Irreführende Verwendung der Bezeichnung "Interviewer" für Versicherungsakquisiteure

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

23. 12. 1982


Aktenzeichen

6 U 1718/82


Leitsatz des Gerichts

Es ist irreführend i. S. d. § 3 UWG, wenn Versicherungsunternehmen in einer Anzeige "Interviewer" suchen, die tatsächlich keine Marktforschung betreiben sollen, sondern bei Befragungen persönliche Daten über potentielle Kunden sammeln sollen, damit diese anschließend gezielt zur Anbahnung von Versicherungsverträgen angesprochen werden können.

Tenor

Die Kosten des Verfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Entscheidungsgründe

G r ü n d e :

I.

Der Kläger hat sich die Aufgabe gestellt , alle gemeinsamen Belange der ihm angehörenden Institute zu wahren und zu fördern. Dieses Ziel soll insbesondere auch durch die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs erreicht werden (vgl. § 2 der Satzung, Anlage K 1).

Die Beklagten sind Versicherungsunternehmen. In der Münchener Abendzeitung vom 10. Juni 1991 erschien auf Veranlassung der Beklagten eine Anzeige mit folgendem Wortlaut:

"Achtung Nebenverdienst!
Wir bauen unseren Informationsdienst aus und suchen bei bester Bezahlung noch einige Interviewer. Tel.: 089/..."

Mit ihrer Anzeige umwarben die Beklagten auch die Zielgruppe Studenten.

Diese so geworbenen Personen sollten bei der Akquisition von Versicherungsverträgen in der Weise mitwirken, daß sie im Rahmen von Hausbesuchen Befragungen durchführten. Diese Befragungen wurden anschließend von den Beklagten ausgewertet und dienten als Grundlage für deren Entscheidung, zu welchen der befragten Personen ein weiterer Mitarbeiter gesandt werden sollte, der sodann gezielt Angebote zum Abschluß von Versicherungsverträgen unterbreitete. Kam es zum Abschluß eines Versicherungsvertrages, so erhielt auch der "Interviewer" eine Provision. Die Beklagten haben sich während des ersten Rechtszuges gegenüber dem Kläger bereit erklärt, bei der Suche von "Interviewern" durch Zeitungsannoncen auch ihre Firmen anzugeben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung haben sie eine Vertragstrafe von 3.000,-- DM angeboten. Der Kläger hat den Abschluß eines solchen Vertrages abgelehnt.

Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagten hätten mit dem vorgenannten Inserat gegen §§ 1, 3 UWG verstoßen. Es sei unzulässig, die Bezeichnung "Interviewer" für Personen zu verwenden, die Fragen stellten, damit bei dem Angesprochenen anschließend evtl. gezielt mit Hilfe der nicht anonymisierten Antworten ein Vertrag akquiriert werden könne. Wer die angegriffene Anzeige lese, denke nicht daran, daß er eine Befragung durchführen solle, die dazu diene, daß mit dem auf diese Weise Angesprochenen anschließend ein Vertrag abgeschlossen werden solle. Ein zumindest nicht unerheblicher Teil der Leser des Inserates käme zu der Auffassung, es würden Interviewer für - anonyme und vertrauliche - Befragungen gesucht.

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat er beantragt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben im wesentlichen vorgebracht, durch die erwähnte Zeitungsannonce würden die angesprochenen Verkehrskreise nicht irregeführt. "Interviewer" sei ein Ausdruck mit breiten Bedeutungsgehalt ohne Aussage über eine ganz bestimmte Position.

Mit Urteil vom 19.1.1982 hat das Landgericht München I wie folgt erkannt:


  1. Die Klage wird hinsichtlich des Hauptantrages abgewiesen.

  2. Es wird festgestellt, daß der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt ist (Hilfsantrag).

Wegen der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung des Klägers Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Im zweiten Rechtszug haben die Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.


II.

Nachdem. die Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtstreits aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu befinden (vgl. § 91 a Abs. 1 ZPO). Hierbei ist von dem das Kostenrecht der Zivilprozeßordnung beherrschenden Grundgedanken auszugehen, daß die unterliegende Partei regelmäßig die Kosten zu tragen hat. Danach mußten die Kosten des Rechtsstreite hier den Beklagten auferlegt werden; denn ohne die Erledigung des Rechtsstreits wären sie voraussichtlich unterlegen.

Von der Klagebefugnis des Klägers ist im Streitfall auszugehen. Sie ergibt sich schon daraus, daß seine Mitglieder Interviewer umwerben und einstellen. - Nach § 3 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über geschäftliche Verhältnisse irreführende Angaben macht. Die Voraussetzungen dieser Gesetzesvorschrift sind hier mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage verstanden wissen will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., § 3, RN 2 m.w.N.), also die Bedeutung, die ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, dieser in ungezwungener Auffassung beilegt (Baumbach-Hefermehl, a.a.O., § 3, RN 28 m.w.N.) Der Senat hält es für ganz überwiegend wahrscheinlich - wenn auch nicht für sicher - daß die angesprochenen Verkehrskreise die Werbeanzeige der Beklagten, auch wenn diese ihre Firmen nennen, in dem Sinne verstehen, daß Interviewer im klassischen Sinne, also zum Zwecke allgemeiner Marktforschung, gesucht werden und nicht Personen, die in ein ausgeklügeltes konkretes Vertriebssystem eingegliedert sind. Der hiernach vorliegende Irrtum ist auch relevant i.S. von § 3 UWG. Denn es wird vom Verkehr positiv bewertet, wenn eine Tätigkeit, die mit Kontakten zum allgemeinen Publikum verbunden ist, nicht unmittelbar oder mittelbar mit dem Vertrieb von Waren oder Leistungen verbunden ist. Das kann der Senat, dessen Mitglieder als Studenten früher selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörten und der zudem ständig mit einschlägigen Fragen befaßt ist, aufgrund eigener Sachkunde beurteilen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob die Werbeannonce auch gegen § 1 UWG verstieß.

Herbst Dr. Haß Dr. v. Ungern-Sternberg
Vorsitzender Richter Richter
am Oberlandesgericht München

Vorinstanzen

LG München, 7 O 13737/81, 1982-01-19

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht; Markt- und Sozialforschung