Adressenbeschaffung

Gericht

OLG Frankfurt


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

10. 04. 1989


Aktenzeichen

6 W 20/89


Leitsatz des Gerichts

Eine Werbung, die unter dem Vorspiegeln einer anonymen Marktumfrage der Beschaffung von Adressenmaterial zum Anbahnen von Vertragsbeziehungen dient, ist wettbewerbswidrig. (Abgrenzung gegenüber BGH GRUR 1973, 286 Verbraucher-Briefumfrage)

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Das Klagebegehren war unter dem Gesichtspunkt des Kundenfangs durch irreführende Praktiken (getarnte Werbung) begründet (§ 1 UWG). Es ist anerkannt, daß nicht nur die wissenschaftlich oder publizistisch getarnte Werbung zu den nach § 1 UWG wettbewerbswidrigen, irreführenden Praktiken gehört (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 15. Aufl., § 1 Rdn. 27), sondern auch die Tarnung einer Werbemaßnahme als Meinungsumfrage wettbewerbswidrig ist, wenn sie in Wahrheit der Beschaffung von Adressenmaterial für Werbeaktionen und der Anbahnung von Vertragsverhandlungen dient (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 Rdn. 26). Um eine solche Werbeaktion, die als Meinungsumfrage getarnt war, handelt es sich bei der angegriffenen Werbung der Bekl. In dem überreichten Anschreiben der Bekl. wird als Zweck der Studie "Planung 2000" die Analyse aktueller und zukünftiger Marktentwicklungen genannt. Als Gegenleistung für die Teilnahme an der Studie wird nicht etwa die Übersendung eines Vermögensanlageangebots, ein Vertreterbesuch oder ähnliches in Aussicht gestellt, sondern die Übersendung der Ergebnisse der Studie. Mit dem Anschreiben wurde eine "Zusicherung" übersandt, in der die Umfrage ausdrücklich als "Marktforschungsstudie" bezeichnet wird. Außerdem heißt es in dieser Zusicherung: "Wir sichern Ihnen zu, daß diese Daten vollständig vertraulich gehandhabt und Dritten zur Nutzung nicht zugänglich gemacht werden. Die Daten werden lediglich für interne Zwecke der Marktanalyse und Produktinformation eingesetzt." Die von der Umfrage Angesprochenen mußten nicht zuletzt aufgrund dieser "Zusicherung" davon ausgehen, daß es sich bei der Umfrageaktion der Bekl. um Marktforschung nach den anerkannten Regeln der Markt- und Sozialforschung handeln würde, nicht dagegen um eine Werbeaktion, durch die Adressenmaterial zum Absatz von Vermögensanlagen gesammelt werden sollte. Eine solche Werbung, die unter dem Vorspiegeln einer anonymen Marktumfrage der Beschaffung von Adressenmaterial zum Anbahnen von Vertragsbeziehungen dient, ist wettbewerbswidrig (§ 1 UWG).

Die Bekl. beruft sich zu Unrecht für ihre gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung "Verbraucher-Briefumfrage" des BGH (GRUR 1973, 286). In diesem vom BGH entschiedenen Fall waren die Befragten vom werbenden Weingut darauf hingewiesen worden, daß der Werbende gerne bereit sei, dem Befragten auch eine persönliche Vorstellung verschiedener Weinsortimente im Rahmen einer für ihn völlig kostenlosen und zu nichts verpflichtenden Weinprobe zu geben. Durch diesen Hinweis war die Umfrage als Werbemaßnahme hinreichend gekennzeichnet und als solche Werbemaßnahme auch für die angesprochenen Befragten erkennbar. Im Streitfall war dagegen die vollständig vertrauliche Handhabung der Daten zugesichert worden. Anhaltspunkte, daß die Umfrage auch der Werbung für die Produkte der Bekl. und für die Anbahnung von Vertragsbeziehungen verwendet werden könnten, sind nicht erkennbar.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht; Markt- und Sozialforschung