dies der Fall ist, läßt sich anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III setzt der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen zunächst voraus, daß der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nicht zweifelhaft. Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat das zuständige Arbeitsamt dem Kl. ein Stellenangebot als Elektroinstallateur bei einem bestimmten Arbeitgeber unterbreitet; es handelt sich damit um ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes, hinreichend konkretisiertes Angebot (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei E. um ein Zeitarbeitsunternehmen handelte; denn dem Gesetz läßt sich nicht entnehmen, daß ein Arbeitgeber, der als Verleiher einem Dritten Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen will (§ 1 AÜG), kein Arbeitgeber i.S. des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III wäre. Nach den Feststellungen des LSG hat das Arbeitsamt den Kl. auch hinreichend über die Rechtsfolgen der Ablehnung des Angebotes belehrt und der Kl. hat trotz dieser Belehrung das Angebot nicht angenommen.

Der Eintritt einer Sperrzeit setzt gemäß § 144 Abs. 1 SGB III allerdings weiter voraus, daß der Arbeitslose für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hatte. Soweit sich der Kl. hierauf beruft und geltend macht, ein wichtiger Grund für die Ablehnung des Arbeitsangebotes habe bereits deswegen vorgelegen, weil die Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis unzumutbar sei, folgt ihm der Senat nicht.

Ob ein wichtiger Grund für die Ablehnung eines Arbeitsangebotes vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Diese beruht auf dem Grundgedanken, daß sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (BSG 49, 197, 199); eine Sperrzeit soll dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG 51, 70, 71). Geboten ist somit eine Einzelfallprüfung. Ob dem Arbeitslosen wegen Unzumutbarkeit der angesonnenen Arbeit ein wichtiger Grund für sein Verhalten zur Seite steht, richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen zur Arbeitsvermittlung (§§ 35, 36 SGB III) und zur Zumutbarkeit einer Beschäftigung (§ 121 SGB III).

Die Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt umfaßt alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III); das Arbeitsamt darf nicht vermitteln, wenn ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt (§ 36 Abs. 1 SGB III). Einem Arbeitslosen sind grundsätzlich alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit nicht entgegenstehen; aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung (u.a.) gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen über Arbeitsbedingungen verstößt (§ 121 Abs. 1 und 2 SGB III). Danach ist die Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis, das den Vorgaben des AÜG entspricht, einem Arbeitslosen nicht generell - also ohne Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles - nicht zuzumuten (so zutreffend LSG Niedersachsen 1996info also, 70; 70; vgl. Gagel, AFG, § 119 Rn. 289; Niesel, SGB III, § 144 Rn. 89; a.A. Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Rn. 129f.; SG Hannover info also 1994, 132).

Allerdings bieten Leiharbeitsverhältnisse den Arbeitnehmern häufig ungünstige Lohn- und Arbeitsbedingungen. Die Entlohnung ist im Vergleich mit üblichen Beschäftigungen regelmäßig geringer; es wird von einer durchschnittlichen Einkommenseinbuße von ca. ein Drittel ausgegangen, für niedrig qualifizierte Hilfstätigkeiten soll der Wert noch höher liegen (vgl. Neunter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des AÜG u.a., BT-Drucks 14/4220 S. 15; Rudolph/Schröder, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 1997, 102, 117). Demgegenüber muß der Arbeitnehmer bereit sein, in verschiedenen Betrieben und ggf an verschiedenen Orten eingesetzt zu werden, und zwar weitgehend ungeschützt von der kollektiven Betriebsordnung. Die kollektiv-rechtlichen Regelungen des Entleiherbetriebs sind nur im beschränkten Umfange oder überhaupt nicht auf Zeitarbeitnehmer anwendbar. Die hohe Fluktuation in den Verleihbetrieben führt andererseits i.d.R. dazu, daß keine Betriebsräte gewählt werden (Betrieb-Drucks a.a.O. S. 15). Gegen die Vermittlung von Arbeitslosen, die eine Beschäftigung von Dauer suchen, in Leiharbeitsverhältnisse spricht, daß diese erfahrungsgemäß nur von kurzer Dauer sind (Betrieb-Drucks a.a.O. S. 10; Rudolph/Schröder a.a.O. S. 118ff.). Bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit eröffnet jedoch eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer für viele Arbeitslose die Chance, auf verschiedenen Gebieten Erfahrungen zu sammeln, weshalb die Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis von nicht unerheblicher Bedeutung für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sein kann (vgl. Betrieb-Drucks a.a.O. S. 11, 15). Nicht zuletzt deshalb hat der Gesetzgeber, der der besonderen Situation von Leiharbeitnehmern durch umfangreiche Schutzvorschriften (vgl. etwa §§ 3, 7, 8, 11 AÜG) Rechnung getragen hat, auch z.B. durch Erweiterung der Regelungen zur Zulässigkeit der Befristung von Leiharbeitsverhältnissen bzw. zur Höchstüberlassungsdauer (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 und 6 AÜG i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. 3. 1997, BGBl. I, 594) Möglichkeiten geschaffen, auch und gerade die Arbeitnehmerüberlassung zur Entlastung des Arbeitsmarktes einzusetzen (vgl. Betrieb-Drucks 13/4941 S. 247f.). Dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelungen zur Vermittlung und zur Zumutbarkeit einer Beschäftigung in der Arbeitslosenversicherung einerseits sowie zur Arbeitnehmerüberlassung andererseits ist demnach nicht zu entnehmen, ein angebotenes Leiharbeitsverhältnis könne generell mit wichtigem Grund abgelehnt werden. Die gegenteilige Auffassung läßt sich auch nicht mit verfassungsrechtlicher Argumentation, insbesondere mit Hinweisen auf Art. 2 und 12 GG, rechtfertigen. Denn es kann unter Berücksichtigung des sozialstaatlichen Gebots der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sein, bei der Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes i.S. des § 144 Abs. 1 SGB III nicht isoliert auf das Leiharbeitsverhältnis, sondern auf alle maßgeblichen Gesichtspunkte des Einzelfalles abzustellen (vgl. BVerfG SozR 4100 § 119 Nr. 22).

Der Senat folgt darüber hinaus auch nicht dem Einwand des Klägers, ihm habe ein Leiharbeitsverhältnis jedenfalls nicht kurz nach der Arbeitslosmeldung - hier am 2. 2. 1999 nach Arbeitslosmeldung vom 31. 1. 1999 - angeboten werden dürfen. Zwar dürfte einem Arbeitslosen, der nach langer Beschäftigung erstmals arbeitslos geworden ist, unmittelbar nach Verlust der bisherigen Beschäftigung ungeachtet weiterer Bedingungen ein Leiharbeitsverhältnis nicht zumutbar sein, sofern die alsbaldige Vermittlung in ein übliches Arbeitsverhältnis nicht ausgeschlossen ist (vgl. Niesel, SGB III, § 144 Rn. 89; Gagel, AFG, § 119 Rn. 289); denn bei der gebotenen Einzelfallprüfung ist auch die Dauer der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen (Niesel aaO; vgl. auch Urteil des Senats vom 3. 5. 2001, B 11 AL 80/00 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). So liegt der Fall hier jedoch nicht; auf eine längere Beschäftigung kann der Kl. nicht zurückblicken. Insoweit ist der nach Würdigung verschiedener Einzelumstände zum Ausdruck gebrachten Auffassung des LSG, in der Dauer der Arbeitslosigkeit könne kein Grund für eine Unzumutbarkeit des am 2. 2. 1999 unterbreiteten Angebots gesehen werden, zuzustimmen.

Das LSG hat seine Beurteilung entscheidend auf Beschäftigungszeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit des Kl. in der Zeit nach Abschluß der Ausbildung als Elektroinstallateur im Juli 1996 sowie auf die seitherigen Bemühungen der Arbeitsvermittlerin des Kl. gestützt. Es hat festgestellt, daß seit 1996 mehrfach vom Kl. eingegangene Arbeitsverhältnisse im erlernten Beruf nach kurzer Zeit arbeitgeberseitig beendet wurden, daß kein Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate Bestand hatte und daß 28 Vermittlungsvorschläge der Arbeitsvermittlerin ohne Erfolg blieben, obwohl gelernte Elektroinstallateure „händeringend gesucht“ wurden, also eine große Nachfrage vorhanden war. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der weiter festgestellten Tatsache, daß gerade im Beruf des Kl. der Bedarf von Arbeitgebern häufig über Zeitarbeitsfirmen abgedeckt wurde, ist die Auffassung des LSG, für den Kl. sei es zumutbar gewesen, das Angebot einer Arbeit bei E. anzunehmen, nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es in Fällen wiederholter, immer wieder von kurzen Beschäftigungen unterbrochener Arbeitslosigkeit angemessen, bei der Prüfung der Zumutbarkeit auf einen längeren Gesamtzeitraum (hier etwa zweieinhalb Jahre) sowie auf die Dauer aufgenommener und immer wieder aufgegebener Beschäftigungen und nicht etwa nur auf die seit der letzten Arbeitslosmeldung verstrichene Zeit abzustellen; ein vom Kl. gerügter „Abwägungsfehler“ des LSG ist insoweit nicht ersichtlich.

Dennoch kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen die Beurteilung des LSG, das Arbeitsangebot bei E. sei zumutbar gewesen, nicht bestätigt werden. Denn nach § 121 Abs. 3 SGB III ist eine Beschäftigung dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeld zugrunde liegende Arbeitsentgelt. So ist in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit etwa ein Arbeitsentgelt nicht zumutbar, das um mehr als 20 Prozent niedriger liegt als das für die Bemessung des Arbeitslosengeld maßgebende Entgelt (vgl. § 121 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Dies bedeutet, daß der Kl. das Angebot zur Aufnahme der Tätigkeit bei E. dann mit wichtigem Grund i.S. des § 144 Abs. 1 SGB III abgelehnt hätte, wenn er aus dieser Beschäftigung nur ein Arbeitsentgelt unterhalb der Grenzen des § 121 Abs. 3 SGB III hätte erzielen können. In diesem Fall wäre keine Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III eingetreten. Feststellungen zur Höhe des in der angebotenen Beschäftigung bei E. erzielbaren Arbeitsentgelts hat das LSG indes nicht getroffen.

Solche Feststellungen waren nicht deshalb entbehrlich, weil der Kl. nicht versucht hat, eine Vereinbarung über das zu erzielende Entgelt herbeizuführen. Das Arbeitsangebot des Arbeitsamtes, der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Arbeitsvertrages, bedarf zwar nicht in jedem Fall auch der Angabe, welcher Lohn gezahlt werden soll (BSG 44, 71, 73). Da eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III jedoch nur eintritt, wenn der Arbeitslose die angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, ein solcher Grund aber vorliegt, wenn das Arbeitsangebot für den Arbeitslosen nicht zumutbar ist, müssen sich die BfA und im Rechtsstreit um eine Sperrzeit die Gerichte davon überzeugen, daß das zu erzielende Arbeitsentgelt die von § 121 Abs. 3 SGB III gezogenen Grenzen nicht unterschritten hat. Gerade bei einer Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis besteht hierfür Veranlassung, weil in diesen Arbeitsverhältnissen im Vergleich mit üblichen Beschäftigungen regelmäßig erheblich geringere Löhne erzielt werden. Daß der Kl. weder gegenüber E. noch im Widerspruchsverfahren sich auf einen Lohnabstand berufen hat, ist unerheblich; es genügt für den wichtigen Grund, daß dieser objektiv vorliegt (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 80 AVAVG; BSG 69, 108, 114 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 6; Gagel, SGB III, Stand August 2001, § 144 Rn. 99; Niesel, SGB III, § 144 Rn. 78). Daß der Kl. E. möglicherweise zur Höhe des Entgelts überhaupt nicht befragt und jedenfalls nicht mit E. über das Entgelt verhandelt hat, konnte weder die BfA noch die Gerichte von ihrer Verpflichtung entbinden, alle Tatsachen zu ermitteln, die für das Vorliegen eines wichtigen Grundes von Bedeutung sein können.

Da es sich bei der Entgelthöhe um eine für das Vorliegen eines wichtigen Grundes erhebliche Tatsache handelt, zu der keine Feststellungen getroffen sind, ist der Senat nicht in der Lage darüber zu befinden, ob eine Sperrzeit eingetreten ist. Auch aus anderen Gründen ist es dem Senat nicht möglich, abschließend zu entscheiden. Die Auffassung des LSG, die BfA sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X berechtigt gewesen, die Arbeitslosengeld-Bewilligung für die Zeit vom 10. bis 28. 2. 1999 rückwirkend aufzuheben, weil der Kl. die - vom LSG angenommene - Rechtswidrigkeit der Bewilligung jedenfalls grob fahrlässig nicht gekannt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang auf den Inhalt des ausgehändigten Merkblattes und im übrigen auf das Einsichts- und Beurteilungsvermögen des Kl. abgestellt hat, handelt es sich um die Feststellung von Tatsachen, an die der Senat nach § 163 SGG gebunden ist. Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen treffen kann.

Bei seiner erneuten Entscheidung, die auch die Kosten des Revisionsverfahrens umfassen wird, hat das LSG auch Gelegenheit, seine Auffassung zu § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zu überprüfen, wenn eine Sperrzeit zu bestätigen ist; dabei sollte auch berücksichtigt werden, daß es gerade Sinn der bei einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III zwingend erforderlichen Belehrung ist, den Arbeitslosen auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die ihm drohen, wenn er die angebotene Arbeit nicht annimmt oder nicht antritt.

Vorinstanzen

LSG Stuttgart

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

SGB III § 144