Halbschichtige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs - unbillige Härte

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

25. 10. 1989


Aktenzeichen

7 RAr 150/88


Leitsatz des Gerichts

  1. Folgt Grund und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld aus zumutbarer Halbtagsbeschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, so rechtfertigt der daraus folgende niedrige Leistungssatz weder einen gesetzlich ausgeschlossenen Rückgriff auf den höheren Leistungssatz einer früheren Arbeitslosenhilfe (§ 112 V Nr. 4 AFG) noch eine fiktive Bemessung nach einer Vollzeittätigkeit gem. § 112 VII AFG, sofern dessen Voraussetzungen als solche nicht vorliegen (Fortführung von BSG, SozR 4100 § 112 Nr. 49; BSG, Urt. v. 8. 6. 1989 - 7 RAr 40/88; NZA 1990, 76; 206).

  2. Zur Zumutbarkeit der Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung, deren Netto-Entgelt nur wenig über dem Leistungssatz der bisherigen Arbeitslosenhilfe liegt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. streiten über die Höhe der der Kl. nach einer Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung zustehenden Leistungsansprüche. Die Kl. ist 1935 geboren und von Beruf Altenpflegerin. Sie bezog bis 1979 Arbeitslosengeld und anschließend mit Unterbrechungen Arbeitslosenhilfe, zuletzt nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 525 DM in Höhe von wöchentlich 195,60 DM. In der Zeit vom 1. 4. 1985 bis 31. 3. 1986 übte die Kl. im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Tätigkeit als Arzthelferin (Beschäftigungstherapeutin) bei der Stadt N. aus. Sie erhielt - vor ihrem Ausscheiden ab gerechnet - für Dezember 1985 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1142,96 DM sowie für Januar und Februar 1986 ein solches in Höhe von je 1181,79 DM. Die Arbeitszeit betrug 20 Stunden wöchentlich. In der Zeit vom 24. 2. bis 24. 8. 1986 bezog die Kl. Krankengeld; während dieses Zeitraumes wurden Beiträge entrichtet (§ 186 AFG). Zum 25. 8. 1986 meldete sich die Kl. arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Bekl. gewährte ihr diese Leistung ab 25. 8. 1986 für 104 Wochentage in Höhe von 124,20 DM wöchentlich, und zwar unter Zugrundelegung der Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag (Leistungsgruppe A) und eines gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 270 DM. Das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt ist aufgrund des für Dezember 1985 bis Februar 1986 durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden errechnet worden (1168,85 DM : 86,66 Arbeitsstunden monatlich x 20 Stunden wöchentlich = 269,75 DM). Der Widerspruch, mit dem die Kl. geltend machte, sie sei hereingelegt worden, weil ihr vor der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein Mitarbeiter der Bekl. erklärt habe, daß sie nach Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ihren alten Arbeitslosenhilfe-Satz wiedererhalten werde, blieb ohne Erfolg. Während des Klageverfahrens hat die Bekl. der Kl. für die Zeit vom 24. 12. 1986 bis 28. 2. 1988 Anschluß-Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 110,40 DM nach einem Bemessungsentgelt von 270 DM bewilligt.

Das SG hat die Bekl. unter Zulassung der Berufung verteilt, das Arbeitslosengeld neu festzusetzen und dabei von einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auszugehen. Auf die Berufung der Bekl. hat das LSG die Bekl. verurteilt, der Kl. höheres Arbeitslosengeld und höhere Arbeitslosenhilfe unter Zugrundelegung des sich aus § 112 VII AFG ergebenden Arbeitsentgelts zu gewähren; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Revision des Bekl. führte zur Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... Streitgegenstand sind der Bescheid vom 20. 8. 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. 9. 1986, durch den die Bekl. der Kl. ab 25. 8. 1986 Arbeitslosengeld für 104 Wochentage gewährt hat, und der Bescheid (Verfügung) vom 2. 1. 1987, durch den die Bekl. der Kl. für die Zeit vom 24. 12. 1986 bis 28. 2. 1988 Anschluß-Arbeitslosenhilfe bewilligt hat. Der Inhalt dieser Bescheide bestimmt den rechtlichen Umfang der Ansprüche, über den das RevGer. zu entscheiden hat (§ 123 SGG). Dagegen ist der Bescheid vom 25. 3. 1988, auf den sich die Bekl. im Revisionsverfahren bezieht und durch den sie der Kl. Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29. 2. 1988 bis 28. 2. 1989 zugesprochen hat, der Prüfung im Revisionsverfahren entzogen. Seine gegebenenfalls fehlerhafte Nichteinbeziehung in das Verfahren vor dem BerGer. und eine dementsprechende Verletzung des § 96 SGG wäre nur auf entsprechende Rüge hin zu beachten (BSG, SozR 1500 § 53 Nr. 2 und 4100 § 113 Nr. 5). An ihr fehlt es indes.

Dem Grunde nach hat die Kl. ab 25. 8. 1986 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Sie hat an diesem Tag alle Voraussetzungen für die Entstehung eines Arbeitslosengeld-Anspruchs erfüllt (§ 100 I AFG), insbesondere die Anwartschaftszeit (§ 104 I 1 AFG, zuletzt geändert durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. 12. 1981 - BGBl I, 1497). Sie hat innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist, die vom 25. 8. 1983 bis 24. 8. 1986 lief (§ 104 II, III Halbs. 1 AFG), in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden bzw. den Tatbestand des § 107 I Nr. 5 Buchst a AFG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (HBegleitG 1984) vom 22. 12. 1983 (BGBl I, 1532) erfüllt, der den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung u. a. die Zeiten gleichstellt, für die wegen des Bezuges von Krankengeld - wie hier - Beiträge zu zahlen waren (§ 186 AFG). Der Erwerb des Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch Erfüllung der neuen Anwartschaftszeit am 25. 4. 1986 hatte nach der Vorschrift des § 135 I Nr. 1 AFG zwangsläufig das Erlöschen des früheren Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe zur Folge. Auf die Frage, ob diese Rechtswirkung auch deswegen eingetreten ist, weil am 25. 8. 1986 seit dem letzten Tage des Bezuges von Arbeitslosenhilfe mehr als ein Jahr vergangen war (§ 135 I Nr. 2 AFG), kommt es nicht mehr an.

Unter diesen Umständen scheidet ein Rückgriff auf den früheren Arbeitslosenhilfe-Anspruch im Wege des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus. Das vorliegend verwirklichte Merkmal der Anwartschaftszeit läßt sich nicht durch eine rechtlich zulässige Amtshandlung der Bekl. beseitigen. Das gilt selbst dann, wenn der Kl. - wie sie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat - vor der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seitens eines Mitarbeiters der Bekl. erklärt worden sein sollte, sie werde nach Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ihren alten Arbeitslosenhilfe-Satz wiedererhalten. Da es sich bei der Verwirklichung der Anwartschaftsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld um einen rechtserheblichen Tatbestand handelt, der tatsächliche Verhältnisse betrifft und nicht rückabgewickelt werden kann, wäre es gesetzwidrig, die Kl. unter Ausschaltung insbesondere der Vorschrift des § 135 I Nr. 1 AFG allein deswegen in den Genuß ihres erloschenen früheren Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe kommen zu lassen, weil ihr neu erworbener Anspruch auf Arbeitslosengeld niedriger ist, als es ihr früherer Anspruch auf Arbeitslosenhilfe war. Der Senat hat zu dieser Frage bereits ausführlich Stellung bezogen. Auf die entsprechende Entscheidung wird verwiesen (BSG, NZA 1990, 36 m. w. Nachw.).

Die Höhe des der Kl. am 25. 8. 1986 zustehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist von der Bekl. zutreffend festgesetzt worden. (Wird ausgeführt.)

Zutreffend hat die Bekl. dieses durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit 20, d. h. der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht, die der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vorliegend als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrunde gelegen hat. Im Regelfall ist als Vervielfältiger zwar die Zahl der Arbeitsstunden anzusetzen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 II 1 AFG i. d. F. des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes), wenn - wie hier - eine tarifliche Arbeitszeit bestand. Etwas anderes gilt jedoch, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart worden sind; dann ist die vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen (§ 112 IV Nr. 3 AFG). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Der Senat hat bereits früher zum Ausdruck gebracht, daß die Frage, ob eine Arbeitszeitvereinbarung vorübergehender Natur ist, allein nach dem Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen ist, für das die Vereinbarung getroffen worden ist. Das hat zur Folge, daß eine Arbeitszeit schon dann nicht nur vorübergehend vereinbart ist, wenn sie für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten soll. Eine geringere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart wird, ist mithin unbeschadet der Kürze der Frist in keinem Fall nur vorübergehend vereinbart (BSG, SozR 4100 § 112 Nr. 28; vgl. hierzu auch etwa Gagel, AFG, Stand: Februar 1989, § 112 Rdnrn. 197 ff.; Heuer, in: Hennig-Kühl-Heuer, AFG, Stand: Juni 1989, § 112 Rdnr. 23). Dieser Grundsatz, an dem der Senat festhält, beruht auf dem die Vorschrift des § 112 AFG durchziehenden Gedanken, daß das Arbeitslosengeld dem Arbeitlosen ermöglichen soll, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war (BSGE 53, 186 (189) = SozR 4100 § 112 Nr. 20). Dementsprechend soll das Bemessungsentgelt nicht höher sein als das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Etwas anderes liefe dem Grundsatz zuwider, die Höhe des Arbeitslosengeldes an das bisher aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt anzuknüpfen. Wenn trotzdem gem. § 112 IV Nr. 3 AFG eine nur vorübergehend vereinbarte kürzere als die tarifliche oder übliche Arbeitzeit unberücksichtigt bleibt, kann dies nur für eine Arbeitszeitvereinbarung gelten, die lediglich wenige Monate erfaßt, das Beschäftigungsverhältnis im übrigen aber nicht prägt. Härten, die durch diese zurückhaltende Beurteilung des Vorübergehenden entstehen, werden - sofern die Voraussetzungen gegeben sind - durch § 112 VII AFG ausgeglichen (BSG, SozR 4100 § 112 Nr. 28).

Nach alledem greift im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 112 IV Nr. 3 AFG ein. Abgesehen davon, daß sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht lediglich auf einige wenige Monate, sondern ein ganzes Jahr erstreckte, hat die Arbeitszeitvereinbarung das gesamte Arbeitsverhältnis der Kl. erfaßt. Das schließt die Annahme einer nur vorübergehenden Arbeitszeitvereinbarung aus. Die Kl. kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie sei von der Bekl. in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingewiesen worden und habe die Arbeitszeitvereinbarung über 20 Stunden nicht freiwillig abgeschlossen; eine Teilnahme sei ihr grundsätzlich nicht zuzumuten gewesen; nachdem sie aber teilgenommen habe, dürften ihr nicht wirtschaftlich unzumutbare Nachteile auferlegt werden. Auch wenn die Bekl. die Kl. nicht in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingewiesen, sondern ihr eine sonstige halbschichtige Beschäftigung angeboten hätte, hätte die Kl., sofern sie nicht die Feststellung einer Sperrzeit (§ 119 I 1 Nr. 2 AFG) riskieren wollte, das Arbeitsangebot nicht ablehnen dürfen. Das folgt aus § 6 I Halbs. 2 ZumutbarkeitsAnO vom 16. 3. 1982 (ANBA 1982, 523). Danach ist ein Nettoarbeitsentgelt, das den Arbeitslosenhilfe-Satz unterschreitet, unzumutbar. Zugleich bedeutet dies, daß die Annahme einer Beschäftigung nicht deshalb unzumutbar ist, weil das Nettoarbeitsentgelt den früheren Arbeitslosenhilfe-Satz nicht oder nur wenig überschreitet. Letzteres war hier der Fall. Während nämlich der Arbeitslosenhilfe-Satz, der der Kl. vor dem 1. 4. 1985 zustand, monatlich 847,60 DM betrug (195,60 DM x 13 : 3), belief sich das Nettoarbeitsentgelt, das aus der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme resultierte, nach dem eigenen Vortrag der Kl. von Anfang an auf 868,62 DM.

Des weiteren stellt die Vorschrift des § 6 I Halbs. 2 ZumutbarkeitsAnO, wie die Bekl. mit Recht betont, unter Beweis, daß es für die Frage der Zumutbarkeit nicht auf die finanzielle Situation bei möglicher Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ankommt. Dies ist auch sinnvoll. Zum einen verfolgen die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung u. a. den Zweck, die Arbeitslosen in das Arbeitsleben wiedereinzugliedern (Ketelsen, in: Knigge-Ketelsen-Marschall-Wittrock, AFG, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 3); nicht selten kommt es auch dazu, so daß die Frage nach der Höhe des sich anschließenden Leistungsbezuges nicht auftritt. Zum anderen steht die Kl. nicht anders da, als wenn sie sich selbst eine entsprechende halbschichtige Beschäftigung gesucht hätte oder ihr eine solche zulässigerweise vom Arbeitsamt erfolgreich angeboten worden wäre. Auch dann könnte sie sich wegen des Erwerbes einer neuen Anwartschaft nicht mit Erfolg auf einen früheren höheren Arbeitslosenhilfe-Anspruch berufen.

Die Annahme der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist der Kl. gem. § 6 I Halbs. 2 ZumutbarkeitsAnO selbst dann zumutbar gewesen, wenn ihr durch die Arbeitsaufnahme erhöhte Aufwendungen, z. B. Reisekosten, entstanden sein sollten, so daß ihr im Ergebnis weniger als der frühere Arbeitslosenhilfe-Satz verblieben ist. In diesem Fall hätte sie nämlich Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme gehabt (§§ 53 f. AFG i. V. mit der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme vom 16. 3. 1982, ANBA 1982, 543).

Das von der Kl. in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt von 13,4877 DM ist sonach mit der Zahl 20, d. h. der Zahl der Arbeitsstunden, die die Kl. vereinbarungsgemäß regelmäßig in der Woche erbringen sollte, zu vervielfachen. Das führt, wie von der Bekl. richtig errechnet, zu einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 269,75 DM, das auf 270 DM, den nächsten durch 4 teilbaren Deutsche-Mark-Betrag, zu runden ist (§ 112 IX AFG in der bis zum 31. 12. 1987 geltenden Fassung). Ein höheres Bemesssungsentgelt als 270 DM läßt sich nicht aus § 112 V Nr. 4 AFG in der zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz geänderten Fassung herleiten. (Wird ausgeführt.)

Entgegen der Ansicht des LSG kommt schließlich auch eine entsprechende Anwendung des § 112 VII AFG nicht zum Tragen. Die Vorschrift des § 112 VII AFG ist nicht als eine Art Auffangtatbestand konzipiert, die Fälle der vorliegenden Art als Härtefälle berücksichtigen soll. Hiergegen spricht bereits, daß es sich bei § 112 VII AFG um eine Ausnahmeregelung handelt und solche Regelungen grundsätzlich eng auszulegen sind. Darüber hinaus widerspräche die Anwendung des § 112 VII AFG der aus dem Gesamtzusammenhang des § 112 AFG ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers, das Arbeitslosengeld an dem vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit tatsächlich erzielten Einkommen auszurichten (Versicherungsprinzip). Des weiteren verlangt § 112 VII AFG, wie der Senat schon früher ausgeführt hat, daß die Bemessung des Arbeitslosengeldes im Hinblick auf die bisherige Berufstätigkeit bzw. das daraus erzielte Entgelt unbillig hart ist, d. h. aus diesem Grund zu einer erheblichen Benachteiligung führt. Fehlt es - wie hier - schon deswegen an einer derartigen Benachteiligung, weil der Arbeitslose in den letzten drei Jahren vor der Arbeitlosmeldung keine andere berufliche Tätigkeit bzw. keine Tätigkeit mit längerer Arbeitszeit als die in dem nach § 112 III AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum ausgeübt hat, so kommt eine mittelbare Anwendung des § 112 VII AFG nicht in Betracht (BSG, Urt. v. 12. 5. 1982 - 7 RAr 88/80). Da die Bekl., anders als das LSG meint, gegenüber der Kl. auch keine Fürsorgepflicht hatte, aufgrund der es ihr versagt gewesen wäre, die Kl. in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einzuweisen, ist der Bescheid der Bekl. vom 20. 8. 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. 9. 1986 rechtens.

Wenn der Kl. dieses Ergebnis unbillig erscheint, so verkennt sie Inhalt und System der gesetzlichen Regelungen über die aus Beiträgen der Beschäftigten und ihrer Arbeitgeber bzw. aus Steuermitteln finanzierten Leistungen des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe. Der Gesetzgeber hat nicht ohne Grund der Vermittlung in Arbeit eindeutig den Vorrang vor dem Bezug dieser Leistungen eingeräumt (§ 5 AFG). Das bedeutet, daß Arbeitslose jede zumutbare Gelegenheit durch Arbeitsangebote wahrzunehmen haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, um dadurch die Allgemeinheit (d. h. die Beitrags- bzw. Steuerzahler) von diesem finanziellen Aufwand zu entlasten. Soweit die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben, wie sie sich hier in § 6 I Halbs. 2 Zumutbarkeits AnO konkretisieren, können deshalb finanzielle Erwägungen nicht als Grund für die Ablehnung eines Arbeitsangebots ins Feld geführt werden. Durchaus berechtigt verlangt das Gesetz daher, daß der Arbeitslose auch dann bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, wenn diese ihm - wie hier - netto nur wenig mehr einbringt, als er bei Verzicht auf diese Arbeitsgelegenheit vom Arbeitamt an Arbeitslosenhilfe weiter erhielte. Diese Konsequenz erfaßt dann aber auch eine gegenüber früheren Ansprüchen mindere Leistung, wenn die aufgenommene Tätigkeit nicht zu einer Dauerbeschäftigung führt und die neuen Ansprüche sich wegen der Ordnung des Gesetzes nach dem Entgelt aus der letzten Beschäftigung zu richten haben.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das Gesetz auch für Fälle der vorliegenden Art die Möglichkeit enthält, die Verfestigung einer ungünstigen Leistungsbemessung auf Dauer zu vermeiden, wenn der Arbeitslose anstelle einer gewünschten Vollzeittätigkeit nur eine Halbtagsbeschäftigung aufnehmen konnte und sich deshalb bei Wiedereintritt von Arbeitslosigkeit nur ein geringer Leistungssatz ergibt. In § 136 IIb AFG, eingefügt durch das 7. AFG-Änderungsgesetz, ist nämlich bestimmt, daß das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraumes nach § 112 VII AFG neu festzusetzen ist; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß das Bemessungsentgelt der Kl. nach Ablauf der genannten Zeit gegebenenfalls nach oben zu korrigieren ist (BT-Dr 10/3923, S. 25 zu Nr. 30 Buchst. d; Kühl, in: Hennig-Kühl-Heuer, § 136 Rdnr. 13; Wittrock, in: Knigge-Ketelsen-Marschall-Wittrock, § 136 Rdnr. 15). ...

Vorinstanzen

LSG Schleswig-Holstein, L 3 Ar 32/88, 22.09.1988

Rechtsgebiete

Sozialrecht