Akquisition von Versicherungsunternehmen

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 11. 1991


Aktenzeichen

6 U 103/91


Leitsatz des Gerichts

  1. Es ist unlauter im Sinne von § 1 UWG, wenn sog. Interviewer auf Veranlassung eines Versicherungsunternehmens potentielle Kunden dergestalt ansprechen, daß sie zunächst den Eindruck erwecken, sie wollten im Auftrag eines Meinungsforschungsunternehmens eine Umfrage durchführen, während es tatsächlich nur um die Ermittlung von persönlichen Daten der Angesprochenen geht, um diese dann bei einem Besuch eines anderen Mitarbeiters des Versicherungsunternehmens unter Verwendung dieser Daten gezielt zu umwerben und zu einem Vertragsabschluß zu bewegen.

  2. Der Hinweis eines Mitarbeiters eines Versicherungsunternehrnens zu Beginn des Akquisitionsgesprächs, er komme von einem bestimmten Versicherungsunternehmen, stellt den eigentlichen Zweck des Gesprächs nicht ausreichend klar, wenn im Anschluß daran lediglich eine Befragung des potentiellen Kunden angekündigt wird, ohne daß ausdrücklich oder in anderer Weise das Ziel dieser Befragung deutlich gemacht wird.

Entscheidungsgründe

Aus den Entscheidungsgründen:

Nachdem die Parteien im Berufungstermin den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten beider Instanzen gem. § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren aber die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Wie die Beklagte tatsächlich Kunden akquiriert, ist letztlich bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten im Berufungstermin unter den Parteien streitig geblieben. Der Kläger hat insoweit mit seiner Replik vom 13.9.1991 auf die Berufungserwiderung sein früheres Vorbringen geändert und ein "zweistufiges" Vorgehen der Beklagten bei der Akquisition behauptet und geltend gemacht, die Beklagte bediene sich sog. Interviewer, die zunächst gezielt den Eindruck erwecken, sie wollten im Auftrag eines Meinungsforschungsunternehmens eine Umfrage durchführen, während es tatsächlich nur um die Vorermittlung von persönlichen Daten der angesprochenen Personen gehe. Diese "Interviewer" würden dann die in dieser Weise beschafften Daten Agenten und Vermittlern zur Verfügung stellen, welche sich sodann mit dem Ziel eines Geschäftsabschlusses an die Interviewpartner wendeten. Komme es zum Abschluß, würden die "Interviewer" prozentual an der Vermittlungsprovision beteiligt. Demgegenüber hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. 10. 1991 ein "zweistufiges" Vorgehen bei der Bewerbung der potentiellen Kunden zwar nicht bestritten, aber im übrigen behauptet, bereits das erste Gespräch mit dem potentiellen Kunden werde nicht von sog. Interviewern, sondern von freiberuflichen Außendienstmitarbeitern der Beklagten durchgeführt. Dabei würden sich diese Mitarbeiter zu Beginn des Gesprächs als Mitarbeiter der Beklagten, somit der A. Lebensversicherung, vorstellen und den Zweck ihres Besuchs erläutern, daß nämlich einige Fragen gestellt werden sollen, um eine Finanzdiagnose als Grundlage für ein auf den potentiellen Kunden zugeschnittenes Finanzdienstleistungsangebot zu entwerfen. Bei einem zweiten Besuch eines anderen Mitarbeiters der Beklagten werde dann ausdrücklich Bezug auf das erste Kundengespräch genommen und klargestellt, daß nunmehr das auf der Grundlage der Finanzdiagnose erstellte Angebot unterbreitet werde.

Geht man von der Darstellung des Klägers aus, wäre von einem unlauteren Handeln der Beklagten im Sinne von § 1 UWG bei der Akquisition von Kunden auszugehen. Es widerspricht den guten Sitten, sich unter Täuschung des Befragten über den Zweck der Befragung Daten zu beschaffen, um dann unter Ausnutzung dieser Daten den Befragten gezielter umwerben und zu einem Vertragsabschluß bewegen zu können (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 29f. mit weit. Nachw.). Unternehmen, die in dieser Weise vorgehen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorsprung vor ihren Mitbewerbern, die sich nicht derartiger Praktiken bedienen. Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, wird nämlich die Antwortbereitschaft des Verbrauchers entscheidend durch den Zweck der Befragung beeinflußt. Muß der Befragte annehmen, daß die ihm gestellten Fragen unverbindlich sind und daß der Fragesteller ihn insbesondere nicht zu einem Vertragsabschluß bewegen will, wird er eher bereit sein, auf die Fragen zu antworten, als wenn er schon zu Beginn des Gesprächs darüber informiert wird, daß er zu einem Vertragsabschluß veranlaßt werden soll. Im letzteren Fall wird ein großer Teil der Interviewpartner von vorneherein jede Beantwortung von Fragen ablehnen und das Gespräch sofort beenden, weil sie nicht an einem Vertrag interessiert sind, und damit dem Versicherungsunternehmen die Möglichkeit nehmen, unter Ausnutzung der durch das erste Gespräch geknüpften Beziehung und insbesondere durch die dabei gewonnenen persönlichen Daten gezielt auf den Befragten einzuwirken. Erfahren dann aber die Befragten bei dem zweiten Gespräch, daß die Befragung nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Zwecken dienenden Meinungsumfrage erfolgt ist, sondern lediglich eine besondere Werbemaßnahme war, um in Kontakt mit ihnen - den Befragten - zu gelangen und persönliche Daten zu erhalten, liegt es auf der Hand, daß ihre Auskunftsfreudigkeit gegenüber Markt- und Meinungsforschungsinstituten wesentlich nachläßt und deren Funktionsfähigkeit gefährdet (BGH GRUR 1973/268). Im Zweifel werden nämlich diese Befragten zukünftig jede Befragung ablehnen, weil sie befürchten, daß es sich dabei in Wahrheit wiederum nur um eine Werbemaßnahme für einen unaufgeforderten und damit meist unerwünschten Vertragsabschluß handelt.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß ein Anspruch des Klägers aus § 1 UWG entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daran scheitert, daß zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis besteht. Ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 1 UWG liegt bereits dann vor, wenn nach der Verkehrsauffassung lediglich der Anschein besteht, daß ein Gewerbetreibender seinen Absatz auf Kosten eines bestimmten Mitbewerbers fördert. Bedient sich aber die Beklagte der vom Kläger behaupteten Akquisitionsmethoden, kann dies zu der zuvor aufgezeigten Benachteiligung der Markt? und Meinungsforschungsinstitute führen.

Geht man demgegenüber von der Darstellung der Kundenwerbung aus, wie sie die Beklagte im Schriftsatz vom 8.10.1991 geschildert hat, wäre eine Wettbewerbsverletzung gem. § 1 UWG zu verneinen. Der Senat versteht diesen Vortrag der Beklagten dahin, daß die Beklagte behauptet, der angesprochene potentielle Kunde werde bereits unmittelbar zu Beginn des ersten Gesprächs darüber informiert, daß die ihm gestellten Fragen der Erstellung eines auf ihn - den Kunden - zugeschnittenen Vertragsangebots dienen. Bei diesem Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten würde somit der potentielle Kunde sofort über den tatsächlichen Zweck der Befragung aufgeklärt und kann sich daher in Kenntnis dieses Zweckes entscheiden, ob er die Fragen beantworten will. Eine Täuschung des Befragten würde dann nicht stattfinden; ebenso wäre nicht zu befürchten, daß die Auskunftsbereitschaft dieser Befragten gegenüber den Markt- und Meinungsforschungsunternehmen durch diese Werbemaßnahme der Beklagten beeinträchtigt würde.

Beide Parteien haben für ihren Sachvortrag Beweise angeboten. Stellt man daher auf diesen Sachvortrag ab, war die Frage der Erfolgsaussicht der Klage zum Zeitpunkt der Unterwerfungserklärung der Beklagten offen. Insoweit entspricht es gem. § 91 a Abs. 1 ZPO billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander auf zuheben.

Diese Kostenentscheidung erscheint aber ebenfalls angemessen im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, wonach der angesprochene Kunde bereits dadurch ausreichend über den tatsächlichen Zweck der Befragung aufgeklärt werde, daß der Außendienstmitarbeiter der Beklagten bei Beginn des Gesprächs darauf hinweise, daß er von der A. Versicherungsgruppe komme. Die Beklagte hat diese, schon in erster Instanz vertretene Ansicht auch im Schriftsatz vom 8. 10. 1991 aufrechterhalten und geltend gemacht, daß es neben dieser Aufklärung des Befragten keines Hinweises mehr bedarf, daß die erbetenen Daten Grundlage für einen Vertragsabschluß sein sollen. Damit berühmt sich jedoch die Beklagte eines Werbeverhaltens, das gern. § 1 UWG unlauter ist und dem Klagebegehren ohne die Unterwerfungserklärung der Beklagten zumindest teilweise zum Erfolg verholfen hätte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt der Hinweis des Fragestellers, er komme von der A. Versicherungsgruppe, den eigentlichen Zweck des Gesprächs nicht ausreichend klar, wenn im Anschluß daran der potentielle Kunde gebeten wird, einige Fragen zu persönlichen Daten zu beantworten. Wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verbraucher aus eigener Kenntnis und Erfahrung wissen, wird der Verbraucher auf der Straße, an seiner Haustüre und sogar per Telefon in vielfältiger Weise befragt, z.B. zu Produkten oder Dienstleistungen, aber auch zu persönlichen Daten. Aus der Sicht des Verbrauchers erscheint es danach naheliegend, daß auch Versicherungsunternehmen wie die Beklagte allgemeine Erhebungen anstellen, um bessere Grundlagen zur Beurteilung von Versicherungsrisiken bzw. zur Bemessung ihrer Versicherungsprämien usw. zu gewinnen. Nicht unbeachtliche Teile der durchschnittlichen Verbraucher werden daher den Hinweis der Mitarbeiter der Beklagten, daß sie von der A. Lebensversicherung kommen, jedenfalls dann nicht als ausreichende Aufklärung über den tatsächlichen Zweck des Gesprächs verstehen, wenn lediglich eine Befragung angekündigt wird, ohne daß ausdrücklich oder in anderer Weise das Ziel dieser Befragung klargestellt wird. Die noch im Schriftsatz der Beklagten vom 8. 10. 1991 bekräftigte Ansicht der Beklagten, in dieser Weise verfahren zu dürfen, begründet deshalb die unmittelbar bevorstehende Gefahr, daß die Mitarbeiter der Beklagten in der geschilderten Weise bei der Akquisition der Kunden verfahren und somit gern. § 1 UWG in unlauterer Weise den angesprochenen Kunden zu der Beantwortung von persönlichen Fragen veranlassen. Da der Kläger im Schriftsatz vom 13.9.1991 sein Klagebegehren auch auf dieses Vorbringen der Beklagten gestützt hat, wäre die Klage deshalb jedenfalls im Hinblick auf diese Erstbegehungsgefahr zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien erfolgreich gewesen.

Auch dies führt allerdings nicht zur Belastung der Beklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsstreits. Der Kläger begehrt mit seinem, in beiden Instanzen unveränderten Klageantrag Unterlassung von Akquisitionsgesprächen, sofern der Umworbene nicht "sofort darüber aufgeklärt wird, daß er zum Abschluß eines Vertrags bewegt werden soll". Schon der Wortlaut dieses Antrags, aber auch der Sachvortrag des Klägers machen deutlich, daß der Kläger damit eine ausdrückliche Aufklärung seitens der Beklagten fordert. Dieses Begehren des Klägers geht jedoch zu weit. Wie bereits vom Landgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt, ist eine Irreführung des Umworbenen und damit auch ein unlauteres Handeln der Mitarbeiter der Beklagten ausgeschlossen, wenn der tatsächliche Zweck des Gesprächs für den Angesprochenen klar erkennbar ist (vgl. auch BGH GRUR 1973/268f., Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 Rdnr. 29). Dies ist jedoch auch ohne den vom Kläger geforderten ausdrücklichen Hinweis bei Gesprächsbeginn denkbar.

Wie vom Senat im Berufungstermin ausgeführt, hätte der Klageantrag daher eingeschränkt und in derselben Weise gefaßt werden müssen wie die Unterwerfungserklärung der Beklagten im Berufungstermin, d.h. er hätte auch die Aufklärung "auf andere Weise" über das Ziel der Befragung des potentiellen Kunden umfassen müssen. Der Kläger hätte daher ebenfalls dann mit seinem Klagebegehren nur teilweise Erfolg gehabt, wenn man auf die aufgezeigte Erstbegehungsgefahr für ein unlauteres Handeln der Beklagten bis zu ihrer Unterwerfungserklärung vom 9. 10. 1991 abstellt.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

UWG $ 1